Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Hilou
Wohnort: 
Bielefeld

Bewertungen

Insgesamt 169 Bewertungen
Bewertung vom 30.05.2024
Miss Moons höchst geheimer Club für ungewöhnliche Hexen
Mandanna, Sangu

Miss Moons höchst geheimer Club für ungewöhnliche Hexen


sehr gut

Zum Inhalt:
Mika Moon ist eine junge Hexe, die keine zwischenmenschlichen Bindungen eingehen und nie allzu lange am selben Ort leben kann. Uralte Regeln zwingen sie, auch von anderen Hexen genug Abstand zu halten, damit keine unnötigen Gefahren heraufbeschworen werden. Eines Tages erhält sie aber ein Jobangebot, das ihr Leben komplett auf den Kopf stellt. Sie soll drei kleine Mädchen unterrichten. Mikas Job entpuppt sich jedoch schnell als die Herausforderung ihres Lebens. Denn die Kleinen sind Hexen, die wohlbehütet im Nowhere House leben, dessen Bewohner die Kinder behutsam vor der Öffentlichkeit beschützen. Während Mika die Mädchen in Hexendingen trainiert, schließt sie sie allmählich in ihr Herz. Auch eine Romanze bahnt sich an. Doch der Liebe steht noch ein großes Geheimnis im Weg, das dringend gelüftet werden muss...

Meine Leseerfahrung:
Hexenromane lese ich seit der Mayfair-Reihe von Anne Rice sehr gerne. Die Qualität solcher Bücher lässt leider oft zu wünschen übrig. Und nicht immer sind die Handlungen fesselnd. Leider werden alte Klischees immer wieder neu aufgewärmt oder aktuellen Lesetrends zu sehr entsprochen, so dass die Stories eher erzwungen und dahingeklatscht wirken. 

Ehrlich gesagt war ich bei diesem Buch etwas skeptisch, aber der lange Titel hat mich neugiereig gemacht. Und glücklicherweise bin ich hier sehr positiv überrascht worden. Mit Mika bin ich sehr schnell warm geworden und auch die anderen Charaktere sind dermaßen authentisch und liebevoll gezeichnet, dass man sie am Liebsten auch im wahren Leben gerne kennenlernen möchte. Mir gefällt die familiäre Atmosphäre, die die Autorin hier kreiert. Freundschaft und Found Family steht hier im Vordergrund, eine Romanze ist ebenfalls enthalten, wobei ich etwas verdutzt war, als plötzlich ein äußerst spicy Leseabschnitt den gemütlichen Lesefluss unterbrochen hat. Den hätte man getrost kürzer fassen bzw. abschwächen können. Irgendwie fühlt sich diese Szene etwas fehl am Platz an. Mit stolzen 4 Seiten wirkt sie zu sehr aufgebauscht und übertrieben, wobei der Erzählstil plötzlich auch sprachlich vom Rest abweicht. 

Im Großen und Ganzen und bis auf die o.g. Stelle ist Mikas Geschichte aber eher unter Cosy Fantasy einzuordnen. Das Buch ist unterhaltsam, lustig und stellenweise auch bewegend. Ich hatte sehr entspannte Lesestunden und habe das Buch auf Grund des angenehmen und flüssigen Schreibstils relativ schnell lesen können. 

Fazit:
Eine süße Geschichte über Freundschaft, Familie und Liebe mit viel Humor und Charme und natürlich einer gut dosierten Portion Magie. Kurzweiliges und unterhaltsames Lesevergnügen ist hier garantiert.

Bewertung vom 17.05.2024
End of Story - Der Mörder unter uns
Finn, A. J.

End of Story - Der Mörder unter uns


ausgezeichnet

Zum Inhalt:
Nicky Hunter ist ein großer Fan von Sebastian Trapp, einem berühmten Krimiautor. Dessen erste Ehefrau und sein Sohn verschwanden vor etwa 20 Jahren an unterschiedlichen Orten auf mysteriöse Art und Weise. Alle Welt fragt sich, ob Sebastian etwas mit ihrem Verschwinden zu tun hatte. Als Nicky nach San Francisco eingeladen wird, um seine Memoiren zu verfassen, zögert sie nicht eine Sekunde. Auch sie möchte das große Geheimnis aufdecken. Doch je mehr sie in die Familiengeschichte eintaucht, desto mehr Geheimnisse kommen ans Tageslicht. Bis schließlich eine weibliche Leiche im Teich des Hauses treibt...

