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Dajobama

Bewertungen

Insgesamt 132 Bewertungen
Bewertung vom 05.09.2024
Das Wesen des Lebens
Turpeinen, Iida

Das Wesen des Lebens


ausgezeichnet

Das Wesen des Lebens – Iida Turpeinen
Die Stellersche Seekuh
Über drei Jahrhunderte folgt dieser Roman dem Skelett der mittlerweile ausgestorbenen Seekuh. Beginnend mit dem Naturforscher und Namensgeber Georg Wilhelm Steller im 18. Jahrhundert schlägt Turpeinen einen großen Bogen – von der abenteuerlichen Expeditionsfahrt ins Nordmeer, über die Kompanie in Nowo-Archangelsk in Alaska, bis zu den Vogelinseln nach Helsinki. Stets geht es um Forscher und Entdecker, Jäger und Sammler. Auch wenn es den Menschen meist nicht bewusst ist, die Leidtragenden sind immer die Tiere. Und so sammeln sich im Verlauf dieser Geschichte etliche Arten an, die mittlerweile unwiderruflich ausgestorben sind. Die Erkenntnis kommt, wenn überhaupt, für viele zu spät.
Es ist ein sehr wissenschaftlicher Ansatz den Turpeinen hier verfolgt. Teilweise liest es sich fast wie ein Sachbuch, obwohl es auch einige lesenswerte Menschenschicksale gibt, die ja untrennbar mit den Schicksalen der Tieren in diesem Roman verbunden sind. Irgendwie wird durch die sachlich fundierte Erzählweise schon deutlich, dass die Tiere der Autorin näher liegen als die Menschen. Das mag auch daran liegen, dass beispielsweise das Skelett der Stellerschen Seekuh über drei Jahrhunderte ein Thema bleibt, während die Menschen (logischerweise) und Orte wechseln.
Der Schreibstil mag literarisch nicht das Gelbe vom Ei sein, doch das muss er auch gar nicht. Dieser Roman überzeugt durch wissenschaftlich fundierte Hintergründe. Mich konnte diese Geschichte der Seekuh unheimlich fesseln und faszinieren. Die Autorin schafft es, zu informieren und zum Nachdenken anzuregen.
Sehr lesenswert. 5 Sterne.

Bewertung vom 05.09.2024
Sing, wilder Vogel, sing
O'Mahony, Jacqueline

Sing, wilder Vogel, sing


ausgezeichnet

Sing, wilder Vogel, Sing- Jacqueline O'Mahony

Was für eine Geschichte, was für eine Autorin und vor allen Dingen - was für eine Protagonistin! Dieser Roman hat mich bereits auf der allerersten Seite eingesogen und erst nach Stunden wieder ausgespuckt.

Honora wächst als Außenseiterin in einem kleinen Ort an der irischen Westküste auf. Im Zuge der großen Hungersnot Mitte des 19. Jahrhunderts verliert sie alles und besteigt ein Schiff Richtung Amerika. Auch hier stehen die Zeichen erst einmal schlecht für Honora. Es braucht mehrere Stationen, unglaublich viel Kraft und Mut und einen eisernen Willen bis Honora endlich ihre Freiheit findet.

Honora ist eine ganz unglaubliche Protagonistin, die aus jeder Situation immer noch einen Ausweg findet und für sich nutzt. Mit Mut und Entschlossenheit stellt sie sich als Frau in einer Männerwelt jeder neuen Herausforderung. Dabei weiß sie genau was sie will: Amerika verspricht Freiheit und mit weniger will sie sich auch nicht zufrieden geben.

Von der irischen Hungersnot bis hin zu den indigenen Völkern Nordamerikas verarbeitet die Autorin historische Fakten und stellt Zusammenhänge her.
Den Schreibstil mochte ich ebenfalls sehr, allerdings ist Honoras Geschichte derart spannend, dass er darüber beinahe untergeht. Tatsächlich würde ich dieses Buch als historischen Spannungsroman bezeichnen. Schon länger konnte mich keine Geschichte mehr derart fesseln.

Deshalb, unbedingt lesen! 5 Sterne und ich hoffe, von der Autorin noch häufiger zu lesen.

