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meggie3

Bewertungen

Insgesamt 131 Bewertungen
Bewertung vom 06.08.2024
Die Sache mit Rachel
O'Donoghue, Caroline

Die Sache mit Rachel


gut

Lässt sich super lesen, hat mich dennoch nicht vollkommen überzeugt

Rachel ist Anfang 20, studiert in Cork und arbeitet in einem Buchladen. Dort lernt sie James kennen, der zu ihrem besten Freund wird. Sie ziehen zusammen in ein etwas heruntergekommenes Haus, werden (langsam) erwachsen, verlieben sich und müssen mit der Rezession, den begrenzten Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt in Cork und sich selbst umgehen lernen.

Spannend wurde der Roman für mich immer dann, wenn er sich etwas tiefergehender mit gesellschaftlichen Themen in Irland befasst hat. Die Teile des Romans, die mich in den Bann gezogen haben, waren insbesondere die Auseinandersetzung mit dem Abtreibungsverbot, den Auswirkungen der Rezession und den begrenzten beruflichen Perspektiven.

Aufgrund des flüssigen Schreibstils habe ich keinerlei Anlaufzeit gebraucht, um in das Buch hineinzufinden. Auch wenn ich die Naivität, die Rachel an den Tag legt, zum Teil mit ihrem zu Beginn jungen Alter erklären kann, nutzte sich diese Erklärung für mich mit der Zeit ab. Ich muss in Romanen nicht jeden Handlungsschritt der Protagonist:innen verstehen können, aber in „Die Sache mit Rachel“ ist es mir doch zu häufig nicht gelungen, nachvollziehen zu können, weshalb Rachel agiert wie sie agiert. Gleichzeitig hat mir immer wieder die Tiefe der Charaktere gefehlt und vielleicht auch eine Weiterentwicklung von Rachel.

Einen Kritikpunkt habe ich aber auch noch am (ansonsten guten) Schreibstil: die zum Teil vulgäre Sprache, die ich in Romanen eigentlich nicht lesen mag. Zumal ich sie gegen Ende des Buches auch inhaltlich unpassend fand.

Mein Fazit: „Die Sache mit Rachel“ ist ein gut geschriebener Roman, der mich inhaltlich leider nicht völlig überzeugen konnte. Unterhaltsam, aber viel mehr für mich leider nicht, obwohl das Potenzial sicher da ist.

Bewertung vom 06.08.2024
In den Farben des Dunkels
Whitaker, Chris

In den Farben des Dunkels


ausgezeichnet

Ein berührendes Leseerlebnis

Patch und Saint wachsen in den 70-ern gemeinsam im US-amerikanischen Monta Clare auf. Beide sind eher Außenseiter*innen, Patch hat nur ein Auge und Saint begeistert sich für ihre Bienen und die Herstellung von Honig. Als Patch beobachtet, wie die stadtbekannte Misty Meyer in Gefahr ist, greift er ein. Sie kann fliehen, während er entführt wird. Saint setzt alle Hebel in Bewegung, um ihren Freund zu finden. Doch auch nach der erfolgreichen Befreiung wirkt die fast ein Jahr dauernde Gefangenschaft nach. Patch macht sich auf die Suche nach Grace, dem Mädchen, das mit ihm im dunklen Keller war. Saint versucht ihre Freundschaft aufrechtzuerhalten und unterstützt ihn so gut sie kann. Beide Leben drehen sich über Jahrzehnte um die Suche nach Grace und der Wahrheit…

Für mich ist in „In den Farben des Dunkels“ ein ganz besonderer Roman. Chris Whitaker hat es über die fast 600 Seiten geschafft, die Spannung jederzeit hochzuhalten. Sein Schreibstil ist sehr ruhig und es hat mir viel Freude gemacht, mitzuleiden und mitzufiebern. Die Charaktere sind authentisch und sehr liebevoll beschrieben. Nicht nur Saint und Patch haben viel Tiefe, auch alle anderen Charaktere sind mehrdimensional. Die Entwicklung der Charaktere ist sehr gelungen und ich habe mit den beiden Protagonist*innen sehr mitgefiebert. Die Beziehung zwischen Saint und Patch ist wirklich besonders und interessant.