Meine Leseerfahrung:
Den Debütroman von Finn "The Woman in the Window" habe ich noch nicht gelesen; er war aber seit Langem auf meiner Wunschliste, nachdem ich all die positiven Bewertungen zu dem Buch gesehen hatte. Finns zweiten Thriller wollte ich aber völlig unvoreingenommen lesen und mich nicht von hohen Erwartungen leiten lassen, die der Debütroman möglicherweise hervorgerufen hätte. Den Vorgänger habe ich nun auch bestellt, weil ich entgegen der gemischten Rezensionen zu "End of Story" völlig begeistert von dem Nachfolger bin.

Lassen wir die negativen Schlagzeilen zur Person des Autors mal beiseite und orientieren uns einzig und allein an seinem literarischen Können. Es kann auch völlig dahingestellt bleiben, ob es sich bei "End of Story" tatsächlich um einen Thriller handelt, oder ob das Buch doch eher als Roman zu betiteln wäre. Ich persönlich bin der Meinung, dass der Autor hier eine eigene Art von Thriller mit charakteristischen Merkmalen der Kriminalliteratur geschaffen hat. Das ganze Buch ist im Grunde eine Hommage an die Klassiker der Kriminalliteratur, ist es doch bespickt mit zahlreichen Zitaten aus weltbekannten Krimis. Die Geschichte ist fesselnd, birgt mehrere spannende Wendungen und undurchschaubare interessante Charaktere.

Was mich allerdings noch mehr fasziniert hat, ist der äußerst bildhafte und ausdrucksvolle Schreibstil Finns. So war jeder Leseabschnitt ein wahrer Lesegenuss, den man selten in diesem Maße bei Thrillern erlebt. Sprachlich haben wir hier eine völlig andere Ebene als bei einem durchschnittlichen Thriller. Sätze wie "Tinte sickert ins Papier ein, unauslöschlich wie eine Narbe; eine E-Mail löst sich in Nichts auf wie ein Atemhauch auf Glas." oder "...bis zu seinem letzten Schreiben, wie immer in Druckbuchstaben und rissiger Tinte verfasst, mit schwankenden, taumelnden Buchstaben wie Reisende auf einem Schiff im Sturm." sagen schon alles.

Für mich war es daher ein großes Lesevergnügen, so dass ich mich jetzt ganz besonders auf Finns Debütroman freue, den ich mir als Nächstes vornehmen werde.

Fazit:
"End of Story" ist sprachlich ein wahrer Lesegenuss und überzeugt mit einer fesselnden Atmosphäre, durchdachtem Plot und unvorhersehbaren Wendungen. Gekrönt wird die Geschichte mit einem überraschenden Finale, das seinesgleichen sucht.

Bewertung vom 09.05.2024
Der Vertraute
Bardugo, Leigh

Der Vertraute


ausgezeichnet

Zum Inhalt:
Im historischen Madrid zu Zeiten der Inquisition: Luzia Cotado arbeitet im Casa Ordoño als einfaches Küchenmädchen. Sie beherrscht allerdings Magie, die sie heimlich bei ihrer Tätigkeit im Haushalt einsetzt, um ihre Arbeit zu erleichtern.
Die Frau des Hauses kommt ihr auf die Schliche und zwingt sie dazu, ihre Magie öffentlich vorzuführen, um gesellschaftliche Anerkennung zu erlangen. Damit werden allerdings auch mächtige Männer auf sie aufmerksam. Luzia sieht sich plötzlich inmitten von politischen Intrigen und betrügerischen Machenschaften wieder. Ihre Magie könnte sie entweder als Heilige, die Wunder vollbringen kann, zu großem Ruhm verhelfen, oder aber als Ketzerin auf den Scheiterhaufen bringen. Ihr einziger Vertrauter ist Guillén Santangel, der ihr stets zur Hilfe kommt. Doch Santangel ist unsterblich und wahrt ein dunkles Geheimnis....