Bewertung vom 04.09.2024
Kleine Monster
Lind, Jessica

Kleine Monster


ausgezeichnet

Abgründe
Der Aufhänger des Romans, der Vorwurf, der dem siebenjährigen Luca gemacht wird, sich einer Klassenkameradin gegenüber unpassend verhalten zu haben, ist hier nur die Spitze des Eisbergs. Denn das Problem liegt eigentlich ganz woanders. Das Problem ist hier die Mutter, Pia, die nicht in der Lage ist, ihren Sohn richtig einzuschätzen und ihm das Vertrauen entgegen zu bringen, das er verdient hätte.
Die Geschichte geht zurück in die Kindheit Pias, mit zwei Schwestern - und einem nie verarbeiteten Trauma.
Mir wurde einmal gesagt, man soll immer davon ausgehen, dass jede Person die beste Version seiner selbst ist, wie es im Moment möglich ist. So ist es auch hier. Jeder gibt sein Bestes, trotzdem endet Pias Kindheit in einem großen Durcheinander aus Schweigen, Trauer, Misstrauen und Schuld. Ein Trauma, das die Beziehung zu ihrem eigenen Sohn extrem belastet. Tatsächlich ist sie eine schreckliche Mutter und zudem eine wenig sympathische Protagonistin.
Bald schon stellt sich die Frage, wer die titelgebenden kleinen Monster sein sollen. Luca? Eine Schwester aus der Kindheit? Oder doch die Dämonen in Pias Kopf?
Die Autorin glänzt mit tiefgründigen und feinsinnigen psychologischen Beobachtungen. Ich fand das extrem spannend zu lesen - fast wie ein Thriller. Auch sprachlich bleiben keine Wünsche offen. Ein toller Roman, den ich in kürzester Zeit verschlungen habe.
5 Sterne

Bewertung vom 04.09.2024
Pi mal Daumen
Bronsky, Alina

Pi mal Daumen


ausgezeichnet

Ein besserwisserisches kleines Genie im Teenie-Alter und eine Frau im mittleren Alter, die fest im Leben steht. Oscar und Moni sind beides Erstsemester im anspruchsvollen Mathestudium. Obwohl sie gegensätzlicher nicht sein könnten, ergänzen sie sich scheinbar perfekt.

Alina Bronsky hat auch in diesem Roman wieder extrem schrille, abgedrehte, aber vor allen Dingen liebenswerte Figuren erschaffen. Die erste Hälfte der Geschichte ist in erster Linie einfach unheimlich witzig. Oscar ist mit seiner weltfremden, überheblichen Genialität verdammt gut gezeichnet. Genau wie Moni, die großmütig über seine Schrullen hinwegsieht. Im weiteren Verlauf kommen durchaus noch ernstere Komponenten hinzu und verleihen der Geschichte Tiefgründigkeit.

Die Autorin trifft mit ihren Themen einfach immer einen Nerv und sorgt für beste Unterhaltung. 5 Sterne für eine abgefahrene Studentengeschichte.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.07.2024
Vorstandssitzung im Paradies
Paasilinna, Arto

Vorstandssitzung im Paradies


sehr gut

Vorstandssitzung im Paradies – Arto Paasilinna
Eine witzig-skurrile Robinsonade mit Tiefgang.
Ein Charterflugzeug verunglückt über dem Ozean. Die Insassen bestehend aus finnischen Waldarbeitern und schwedischen Hebammen können sich auf eine Insel retten. Diese ist auf den ersten Blick unbewohnt und die Gestrandeten müssen sich organisieren und selbst versorgen. Was erstmal mehr schlecht als recht gelingt, wird schließlich bis zur Perfektion getrieben – inklusive eigener Schnapsbrennerei. Bis schließlich der Tag der Rettung naht und der ein oder andere überlegt, ob er überhaupt gerettet werden will aus dem Paradies.
Natürlich bleiben auch Reibereien im Paradies nicht aus. Allerdings wird schnell klar, dass das Funktionieren dieser neuen Gesellschaft überlebensnotwendig ist. Und letzten Endes ziehen alle an einem Strang. Wer also an Entwicklungen wie in „Herr der Fliegen“ denkt, liegt hier falsch. An Kritik an bestehenden Gesellschaftsordnungen der restlichen Welt spart der Autor aber nicht.
Neben der spannenden Abenteuer-Geschichte punktet dieser Roman in erster Linie durch seinen typisch trockenen, auch zynischen, finnischen Humor. Es ist einfach ein ganz besonderer Schreibstil, der einen immer wieder zum Schmunzeln bringt.
Mit Sicherheit ein Autor, den es sich zu merken lohnt. 4 Sterne.

