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SueWid

Bewertungen

Insgesamt 25 Bewertungen
Bewertung vom 25.04.2023
Seemann vom Siebener
Frank, Arno

Seemann vom Siebener


sehr gut

Mit „Seemann vom Siebener“ lässt Arno Frank einen flirrend heißen Sommertag für uns entstehen, der alles enthält was ein Besuch im Schwimmbad zu bieten hat – die große Liebe, Eifersucht, unerfüllte Hoffnungen, Leben und Tod. Das Ganze garniert mit Gerüchen nach Chlor, Sonnenmilch, Pommes und Eiscreme.

In diesem Setting treten abwechselnd verschiedene Protagonisten auf, die die Geschichte aus ihrer Sicht erzählen und vorantreiben. Da ist zum Beispiel der alternde Bademeister Kiontke, der sich einem vergangenen Trauma nicht stellen will. Isobel, die Witwe des Begründers des Schwimmbades, welche immer mehr Realität und Erinnerungen vermischt.
Josefine, die lieber diesen heißen Tag im Schwimmbad aussitzt, als sich mit der nahenden Beerdigung ihres Mannes zu beschäftigen, Lennart, der in sein altes Heimatdorf zurückkehrt, vielleicht auch um zu sich selbst wieder zu finden. Melanie, eine lebensfrohe Kindergärtnerin, die mit ihrer Gruppe das Seepferdchen absolvieren will. Dabei sind allein in ihrer kleinen Rasselbande einige schon sehr interessante Charaktere. Aber am Mysteriösesten ist sicherlich das Mädchen ohne Namen und ihr Bruder. Warum will sie unbedingt den Seemann vom Siebener Sprungturm wagen? Welches Schicksal treibt sie um?

Der Autor lässt allmählich die Akteure auftreten und entfaltet langsam ihre Geschichten. Dadurch entsteht aus den einzelnen Fragmenten, ein gemeinsamer, überschneidender Handlungsstrang, der alles miteinander verbindet.
Jeder trägt sein eigenes Päckchen, mal unsichtbar, mal sichtbarer vor sich her.
An diesen letzten, heißen Sommertag scheinen viele Stränge endlich zu einen Abschluss kommen zu können. Vieles bleibt am Ende aber auch sehr vage und den Lesenden überlassen es zu interpretieren.
Die Handlung schlägt immer wieder Bögen, indem sie zwischen Vergangenheit und Gegenwart oder den Akteuren wechselt. Dabei kann sich der Plot schnell in kleineren Nebenschauplätzen vergehen. Das kann zuweilen etwas anstrengend sein, weil so leicht die einzelnen Charaktere durcheinander gebracht werden und ein stringenter Lesefluss etwas eingetrübt ist. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, darüber hinaus aufmerksam liest, findet immer wieder kleine, wiederkehrende Anspielungen, die das Lesen interessanter machen.

Der „Seemann vom Siebener“ ist ein netter Einstieg für die kommende Sommerzeit und ein Loblied für diese Art Freizeitgestaltung. Die wirklich sympathischen Figuren sowie die leichte Sprache machen es zu einer tollen Sommerlektüre.

Bewertung vom 03.01.2023
Fang jetzt bloß nicht an zu lieben
McFarlane, Mhairi

Fang jetzt bloß nicht an zu lieben


sehr gut

Die bekannte Liebesromanautorin Mhairi McFarlane bringt mit „Fang jetzt bloß nicht an zu lieben“ ihr neuestes Werk heraus.
Im Vordergrund der Geschichte steht Harriet, eine Hochzeitsfotografin, die Romantik und der Liebe eher skeptisch gegenübersteht. Als ihr Leben aus den Fugen gerät, muss sie sich entscheiden, ob sie vor ihrer Vergangenheit weiter davonlaufen möchte oder sich ihr mutig entgegenstellt. Ihr zur Seite stehen sehr sympathische Freunde, Neue wie Alte.
Das macht eine typische Liebesroman Mischung aus, aber Frau McFarlane geht einen Schritt weiter.
Sie wählt ein eher düsteres Unterthema. Sie nimmt nicht nur verletzte Gefühle oder gescheiterte Beziehungen mit auf, sondern auch Psychische Probleme, Gaslighting, ebenso wie toxische Beziehungen. Das Ganze erzählt sie in einem modernen Gewand.
Die Autorin hat meiner Ansicht nach diese schwierigen Themenkomplexe gut recherchiert und dargestellt, soweit das in der Kürze eben möglich ist.
Dabei verliert die Story nicht den spritzigen Humor und Leichtigkeit, für die Mhairi McFarlane bekannt ist. Der Schreibstil ist wie gewohnt leicht zu lesen.