Meine Leseerfahrung:
Als Fan der Bücher von Leigh Bardugo freue ich mich über jedes Werk; auch wenn es nur ein Einzelband ist. Vielleicht auch gerade deswegen habe ich mich entschlossen, das neue Buch von ihr zu lesen. Historische Fantasy finde ich ohnehin sehr ansprechend. Bardugo hat die Handlung der Geschichte diesmal in Spanien des 16. Jahrhunderts angesiedelt. Die Protagonistin Luzia hat jüdische Wurzeln, die sie auf Grund der judenfeindlichen Gesellschaft verheimlichen muss. Ihre Familie gehört zu den ´conversos`, die unter Zwang zum Katholizismus konvertieren mussten. Bardugo bringt damit ihre eigene Familiengeschichte in dieses Buch mit ein, denn auch einige ihrer Vorfahren mussten wegen ihrer jüdischen Konfession 1492 aus Spanien fliehen. Die goldene Ära Spaniens ist an sich eine hochinteressante historische Zeit, wenn auch eine brutale grausame Epoche, insbesondere wenn es um die Verfolgung Andersgläubiger ging. Bardugo hat den damaligen Zeitgeist sehr authentisch eingefangen und in eine magische Fantasywelt umgebettet. Sprüche aus dem Ladino, der jüdisch-spanischen Sprache, werden zu mystischen Zauberformeln. Sehr kreativ durchdacht und clever umgesetzt! Man merkt, dass Bardugo viel Herzblut in dieses Meisterwerk gesteckt hat.

Was mich kalt erwischt hat, ist die Liebesgeschichte zwischen Luzia und Santangel, die zwei völlig verschiedene Charaktere sind, sich aber zueinander hingezogen fühlen. Die sich eher bedächtig entwickelnde Liebe bringt nochmal zusätzlich Spannung in die Story. Liebesgeschichten sind nicht meins, aber dieses ungleiche Paar hat mich völlig in den Bann gezogen.
Insgesamt ist "Der Vertraute" viel anspruchsvoller und reifer verglichen mit den anderen Büchern von Leigh Bardugo. Ich habe jede Seite so sehr genossen, dass ich eine Fortführung dieser einzigartigen Geschichte sehr begrüßen würde.

Fazit:
"Der Vertraute" gehört zu den besten historischen Fantasybüchern der letzten Zeit, da es tiefgründig, gut durchdacht und absolut authentisch geschrieben ist. Leigh Bardugos neuestes Werk ist mein persönliches Fantasy-Highlight des Jahres.

Bewertung vom 03.05.2024
Böse Mädchen sterben nicht
Henry, Christina

Böse Mädchen sterben nicht


ausgezeichnet

Zum Inhalt:
Celia wacht in einem völlig fremden Haus auf. Plötzlich hat sie Ehemann und Tochter, an die sie sich nicht erinnern kann. Aber auch an ihr vorheriges Leben hat sie keine Erinnerung....Allie dagegen hatte sich auf eine Geburtstagsfeier mit Freundinnen gefreut, und landet in einer völlig abgelegenen Hütte im Wald, wo alles aus den Fugen gerät....Und dann ist da noch Maggie, die zu einem gefährlichen Spiel auf Leben und Tod gezwungen wird, um ihre Tochter aus der Geiselhaft zu befreien. Drei unterschiedliche Szenarien mit völlig verschiedenen Charakteren, die jedoch schockierenderweise miteinander verbunden sind. Wer auch dahintersteckt, er meint es bitterernst.

Meine Leseerfahrung:
Mit "Böse Mädchen sterben nicht" beweist Christina Henry, dass sie verschiedene Genres beherrscht. Sie verwebt in diesem Buch Thrillerelemente mit Cosy Crime, Horror und einer dystopischen Story à la Hunger Games. Stellenweise hatte ich ein Stephen-King-Feeling beim Lesen, auch wenn der Sprachstil bei Weitem nicht so anspruchsvoll ist. Erzählen kann Henry, und kreative Plots mit interessanten Charakteren bilden kann sie noch mehr. Mir gefällt ganz besonders, dass sie immer starke weibliche Persönlichkeiten bevorzugt, die mit Intelligenz und Willenskraft punkten.

Mit jedem Leseabschnitt bzw. jedem Handlungsstrang, der jeweils einer der drei Protagonistinnen zugeordnet ist, wird es durch und durch spannender, so dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen möchte. Daher habe ich knapp die zweite Hälfte des Buches in einem Rutsch durchgelesen. So spannend und aufregend die einzelnen Storys auch gewesen sein mögen, zum Schluss kam allerdings die plötzliche Ernüchterung. Allmählich bekommt man als Leser ein Gefühl der Beklemmung. Das Offensichtliche, was man bereits durch die einzelnen Storys der Damen erahnen konnte, tritt zu Tage und zieht mit voller Wucht das Niveau nach unten. Damit tut sich Henry leider keinen Gefallen. Die Auflösung erscheint viel zu einfach und nahezu plump.
Henrys Bücher bieten immer ein wenig Spielraum für Interpretationen, meist ist das Ende der Storys eher offen. Aber in diesem Fall hätte ich mir eine gut durchdachte, clevere Lösung für den Showdown gewünscht, da im Vorfeld dermaßen grandiose Vorarbeit geleistet wurde, die einen gebührenden Abschluss verdient hätte. Da die Geschichten um die drei starken Frauen reichlich Spannung und Unterhaltung bieten, gibt es von mir dennoch gute 4 Sterne.