Bewertung vom 01.07.2024
Am Himmel die Flüsse
Shafak, Elif

Am Himmel die Flüsse


ausgezeichnet

Am Himmel die Flüsse – Elif Shafak
Dies ist erneut ein unglaublich vielschichtiges Werk der britisch-türkischen Ausnahmeautorin Elif Shafak.
Auf den ersten Blick sind es drei sehr unterschiedliche Leben, zu verschiedenen Zeiten, an anderen Orten, von denen hier erzählt wird. Von der Themse bis zum Tigris, vom alten Mesopotamien bis in die heutige Zeit schlägt Shafak große Bögen. Alles verbindendes, lebenswichtiges Element: das Wasser.
Der Schreibstil dieser Autorin ist einfach unglaublich. Mühelos lässt sie ihre Leser tief in verschiedenste Themen eintauchen und erschafft ein monumentales Werk, das durch seine grandiose Atmosphäre überzeugt. Trotz häufiger Sprünge in Ort und Zeit entwickelt sich ein Sog, dem man sich kaum entziehen kann und der intensiv nachhallt. Bereits früh verraten kleine Hinweise, dass die einzelnen Geschichten durchaus zusammenhängen. Dennoch hält sich die Spannung bis ganz zum Schluss. In kluger, poetischer Sprache führt Shafak ihre Leser ruhig aber bestimmt durch diesen verschachtelten, dennoch völlig schlüssigen Roman.
Keinesfalls ist dies ein leichter Roman. Im Gegenteil. Nicht nur erfordert er Konzentration beim Lesen, insbesondere inhaltlich geht es um schwere bedrückende Themen, wie etwa den Genozid an der Volksgruppe der Eziden. Gerade gegen Ende zu ist das Erzählte oft sehr schwer verdaulich. Doch da gibt es bereits längst kein zurück mehr; diese sprachgewaltige Geschichte lässt einen nicht mehr los.
Ein faszinierender, höchst beeindruckender Roman, der sicherlich im Gedächtnis bleiben wird.
Highlight – 5 Sterne!

Bewertung vom 14.06.2024
Stolz und Vorurteil
Austen, Jane;Kühn, Claudia

Stolz und Vorurteil


sehr gut

Stolz und Vorurteil – Jane Austen (Graphic Novel)
Jane Austens Klassiker wurde hier als Graphic Novel gestaltet und somit einem breiterem Publikum zugänglich gemacht.
Dieses Werk ist schnell gelesen – wesentlich schneller als das Original. Klar, dass der Inhalt dabei ein wenig leidet, das geht gar nicht anders. Dennoch finde ich den Zeichenstil sehr passend und liebevoll gestaltet. Trotz der inhaltlichen Einbußen kann man die Atmosphäre der Regency-Zeit sehr gut wahrnehmen. Das Gefühl und die Stimmung passen. Ich habe die Lektüre sehr genossen.
Auch wenn ich generell nicht unbedingt ein Fan davon bin, Klassiker bis zur Unkenntlichkeit zu kürzen und verändern, finde ich, diese Graphic Novel hat durchaus ihre Berechtigung. Sie bietet einen gänzlich neuen Zugang zu diesem großen Werk der Weltliteratur.
4 Sterne.

Bewertung vom 11.06.2024
Im Tal
Goerz, Tommie

Im Tal


ausgezeichnet

Im Tal – Tommie Goerz
Ein Tal in der fränkischen Schweiz und sein Bewohner Toni Rosser, die tragische Hauptfigur dieses beeindruckenden Romans. Denn Toni, der ohne Mutter und mit einem tyrannischem Vater in einem abgelegenen Tal in der fränkischen Schweiz aufwächst, schafft es zeitlebens nicht, seiner kaltherzigen Kindheit zu entkommen. Diese Geschichte umfasst das ganze Leben Tonis – von seiner Geburt 1897 bis zu seinem Tod im Jahre 1968. Immer wieder zieht es den erwachsenen Toni hinaus in die Welt und immer wieder kehrt er doch in sein Tal zurück. Glücklich wird er nirgendwo und einsam ist er immer und überall. Zwei große Kriege erlebt und überlebt er, doch die Schatten der Vergangenheit wird er einfach nicht los. Isoliert und verkümmert wie er aufgewachsen ist, hat er es leider nie gelernt mit Menschen umzugehen, Zwischenmenschliches bleibt ihm fremd. Ein ewiger Einzelgänger.
Dies ist eine sehr bedrückende, atmosphärisch erzählte Geschichte über die Folgen von fehlender Wärme und Sozialisation in der Kindheit. Nicht nur der traurige Charakter und das einsame Leben Tonis wird detailliert und nachvollziehbar beschrieben, sondern es gibt auch zahlreiche wunderbare Naturbeschreibungen.
Die Sprache ist recht einfach gehalten, zunächst aus der Perspektive des Jungen Toni erzählt, später dann des einsamen, ungebildeten, in einfachsten Verhältnissen lebenden Mannes Toni Rosser. Das passt also sehr gut und wirkt authentisch. Es wird deutlich, wie unfähig er ist, sich seiner eigenen Gefühle überhaupt klarzuwerden, bzw. damit umzugehen. Geschweige denn mit denen anderer.
Der Tod Anton Rossers stellt den Einstieg in diesen Roman dar und auch das Ende. Dazwischen die Schilderung eines tragischen Lebens, von aller Welt missverstanden und gemieden. Ergreifend und beeindruckend. 5 Sterne.

