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Bamberg

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Insgesamt 20 Bewertungen
12
Bewertung vom 06.07.2022
Violeta
Allende, Isabel

Violeta


sehr gut

Toll geschrieben, kurzweilig, etwas belanglos

Isabel Allende kann schreiben. Ihre Charaktere sind markant und dreidimensional. Kombiniert mit dem frischen Setting, entsteht ein Mix, der vor allem anderen realistisch wirkt und auch direkt aus einem Geschichtsbuch stammen könnte. Für das Genre und die Autorin üblich, wird dem Leser ein buntes Sammelsurium aus allen Themen der menschlichen Existenz vorgestellt, es geht um Liebe, Tod, Familie, Sex, Trauer, Gewalt, Krieg, Krankheit, Erwartungen, Geschlechterrollen und den Wandel der Zeit.
Mit diesem Fokus auf Realismus kommt jedoch auch der Nachteil der Geschichte. dem echten Leben nicht unähnlich, plätschert der Plot munter vor sich hin, ohne je wirklich zu begeistern oder zu schockieren. Allende (bzw. die Ich-Erzählerin Violeta) beschreiben schreckliche Dinge genauso nüchtern und effizient, wie großartige Ereignisse und Belanglosigkeiten. Obgleich, ich während des Lesens nie gelangweilt war, fehlte mir zum Schluss ein größerer Sinn des Ganzen, ein Ziel, ein Statement, welches die vielen Einzelschicksale zu einer großen Story zusammenschmiedet.
Speziell Liebhaber des Genres werden auf ihre Kosten kommen, Literaturpreise wird es diesmal jedoch wohl kaum regnen.

Bewertung vom 24.04.2022
Das Leben eines Anderen
Hirano, Keiichir_

Das Leben eines Anderen


ausgezeichnet

Da ich mich schon seit vielen Jahren als Fan von Haruki Murakami sehe, hoffe ich bei jedem japanischen Werk, welches ich in die Finger bekomme, einen neuen Murakami zu finden.
Stilistisch, glaube ich dieses Ziel in Keiichiro Hirano gefunden zu haben. Seine Wortwahl und Atmosphäre bleiben ähnlich kühl-rational wieder seines Landesgenossen. Obwohl regelmäßig auf die Gefühlswelt der Akteure eingegangen wird, verbleibt der Ton deskriptiv - eine Kombination die mir persönlich sehr zusagt.

Inhaltlich unterscheiden sich die beiden Autoren jedoch sehr, Hirano verbleibt fest in der realen Welt und vermeidet jegliche fantastische Einflüsse. Stattdessen fällt sein Genre eher in der Bereich des Mysterydramas, bis zum Schluss wird dem Leser das grundlegende Geheimnis vor Augen gehalten, wie eine Karotte am Ende einer Angel. Und was für eine schmackhafte Karotte es zuletzt war.
Das Zeichnen der Charaktere fällt Hirano sehr leicht, ich vermute stark, dass es reale Vorlagen für seine Figuren gibt. Sie alle wirken realistisch und zeigen Tiefe.

Alles in allem ein tolles Buch, welches den Leser mit auf die Reise in eine ferne - aber doch vetraute - Welt nimmt, in welcher es einige Geheimnisse zu lüften gilt.

Bewertung vom 08.02.2022
Das einzige Buch, das Du über Finanzen lesen solltest
Kehl, Thomas;Linke, Mona

Das einzige Buch, das Du über Finanzen lesen solltest


ausgezeichnet

Da mir der Youtube Kanal von Finanzfluss bereits seit längerem bekannt ist, hatte ich große Hoffnungen für ihr erstes Buch. Ich freue mich, sagen zu können, dass ich vollständig auf meine Kosten bekommen bin.
Der Stil ist ähnlich locker und gut zu lesen wie das Videoformat, obwohl ich gerade hier Sorge hatte, der Wechsel von einem Medium ins andere könnte holpriger ablaufen.
Der Inhalt selbst dagegen ist seriös und vermittelt Fachwissen gekonnt. Viele Ratschläge und sogar einige genaue Formulierungen sind für Zuschauer des Videokanals bereits bekannt. Zu beinahe jedem Punkt gab es bereits ein oder mehrere Videos, was man dem Werk natürlich nicht vorwerfen kann. Das Versprechen des etwas reißerischen Titels kann es in meinen Augen natürlich nicht halten, obgleich es einen tollen Überblick über die Grundlagen geben kann, ist das Themenfeld der Finanzen doch etwas komplexer als ein dünnes Buch umreißen kann. Dass man den Titel nicht 100% ernst nahmen kann, ist allerdings klar.
Ein tolles Buch für den Einstieg, für Interessierte gibt es vermutlich besser geeignete, tiefer gehende Literatur.