Was mich persönlich etwas gestört hat, waren wieder die übertrieben attraktiven und ausschließlich sympathischen Freunde von Harriet. Klar haben sie Fehler, aber diese machen sie wiederum auch nur noch liebenswürdiger. Dafür bleiben die Figuren, die negativ intoniert sind, es leider auch durchgehend. Es bleibt ihnen kein Raum eine Entwicklung durchzumachen oder gar den Lesenden ans Herz zuwachsen.

Für alle die gerne einen spritzigen Feel- Good- Roman lesen und sich dabei das Quäntchen Mehr wünschen, werden hier sehr gut ankommen. Das Rad wird hier sicherlich nicht neu erfunden, aber es macht Spaß sich für eine kurze Zeit in diese Welt fallen zu lassen.

Bewertung vom 30.11.2022
Unsre verschwundenen Herzen
Ng, Celeste

Unsre verschwundenen Herzen


sehr gut

Die gefeierte Autorin Celeste Ng der Bücher „Was ich euch nicht erzählte“ und „Kleine Feuer, überall“ zeigt mit ihrem neuesten Roman „Unsre verschwundenen Herzen“ eine dystopische Zukunft auf, welche sich nur allzu realistisch anfühlt.

In den USA kommt es zu einer schleichenden und immer schlimmer werdenden Inflation, bis sie schließlich in einer Wirtschaftskrise gipfelt, die das ganze Land betrifft.
Ein Verursacher für diese Krise wird zunächst unterschwellig, später dann immer rasanter und klarer benannt: China, ferner alle asiatisch aussehenden Menschen werden als Bedrohung und Saboteure wahrgenommen.
Als Gegenmittel wird das Gesetz „PACT“ (Preserving American Culture and Tradition) eingeführt. Ein Gesetz, welches die amerikanischen Ideale und Werte schützen soll.
Dadurch kommt es erst schleichend, aber unvermeidlich zu einem autoritären Überwachungsstaat, der die Bevölkerung ermutigt sich gegenseitig auszuspionieren.
Die anti-asiatische Stimmung wird schnell aggressiver. Dabei ist es völlig gleich ob diese Menschen sich nach dem „PACT“ richten oder nicht. Die Bevölkerung darf zur Lynchjustiz greifen und muss mit keiner konkreten Bestrafung rechnen.
Nichtsdestotrotz gibt es auch Widerstände gegen das neue Gesetz in der Bevölkerung. Allerdings werden Proteste mit Polizeigewalt niedergerungen sowie Aufklärung durch Medienschaffende und Andersdenkende im Keim erstickt. Als beliebtes Mittel wird unter anderem das gewaltsame Entreißen von Kindern aus ihren Familien genommen.

Mitten in dieser düsteren Zeit wächst Bird auf.
Sein Vater ein Amerikaner, seine Mutter ebenfalls Amerikanerin, allerdings chinesischer Abstammung. Sie verlässt eines Tages die Familie und für Bird bleibt nur die Sehnsucht nach ihr und viele ungeklärte Fragen.
Anfänglich ist er bereit alle gegebene Regeln zu hinzunehmen. Als Bird allerdings eines Tages einen Brief mit den Zeichnungen seiner Mutter erhält, ist sein Wunsch geweckt sie zu finden und endlich zu erfahren warum sie ihn verlassen hat.

Eine dystopische Geschichte aus dem Blickwinkel eines 12 jährigen Kindes zu schreiben ist spannend und zu gleich nicht einfach. Schafft die Autorin es glaubhaft das Geschehene zu vermitteln ohne ihren jungen Protagonisten zum Helden zu stilisieren? Ich finde, sie hat es geschafft.
Bird ist ein empfindsamer Junge, der sich sehr glaubhaft verhält. Oft war ich sogar erschrocken über seine Handlungen, die er ohne an die weitreichenden Konsequenzen abzuschätzen durchzieht.
Allerdings fehlten für mich eindeutig in paar weitere Figuren, die die Geschichte hätten weitertragen können. Bird und seine Mutter Margaret erzählen ihren Part sehr interessant. Allerdings blieben die Nebenfiguren und deren Wege einfach nur angerissene Geschichtsstränge, aus denen man gut und gerne mehr herausholen hätte können. Potential war dafür definitiv vorhanden gewesen.
Dadurch blieb das Buch etwas zu oberflächlich, eröffnet allerdings einen gut zugänglichen und leichten Einstieg in die Thematik über Rassismus.

