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alina_liest07

Bewertungen

Insgesamt 50 Bewertungen
Bewertung vom 14.11.2023
Wilde Minze
LaCour, Nina

Wilde Minze


ausgezeichnet

Bittersüße (Liebes-)Geschichte
Sara kommt aus einer abgehängten Stadt in Kalifornien, die von Drogen und Kriminalität geprägt ist - Probleme, die sich bis in ihre Familie ziehen. So erfährt Sara schon früh den Verlust geliebter Menschen. Währenddessen wächst Emilie in einem wohlhabenden Umfeld in LA auf, aber auch sie leidet unter der Drogenabhängigkeit ihrer Schwester Colette.
Als Sara und Emilie sich als Erwachsene im berühmten Szenelokal Yerba Buena kennenlernen, ist es Liebe auf den ersten Blick. Doch, während die beiden Frauen versuchen ihren Weg zu gehen und sich eine eigene Zukunft aufzubauen, holt sie die Vergangenheit immer wieder ein.

Mit „Wilde Minze“ ist Nina LaCour eine wunderschöne Liebes- und Familiengeschichte gelungen. Geschrieben sowohl aus Saras als auch aus Emilies Perspektive, sind mir die beide Hauptfiguren schnell ans Herz gewachsen. Auch ihre Familien spielen eine große Rolle, vor allem die Beziehung der Geschwister - sowohl zwischen Sara und Spencer als auch zwischen Emilie und Colette - sind für mich eine große Stärke dieses Romans und haben mich sehr berührt.

Ruhig, aber fesselnd geschrieben, ist der Autorin eine schöne und bewegende Geschichte über das sich Verlieren und sich Findens, des Erwachsen werden und der queeren Liebe gelungen. Auch die Stimmung und Umgebung in LA, wo ein Großteil der Geschichte spielt, inklusive dem Szenelokal Yerba Buena, dem Essen und vor allem den Cocktails, konnte ich mir durch LaCours Beschreibungen lebhaft vorstellen.

„Wilde Minze“ ist eine tolle Geschichte zum Versinken und Mitfiebern, die ich in kürzester Zeit verschlungen habe und jedem empfehle, der eine schöne Liebesgeschichte mit Tiefgang sucht.

Bewertung vom 29.10.2023
Das Ende der Unsichtbarkeit
Nguyen, Hami

Das Ende der Unsichtbarkeit


ausgezeichnet

Eine wichtige Stimme
„Das Ende der Unsichtbarkeit“ behandelt eine in Deutschland noch viel zu wenig beachtete Form der Diskriminierung: Dem sogenannten anti-asiatischen Rassismus.

In elf Kapitel verbindet Hami Nguyen ihre persönlichen Erfahrungen mit der Geschichte der vietnamesischen Einwander*innen in Deutschland.
Die Autorin gibt uns eine kurze Einordnung der jüngeren vietnamesischen Geschichte und in die unterschiedlichen Bedingungen, die vietnamesische Flüchtlinge und Vertragsarbeiter*innen in der BRD und DDR erfahren haben. Besonders eindrücklich zeigt sie wie rassistische Pogrome wie Rostock-Lichtenhagen in Abschiebungen und verschärften Asylgesetzen anstatt Schutz der Betroffenen mündeten.

Nguyen schreibt und argumentiert dabei immer leicht verständlich, durch die Verbindung ihrer persönlichen Geschichte mit historischen und strukturellen Begebenheiten werden Probleme und Diskriminierungen sehr greifbar.
Es wird eindrücklich dargestellt welchen enormen Schäden willkürlichen Entscheidungen von Behörden und die ständigen Belastungen durch prekäre Aufenthaltsstatus verursachen.
Auch die Auswirkungen von vermeintlichen positiven Stereotypen und Fremdzuschreibungen – wie die von angepassten und fleißigen Migrant*innen – entlarvt die Autorin als zutiefst schädlich. So etwas wie positiven Rassismus gibt es nicht!

„Das Ende der Unsichtbarkeit“ ist ein sehr wichtiges Sachbuch - eines der ersten die das Thema des anti-asiatischen Rassismus in Deutschland behandelt - von dem ich viel gelernt habe.
Vor allem aber ist es auch eine sehr intime und berührende Geschichte und eine unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 04.09.2023
Kleine Probleme
Pollatschek, Nele

Kleine Probleme


sehr gut

Sehr humorvoll, aber auch (gewollt?) anstrengend
Lars, 49, ist ein mehr oder weniger erfolgreicher Schriftsteller und so ziemlich mit jeder Aufgabe überfordert und das schon seit einer ganzen Weile. Seine Freundin Johanna braucht Abstand und zieht für einige Monate nach Lissabon und auch seine Kinder sind von ihm genervt.
Und so findet sich Lars am Silvesterabend mit seiner schier endlos erscheinenden To-Do Liste inkl. Fertigstellung des eigenen Lebenswerks und somit einem Kampf gegen die Zeit wieder.