Ich fand sehr spannend, wie Chris Whitaker die Auswirkungen eines so traumatischen Erlebnisses beschreibt und wie es das gesamte Leben vieler verschiedener Personen bestimmt.

„In den Farben des Dunkels“ ist toll geschrieben und absolut empfehlenswert, für alle, die sich auf berührende Literatur einlassen möchten. Es geht um Freundschaft, Liebe, Hingabe und Verzweiflung. Insgesamt ist es ein sehr emotionaler, umfangreicher Roman und sicherlich nicht das letzte Buch, das ich von Chris Whitaker gelesen habe.

Bewertung vom 06.08.2024
Signum / Stormland Bd.2
Lindqvist, John Ajvide

Signum / Stormland Bd.2


ausgezeichnet

Starke Fortsetzung

Kim Ribbing hat beschlossen, einige Antworten auf seine Fragen bekommen zu wollen. Dazu entführt er seinen früheren Peiniger, den Psychiater Martin Rudbeck. Als alles anders läuft als geplant, muss Kim reagieren. Und auch die Schriftstellerin Julia Malmros, seine Freundin, muss die Entscheidung treffen, auf welcher Seite des Gesetzes sie in diesem Fall stehen möchte bzw. kann. Sie selbst recherchiert zu der rechtsextremen Bewegung der „wahren Schweden“. Außerdem beschäftigt sie der Umgang mit dem Sterben, da ihr Vater alt und krank ist und ihre Vertraute und Freundin Irmi das Thema immer wieder thematisiert.

In dem Thriller ist thematisch sehr viel drin, auch unabhängig von der „reinen“ Thrillerhandlung. Mir hat die Mischung aber gut gefallen. Die Charaktere werden im Vergleich zum ersten Teil nochmal weiterentwickelt und haben viel Tiefe. Mich hat der Thriller wie schon Band 1 sehr gefesselt. Auch wenn es nicht klassisch um das Aufklären eines Verbrechens geht, wie ich es sonst gerne mag, fand ich das Buch sehr spannend. John Ajvide Lindqvist gelingt ein guter Spannungsaufbau und er spielt mit Charakteren, die Ecken und Kanten haben. Gerade die zwischenmenschlichen Beziehungen sind sehr gut herausgearbeitet.

Ich würde empfehlen, den ersten Teil (Refugium) zuerst zu lesen, da einige Zusammenhänge dadurch besser verständlich sind und im zweiten Teil Aspekte vorweggenommen werden, sodass aus meiner Sicht das Lesen des ersten nach dem zweiten Teil nicht mehr viel Sinn macht.

Ich freue mich schon sehr auf den dritten Band, den ich mit Sicherheit auch lesen werde.

Bewertung vom 03.06.2024
Windstärke 17
Wahl, Caroline

Windstärke 17


ausgezeichnet

Ein wirklich schöner Roman

Ida flieht nach dem Tod ihrer Mutter aus der gemeinsamen Wohnung, weil sie es nicht mehr aushält und alles hinter sich lassen möchte. Spontan entscheidet sie sich, nicht zu ihrer Schwester Tilda und ihrer Familie nach Hamburg zu fahren, sondern einfach weiter ans Meer. Sie landet auf Rügen und lernt durch Zufall Knut und Marianne kennen, die sie bei sich aufnehmen und als Familienmitglied akzeptieren. Dort erlebt Ida ein Familienleben, wie sie es aus ihrer Kindheit nicht kannte. Sie darf in Knuts Kneipe „Die Robbe“ helfen und verbringt die verbleibende Zeit mit Marianne und Schwimmen. Sie versucht, zur Ruhe zu kommen und mit den Bildern, die sie verfolgen, klarzukommen. Und sie lernt zu vertrauen und Bindung zuzulassen, lernt Leif kennen und lässt sich langsam auf ihn ein. Doch als alles besser zu werden scheint, wird Ida mit Mariannes schwerer Krankheit konfrontiert und muss für sich herausfinden, wie sie damit umgehen kann.