Bewertung vom 02.06.2024
Seinetwegen
Del Buono, Zora

Seinetwegen


gut

Seinetwegen – Zora del Buono
Dies ist ein autofiktionales Werk. Zora des Buono hat ihren Vater 1963 mit nur wenigen Monaten bei einem tragischen Autounfall verloren. Die Mutter verfällt in tiefes Schweigen. Sechzig Jahre später will sie endlich mehr über ihren Vater erfahren, über den Unfallhergang und auch über den Unfallverursacher, von dem sie nur die Initialen kennt: E.T.
Als Roman würde ich dieses Buch nicht bezeichnen. Es ist eher eine Aneinanderreihung von Anekdoten, Fakten, Kaffeehausgesprächen. Eine Reise in die Vergangenheit und eine Aufarbeitung jahrzehntelangen Schweigens. Dabei schweift del Buono immer wieder von ihrem eigentlichen Ziel ab, mehr über den Vater zur erfahren um ihr breit gefächertes Wissen zu präsentieren. Zu allen möglichen Themen weiß sie etwas zu sagen; von Hexenverfolgungen über Homosexualität – manches Mal wunderte ich mich sehr, wie sie den Bogen von ihrer Familiengeschichte zu unterschiedlichsten Themen und wieder zurück fand. Leider wirkte sie dabei auf mich auch öfter etwas oberlehrerhaft. Viele der Anekdoten und Fakten sind allerdings auch wirklich sehr interessant. Nur eine runde Geschichte kommt dabei für mich nicht zustande. Durch die vielen Abschweifungen konnte ich mich kaum in die Handlung bzw. die Protagonisten hineinversetzen. Es bleibt eine große Distanz.
Mir war nicht klar, dass dies ein autofiktionaler Roman ist. Die Nachforschung an sich ist wenig ergiebig und kaum überraschend. Da dies kaum ausreichend Material für ein Buch ergibt, wurde die Geschichte mit allerhand Füllmaterial ergänzt.
Konnte mich leider nicht begeistern. Wohlwollende 3 Sterne.

Bewertung vom 31.05.2024
Windstärke 17
Wahl, Caroline

Windstärke 17


sehr gut

Windstärke 17 – Caroline Wahl
Dies ist die Fortsetzung von Wahls Bestseller „22 Bahnen“, in dem Tilda die Hauptrolle gespielt hatte. Nun sind einige Jahre vergangen, die Mutter ist gerade verstorben und die kleine Schwester Ida ist die Protagonistin.
Wütend und voller Schuldgefühle weiß Ida nicht wohin mit sich selbst und all ihren Gefühlen. Zu Tilda nach Hamburg will sie nicht. Und so verschlägt es sie mehr oder weniger zufällig auf die Insel Rügen, wo sie von dem älteren Ehepaar Marianne und Knut herzlich aufgenommen wird. Gerade als es bergauf zu gehen scheint, wird Marianne krank. Und dann ist da auch noch Leif…
Caroline Wahl hat einfach einen tollen Erzählton. Absolut authentisch und schnörkellos erweckt sie ihre jugendliche Protagonistin zum Leben. Es sind einfache, dennoch wunderschöne lockere Sätze, die von so banalen wie tiefgreifenden Lebenswahrheiten berichten. Man hat das Gefühl als ginge Tildas Geschichte beinahe nahtlos in Idas Erzählung über. Obwohl es etliche neue Figuren gibt, ist man sofort wieder in der Geschichte angekommen. Denn das Grundthema bleibt im Wesentlichen das Gleiche: eine schwierige Kindheit und Mutter-Tochter-Beziehung, ein zu frühes Ende der Kindheit, der holprige Wechsel vom Mädchen zur Frau, mit viel zu vielen Sorgen. Ziemlich schwere Themen, die durch den lockeren, unkomplizierten Schreibstil etwas aufgelockert werden.
Auch dies ist wieder eine gelungene, bitter-süße Geschichte von Caroline Wahl.
4 Sterne