Jeder Punkt auf Lars‘ To-Do Liste wird ein eigenes, unterschiedlich langes, Kapitel gewidmet. Und dabei verlangt Nele Pollatschek dem Leser so einiges ab, denn sie schafft es die scheinbar simpelsten Aufgaben durch Lars wirre Gedanken, sein unfassbares Prokrastinationstalent bzw. sein Unvermögen wie das anstrengendste Unterfangen auf dieser Erde darzustellen.
Während des Lesens bin ich mehr als einmal sehr ungeduldig geworden und wollte die Hauptfigur Lars am liebsten schütteln. Gleichzeitig ist „Kleine Probleme“ auch voller lustigen Stellen, toller Wortkreationen und einfühlsamen Wahrheiten und Lebensweisheiten. Ich mag Nele Pollatscheks Schreibstil sehr, aber die teils endlosen Sätze und Gedanken Lars waren nicht immer einfach zu lesen und auch das Ende hat mich eher ratlos zurückgelassen.

Ich bin hin- und hergerissen – „Kleine Probleme“ hat mich teils köstlich unterhalten und teils wirklich genervt. Für mich 3,5 Sterne – wer sich auf den sehr humorvollen, aber auch anstrengenden Stil des Buchs einlassen kann, wird hier aber sicher ein paar unterhaltsame Stunden inklusive einiger Lebensweisheiten finden.

Bewertung vom 06.08.2023
Nichts in den Pflanzen
Haddada, Nora

Nichts in den Pflanzen


sehr gut

Bitterböses Debüt
Als Leila, eine aufstrebende Drehbuchautorin, auf einer Party Leon kennenlernt, scheinen sich zunächst einige Türen zu öffnen. So erhält sie ihren ersten Vertrag mit einer bekannten Produktionsfirma und es scheint allen Grund zum Feiern zu geben. Doch zwischen glamourösen Partys, Erfolgsgeschichten und Affären gerät Leila immer mehr in einen Strudel aus Konkurrenzkämpfen, Schreibblockaden, Selbstüberschätzung und Zweifeln.

Nora Haddada wirft uns direkt hinein in Leila’s Gedanken und Gefühle und in die schöne Welt des Schein und Seins der Filmindustrie.
In modernen, flotten Schreibstil lässt uns die Autorin zwischen zwei verschiedenen Zeitebenen und zwischen den Monaten hin und her springen. Der moderne Stil und der teils bitterböse Humor haben mich die meiste Zeit gefesselt, an der ein oder andere Stelle wurde es aber auch anstrengend und die Autorin hat mich etwas verloren.

Besonders gelungen fand ich die Darstellung der wachsenden Selbstzweifel, des Zynismus und die Prokrastination der Protagonistin, so wie ihre immer verzweifelt wirkenden Handlungen. Aber auch Rassismus und Tokenismus, vor allem in der Filmindustrie, werden thematisiert. Dabei ist die Ich-Erzählerin Leila keine besonders sympathische Hauptfigur: Zwischen dem Mord an einer Katze, Affären und Partynächten, trifft sie doch mehr als nur eine fragwürdige Entscheidung. Gerade das finde ich aber auch erfrischend: Hauptfiguren müssen nicht immer sympathisch sein und können falsche Entscheidungen treffen

Ich habe „Nichts in den Pflanzen“ durchaus gerne gelesen und freue mich auf weitere Werke von Nora Haddana. Allerdings ist es auch keine Geschichte, die einen nachhaltigen Eindruck auf mich gemacht hat und an die ich noch in Jahren denken werde.
Wer eine moderne, teils wirklich bitterböse Geschichte zu den Schattenseiten der Filmindustrie und dem dort herrschendem Konkurrenzdruck gerade, für aufstrebende Talente lesen möchte, ist hier aber sicher richtig.