Bewertung vom 22.10.2021
Grace
Lynch, Paul

Grace


sehr gut

Harter Tobak in kantigem Stil
Direkt zu Beginn begreift man, dass es sich hier nicht um ein einfaches Werk handelt. Der Schreibstil speziell, ist ausgesprochen distanziert, apathisch und eckig. Nicht leicht findet man sich in Lynch's Art zu schreiben hinein.
Dadurch wird da durchaus umfangreiche Buch auch recht langatmig.

Die Geschichte ist dagegen sehr mitreißend, die brutale Thematik wird oft schonungslos dargestellt. Die Charaktere wirken realistisch und menschlich, ein Fakt der das Leid, welches sie durchleben, direkt auf den Leser projiziert.

Das Cover und das Buch selbst sind wunderschön, hochwertig und stilsicher.

Alles in allem ist "Grace" kein Roman für jedermann, ein unangenehmes aber wichtiges Buch, welches das Setting mit notwendiger Ernsthaftigkeit präsentiert. Womöglich hätte ein geringerer Umfang dem Werk jedoch gutgetan.

Bewertung vom 24.09.2021
Der Sucher
French, Tana

Der Sucher


ausgezeichnet

Authentisch, spannend und stimmungsvoll
Tana French setzt echte, dreidimensionale Charaktere in ein stimmungsvolles Whodunit das sich entfaltet wie eine Matroshkapuppe und dabei den Leser mit sich reißt. "Der Sucher" beginnt mit dem spannenden Aufprall von amerikanischer Mentalität auf irische Dorfidylle und endet mit dem Kontrast zwischen ebenjener familiärer Nähe auf menschliche Abgründe. Dabei wirkt der Plot oder seine Akteure nie unecht oder künstlich. Sowohl die schönen, wie auch die düsteren Aspekte der Geschichte erscheinen realistisch. Besonders positiv fällt dabei auf, wie elegant der Kriminalfall in die Geschichte eingewoben wurde. Die sekundären Plotlinien stehen auf eigenen Füßen und werden gefühlvoll etabliert.

Cal Hooper ist ein sympathischer Protagonist dem man gerne auf seiner Reise begleitet und auch die anderen Figuren treten in angenehmen Grauschattierungen auf. French's Schreibstil ist flüssig, atmosphärisch und zieht den Leser mit Gewalt auf die nächste Seite.

Das Cover ist ästhetisch aber unspektakulär.

Bewertung vom 26.04.2021
Der Donnerstagsmordclub / Die Mordclub-Serie Bd.1
Osman, Richard

Der Donnerstagsmordclub / Die Mordclub-Serie Bd.1


weniger gut

Dumpfe Charaktere erleben langatmige Geschichte
Das wohl schlimmste Urteil, welches man über einen Kriminalroman fällen kann, ist das eines langweiligen Buches. Dieses Werk ist leider ausgesprochen langatmig und ermüdend. Die Geschichte plätschert vor sich hin, die halbe Buchlänge hätte vollends ausgereicht.
Der zweite große Kritikpunkt sind die lachhaft bösen Bösewichter. Ian zB parkt auf Behindertenparkplätzen, hört Guides um skrupelloser zu werden und kauft dediziert keinen Fairtrade-Kaffee. Aus reiner Boshaftigkeit. Charaktere werden hier dem Leser mit einer Brechtstange ins Gesicht geschlagen, ihre Eigenschaften werden nicht angedeutet oder komplexer etabliert, sondern auf unglaublich stumpfe Weise karikiert. Obgleich marginal besser, trifft diese Art den Aufbaus auch auf die Helden zu, welche wiederum absurd brillant und schlagfertig sind und als Lichtgestalten zwischen den Affären der Sterblichen wandeln.

