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Novalie

Bewertungen

Insgesamt 123 Bewertungen
Bewertung vom 15.01.2024
Monde vor der Landung (eBook, ePUB)
Setz, Clemens J.

Monde vor der Landung (eBook, ePUB)


gut

Kontextlos Komplex
Peter Bender lebt Anfang des 20. Jahrhunderts in Worms und ist Gründer einer Religionsgemeinschaft. Er glaubt, dass die Menschen nicht auf der Erde, sondern in einer Hohlkugel leben.
Die Geschichte scheint sehr gut recherchiert und punktet durch Quellenverweise und Fotos.
Anfangs hat mich das Buch sehr verwirrt. Ich war mir oft nicht sicher, ob ich mir manche Dinge wörtlich vorstellen, oder als Metapher verstehen soll. Es wirkt einiges sehr skurril.
Der Protagonist war nicht wirklich sympathisch und das frauenfeindliche Gedankengut dieser Zeit hat es mir manchmal schwer gemacht, weiterzulesen.
Rückblickend gesehen ist die Perspektive des Protagonisten aber sehr gut rübergekommen und im Nachhinein machen die viele Fragezeichen, die ich während des Lesens hatte, durchaus Sinn.
Inhaltlich hat das Buch einige Längen, aber sprachlich hat es mir außergewöhnlich gut gefallen.
Obwohl die Geschichte in der Vergangenheit spielt, hatte ich schon fast das Gefühl in einer dystopischen Zukunft gelandet zu sein. Die Geschichte wirkt sehr losgelöst von Gesellschaftspolitik und wird mit einem Tunnelblick erzählt, der keinen Platz für Kontext liefert.
Die wahre Heldin ist für mich die Frau des Protagonisten, die als Jüdin in dieser Zeit eine ganz andere Sichtweise auf die Welt hat. Ich fand es sehr befremdlich, wie jüdisch sein in Nazideutschland schon fast ignoriert wurde und wie der Fokus der Aufmerksamkeit auf einer skurrilen Religion lag.
Monde vor der Landung ist ein spannendes Buch, bei dem man aber viele Pausen braucht, selbst mitdenken und einiges googeln muss.

Bewertung vom 23.12.2023
Die sieben Monde des Maali Almeida
Karunatilaka, Shehan

Die sieben Monde des Maali Almeida


sehr gut

Unvorhersehbar.

In den 90er Jahren, mitten im Bürgerkrieg lebt und stirbt ein schwuler Kriegsfotograph und Zocker in Sri Lanka. Plötzlich ist er im Jenseits, das ganz anders ist, als er es sich vorgestellt hat. Er hat sieben Tage Zeit, um herauszufinden, wie er gestorben ist. Außerdem hat er Negative höchstbrisanter Fotos versteckt, die Sri Lanka in Auffuhr versetzen könnten. Aber wie kann er den Lebenden mitteilen, wo sie zu finden sind?
Ich gestehe, dass ich eigentlich nichts über den historischen Kontext der Geschichte wusste. Dadurch bin ich Anfangs etwas geschwommen, aber glücklicherweise gibt es am Ende des Buches ein Glossar.
Der Inhalt war unvorhersehbar und ich habe die Geschichte einfach auf mich zukommen lassen. Teilweise war die Geschichte sehr tiefgründig und ich habe einige Absätze mehrmals lesen müssen, weil manche Stellen einfach so schön formuliert waren.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal dieses Buches ist, dass als Erzählform die zweite Person Singular gewählt wurde. Als Leser:in wird man also direkt angesprochen. Das hat mir sehr gut gefallen.
Die Geschichte ist skurril und komplett schräg. Ich liebe Geschichten, die Genregrenzen durchbrechen und die Erwartungshaltung unerfüllt lassen. Es war eine Achterbahnfahrt voller Plottwists, von denen mir schon fast ein bisschen schwindelig geworden ist.
An manchen Stellen war es mir aber schon fast ein bisschen zu viel und ich musste mich sehr konzentrieren, um nichts zu verpassen.

Bewertung vom 23.12.2023
The Marriage Act
Marrs, John

The Marriage Act


gut

Verschiedene Blickwinkel.