Fazit:
Christina Henrys neuestes Werk bietet einen sehr gut gelungenen, soliden Genre-Mix mit viel Spannung und Frauenpower, schwächelt allerdings bei der vorhersehbaren Auflösung am Ende.

Bewertung vom 24.04.2024
The Antique Hunter's Guide to Murder
Miller, C L

The Antique Hunter's Guide to Murder


gut

Zum Inhalt:
Als Freya Lockwood die Nachricht erhält, dass ihr früherer Mentor Arthur Crockleford unter mysteriösen Umständen in seinem Antiquitätenladen verstorben ist, ahnt sie noch nicht, welche Gefahr sie erwartet. Arthur hinterlässt einen Brief, den er Tage vor seinem Ableben verschickt hat und mit dem er Hinweise auf seinen Mörder gibt. Freya macht sich  mit ihrer Tante Carole auf zu einem Landgut voller Antiquitäten, wo sie ein Wochenende verbringen wollen. Doch sehr bald stellt Freya fest, dass die Antiquitäten nur nachgebildet sind. Von den Originalen fehlt jede Spur. Und alle Antiquitäten-Fans vor Ort scheinen zudem ganz persönliche Geheimnisse zu haben. Freya vermutet Arthurs Mörder unter ihnen und beginnt zu ermitteln...

Meine Leseerfahrung:
Ich wollte schon seit Langem wieder mal ein Buch auf Englisch lesen. Und als ich vernommen habe, wie Millers Debüt hoch angepriesen wurde, indem Vergleiche zu Agatha Christie gezogen wurden, habe ich als Christie-Fan nicht allzu lange überlegt. Das Problem bei solchen Aussagen ist aber, dass man sich als Leser nicht völlig unvoreingenommen an das Buch herantastet. Meine Erwartungen waren natürlich weit hoch angelegt, ich habe nichts Geringeres als einen genial ausgeklügelten Krimi wie eben bei der Grand Dame der Kriminalliteratur erhofft.

Die ersten Leseabschnitte waren dann auch vielversprechend. Die Einbettung von Antiquitäten etc. in eine Kriminalgeschichte mit Mordopfer war für mich persönlich sehr ansprechend und hochinteressant. Allerdings konnte Miller die Spannung leider nicht konstant halten. Auch wenn es einen beträchtlichen Verdächtigenkreis gibt und der Leser wunderbar den Hinweisen folgen und miträtseln kann, wird es irgendwann konfus und langatmig. Ab der Hälfte des Buches habe ich mich nur noch durchgekämpft und fand einige Punkte nicht ganz schlüssig aufgeklärt.
Und das lag ganz sicher nicht an. Verständnisschwierigkeiten. Auch wenn es schon länger her ist bei mir, bin ich sehr gut mit der englischen Ausgabe zurecht gekommen. Selbst unbekannte Vokabeln erklären sich aus dem Zusammenhang selbst, so dass der Lesefluss zumindest nicht auf sprachlicher Ebene gestört wird.

Vielmehr war ich irgendwann von der Story selbst genervt. Gegen Ende habe ich vergebens auf eine unerwartete Wendung gehofft und war schließlich von der Auflösung ernüchtert, da sie mir zu stark konstruiert und erzwungen erschien, als hätte die Autorin in letzter Minute noch einen Täter herbeizaubern müssen, um die Story zu retten.

Vielleicht hätte ich mich mehr an diesem Roman erfreuen können, wenn meine Erwartungshaltung eine andere gewesen wäre. Den gezogenen Vergleich zu Agatha Christie finde ich jedoch zutiefst anmaßend. Dem wird die Story hier leider überhaupt nicht gerecht. Miss Marple ist eine Klasse für sich, die Figuren hier kommen nicht annähernd auf dieses Level. Nett zu lesen, aber eher durchschnittlicher Kriminalroman!