Die Verfolgung von verschiedenen Minderheiten, die Angst vor dem Fremden und Andersartigen greift immer weiter um sich. Meldungen dieser Art gibt es heutzutage regelmäßig.
Es ist wichtig, dass wir uns damit auseinandersetzen und nicht wegsehen wenn Unrecht passiert.
Mit ihrem Werk „Unsre verschwundenen Herzen“ bringt uns die Autorin noch einmal nah, wie leicht ein System entarten kann, welches doch so modern und funktional anmutet, im Grunde aber auch sehr fragil ist.

Bewertung vom 12.10.2022
Euphorie
Cullhed, Elin

Euphorie


ausgezeichnet

Die Autorin Elin Cullhed hat in ihrer Heimat Schweden den wohl wichtigsten Literaturpreis, den Augustris, für ihr Werk „Euphorie. Ein Sylvia-Plath-Roman“, gewonnen.
In „Euphorie“ verbindet Elin Cullhed geschickt reale Inhalte mit fiktiven Darstellungen über das Handeln und der Gefühlswelt von Sylvia Plath.
Sylvia war eine Frau, die zerrissen war zwischen Mutterschaft, Eigenständigkeit, Autorenschaft und ihrer eigenen Dunkelheit. Ihre Ehe mit dem Dichter Ted Hughes war ein tragisches auf und ab.
Vermutlich dadurch wurde sie ein Opfer ihrer Zeit, gezwungen in Normen und Rollen, die sie nicht erfüllen konnte oder wollte. Die unglücklichen Umstände, ihre immer wieder bewunderte Dichtkunst sowie der bis heute andauernde Erfolg über ihr einziges Buch „die Glasglocke“, welches sie zu einer Ikone der Feministischen Bewegung machte und sie daher immer wieder Erwähnung findet.

Schon die ersten Seiten machen klar, dass die inhaltliche Thematik alles andere als leichtgängig sein wird.
Ich möchte hier eine deutliche Trigger Warnung aussprechen!
Es geht um die letzten intensiven Lebensmonate von Sylvia Plath, welche gekennzeichnet sind von zwanghaften Gedankenstrukturen, mannigfaltigen psychischen Problemen, Selbstmordgedanken, dem letztlichen Scheitern der zerrüttenden Ehe und anderen toxischen Beziehungen.

Auf der emotionalen Ebene ist das Werk sehr fordernd, inhaltlich allerdings etwas Handlungsarm. Vorwiegend geht es immer wiederkehrend um das Zusammenleben des Ehepaares, ihre Schwangerschaft und das Kämpfen um Zeit zur freien Entfaltung. Dies ist nicht weiter störend, es wird vielmehr Wert auf den stetigen Zerfall der Ehe, ihre Ängste, das innere Ringen um Glück, Erfolg und Liebe gelegt.
Die Autorin schafft es Sylvia wirklich glaubhaft zu transportieren. Jeder Gedanke, jede zwiegespaltene Gefühlsebene bringt sie einem näher.
Durch die Perspektive der Ich-Erzählung kommt es zu einem sehr nahen, fast schon schmerzhaften Kontakt zur Hauptfigur. Die schonungslose Innensicht, die hier sehr glaubhaft und authentisch präsentiert wird, lässt den Lesenden sich in Sylvia einfühlen, wenn sie uns doch gleichermaßen abstößt mit ihrem Verhalten.
Diese Sylvia zerfleischt sich fast. Wird von einer manisch euphorischen Phase fließend in eine tiefe Depression und Selbstzweifel geworfen. Sie sieht sich immer wieder in selbstgewählten Konkurrenzkämpfen, ist leidend und unerträglich. Ihre Gefühlswelt ist so wandelbar, sie wird reumütig, übertrieben freundlich, nur um zugleich fordernd zu sein. Diese verschiedenen Verhaltensweisen lassen sie als Person wiederum sehr glaubhaft agieren.
Keine der handelnden Figuren wirkt dabei durchgehend sympathisch. Aber genau das macht dieser Roman richtig. Er verherrlicht nicht die leidende Sylvia Plath. Es fordert vielmehr den Lesenden auf nachzudenken beziehungsweise darüber hinaus Nachforschungen anzustellen. Nur so kann man, meiner Meinung nach, dass volle Potential erleben. Mit einem schnellen durchlesen würde man ihm unrecht tun.