Der Roman hat mich sehr berührt, an einigen Stellen musste ich ihn zur Seite legen, weil ich sehr mit Ida mitgelitten habe. Dennoch habe ich ihn gerne gelesen, mir dabei aber die Zeit genommen, die ich brauchte.

Caroline Wahl kann das Fühlen und Handeln von Charakteren sehr authentisch beschreiben, sodass ich es als Leserin nachvollziehen kann, auch wenn es nicht unbedingt rational ist. Der Roman befasst sich mit Schuldgefühlen, Wut, Trauer, Ohnmacht und Unsicherheit, bietet aber auch Auszeiten davon und schöne, ausgelassene Momente, die das Lesen leichter machen und Hoffnung und Mut transportieren. Ein wirklich schöner Roman.

Wer den ersten Roman von Caroline Wahl, der sich in erster Linie um Idas Schwester Tilda dreht, noch nicht gelesen hat, dies aber noch tun möchte, sollte „22 Bahnen“ zuerst lesen. Trotzdem kann „Windstärke 17“ unabhängig von „22 Bahnen“ gelesen werden, er baut einfach auf den Geschehnissen aus dem ersten Roman auf und nimmt entsprechend einige zentrale Punkte vorweg.

Mir hat „Windstärke 17“ außerordentlich gut gefallen. Es gelingt wenigen Autor*innen und Romanen, mich auf diese Weise nachhaltig zu berühren.

Bewertung vom 03.06.2024
Unter dem Moor
Weber, Tanja

Unter dem Moor


ausgezeichnet

Drei Frauen zu unterschiedlichen Zeiten am gleichen Ort

In „Unter dem Moor“ geht es um drei sehr verschiedene Frauen, die zu unterschiedlichen Zeiten in der Region am Stettiner Haff gelebt haben.
Die junge Ärztin Nina stellt fest, dass sie so, wie sie bisher gelebt hat, nicht weitermachen kann. Sie fühlt sich überfordert und erschöpft. Sie beschließt, sich eine Auszeit zu nehmen. Als ihr Freund beruflich ins Ausland geht, ergreift sie die Gelegenheit, um für einige Wochen raus aus dem trubeligen Berlin zu kommen. Sie mietet sich ein Haus am Stettiner Haff und versucht mit ihrer anspruchsvollen Hündin zur Ruhe zu kommen. Allerdings stößt sie dort eines Tages auf der Suche nach ihrer entlaufenen Hündin auf menschliche Knochen…
Der zweite Erzählstrang befasst sich mit der Geschichte von Sigrun, die während der DDR in dem gleichen Ort am Stettiner Haff lebt. Sie wünscht sich mehr, als der Ort ihr bietet und hadert mit ihrer Rolle in der DDR.
Der letzte Strang geht um Gine, die 1936 zu einem Landjahr gezwungen wird. Dort muss sie harte Lebensbedingungen und harte Arbeit sowie ein schreckliches Erlebnis ertragen.

Die Zeit am Stettiner Haff verbindet die drei Frauen und der Autorin gelingt es durch das Abwechseln der Erzählstränge, die Zusammenhänge langsam deutlich zu machen. Ähnlich wie bei einem Krimi konnte ich als Leserin überlegen, wie die Erlebnisse der Frauen zusammenhängen könnten.
Die Protagonist*innen wirken auf mich authentisch und ich habe mitgefühlt. Ganz besonders gut gelungen fand ich die atmosphärischen Beschreibungen des Stettiner Haffs und die Stimmung, die zu den jeweiligen Zeitpunkten dort herrscht.

Insgesamt hat mir der Roman gut gefallen. Wer sich auf verschiedene, zunächst nicht zusammenhängende, Erzählstränge einlassen möchte und mit Beschreibungen von Natur und Atmosphäre etwas anfangen kann, dem oder der könnte „Unter dem Moor“ gefallen.