Fazit:
"The Antique Hunter's Guide to Murder“ ist ein netter, aber kein überragender Krimi mit wenig bzw. kaum Spannung, dafür aber mit einem überaus interessanten Einblick in die Welt der Antiquitäten.

Bewertung vom 14.04.2024
Sternstunden der Menschheit. Schmuckausgabe mit Kupferprägung
Zweig, Stefan

Sternstunden der Menschheit. Schmuckausgabe mit Kupferprägung


sehr gut

Zum Inhalt:
Stefan Zweigs "Sternstunden der Menschheit" handelt von 12 schicksalhaften Momenten der Geschichte, die die Zukunft der Menschheit nachhaltig beeinflusst haben. Mit kurzen Erzählungen durchleuchtet Zweig bekannte Persönlichkeiten, die entscheidensten Augenblicke und kuriose Zufälle, die zu den bekannten historischen Gegebenheiten geführt haben, aus einem völlig anderen Blickwinkel und mit einer persönlichen Note.

Meine Leseerfahrung:
Stefan Zweigs Bücher sind beliebt unter Menschen, die die deutsche Sprache neu erlernen. Ich habe oft davon gehört und mich immer gefragt, aus welchem Grunde sie Zweigs Bücher favorisieren anstatt zu moderner Literatur zu greifen. Für mich ist "Sternstunden der Menschheit" das erste Buch von ihm, um mir selbst einen Eindruck von seiner Schreibweise zu verschaffen. Und das war definitiv eine gute Idee, auch wenn dieses Buch im Allgemeinen nicht zu seinen bestenn Werken zählt.

Denn Zweig schafft es mit seinem grandiosen Erzählstil Weltgeschichte spannend zu machen; sicherlich auch für Geschichtsmuffel interessant, die sich nicht allzulang mit historischen Themen beschäftigen, sondern gleich 2000 Jahre Weltgeschichte mit verschiedenen Facetten präsentiert bekommen. Allerdings ist das Buch nicht wissenschaftlicher Natur, was wiederum heißt, dass man nicht jegliche Schilderungen als unerschütterliche Wahrheiten annehmen sollte. Ich persönlich hatte das Gefühl, im Klassenzimmer zu sitzen, wo der Geschichtslehrer voller Enthusiasmus versucht, historische bedeutsame Momente in aufregende Prosa zu verpacken, um damit auch den Schüler aus der letzten Reihe mitreißen zu können.

Zweig ist ein grandioser Geschichtenerzähler, bleibt allerdings bei den kurzen Abhandlungen nicht sachlich bzw. neutral. Wenn man sich damit als Leser anfreunden kann, ist man hier bestens unterhalten und lernt vielleicht sogar noch das Eine oder Andere hinzu. Mir gefiel es, einen anderen Blickwinkel zu den historischen Geschehnissen kennenzulernen. Ich werde mir sicherlich auch einige andere Werke von Zweig vornehmen, denn sein Erzählstil hat es mir tatsächlich sehr angetan.

Übrigens verdient das Buchcover volle 5 Sterne auf Grund der farblichen Gestaltung in Kombination mit der wunderschönen Kupferprägung. Die beste Ausgabe dieses Werkes bisher, beinhaltet allerdings nur 12 der 14 historischen Miniaturen. Dennoch eine tolle Geschenkidee!

Fazit:
Wunderschöne Ausgabe von "Sternstunden der Menschheit" für die interessanteste Zeitreise in die Weltgeschichte, die von einem grandiosen Geschichtenerzähler zusammengefasst wurde.

Bewertung vom 29.03.2024
War das jetzt rassistisch?
Black Voices

War das jetzt rassistisch?


ausgezeichnet

Zum Inhalt:
Die antirassistische Initiative Black Voices entstand im Zuge einer großen Demo, die 2020 in Österreich stattfand und die an die BLM-Aktionen in den USA anknüpfte. So startete diese Initiative das erste Antirassismusvolksbegehren Österreichs für die Einführung eines Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus. Als Herausgeber dieses Buches gibt Black Voices Einblicke in den Alltagsrassismus in Deutschland und Österreich und lässt Antirassismus-Experten aus der afrikanischen, muslimischen, asiatischen, jüdischen und Rom*nja-Community zu Wort kommen. 