Sprachlich ist dieses Buch wunderschön. Ich habe so viele Stellen markieren müssen, weil sie so kunstvoll und prosaisch sind. Sicherlich liegt das auch an der herausragenden Übersetzung von Franziska Hüther.
Vielleicht macht gerade das diese starke Sogwirkung aus.

Bewertung vom 22.05.2022
JAB
Kim, Un-su

JAB


sehr gut

Der Autor Un-su Kim ist in seiner Heimat Südkorea bereits ein gefeierter Autor und lässt seit seinem erster Thriller die Herzen auch in Deutschland schneller schlagen.
Mit „JAB“ legt er jetzt eine Kurzgeschichtensammlung nach, mit welcher er seine Wandelbarkeit und Beobachtungsgabe für das Leben von sehr unterschiedlicher Menschen zeigt.
Damit beweist er, dass nicht nur gerade sehr angesagte Serien, viele Filme, Technik oder der berühmt berüchtigte Gangnam Style aus seiner Heimat beliebt sind, sondern auch der literarische Markt so einiges zu bieten hat.

Mit seinem Geschichtenband gibt er uns einen sehr interessanten Einblick, jenseits von Glamour oder glitzernden Schein.
Das verrät schon sein Titel „JAB“. Ein Jab ist beim Boxen eine abrupt geschlagene Gerade mit der Führhand, genau so hart sollen sich seine Geschichten auch anfühlen - rau, voller Wucht, ohne dabei die kleinen zwischen Töne zu vernachlässigen. Dabei sollte man diese Erzählungen nicht nur schnell durchlesen, da man sonst diese Ebene verpassen würde. Sondern bestenfalls in einen Austausch mit anderen über die einzelnen Storylines gehen. Das macht hier wirklich Sinn, denn so konnte ich für mich ganz andere Blickwinkel bzw. Interpretationsmöglichkeiten entdecken.

Die acht kurzen Geschichten mit ihren handelnden Figuren sind sehr unterschiedlich, mal kommen sie einen wie ein Film Noir vor, mal wie eine absurde Komödie in der die Gewinner nicht so ganz klar sind. Dann wieder so rätselhaft, unheimlich und bedrohlich, dass man unweigerlich an Kafka denken muss.
Es geht oft um Einsamkeit in verschiedenen Versionen, Selbstsabotage, um dysfunktionale Familien und Alkoholmissbrauch. Über alledem ist da immer wieder diese Härte, eine rohe, manchmal auch versteckte Gewalt, gegen sich selbst, gegen andere, aber immer mit einer starken Zerstörungskraft.

Was mir bei dieser Ansammlung sehr gut gefallen hat, war, dass der Autor niemals ins Moralisieren oder Belehrende abdriftet. Alle seine Figuren gehen ihren persönlichen steinigen Weg. Als Lesende müssen wir selber entscheiden, ob oder viel mehr was wir aus diesen Geschichten für uns mitnehmen wollen. Der Schreibstil ist präzise, einfach und an einigen Stellen auch hart, was für mich gut dazu gepasst hat.
Definitiv muss man nicht mit jeder Geschichte mitgehen um einen spannenden und abwechslungsreichen Lesetrip zu erhalten.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.05.2022
Der große Fehler
Lee, Jonathan

Der große Fehler


weniger gut

Im Roman „Der große Fehler“ von Jonathan Lee geht es um das Leben und Wirken von Andrew Haswell Green, welcher sich unter anderem für die Gestaltung des Central Park, Bronx Zoo und der New York Public Library hervorgetan hat.

Die Erzählung beginnt mit der Ermordung von Green auf offener Straße. Danach wechseln sich regelmäßig die Erzählstränge zwischen den Ermittlungen von Inspector McClusky über den Mordfall und der Biographie von Greens Leben seit seiner frühsten Kindheit bis ins hohe Alter ab.
Man darf, auch wenn man es auf den ersten Blick vermuten würde, nicht von einem typischen Krimi ausgehen. Der „große Fehler“ ist ein ruhiges Buch, welches einzelne Figuren immer hervorzieht und beleuchtet.