Um mehr Menschen zu einer Ehe zu motivieren, veranlasst die Regierung ein Gesetz. Wer eine Smart-Ehe eingeht bekommt bessere Kredite, bessere Gehälter, Häuser in besseren Gegenden und ein besseres Leben. Doch wie viel Macht will man der Regierung und einem Algorithmus über das eigene Liebesleben geben?

Das System ist wirklich sehr detailliert ausgearbeitet und vermittelt ein ziemlich hoffnungsloses Bild von der Welt. Der Stimmung der Geschichte ist sehr dystopisch und man erlebt die unterschiedlichen Perspektive verschiedener Menschen, auf das Modell der Smart-Ehe. Die Charaktere wirken realistisch, aber nicht wirklich sympathisch.

Es war nie wirklich langweilig, auch wenn ich am Anfang ein bisschen gebraucht habe, um in die Story hineinzufinden. Manchmal eskaliert die Handlung sogar ein bisschen.

Zeitweise hat mich die Story ziemlich runtergezogen, weil die heterosexuelle, monogame Ehe ja jetzt auch schon als das erstrebenswerte Ziel gesehen wird und sämtliche anderen L(i)ebensformen abgewertet und belächelt werden.

Aber die Idealisierung der Smart-Ehe in dem Buch ist noch mal ein ganz anders Level.

Bewertung vom 15.12.2023
Im Prinzip ist alles okay [Ungekürzt] (MP3-Download)
Polat, Yasmin

Im Prinzip ist alles okay [Ungekürzt] (MP3-Download)


ausgezeichnet

Sehr ergreifend und lebensnahe

Miryam ist Mutter. Aber davor war sie bereits eine Frau, Schwester und eine Tochter. Jede dieser Rollen geht mit verschiedenen Erwartungen an sie einher. Aber wie beeinflussen die Rollen einander? Und wer ist Miryam eigentlich wirklich?
Zuerst das Wichtigste: Ich liebe diesen Titel. Er ist treffend und passt sehr gut zu der Geschichte.
Die Protagonistin ist in ihrer fehlerhaften, unvollkommenen Art perfekt ausgearbeitet und stellt sich Herausforderungen, die viele Frauen wahrscheinlich kennen. Sie hat als Mensch einige Schwächen, die allerdings viel Sinn machen und man kann sehr gut mit ihr mitfiebern.
Auch die Familienmitglieder und die Art wie miteinander umgegangen wird, hat mich sehr überzeugt. Es ist nicht wirklich wertschätzend oder sympathisch, aber erschreckend realistisch.
Die Geschichte hat als Hörbuch sehr gut funktioniert und ich hatte den Eindruck, als würde mir eine gute Freundin berichten, was sie gerade beschäftigt. Nur leider konnte ich sie nicht unterstützen.
Für meinen Geschmack wurde allerdings ein bisschen zu viel geflucht. Das ist in manchen Familien wahrscheinlich üblich, aber für mich war das extrem ungewohnt.
„Im Prinzip ist alles okay“ ist absolut keine leichte Lektüre, regt aber sehr zum Nachdenken und Reflektieren an. Denn letztendlich bedeutet „im Prinzip ist alles okay“ nur, dass nicht wirklich alles okay ist.

Bewertung vom 12.11.2023
That fucking Bet
Remus, Fanny

That fucking Bet


sehr gut

Unterhaltsamer Lesesnack

Vic ist in ihren besten Freund Fabian verliebt, doch dieser schein kein derartiges Interesse an ihr zu haben. Stattdessen geht sie mit ihm eine Wette ein, dass sie es schafft in 14 Tagen mit 14 Männern zu schlafen. Das ist zwar ziemlich stressig, aber vielleicht kriegt sie dadurch auch Fabian aus dem Kopf.
Mich hat das Buch sehr gut unterhalten. Es ist zwar etwas vorhersehbar, aber das Lesen hat wirklich Spaß gemacht. Die beiden sind total knuffig und auch Vics Umfeld ist sehr sympathisch.
Im Laufe der Geschichte lernt Vic sehr viel über sich und entwickelt sich ständig weiter. Vor allem Kommunikation ist gerade am Anfang nicht wirklich ihre Stärke und sie trifft schon auch ein paar schlechte Entscheidungen. Was ich aber richtig cool finde ist, dass Verhütung und Konsens regelmäßig angesprochen werden und auch die expliziten Szenen sehr realistisch dargestellt werden.
Die Handlung hat ein ordentliches Tempo, viele Dialoge und so etwas wie Langeweile kommt nie auf. Für meinen Geschmack hätte man aber noch ein paar Seiten hinzufügen können, damit ein bisschen mehr Ruhe in die Geschichte kommt. Aber auch so hat die Story gut funktioniert.
Ein unterhaltsamer Lesesnack, perfekt um der Realität für eine kurze Zeit zu entfliehen. Für alle, die auf Spice stehen, aber keinen Bock mehr auf dominante Alpha-Bubis, eifersüchtige Fitness-Stiere oder besitzergreifende Macho-CEOs haben.