Bewertung vom 24.07.2023
Der Trost der Schönheit
Arnim, Gabriele von

Der Trost der Schönheit


ausgezeichnet

Eine ganz besondere Suche
„Der Trost der Schönheit“ ist ein wunderschöner, sprachgewaltiger und schwer zu greifender Text der großartigen Gabriele von Arnim. Es ist ein außergewöhnliches Buch, dass sich der Suche nach Schönheit und Trost ebenso widmet, wie den schwierigen Fragen nach der Vergänglichkeit und Ambivalenz des Lebens.

„Der Trost der Schönheit“ arbeitet mit verschiedenen Stilen, der persönliche (Kindheits-)Erinnerungen und Erfahrungen mit philosophischen Gedanken und aktuellem Weltgeschehen verbindet.
Dabei streut die Autorin immer wieder tolle, sehr passende, berühmte Zitate ein, feste Kapitel gibt es keine. Das Gelesene hat mich mitgerissen und berührt und hat mir dennoch oder gerade deswegen viel Bedacht und Aufmerksamkeit abverlangt. Nicht immer konnte ich der Autorin in ihren Ausführungen sofort folgen und dennoch haben mich viele ihrer Zeilen mitten ins Herz getroffen.

Gabriele von Arnim schreibt unfassbar klug, neugierig, selbstreflektiert, lebensbejahend und ehrlich - ohne dabei jemals die Grausamkeiten und Ambivalenzen unserer Realität zu leugnen. Und so wandert die Autorin von Erinnerungen an ihre von Kühle und Distanz geprägte Kindheit, zu Erfahrungen des Älterwerdens und des Alleinseins zu aktuellen politischen Geschehen, das bestimmt wird durch Kriege und die Klimakrise. Viele Autor*innen hätten sich hier vermutlich verloren, Gabriele von Arnim schafft es scheinbar mühelos diese Themen und Gedanken zu verbinden und den Leser dabei mitzunehmen.

„Der Trost der Schönheit“ ist vor allem große Sprachkunst – dabei regt es zum Nachfühlen und Nachdenken an und zeigt uns die Schönheit im Kleinen und Alltäglichen.
Eine dringende Leseempfehlung für gute wie für schlechte Zeiten, und ein Buch, das im wahrsten Sinne des Wortes Trost spenden kann.

Bewertung vom 16.07.2023
Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
Knecht, Doris

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe


ausgezeichnet

Einfühlsame Bestandsaufnahme eines Lebens
Die namenlose Protagonistin steht an einem Wendepunkt in ihrem Leben: Ihre beiden Zwillinge ziehen nach bestandener Matura aus und die bisherige Familienwohnung wird für die alleinstehende Protagonistin zu groß und zu teuer. Während sie sich überlegt, wo und wie sie in Zukunft wohnen möchte, durchlebt und erinnert sie sich an viele Momente und Phasen in ihrem bisherigen Leben – vom Aufwachsen mit vier Schwestern, je zwei Zwillingspaaren, bisherigen Beziehungen, Trennungen und Entscheidungen.

Nachdem mir bereits Knechts‘ Vorgänger „Die Nachricht“ sehr gut gefallen hat, hatte ich entsprechend hohe Erwartungen an „Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe“ – diese wurden übertroffen!
Mit feinem Blick und viel Einfühlsamkeit zeichnet die Autorin ein bewegtes Frauenleben, dass sich wie so häufig vor allem in den leisen Momenten und Rückblicken offenbart.
Die Erzählungen und Gedanken sind dabei nicht chronologisch sortiert. Sie springen zwischen Erinnerungen an die Kindheit und Studienzeit, sowie Mutterschaft und Trennung und ergeben dennoch immer Sinn und am Ende ein stimmiges Gesamtbild.

Selten bin ich einer Hauptfigur so gerne und mühelos durch ihre Erinnerungen und Gefühlen gefolgt. Knecht gelingt es hervorragend die verschiedenen Lebensphasen authentisch darzustellen. Besonders gefallen hat mir das Wohlwollen, die Selbstreflexion und die innere Ruhe, die die Hauptfigur immer wieder mit und in ihrem Leben und sich selbst findet.