Der Schreibtstil ist schlicht, leicht verständlich und in Ordnung. Die Grundidee ist nicht bahnbrechend, aber durchaus frisch. Die Hintergründe der verschiedenen Senioren bleiben etabliert und haben einen Effekt im Verlauf der gesamten Geschichte.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.04.2021
Der Schneeleopard
Tesson, Sylvain

Der Schneeleopard


sehr gut

Toll geschrieben, aber etwas anstrengend
"Der Schneeleopard" von Sylvain Tesson ist ein wirklich toll geschriebenes Buch. Der Autor findet stets bildgewaltige und eindrückliche Sprache um die exotische Sphäre, in welche er im Verlauf des Buches eindringt, zu beschreiben. Sowohl die schneidende Kälte, als auch die monomentalen Landschaften oder die sonderbaren Tiere werden dem Leser auf eindrückliche und mystische Art nahegebracht.

Was jedoch auch gleichzeitig meinen Hauptkritikpunkt am Werk Tessons darstellt: die Mystik. Während die deskriptiven Passagen ihres Gleichen suchen, verfällt der Autor leider ebenso oft in lange Tiraden über die Dummheit der westlichen Welt, die Naivität der Wissenschaft, die Einengung westlicher Kultur und die haltlose Zerstörung der Natur. Obgleich er dabei oft wahres anspricht, fällt vieles einfach in stumpfes "westlich, wissenschaftlich, modern = böse/ östlich, mystisch, traditionell = gut", wobei er oft extrem vereinfachte Versionen der Gegenseite angreift (über die Wissenschaft redet er beispielsweise nur als "Rechenfanatiker" und "Berechnungskünstler" und reduziert das Werk der wissenschaftlichen Methode auf reine Zahlenanhäufung, als direkten Kontrast zum weisen, spirituellen und reinen Verständnis der Natur, welches er und seine Begleiter vermeintlich aufbrächten. Sehr schade.
Diese Passagen nehmen ca. 10% des gesamten Werkes ein, während die restlichen 90% eine wirklich tolle und bildgewaltige Entführung in eine fremde Welt darstellt.
Wer sich selbst sowieso als leicht spirituell betrachtet, könnte hier ein neues Lieblingsbuch finden. Wer das nicht tut, kann immer noch ein wirklich schönes Werk, mit einigen anstrengenden Seiten, bestaunen.

Bewertung vom 27.02.2021
Stay away from Gretchen / Gretchen Bd.1
Abel, Susanne

Stay away from Gretchen / Gretchen Bd.1


ausgezeichnet

Tolles, schönes und trauriges Buch

Vorab sollte ich erwähnen, dass weder die Thematik der Kriegs-/Nachkriegszeit noch Themen wie Demenz und Alter zu meinen üblich behandelten Literaturbereichen zählt. Als Leser unter 30, kenne ich viele der Thematiken aus den Erzählungen meiner eigenen Großeltern und hätte vor dem Lesen nicht gemeint, noch einmal so davon mitgerissen zu werden.

Stay away from Gretchen hat mich aber von vorne bis hinten überzeugt, ich war gut unterhalten, tief berührt und musste mich nie überwinden um weiterzulesen. Speziell der ausgezeichnete Schreibfluss hat mich sehr beeindruckt, die Seiten flogen nur so an meinen Fingern vorbei, selbst (oder besonders) bei den düsteren Kapiteln der Geschichte.
Die Charaktere sind strenggenommen nicht alle Sympathieträger, aber alle wirken echt und greifbar. In ihren kleinen und größeren Marotten und Angewohnheiten findet der Leser echte Figuren und echte Emotionen. Da ich mich selber nicht für "leichte Beute" bitterer Schicksale und historisch-schrecklicher Begebenheiten halte, kann ich Stay away from Gretchen mit gutem Gewissen jedem Leser empfehlen. Ein wirklich tolles Werk.

Bewertung vom 07.02.2021
Der Klang der Wälder
Miyashita, Natsu

Der Klang der Wälder


sehr gut

"Der Klang der Wälder" von Natsu Miyashita ist ein wunderschön geschriebenes Werk, welches einfühlsam auf die inneren Beweggründe seiner Charaktere eingeht. Man sollte jedoch mehrere mentale Werkzeuge mitbringen, wenn man hier wirklich Freude haben möchte.

1. Das Buch befasst sich mit Klavieren. Jeder Charakter liebt Klaviere und jede Seite befasst sich mit dem Klang, dem Aufbau der Instrumente, sowie dem Effekt den sie auf verschiedene Leben haben. Ein Leser sollte hier entweder bereits eine gewissen Begeisterung mitbringen oder in der Lage sein sich von der Begeisterung der Autorin anstecken zu lassen.