Leider hat sich das Lesen für mich als unglaublich zäh und zermürbend herausgestellt. Der Kriminalanteil und die weitere Aufklärung des Mordes fand ich weder interessant noch spannend genug um mit Freude weiterzulesen.
Sicherlich ist das Buch gut recherchiert wurden von Herrn Lee und man konnte über viele interessante Persönlichkeiten wie Samuel J. Tilden, Bessie Davis und allen voran natürlich Andrew H. Green erfahren, aber seine Figuren blieben mir zu blass. Durch den Schreibstil kam eine zu große Distanz auf, so dass ein mitfühlen und miterleben dieser Zeit einfach nicht möglich war. Interessant waren kleiner Nebengeschichten, die sich auch tatsächlich so zu dieser Zeit zu getragen haben, wie zum Beispiel der weibliche Zirkuselefant Topsy und ihre kurz angerissene Geschichte. Will man das aber genauer verstehen, bleibt den Lesenden nur eine weitere Recherche auf eigene Faust.

Den anspruchsvollen Schreibstil empfand ich als eher langweilig und ohne Esprit, die Dialoge wirkten dadurch einfach zu gestelzt, fast schon umständlich.
Sicherlich muss man wirklich existierenden Figuren natürliche Gedanken und Sätze geben, aber es wirkte auf mich zu gewollt und konstruiert.

Ich für meinen Teil werde Andrew Green und seinen Werken gedenken, wenn ich New York einen Besuch abstatte, dass Buch hat für mich nur in wenigen Teilen dazu beitragen können. Dennoch war es ein Anfang um in die Historie und ihre Persönlichkeiten einzutauchen.

Bewertung vom 06.04.2022
RABBITS. Spiel um dein Leben
Miles, Terry

RABBITS. Spiel um dein Leben


sehr gut

Mit „Rabbis - Spiel um dein Leben“ erschafft Terry Miles einen spannenden Science Fiction Thriller, der einen direkt in eine andere, nerdige, aber auch düstere Realität entführt.
Spontan kommen einen beim lesen Escape Room Spiele, Filme wie „Ready Player One“ oder die aktuell angesagten Serien wie „Squid Game“ und „Alice in Borderland“ in den Sinn.

Die Hauptfigur K hat schon als Kind ein besonderes Talent, er kann Querverbindungen und wiederkehrende Muster erkennen. Er liebt es komplexe Codes zu knacken und Diskrepanzen aufzudecken. Allerdings entwickelt sich daraus eine richtige Obsession, die ihn dann auch oft an den Rand des psychisch möglichen treibt. Als er auf das mysteriöse Untergrundspiel Rabbits trifft wird es erst richtig gefährlich. Denn Rabbits ist ein Spiel, welches man durch enträtseln von Hinweisen im echten Leben spielt. Allerdings existieren weder ein Handbuch, noch eine konkrete Teilnehmerliste oder ein Spielleiter. Im Grunde ist der Austausch mit Nicht-Spielern untersagt und könnte schreckliche Folgen haben. Und trotzdem oder gerade deswegen übt es eine unglaubliche Sogwirkung auf alle aus, die damit in Berührung gekommen sind
Und so versuchen K und seine Freunde herauszubekommen wann das Spiel wieder losgeht und wie man es gewinnen kann. Aber sie müssen vorsichtig sein, denn etwas stimmt mit Rabbits nicht, Spieler verschwinden einfach oder sterben auf mysteriöse Weise. Wem kann K trauen? Und kann er sich auf seine eigenen Erinnerungen verlassen? Denn die vermeintliche Realität verschwimmt zusehends.

Mich haben besonders die vielen Querverweise und Andeutungen auf andere Bereiche wie Film & Serien, Literatur, Gaming, Kunst und wirklich existierende Effekte sehr begeistert. Aber ich bin mir sicher, dass genau das eine Hürde für nicht Genre-Fans darstellt. Denn wenn man sich gar nicht damit beschäftigt und man kein Interesse daran hat, dann könnte es schnell zu überbordend sein und man hat sicherlich nicht immer Lust und Zeit den ganzen Hinweisen nachzujagen, wie Alice dem berühmten Hasen.