Bewertung vom 21.05.2024
Die Dämmerung / Art Mayer-Serie Bd.2
Raabe, Marc

Die Dämmerung / Art Mayer-Serie Bd.2


ausgezeichnet

Sehr spannender zweiter Fall für Art und Nele

In einem Wald wird eine aufwändig mit einem Hirschgeweih inszenierte Leiche gefunden. Es handelt sich um die bekannte Wohltäterin Charlotte Tempel, die zeitnah den Medienpreis „Hirsch“ erhalten soll. Schnell gerät ihre Tochter Leo unter Verdacht, die als Klimaaktivistin mit dem Leben und Handeln ihrer Mutter nicht immer einverstanden war. Insbesondere Ermittler Art hat Zweifel an ihrer Schuld, obwohl Leos Handeln und ihre Reaktionen auf die Ermittlungen sie verdächtig machen.

Neben den Ermittlungen haben beide Ermittler:innen und Protagonist:innen mit sich selbst bzw. eigenen Problemen zu tun. Nele steht kurz vorm Mutterschutz und muss sich darüber klar werden, wie sie ihr Leben nach der Geburt ihres Kindes gestalten möchte und kann. Art hingegen ist noch immer auf der Suche nach der Mutter seiner siebenjährigen Nachbarin Milla und nimmt eine zunehmend größere Rolle im Leben des Mädchens ein.

Mir hat der erste Band um Art und Nele schon extrem gut gefallen, dieser Band steht dem ersten in keiner Weise nach. Ich mag die Protagonist:innen und wie die beiden sehr unterschiedlichen Charaktere mehr und mehr zusammenwachsen, dabei aber ihre Individualität nicht verlieren. Der Spannungsaufbau ist top, von Seite eins an mochte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Marc Raabe gelingt ein guter Spagat zwischen der detailreichen Ermittlungsarbeit und ausreichend (und auch nicht zu viel) Raum für die Protagonist:innen. Neben dem Inhalt finde ich das Cover sehr gelungen. Es springt ins Auge und weist Parallelen zum ersten Teil auf, sodass es einen Wiedererkennungswert hat.

Auch den zweiten Teil kann ich sehr empfehlen. Wer Spannung und interessante Protagonist:innen mag, kommt hier auf seine Kosten. Ich kann den nächsten Band kaum erwarten und freue mich schon sehr auf ihn.

Bewertung vom 03.04.2024
Grenzfall - In den Tiefen der Schuld / Jahn und Krammer ermitteln Bd.4
Schneider, Anna

Grenzfall - In den Tiefen der Schuld / Jahn und Krammer ermitteln Bd.4


sehr gut

Neue gute Runde für Krammer und Alexa

Direkt im Anschluss an die abgeschlossenen Ermittlungen des letzten Krimis um Alexa und Krammer, verschwindet Krammers langjährige Kollegin Roza Szabo. Auf Videoaufnahmen ist zu erkennen, dass sie fluchtartig das Polizeirevier in Innsbruck verlässt. Kurze Zeit später wird in ihrer Wohnung ein unbekannter Toter gefunden, im Gesicht eine Tauchermaske eines Verleihs am Walchensee in Deutschland. Krammer und seine Kolleg*innen Alexa und Huber aus Deutschland beginnen zu ermitteln. Und schnell wird klar: Roza verbirgt etwas und scheint in Gefahr zu schweben.

Ich mag die Krimis um Krammer und Alexa Jahn sehr gerne, mir gefallen die Protagonist*innen und wie sie zueinander in Beziehung stehen bzw. wie die Autorin die Beziehungen authentisch entwickelt.
Der Plot ist komplex, die verschiedenen Ermittlungsstränge scheinen zu Beginn noch nirgendwo hinzuführen. Die persönliche Geschichte von Roza steht im Mittelpunkt sowie Krammers Zweifel an der Beziehung zu Roza und ihrer Integrität. Trotzdem handelt es sich um einen klassischen Krimi mit polizeilicher Ermittlungsarbeit, der man gut folgen und miträtseln kann. Die österreichisch-deutsche Grenzregion bekommt wie in den bisherigen Krimis ebenfalls viel Raum. Die Autorin beschreibt die Schönheit der Region, gleichzeitig aber auch Gefahren, die bestimmte Gegenden unter Umständen bergen.
Einziger Minuspunkt des Krimis war für mich, dass sich relativ früh abgezeichnet hat, was hinter dem komplexen Fall und Rozas Verschwinden steckt. Dennoch habe ich gerne weitergelesen. Letztlich fand ich den sich immer mehr zuspitzenden Plot und die Auflösung sehr rund.