Bewertung vom 06.11.2023
When The King Falls / Vampire Royals Bd.1
Niehoff, Marie

When The King Falls / Vampire Royals Bd.1


ausgezeichnet

Positive Überraschung

In London herrschen Vampire über Menschen, doch es formt sich Widerstand. Florence ist Attentäterin und soll ins Schloss des Vampirkönigs eingeschleust werden, um ihn zu töten. Doch dafür muss sie ihn dazu bringen, ihr zu vertrauen und sich auch von ihrem Herzen nicht vom Plan abbringen lassen.
Das Cover hat mir richtig gut gefallen, aber leider ist die goldene Schrift sehr schnell fleckig geworden und teilweise verschwunden. Das finde ich sehr unpraktisch, da man Bücher ja eigentlich auch lesen können sollte, ohne dass sowas passiert.
Die Charaktere waren mir sehr sympathisch und auch, wenn die Geschichte ziemlich klischeehaft beginnt, entwickelt sich eine überzeugende Chemie zwischen den Protagonist:innen. Und das ganz ohne toxisches Verhalten oder Machogehabe. Das war erfrischend angenehm.
Es ist ein bisschen, als hätte Edward Cullen Therapie gemacht, die Weltherrschaft an sich gerissen und würde in einer modernen Bridgerton Welt Selection nachspielen.
Auch sprachlich ist das Buch sehr leicht lesbar. Der Sprachstil ist flüssig, verständlich und unterhaltsam. Dabei ist die Geschichte inhaltlich sehr unaufgeregt. Das Worldbuildung bleibt extrem schemenhaft und mehr Kontext oder Basiswissen über die Welt hätte mir doch sehr geholfen.
Der Fokus der Geschichte liegt allerdings auf Florence und dem König. Große Verschwörungen, erstaunliche Plottwists oder rasante Wendungen wird man hier vergeblich suchen. Dafür gibt es zwei sympathische Charaktere, die einander langsam kennenlernen und dabei ihre eigenen Ziele nicht aus den Augen verlieren wollen.
Mich hat die ruhige, reife Art der Geschichte positiv überrascht und Florence und der Vampirkönig haben mich richtig gut unterhalten.

Bewertung vom 28.10.2023
solo, selbst & ständig
Dittmann, Anne

solo, selbst & ständig


ausgezeichnet

Große Empfehlung

Da es in meinem Freundeskreis immer mehr ungeplant Alleinerziehende gibt, wollte ich mich mal ein bisschen mit dem Thema befassen.
Leider ist das Thema Scheidung in meinem Umfeld noch immer stigmatisiert und es ist nicht unüblich, dass Paare „für die Kinder“ zusammenbleiben oder im Falle einer Scheidung, oft der Mutter vorgeworfen wird, sie nehme den Kindern den Vater weg. Dabei geht es in den seltensten Fällen tatsächlich um die Kinder, sondern meist eher um das Aufrechterhalten eines nach außen perfekt wirkenden Familienbildes.
In „Solo, selbst und ständig“ werden Trennungen, Care-Arbeit, Karriere, Entspannung und Liebe thematisiert, wobei diese Dinge für Alleineerziehende oft eine echte Herausforderung darstellen.
Ich war positiv von der empathisch, wertschätzenden Art der Autorin überrascht. Sie berichtet von ihrer persönlichen Erfahrung, liefert lebensnahe Tipps, praktische Fakten und gibt Allein- und Getrennterziehenden eine Stimme. Ich habe gemerkt wie ich mich Seite für Seite wohler gefühlt habe und auch meine eigenen Einstellungen hinterfragt habe.
Auch wenn das Buch an manchen Stellen ziemlich wütend macht, bleibt mir vor allem die ruhige, verständnisvolle Art der Autorin, die ehrlichen Berichte der Betroffenen und das hoffnungsvolle Gefühl, dass es trotz der vielen Herausforderungen schaffbar ist, im Gedächtnis.
Eine große Empfehlung für alle Menschen die Kinder haben, mit ihnen arbeiten oder sich einfach privat gerne weiterbilden, um eigene Vorurteile abzulegen oder andere zu unterstützen.