Was ich allerdings wirklich sehr schade fand, war dass das titelgebende Spiel Rabbits einfach irgendwie zu kurzkommt. Man erfährt nur oberflächliches zum Spiel und teilweise einfach zu wenig. Und so bleiben Fragen ungeklärt oder zu schnell abgehandelt, als hätte der Autor am Ende doch etwas den Faden verloren. Für mich persönlich hätte es auch zusätzlich, um den Thrill hochzuhalten, noch mehr nachvollziehbare Rätsel geben können.
Das ist meckern auf einem hohen Niveau, denn was Rabbits tatsächlich sehr gut macht, ist es den Lesenden gut zu unterhalten.

Bewertung vom 30.01.2022
Milch Blut Hitze
Moniz, Dantiel W.

Milch Blut Hitze


ausgezeichnet

Als ich „Milch Blut Hitze“ das erste Mal sah, fiel mir sofort dieses poppig-knallige Cover und der Titel auf. Die Farben und Formen fliegen einem einfach nur so entgegen. Und dann diese Lobeshymnen von verschiedenen Seiten. Vor allem die kurze Rezension von Entertainment Weekly hat mich unglaublich neugierig auf dieses Buch gemacht.
Und so stellte sich mir direkt die Frage, ist dieses Buch wirklich so eine Wucht, so aktuell und gleichzeitig schonungslos?
Klare Antwort, ja. Die Prosa und überhaupt der Ganze Stil von Dantiel W. Moniz ist sehr kraft- und gefühlvoll. Sie spricht unglaublich viele Themen an die viele Menschen, egal wo auf der Welt, betreffen werden.
In elf sehr verschiedenen Geschichten geht es unter anderem um komplexe Partnerschaften, schwierige Familienverhältnisse, Enttäuschungen von Erwartungen und große Hindernissen. Sie beleuchtet die Fragen: Was macht eine Frau in der heutigen Zeit aus? Wie funktioniert ein selbstbestimmtes Leben? Sie rückt die unterschiedlichsten Beziehungen in den Fokus und beleuchtet manchmal recht schonungslos die Probleme. Scheinbar mühelos streift Sie Themen wie Religion, Mutterschaft, Lust und Verlangen ebenso wie Tod, Verlust, Missbrauch und Ängste ohne dabei jemals ins kitschige oder künstliche abzugleiten. Dabei geht sie nicht zimperlich mit ihrer Leserschaft um, denn manche Erzählungen sind hart, intensiv und nur schwer zu verdauen. Einige lässt sie gerne offen, oder mit einer Augenzwinkernden Moral versehen, enden. Dennoch fühlen sich die Schilderungen immer ehrlich an, trotz ihrer Kompromisslosigkeit.

Besonders hat mich die Titelgebende Story der beiden Mädchen beeindruckt. Sie beschreibt so zart und doch gleichzeitig hart authentisch wie sich Mädchen im Alter von 13 Jahren fühlen können. Wie losgelöst, unverstanden und unangepasst sie manchmal sind. Und was passiert, wenn Eine einen Schritt zu weit geht.
Aber auch der Erzählstrang der jungen Frau, die ihr ungeborenes Kind verloren hat und nur schwer sich damit abfinden kann, hat mich sehr bewegt.

An manchen Enden hätte ich einfach anstandslos weiterzugehört, weiter mitgefühlt oder oft einfach auch mal gerne eingegriffen. Als würde man Freundinnen eine helfende Hand reichen wollen. Aber gerade diese lassen viel Spielraum für Interpretationen bzw. Diskussionspotential.

Nun könnte man sagen, dass auf 226 Seiten und in elf Kurzgeschichten keine Zeit bleibt sich auf die Figuren einzulassen und eventuell keine Chancen auf Charakterentwicklungen bestehen - da fehlt man aber gewaltig! Das war wirklich das Beeindruckteste an diesem Buch. Frau Moniz schafft es, allen Figuren eine Lebendigkeit einzuhauchen, so dass man einfach mitfühlen muss.

Ich bin mir sicher, dass wir nach diesem gelungen Debütroman noch einiges von dieser Autorin lesen werden.

Bewertung vom 22.08.2021
Worauf fliegst du?
Oftring, Bärbel

Worauf fliegst du?


ausgezeichnet

Artenvielfalt im eigenen Garten steigern

Ich bin sehr froh „Worauf fliegst du“ von Bärbel Oftring lesen zu können, denn als Nachwuchsgärtnerin bin ich begeistert immer wieder etwas Neues zu lernen.