Der neue „Grenzfall-Krimi“ hat meine Erwartungen erfüllt. Wer Lust auf einen gut geschriebenen Regionalkrimi hat, kommt hier auf seine Kosten. Den schon angekündigten fünften Teil werde ich sicherlich auch lesen.

Bewertung vom 02.04.2024
Das kleine Buch der großen Risiken
Thomä, Jakob

Das kleine Buch der großen Risiken


sehr gut

Informatives, lexikonähnliches Sachbuch zu ernsten Themen der Gegenwart und Zukunft

Dieses Sachbuch ist in 26 kurze Kapitel von A-Z aufgeteilt, zu jedem Buchstaben gibt es ein Risiko, das erläutert wird. Es geht u.a. um Cyberrisiken, Schwarze Löcher, Hitze und Klimawandel, totalitäre Staaten und Ufos, also um unterschiedlich wahrscheinliche Risiken aus verschiedensten Bereichen.

Der Aufbau der einzelnen Einträge bzw. Kapitel sorgt für eine gute Strukturiertheit: zunächst wird das Risko in einem Satz beschrieben und dann kurz eingeordnet, inwiefern es sich lohnt, sich zu sorgen. Im Anschluss daran wird das jeweilige Risiko auf 5 – 10 Seiten genauer beschrieben. Hinten im Buch ist ein Literaturverzeichnis zu finden, das auf Studien und Bücher hinweist und Anregung für eine weitere Vertiefung bietet.

Jakob Thomä gelingt es, Risiken zu benennen und einzuordnen. Auch schwerwiegende Risiken werden in einem lockeren Ton behandelt, der den Themen etwas die Schwere nimmt. Der Umfang der Kapitel ist sehr angenehm. Sie haben genau die richtige Länge, um zu informieren und Zusammenhänge zu erklären, ohne dass sich in (unnötigen) Details verheddert wird. Ich habe wirklich viel gelernt, auch zu Themen, bei denen ich dachte, mich schon gut auszukennen.

Dennoch hat mich das Buch, insbesondere einige Kapitel, immer wieder stimmungsmäßig ganz schön heruntergezogen. Dies ist sicherlich keine Überraschung angesichts der Thematik, trotzdem hat es mich an einigen Stellen kalt erwischt. Ich würde auf jeden Fall empfehlen, das Buch nicht in einem Rutsch durchzulesen, sondern immer wieder Pausen einzulegen und die Risiken gut zu portionieren. Außerdem würde ich das Buch bei bereits gedrückter Stimmung nicht empfehlen.

Wer aber weiß, auf was er oder sie sich einlässt, kann viel lernen und durch „Das kleine Buch der großen Risiken“ gut unterhalten werden.

Bewertung vom 01.04.2024
Annas Lied
Koppel, Benjamin

Annas Lied


ausgezeichnet

Lesenswerter Roman

Der Roman erzählt die Geschichte von Hannah, die Anfang der 1920-er Jahre in eine jüdische Familie in Dänemark hineingeboren wird. Als Leser*in begleitet man sie ab dem Jahr 1929, als sie acht Jahre alt ist, bis ins Jahr 2019. Der Roman schildert Hannahs Jugend aus ihrer Perspektive: ihre Kindheit mit den vier Brüdern und ihrer Familie, viel Musik, die Veränderungen in den 30-er Jahren durch den deutschen Nationalsozialismus, der auch Auswirkungen auf die dänischen Juden hatte, und den 2. Weltkrieg. Nach dem zweiten Weltkrieg werden die Veränderungen deutlich und Hannah muss sich mit der bevorstehenden arrangierten Hochzeit und ihrem damit verbundenen Umzug nach Paris auseinandersetzen…