2. Der Ton des Romans ist sehr ruhig und sensibel. Wer hier dramatische Wendungen, Kampf, Krieg und die Rettung der Welt erwartet wird ihr sehr schnell enttäuscht zur Seite legen.

Über die spezielle Thematik hinaus, ist der Schreibstil der Autorin wirklich hervorragend. Bei einem so vagen Thema wie Klängen und Emotionen findet sie jedes Mal die richtigen Worte um dem Leser exakt zu vermitteln was gefühlt und gehört wird. Sicherlich kein leichtes Unterfangen.
Mir, als unmusikalischer Banause, hätte die Geschichte etwas mehr Dramatik bieten können, ich war jedoch trotzdem sehr gut unterhalten und berührt.


Als Randnotiz die nicht in die Bewertung eingeflossen ist, muss ich erwähnen, dass auf Seite 35 der Protagonist beschreibt wie er als Kind die rote Früchte der Eiben gerne angesehen und gegessen hat. Ich hatte die Hoffnung das dies noch später geklärt, erklärt oder relativiert wird, das geschah aber nicht. Daher sehe ich mich hier gezwungen klar davon abzuraten Eibenfrüchte zu sich zu nehmen, hier besteht Lebensgefahr. Es ist mir unklar was die Autorin hier geritten hat.

Bewertung vom 19.01.2021
Die siebte Zeugin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.1
Schwiecker, Florian;Tsokos, Michael

Die siebte Zeugin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.1


gut

Der Krimi von Schwiecker und Tsokos macht mehrere Sachen richtig. Der Schreibstil ist simpel, aber nie langweilig oder unangemessen. Der Handlungsaufbau folgt klassischen Literaturmusters und verfügt über mehrere Höhepunkte, speziell im Mittelteil. Obwohl die behandelte Tat für Liebhaber von Filmen und Büchern nicht neu erscheinen wird, schafft es die Geschichte im zweiten Drittel noch einmal Fahrt aufzunehmen und die ein oder andere Wendung zu präsentieren. Auch wenn sich anfängliche Prognosen über den Täter als wahr herausstellen könnten, bieten die Autoren ausreichend Hintergrundgeschichte um zu unterhalten.

Mein größtes Problem mit "Die 7. Zeugin" befasst sich mit den extrem flachen Charakteren. Während der eigentliche Protagonist noch über rudimentären Tiefgang verfügt, kann man das selbe nicht über seinen Dr. Watson aus der Rechtsmedizin oder seinen Gegner im Gerichtssaal sagen:

- Dr. Justus Jarmer, der weniger relevante Teil des Protagonisten Duos wird folgendermaßen eingeführt "Er war eine Koryphäe auf seinem Fachgebiet und zugleich ein vehementer Fürsprecher von Moral und Gerechtigkeit" (S. 56) und später noch einmal mit "Es gab eine Person, die mehr als jede andere für Wahrheit und Aufrichtigkeit stand. [...] Kurz entschlossen wählte er die Nummer von Doktor Justus Jarmer" (S. 232). Wie jemand auf die Idee kommt so seine Hauptfiguren zu beschreiben ist mir schleierhaft.

- Nicht überraschend, gibt es ein ähnliches Muster beim Erstellen der Gegenspieler. Der berühmte Oberstaatsanwalt Dr. Bäumler fällt im Roman mehrfach auf. Er ist dumm, kleinkariert, arrogant, versteht sich nicht auf juristische Fragen, übersieht alle relevanten Infos im Plädoyer eines Zeugen, neigt zu Wutausbrüchen und zur Selbstdarstellung und fällt auf jeden Trick der Protagonisten herein. Hier wurde offensichtlich eine Leinwand in Form eines Charakters geschaffen, auf der sich der Held Rocco Eberhardt austoben kann und seine großartigen Fähigkeiten, sowie seine moralische Integrität zur Schau stellen kann. Sehr enttäuschend.

Auch schade ist, dass das Knowhow das Michael Tsokos durch seinen Alias Dr. Jarmer beitragen könnte, weitestgehend verpufft. Das Buch behandelt keinerlei interessante Rechtsmedizin und das implizite Versprechen des Anwalts/Mediziner Autoren Duos wird nur wenig bedient. Hier wäre mehr Tiefgang angenehm.

Unterm Strich handelt es sich um extrem schlichte Unterhaltungsliteratur, die grundlegende Ansprüche erfüllen kann, aber weit unter ihren Möglichkeiten bleibt.

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