Wer nur Plot getriebene Geschichten mag, wird mit „Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe“ nichts anfangen können– allen anderen kann ich diesen tollen, ruhigen Roman nur empfehlen. Doris Knecht schafft es immer wieder interessante und authentische Frauenfiguren zu schaffen und mit den gesellschaftlichen Erwartungen und Vorstellungen zu spielen. Klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 26.03.2023
22 Bahnen
Wahl, Caroline

22 Bahnen


ausgezeichnet

Wunderschöne Coming-of-Age Geschichte

Caroline Wahl ist mit „22 Bahnen“ ein wirklich ganz besonderer Coming-of-Age Roman gelungen. So dürfen wir Tilda und Ida, zwei unzertrennliche Schwestern, auf rund 200 Seiten durch ihr Leben folgen. Und dieses ist mit einer alkoholkranken Mutter, abwesenden Vätern und finanziellen Sorgen alles andere als einfach. So muss sich Tilda neben ihrem Mathematik Studium und ihrem Nebenjob an der Kasse eines Supermarktes auch im ihre kleine Schwester Ida und ihre kranke Mutter kümmern. Und dann tritt noch Viktor in ihr Leben…

„22 Bahnen“ ist für mich jetzt schon der Sommeroman des Jahres - nicht nur spielt der Roman zum Großteil während der Sommerferien und das örtliche Schwimmbad ist, wie schon der Romantitel vermuten lässt, ein wichtiger Ort in dieser Geschichte. Die Autorin schafft es die Gefühle des Sommers auf einzigartige Weise einzufangen inkl. sommerlichen Gerüchen und Hitzegewittern. Das liegt auch an dem tollen, flotten und ganz eigenem sprachlichen Sound, der mir unfassbar gut gefallen hat.

Vor allem aber trifft dieser großartige Debütroman direkt ins Herz - die toll gezeichneten Figuren, allen allen voran Tilda und Ida, haben mich von Anfang mitfiebern und hoffen lassen. Und so ist die Beziehung zwischen diesen klugen, aufgeweckten Schwestern auch das absolute Herzstück und Highlight dieses Buches - und das trotz der ebenfalls toll erzählten Liebesgeschichte.

Trotz der teils schweren und rauen Themen, die auf sehr sensible und zärtliche Art und Weise behandelt werden, strahlt „22 Bahnen“ vor allem ganz viel Wärme, Liebe und Hoffnung aus. Ich habe Tilda und Ida auf jeden Fall in mein Herz geschlossen und werde noch häufiger an die Beiden denken. Ich kann diesen wundervollen Roman nur jedem empfeheln n und hoffe das möglichst viele Menschen, diese Geschichte entdecken.

Bewertung vom 20.03.2023
Das Ende der Ehe
Roig, Emilia

Das Ende der Ehe


ausgezeichnet

Eine im besten Sinne (heraus-)fordernde Lektüre

In ihrem neuen Sachbuch mit dem provokanten Titel „Das Ende der Ehe“ beleuchtet Emilia Roig die Ehe als staatliche Institution und die Folgen und Auswirkungen auf unser Zusammenleben. Von den finanziellen und gesellschaftlichen Privilegien, die mit der Ehe im Speziellen und heterosexuellen Paarbeziehungen im Allgemeinen ausgehen, zu unbezahlter Care-Arbeit und der gleichgeschlechtlichen Ehe, deckt die Autorin dabei ein großes Spektrum an Themen und Aspekten ab.

Dabei zeigt Roig nicht auf Individuen und spricht auch keiner Ehe oder Paarbeziehung ihr Glück oder ihre Daseinsberechtigung ab. Vielmehr weist sie auf strukturelle Probleme und Ungerechtigkeiten, die durch die Institution der Ehe entstehen und entstanden sind hin und sie scheut dabei nicht vor sensiblen und intimen Themen zurück - ganz im Sinne von „das Private ist politisch“.

Das binäre Geschlecht als Grundlage der Unterdrückung werden ebenso erklärt wie geschichtliche Zusammenhänge und die finanziellen Privilegien sowie Abhängigkeiten die durch die Ehe entstehen. Wie Emilia Roig richtig darlegt, sollte jede*r der sich um die Gender Pay Gap kümmert auch andere eklatante Lücken wie die Gender Tax Gap mitdenken.
Bei all dem hat Emilia Roig einen sehr angenehmen und pointierten Schreibstil und so schafft sie es auch die verschiedensten Aspekte und Hintergründe verständlich zusammenzuführen und darzulegen.