Der Roman zeigt eindrücklich die Diskrepanz zwischen den Träumen und der Liebe einer jungen Frau und den glaubensbedingten Anforderungen der Familie an sie. Dem Autor ist es sehr gut gelungen, Hannas schwierige Situation greifbar zu machen. Hannas ganzes Leben durchzieht die große Liebe zur klassischen Musik und ihrer Liebe zum Klavierspielen. Auch wenn zum Teil detailliert Klavierstücke und das Klavierspielen beschrieben werden, hatte ich als eher unmusikalische Person weder Probleme dem Inhalt zu folgen noch das Gefühl der Langeweile. Im Gegenteil, mich hat Hannas große Liebe zum Klavierspiel sehr beeindruckt.

Ich mag den Schreibstil des Autors, der Roman hat sich sehr gut lesen lassen. An einigen Stellen hätte ich mir gewünscht, dass er noch weiter in die Tiefe geht. Manchmal waren mir die Zeitsprünge auch etwas zu groß. Trotz der über 500 Seiten hatte der Roman meinem Empfinden nach keine Längen.
Hannas Geschichte verdeutlicht beispielhaft, wie Vertreibung, Flucht und Umbrüche die Geschichten und Leben vieler jüdischer Familien geprägt haben. Mir ist einiges noch klarer als zuvor geworden, auch weil Benjamin Koppel sehr eindrücklich schreibt.

Mir hat „Annas Lied“ sehr gut gefallen. Ich würde es allen empfehlen, die sich auf einen Roman über ein fast hundertjähriges Leben einlassen mögen.

Bewertung vom 24.03.2024
Demon Copperhead
Kingsolver, Barbara

Demon Copperhead


ausgezeichnet

Highlight-Buch: Absolut lesenswerter Roman

Demon Copperhead hat es von klein auf nicht leicht. Seine Mutter ist drogensüchtig, er muss sich schon sehr früh um sich und letztlich auch seine Mutter kümmern. Lichtblick ist die Nachbarsfamilie, die ihn fast wie einen weiteren Sohn behandelt. Armut und Perspektivlosigkeit ziehen sich durch seine Kindheit. Dennoch hat er Humor, liebt das Zeichnen und beobachtet genau. Er ist ein liebenswerter Protagonist und trifft in seinem Leben glücklicherweise auch immer wieder auf Menschen, die ihm wohlgesonnen sind.

Der Roman erzählt die Geschichte des Demon Copperhead, von seinem Aufwachsen bis hinein ins Erwachsenenleben. Er befasst sich thematisch mit dem US-amerikanischen Sozialsystem, der Schere zwischen Stadt und Land und „abgehängten“ Regionen und der Opioidkrise in den USA. Bei all den schweren Themen und den vielen Tiefschlägen, die Demon durchaus erleiden muss, hat der Roman meinem Empfinden nach wenig Schweres an sich. Es gibt immer wieder Passagen, die mich haben durchatmen lassen.

Absolut herausragend finde ich, wie die Autorin Demons Weg beschreibt. Mit vielen Tiefen, aber auch einigen Lichtblicken. Die Sprache lässt sich sehr gut lesen und es gab einige Passagen, die inhaltlich und sprachlich so berührend waren, dass ich sie mehrmals gelesen habe.

Auch wenn der Roman über 850 Seiten stark ist, ich fand ihn keine Seite zu lang. Auch wenn der Mittelteil mit der Beschreibung einer Generation, die in die Sucht rutscht, schwer zu ertragen war, habe ich das Buch wirklich gern gelesen. Der Autorin ist es gelungen, sehr ernste und bedrückende Themen in dem Roman so zu verpacken, dass es mich zwar berührt und mitgenommen, mich aber nicht komplett runtergezogen hat und ich gerne weitergelesen habe. Obwohl ich teilweise nur darauf gewartet habe, was als nächstes Furchtbares passiert und gehofft, dass es anders kommt…