In ihrem Ratgeber erklärt sie, warum es wichtig ist den Garten auch seine wilde Seite zu lassen und ihn nicht zu „steril“ zu gestalten. In klarer und einfach verständlicher Art, erklärt sie dem geneigten Gärtnern, warum ein wunderschöner Garten auch ein wunderbares Domizil für die verschiedensten Wild- und Nutztiere sein kann - durch die ein Garten erst so richtig gedeiht.
Man entwickelt sicherlich auch mehr Verständnis für Insekten, die uns eigentlich immer im Garten nerven, wenn man ihren Nutzen für die Pflanzen versteht.

Das Buch gliedert sich in kurze, einprägsame Abschnitte.
Es werden Angaben zu heimischen Vögeln, verschiedenen Insektenarten, aber auch Amphibien, Igel und Eichhörnchen gemacht. Toll fand ich, dass immer ein kleiner Steckbrief interessante Vorabinformationen, wie notwendige Gartenstrukturen, Nahrungsquellen und ein kurzen Allgemeinabriss zu den Tieren vermerkt wurden. So kann man, wenn man sich bemüht, bald eine spannende und abwechslungsreiche Artenvielfalt im Garten beobachten.

Man sollte auf keinen Fall die spannenden Umschlagklappen vorn und hinten übersehen. Hier finden sich die Top 11 der tierfreundlichen Gartenelemente sowie eine Tabelle von Nahrungsquellen für Honigbienen.

Natürlich könnte man jetzt sagen, dass sich alle Informationen zu Pflanzen und Tieren auch leicht im Internet finden lassen. Aber dieser schöne und prägnante Ratgeber fasst die verschiedenen Aspekte gut auf einen Blick zusammen. Ich werde ihn sicherlich häufiger zur Handnehmen um Dinge nachzuschlagen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.08.2021
Ein erhabenes Königreich
Gyasi, Yaa

Ein erhabenes Königreich


sehr gut

Yaa Gyasi, ist eine in Ghana geborene und in Amerika aufgewachsene Schriftstellerin, hat mit „Ein erhabenes Königreich“ ihren zweiten Roman nach „Heimkehren“ veröffentlicht.
Dieser steht 2021 auf der Shortlist der Women's Prize for Fiction.

In „Ein erhabenes Königreich“ geht es um Gifty.
Sie ist eine junge, farbige Frau im heutigen Amerika. Wodurch sie ständigem Alltagsrassismus und dem Gefühl des Fremdseins ausgesetzt ist. Hinzukommt das sie in schwierigen, streng religiösen Familienstrukturen aufwuchs. Nach dem Gifty erwachsen genug ist, versucht sie ihr altes Leben hinter sich zu lassen und wechselt ihren Glauben gegen klare Vorgaben der Forschungen in der Neurowissenschaft und versucht so in eine neue Richtung zu gehen, ohne aber sich selbst dabei zu verlieren.
Als ihre Mutter erneut an schweren Depressionen erkrankt, fragt sie sich, ob es wirklich nur eine Richtung, einen Weg geben kann, um Sinn im Leben zu finden.

Was mir bei dem Buch sehr gut gefallen hat war der klare, nie kitschige oder übertrieben emotionale Schreibstil. Die Autorin hat sehr gut recherchiert und lässt das Fachwissen leicht in den Text einfließen ohne dass es beim Lesen überfordert.
Zunächst könnte man meinen, es gehe vordergründig um die Frage nach der Vereinbarkeit von Religion und Wissenschaft. Aber Frau Gyasi greift auch Rassismus, komplexe Familienstrukturen, Depressionen und Suchtproblematiken auf. Für mich war es eine interessante Herangehensweise diese Themenkomplexe zusammenfließen zulassen, ohne den Lesenden eine pauschale Lösung aufzunötigen.
Allerdings blieb mir der Roman bei all den interessanten Aspekten teilweise zu oberflächlich und seicht.
Er hat immer ein ansprechendes Niveau gehalten, aber ohne in die angerissenen Themen tiefer hinabzusteigen oder einen wirklichen Höhepunkt zu haben.
Definitiv wäre da sehr viel Potential gewesen um die vielschichtigen Problembereiche zu ergründen und den handelnden Figuren mehr Entwicklungspotential zu geben.

Trotz allem ist es ein sehr lesenswertes, leichtes Buch, was einen gewissen Nachhall bei mir gefunden hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.