Meine Leseerfahrung:
Als Kind türkischer Gastarbeiter bin ich, soweit ich mich erinnern kann,  recht früh mit Alltagsrassismus in Berührung gekommen. Erst mit Beginn meines Studiums habe ich aber für mich realisiert, was die Erfahrungen mit mir gemacht haben und wie sie mich für die Zukunft geprägt haben. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich allerdings noch keine konkrete Vorstellung, wie Rassismus von Seiten der People of Color wahrgenommen werden. 

Die Hautfarbe macht in dieser Hinsicht tatsächlich einen großen Unterschied aus. Ich war schockiert über Erfahrungsberichte von afrikanischen Freunden, die weitaus extremere Alltagssituationen zu meistern haben als beispielsweise Menschen mit türkischem Background. Seit der Black Lives Matter Bewegung beschäftige ich mich eingehender mit dem Thema Antirassismus und habe bereits viel Literatur dazu gelesen und auch an Workshops etc. teilgenommen. Dennoch lernt man auf diesem Gebiet nie aus, was ich beim Lesen dieses Buches begriffen habe. Hier wird nicht nur der Rassismus gegen Menschen mit dunklerer Hautfarbe oder Antisemitismus behandelt. Auch über den antiasiatischen Rassismus, der nicht nur erst seit der Coronazeit verstärkt zu Tage kommt, wird berichtet. Ein anderes Kapitel beschäftigt sich mit Antiziganismus, der mir persönlich nicht geläufig wahr. Erschütternd zu wissen, dass der Völkermord an Rom:nja mit mindestens einer halben Million getöteten Menschen durch die Nazis oftmals unerwähnt bleibt, wenn über den Holocaust gesprochen wird. 

Das Buch ist sehr übersichtlich unterteilt in kurze Kapitel. Jedes Kapitel erklärt verständlich einzelne Schlagwörter, die im Zusammenhang mit dem Thema Rassismus fallen. Die Leserschaft kann hier viele wichtige Begriffe und Konzepte kennenlernen, die man im Kampf gegen den Rassismus benötigt. Daher ist dieses Buch für mich ideal für jeden, der neu in das Thema einsteigt. Vorzugsweise sollte es als Pflichtlektüre in der Oberstufe eingeführt werden. Ich persönlich hätte das zu meiner Schulzeit damals sehr gebraucht. 

Fazit:
"War das jetzt rassistisch?" ist ein wichtiges Buch im aktuellen Antirassismus-Diskurs und sollte Eingang in Schulen finden, um bereits junge Leser/innen für dieses Thema zu sensibilisieren. Selbstreflektion ist der erste Schritt in die richtige Richtung, wozu Black Voices mit diesem großartigen Buch den ersten Denkanstoß setzen.

Bewertung vom 24.03.2024
Das Land der verlorenen Götter
Ümit, Ahmet

Das Land der verlorenen Götter


ausgezeichnet

Zum Inhalt:
Yildiz Karasu ist Hauptkommissarin in Berlin und ermittelt gemeinsam mit ihrem Kollegen Tobias Becker in Mordfällen. Sie werden zu einem mysteriösen Mord hinzugerufen, der ungewöhnlich inszeniert wurde. Dem Opfer wurde das Herz herausgeschnitten und in seine Hände gelegt. Alle hinterlassenen Spuren deuten auf eine Verbindung zum Pergamon-Altar hin. Als sie dann noch weitere rätselhafte Morde mit Bezug zur griechischen Mythologie im Umfeld des Opfers entdecken, wird schnell klar, dass sie einem Serienmörder auf der Spur sind. Und der ist noch lange nicht fertig mit seinem "Werk"...

Meine Leseerfahrung:
Es gibt so Bücher, bei denen man sich während des Lesens fragt, wohin die Reise geht und bis zum Ende einfach keinen Schimmer hat, wie die Geschichte wohl enden wird. Ahmet Ümit ist in dieser Hinsicht immer für eine Überraschung gut. Auch wenn "Das Land der verlorenen Götter" nicht an seine Vorwerke rankommt, ist dieser Roman gewohnt lehrreich ganz im Ümit-Stil.

Auch dieser Kriminalroman ist außergewöhnlich und sticht im Krimi-Genre heraus, da er vollbepackt mit anderen Elementen ist. Zum Einen erzählt er die Geschichte der türkischen Gastarbeiter, die ab den 60ern nach Deutschland gekommen sind, und zeigt verschiedene Beispiele, wie sich Türken in der neuen Heimat integriert haben und leben. Zum Anderen wird das Buch sehr politisch, weil auch das jahrzehntelange Rechtsextremismus-Problem in Deutschland mitbehandelt wird. Dann ist da noch die historische Komponente über Berlin, den Pergamon-Altar und wie er aus der Türkei nach Deutschland geschafft wurde, und zusätzliche einige Einblicke in historisch-politische Geschehnisse in der Türkei.