Bewertung vom 19.10.2023
Diamantnächte
Rød-Larsen, Hilde

Diamantnächte


ausgezeichnet

Highlight
Bei Büchern wie diesem, finde ich es superschwer, zu beschreiben, worum es eigentlich geht. Oberflächlich geht es um eine Frau, die ihr Leben reflektiert, aber wenn man tiefer blickt, geht es um das, was wir selbst über uns glauben wollen, und was passiert, wenn man die Geschichte des eigenen Lebens umschreiben will.
Das Cover hat meine Aufmerksamkeit sofort auf sich gezogen, der Klappentext hat mich neugierig gemacht und die Geschichte hat mich begeistert.
Ich liebe Bücher, deren wahre Genialität im Subtext steht und bei denen der geschriebene Text erst der Anfang ist. Diamantnächte besticht zwar durch wunderbare Sprache, aber letztendlich ist das, was nicht angesprochen werden will, der Kernpunkt der Geschichte.
Das Buch ist wahrscheinlich nicht massentauglich und ich bin mir sicher, dass es polarisieren wird und viele Leser:innen nichts damit anfangen können. Wenn man sich aber auf die Geschichte der Protagonistin einlässt und offen für Ungewöhnliches ist, kann es ein echtes Highlight werden.
Da es ein eher dünnes Buch ist, kann man es auch gut an einem Tag lesen, wenn man mit harten Themen umgehen kann. Aus psychologischer Sicht ist das Buch wirklich sehr feinfühlig und sensibel erzählt worden.
Ich habe mich beim Lesen oft nachdenklich, wütend und hilflos gefühlt und das Buch hat mich sehr berührt.

Bewertung vom 15.10.2023
Mütter, Väter und Täter (eBook, ePUB)
Hustvedt, Siri

Mütter, Väter und Täter (eBook, ePUB)


sehr gut

Spannende Essays

In Mütter, Väter und Täter macht sich die Autorin Gedanken über Gender, Literatur, Kunst, Mutterschaft, Gewalt, Feminismus, Psychoanalyse und Familie. Aus diesem Themenchaos entstehen verschiedene Essays, die doch erstaunlich gut zusammenpassen.
Ich bin mir manchmal etwas doof vorgekommen, weil die Autorin sehr gebildet und intellektuell ist und man das, an ihrer Art zu denken und zu erzählen, durchaus merkt. Sie stammt auch aus einem anderen Land und aus einer anderen Generation, sodass wir einen sehr unterschiedlichen Blick auf die Welt haben. Ich habe ihre Gedanken und ihren Blick auf die Welt jedoch gerade deswegen sehr geschätzt.
Ich hatte eigentlich keine Erwartungen an das Buch, was gut war, da ich tatsächlich etwas anderes erwartet hätte. Bekommen habe ich eine Essaysammlung mit verschiedensten Themen, die mir aber sehr gut gefallen hat.
Die Übersetzung ist eine echte Meisterleistung und schafft es, anstatt wortwörtlich zu übersetzen, den Sinn und die Gefühle des Textes zu übertragen. Bereits die Übersetzung des Titels vom „Mothers, Fathers and Others“ zu „Mütter, Väter und Täter“ hat mir sehr imponiert.
Wie erwartet haben mir manche Essays mehr gefallen als andere, aber ich konnte aus jedem etwas für mich mitnehmen. Besonders gefallen haben mir allerdings die persönlichen, beinahe schon intimen Geschichten über ihre eigene Familiengeschichte. Die haben mich sehr berührt.