Auch wenn ich mich häufig mit feministischer Literatur und Gedanken beschäftige, hat mir diese Lektüre viele neue Denkanstöße beschert.
Das letzte, leider viel zu kurze Kapitel, bietet zudem einige Lösungsansätze über die ich weiter nachdenken werde. „Das Ende der Ehe“ ist eine Einladung Beziehungen neu zu denken und vor allem ein mutiges und ermutigendes Plädoyer für die Gemeinschaft - klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 25.02.2023
In blaukalter Tiefe
Hauff, Kristina

In blaukalter Tiefe


sehr gut

Atmosphärischer und mitreißender Segeltörn
Der Anwalt Andreas und seine Frau Caroline begeben sich zusammen mit Andreas’ Protegé aus dessen Kanzlei und dessen Freundin Tanja auf einen irgendwo zwischen Urlaub und Arbeitstrip liegendem Segeltörn im sommerlichen Schweden. Begleitet werden sie dabei von den mysteriösen und zurückgezogenen Skipper Eric. Nach und nach bröckelt jedoch die Fassade und es kommen Spannungen und Probleme ans Licht - und das soll nicht die einzige Gefahr bleiben.

Erzählt aus den unterschiedlichen Perspektiven der vier Segelteilnehmer, schafft es Kristina Hauff scheinbar mühelos ein atmosphärisches und stimmungsvolles Bild, sowie eine subtile Spannung zu erschaffen, die sich im Laufe immer weiter aufbaut. Die zahlreichen Beschreibungen der schwedischen Küstenlandschaft mit seinen vielen kleinen Inseln und den Schären sind dabei sehr gelungen und machen Lust auf einen eigenen Trip in diese Region.

Im Laufe des Roman entwickelt es sich immer mehr zu einem Kammerspiel auf See bezoehungswiese an Board. Zwischen den fünf Menschen und all ihren gesagten und ungesagten Wünschen, Provokationen und Verfehlungen braut sich auf engstem Raum ein Unglück zusammen.
Durch die kurzen Kapitel und wechselnden Perspektiven erschafft die Autorin eine temporeiche und mitreißende Geschichte, die ich in wenigen Stunden verschlungen habe. Dabei sind nicht alle Charakter sympathisch, im Gegenteil, sie sind durch und durch von Zweifeln und geheimen Bedürfnissen geplagt. Auch das macht „In blaukalter Tiefe“ aus.

Vor allem zum Ende hin kamen mir einige Geschehnisse und Charakterentwicklungen doch etwas überhastet vor und auch das Ende hat mich nicht hundertprozentig überzeugen können.
Nichtsdestotrotz hat mich „In blaukalter Tiefe“ wunderbar unterhalten und für einige Stunden auf einen spannenden Segeltörn versetzt - von mir gibts dafür eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 19.02.2023
Anti-Girlboss
Shehadeh, Nadia

Anti-Girlboss


sehr gut

Ein erfrischendes Plädoyer für ein Leben in der Komfortzone

Nadia Shehadeh liefert mit „Anti-Girlboss" vor allem eines: ein leidenschaftliches Plädoyer gegen die kapitalistische Hustle Culture, für mehr Ausruhen und Nein sagen und ein Leben in der „Komfortzone“. In Zeiten in denen immer noch diverse Girlboss Trends auf Social Media hoch und runter laufen und der sogenannte Dienst nach Vorschrift mit „Quiet Quitting“ eine völlig fehlgeleitete Bezeichnung erhalten hat, ist dieser Aufruf nötiger denn je.

Es ist erfrischend und ermutigend die Autorin so offen und humorvoll über ihre liebste Freizeitbeschäftigungen sprechen zu hören: Vom Serien schauen, vom stundenlangen am Handy scrollen oder vom Schlafen. In Zeiten, in denen einen Selbstoptimierung und immer höhere „Girlboss“ Ziele vorgelebt werden, kann man sich schnell schlecht und unzulänglich fühlen. Umso wichtiger ist es mit neoliberalen Mythen und kapitalistischen Märchen abzurechnen.

„Anti-Girlboss“ liest sich dabei schnell und leicht. Nadia Shehadeh hat einen humorvollen und lockeren Schreibstil und flechtet neben ihrer eigenen Geschichte einige Beispiele und Anekdoten aus der aktuellen Popkultur ein, von der berühmt gewordenen Hochstaplerin Anna Delvey zu Aussagen von Kim Kardashian und der Kritik an sogenannten Nepo-Babies.

Was mir an der ein oder anderen Stelle gefehlt hat, war der rote Faden und auch einige Wiederholungen sind mir aufgefallen. Nichtsdestotrotz war eine „Anti-Girlboss“ eine unterhaltsame, durchaus lehrreiche Lektüre, die mit ihrer entwaffnenden Offenheit durchaus eine echte Seltenheit ist. Ich hab mich sehr gesehen gefühlt und hoffe dass noch sehr viel mehr Menschen sich aktiv gegen die sogenannte Girlboss Culture stellen und echten Fortschritt für alle, nicht nur für wenige fordern.