Als ob das nicht genug ist, präsentiert der Autor eine Nacherzählung der griechischen Mythologie aus Sicht des Göttervaters Zeus, deren Abschnitte sich mit dem eigentlichen Handlungsstrang abwechseln. Ich muss zugeben, diese Kapitel waren für mich persönlich ziemlich anstrengend und haben meinen Lesefluss erheblich gestört, so dass ich einige Seiten grob überflogen oder sogar übersprungen habe. Sie wirkten äußerst belehrend, was für Nichtkenner der griechischen Mythologie eventuell interessanter zu lesen sein könnte, als für jemanden, der sich bereits eingehend damit beschäftigt hat. Für mich war das zuviel des Guten, einige mythologische Geschichten hätte man getrost kürzen können. Diese Abschnitte haben die Story einfach zu sehr in die Länge gezogen.

Ab etwa Mitte des Buches kommt dann allerdings Fahrt auf, die Ermittlungen spitzen sich zu. Es gibt mehr Tote und auch mehr Tatverdächtige, was den Kriminalroman in eine interessantere Richtung lenkt. Bis es aber zum Showdown kommt, passieren noch einige Sachen, und man gewinnt langsam eine Ahnung, weshalb wir hier gleichzeitig Geschichten aus der griechischen Mythologie lesen.

Fazit:
Ahmet Ümits "Das Land der verlorenen Götter" verbindet viele Themen und schafft damit einen außergewöhnlichen Kriminalroman mit interessanten Facetten. Gewohnterweise keine leichte Kost, wenn man nicht offen für all die oben genannten Themen ist. Aber durchaus lesenswert, wenn man nicht mit Scheuklappen durch die Literaturwelt reist.

Bewertung vom 15.03.2024
James
Everett, Percival

James


ausgezeichnet

Zum Inhalt:
Als der Sklave Jim erfährt, dass er verkauft werden soll, verlässt er Frau und Tochter und läuft davon. Während er noch auf der Flucht ist, trifft er auf den kleinen Huck, der ebenfalls von zu Hause weggelaufen ist. Huck hat seinen Tod vorgetäuscht, um ein für allemal seinem gewalttätigen Vater zu entkommen. Jim befürchtet, dass ihm als Sklave der Tod des Jungen angehaftet wird, und nimmt ihn mit auf eine abenteuerliche Reise, bei der sie sich gemeinsam vielen Gefahren stellen müssen. Doch Jim hat nur ein Ziel vor Augen: Seine Frau und seine Tochter aus den Fängen der Sklaverei zu befreien. Wird er sie je wiedersehen?

Meine Leseerfahrung:
Percival Everett war mir bisher kein Begriff, was ich zutiefst bedaure. Auf "James" bin ich nur zufällig aufmerksam geworden und habe überraschenderweise nach langer Zeit wieder ein Meisterwerk lesen dürfen. Es ist nicht einfach für Autoren, berühmte Klassiker neu zu interpretieren, insbesondere wenn die Fussstapfen, die gefüllt werden sollen, so groß sind. Mark Twains "Huckleberry Finn" ist ein Meilenstein in der amerikanischen Literatur und wurde bereits mehrfach verfilmt. Eine Neuinterpretation aus der Sicht des Sklaven Jim war für mich allerdings neu. 

Jim ist ein intelligenter, gebildeter Sklave, der Lesen und Schreiben kann. Wie alle anderen Sklaven  gibt er jedoch vor, dumm und einfältig zu sein, um nicht die Aufmerksamkeit der Weißen auf sich zu lenken. So nutzen alle Sklaven in Anwesenheit von Weißen eine Art Sklaven-Dialekt, der von ihnen tatsächlich auch so von Seiten der Weißen erwartet wird. Diese Sprechweise dürfte in der Originalsprache sicher sehr authentisch klingen. Die Übersetzung ins Deutsche ist mE aber auch richtig gut gelungen. Zu Beginn des Buches empfand ich die Passagen, in denen es zum Wechsel der Sprache unter den Sklaven kam durchaus noch komisch. Aber bereits ab den Kapiteln über die Flucht Jims merkt man, wie ernst die Situation eigentlich für Schwarze zu dieser Zeit ist. Als entflohener und unter Mordverdacht stehender Sklave läuft Jim ständig Gefahr, erkannt und gefasst zu werden, wo er auch hinkommt und mit wem er es auch zu tun hat. Was ihm dann blühen würde, möchte man sich gar nicht ausmalen. Everett gibt allerdings sehr anschauliche Einblicke in das Sklavenleben, so dass man mit der Hauptfigur mitfiebert und -leidet. So baut sich eine konstante Spannung auf, die das Buch zum Pageturner macht.

"James" hat mich sehr bewegt und ich schätze, ich mag diese neue Version sogar ein wenig mehr. Percival Everett ist absolut überzeugend und hat ein überragendes Talent, Komik und Leichtigkeit in eine schwer verdauliche dramatische Geschichte einzuarbeiten. Für mich bereits mein Lesehighlight dieses Jahr!

Fazit:
Mit "James" gibt Percival Everett dem Sklaven Jim aus dem Klassiker ´Huckleberry Finn´ eine eigene starke Stimme und schafft damit ein ganz neues Meisterwerk, was dem Original in keiner Weise nachsteht. Aufrüttelnd, provokativ und absolut lesenswert!

Bewertung vom 04.03.2024
Mayfair House
Hay, Alex

Mayfair House


gut

Zum Inhalt:
London im Jahre 1905: Nachdem Mrs King nach jahrelangem Dienst im Mayfair House gekündigt wird, sieht sie ihre Chance, auf eigene Faust für Gerechtigkeit zu sorgen. Mit einer Truppe von Damen plant sie, die Villa ihres ehemaligen Arbeitgebers bis auf den kleinsten Gegenstand auszurauben. Was wäre da zeitlich geeigneter als ein Kostümball, der im pompösen Haus stattfinden soll? Am Abend des größten Raubes, den London je gesehen hat, läuft allerdings nicht alles nach Plan. Doch die Damen sind fest entschlossen und decken zudem das dunkle Geheimnis der Villa auf.

Meine Leseerfahrung:
Ausgehend vom Klappentext habe ich tatsächlich Spannung, wie wir sie aus der Oceans-Reihe kennen, und reichlich Glamour und Drama à la Bridgerton erwartet. Erhalten habe ich dagegen einen leichten historischen Roman, der als kurzweilige Urlaubslektüre recht unterhaltsam ist, allerdings nicht wirklich anspruchsvoll wirkt. Was eine Heist-Story aber spannend macht, ist doch gerade die Genialität der Vorbereitungen des Coups, die ausgeklügelten Zwischenschritte, vielleicht sogar kombiniert mit einer aufwendigen Maskerade, um den oder die Raubopfer hinters Licht zu führen, sowie unvorhersehbare Wendungen, die nochmal Würze in die Geschichte bringen. Von alledem war hier leider nichts zu spüren. 

Die Vorbereitung des Raubes zieht sich trocken und lieblos durch die Mitte des Buches und wird stellenweise zu langatmig. Während man auf spannende Herausforderungen wartet, werden hier vielmehr die Einzelschicksale der Damen abgearbeitet. Das wiederum geschieht dermaßen emotionslos, dass man kaum Empathie für die Figuren aufbringen kann. Dabei finde ich die Ausarbeitung der einzelnen Figuren durchaus sehr gelungen. Besonders gut gefällt mir an diesem Roman, dass die Hauptfiguren alle weiblich sind, und dass es sich um starke Persönlichkeiten handelt, was wiederum essentiell ist, um einen dermaßen großen Raub bewerkstelligen zu können.

Trotz oben aufgezählter Schwächen hat das Buch allerdings Potential, weswegen ich nicht  generell abgeneigt wäre, eine etwaige Fortsetzung auch lesen zu wollen. Denn die Idee, nicht nur einen "simplen" Raub zum Hauptthema zu machen, sondern die Rache der Damen in den Vordergrund zu stellen, insbesondere auch im Hinblick auf das düstere Geheimnis der Villa, ist gut durchdacht, hapert hier allerdings nur an der Umsetzung. 

Fazit:
"Mayfair House" von Alex Hay bietet leichte Unterhaltung für zwischendurch, allerdings fehlt jegliche Tiefe und auch die erhoffte Spannung einer Heist-Story. Nette Geschichte mit starken Frauen, die im Falle einer Fortsetzung Verbesserungspotential hat!