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Benutzername: 
Beps
Wohnort: 
Bremen

Bewertungen

Insgesamt 21 Bewertungen
Bewertung vom 07.02.2024
Spur und Abweg
Tallert, Kurt

Spur und Abweg


ausgezeichnet

Kurt Tallert ist erst 12 Jahre alt, als sein Vater stirbt. In diesem Alter hatte man noch nicht viel Gelegenheit sich mit der Vergangenheit der Eltern auseinanderzusetzen.
Vater Harry war bei der Geburt seines jüngsten Sohnes bereits 58 und er ist ein Überlebender der NS-Gewalt gegenüber Juden bzw. Halbjuden.
In seinem Buch Spur und Abweg begibt Kurt sich auf die Suche nach nach Details aus dem Leben seines Vaters. Harry wurde als jugendlicher "Halbjude" (Vater Jude, Mutter Christin) in ein Lager gebracht, wo er Sklavenarbeit verrichten mußte. Nach der Befreiung wendet er sich der Politik zu und wird erst Bürgerschaftsabgeordneter in Bremen, dann MdB in Bonn.
Äußerst interessant sind die Tagebücher und Notizen des Vaters, die Kurt in sein Buch einfliessen lässt. Auch die Leben und Schicksale der Verwandten lässt Kurt Tallert nicht unerwähnt.
Dieses Buch macht deutlich, wie sehr die gebrochenen Schicksale und Lebensläufe der NS-Verfolgten auch die Leben der Nachgeboren beeinflusst.

Dieses Buch ist sehr interessant und eine Mahnung, besonders in Anbetracht der jüngsten Ereignisse, es ist bald so, als würde aus jeder Seite schreien: Nie wieder !

Bewertung vom 23.11.2023
All dies könnte anders sein
Thankam Mathews, Sarah

All dies könnte anders sein


ausgezeichnet

Sneha ist eine junge Inderin, die in den USA lebt.
Nachdem ihre Eltern nach einer Straftat des Vaters zurück nach Indien geschickt wurden, muß sich die junge Frau alleine durchschlagen. Nachdem sie das College erfolgreich abgeschlossen hat, hat sie das Glück einen Job zu ergattern, und zwar in der nicht besonders attraktiven Stadt Milwaukee. Nachdem auch noch ihr bester Freund bei der gleichen Firma einen Job bekommt, sieht das Leben für Sneha nicht schlecht aus. Sie verdient recht gut und kann ihre Freunde einladen, sie besucht Datingportale um Freundinnen oder Geliebte kennen zu lernen. Dabei lernt sie eine junge Frau kennen, die ihre beste Freundin über die Zeit hinweg wird.
Sie verliebt sich in die Tänzerin Marina und erlebt mit ihr Höhen und Tiefen.
Auch beruflich geht es auf und ab, sie wird arbeitslos, hat kein Geld mehr und findet schließlich einen neuen Job in Washingto D.C..Und Sneha hat Freunde gefunden, die sie ihr ganzes Leben begleiten werden.

Was mir an diesem Buch sehr gefallen hat, ist die Entwicklung der Protagonistin und wie sie beschrieben wird. Sie kann sich nur schwer von ihrer traditionell indischen Erziehung losmachen, kann nicht mit ihren Eltern über ihr Lesbischsein reden. Die prekären Arbeitsverhältnisse dieser jungen Menschen werden auch sehr gut beschrieben, die Ausbeutung im IT Sektor und das sich von Job zu Job hangeln.
Auch Aspekte der Probleme von queeren Menschen oder PoC werden nicht ausgespart, so geschildert, dass sie einen berühren und nachdenklich machen.

Das Buch hat eine ganz besondere Atmosphäre, die durch die Sprache unterstützt wir, die modern und locker ist,
Ein Buch, dass ich nur empfehlen kann und das auch ältere Leser anspricht.

Bewertung vom 10.10.2023
Lichtspiel
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel


ausgezeichnet

Mit Lichtspiel bringt Daniel Kehlmann uns den Regisseur G(eorg) W(ilhelm) Pabst näher.
Pabst war - neben Lubitsch Lang und Murnau - einer der bekanntesten Regisseure der 1920iger Jahre. Zu seinen Filmen gehören die unvergessenen Filme Die Büchse der Pandora, Die freudlose Gasse oder Westfront 1918. Pabst der immer linksgerichtet war, bekam den Titel "Der rote Pbst.

Im Gegensatz zu seinen Kollegen hat es Pabst nicht geschafft, in Hollywood Fuss zu fassen. Entmutigt geht er zurück nach Europa. Über Frankreich und die Schweiz kommt er wieder nach Österreich ( nach dem Anschluß an das Deutsche Reich: die Ostmark). Dort will er sich um seine (angeblich) schwer erkrankte Mutter kümmern; anschließend ist geplant, das Land wieder Richtung USA zu verlassen. Daraus wird aber nichts, weil nach Ausbruch des Krieges die Grenzen geschlossen sind.

Nachdem er einige Zeit in seinem Schloss in Österreich gelebt hat, läßt er sich dann doch von Goebbels "überreden" für die NS Filmproduktion zu arbeiten, da ihm die Arbeitsbedingungen doch zusagen.

Für die UFA dreht er u.a. den Film Komödianten. Sein ganz großer Film soll "Der Fall Molander" werden, der in den letzten Kriegswochen mit großen Aufwand in Prag gedreht wird.
Dies Passage ist für mich der beste Teil des Buches. Mit seiner Beschreibung der Zeitnot bei den Dreharbeiten, dem hektischen Versuch den Film noch zu schneiden und ausser Landes zu bringen, legt ein Tempo vor, das den Leser ausser Atem zurücklässt.

Überhaupt hat mir dieses Buch ausserordentlich gut gefallen. Es keine Biographie über Pabst, sondern ein Roman über sein Leben, der sich in weiten Teilen des wirklichen Lebens annimmt und diese mit dichterischer Freiheit und einigen hinzu erfundenen Personen auffüllt.
Kehlmann hat Pabst in diesen Buch nicht als einen strahlenden, glamurösen Mann dargestellt, sondern als jemanden, der Zweifel und Ängste hat.

Insgesamt ist es Buch, das mich voll und ganz überzeugt hat. Große Leseempfehlung.

Bewertung vom 03.10.2023
Kajzer
Kaiser, Menachem

Kajzer


sehr gut

Menachem Kaisers Buch läuft unter Sachbuch, liest sich aber wie ein Roman.

Kaiser war scheinbar nie besonders an der Geschichte seiner aus Polen / Schlesien stammenden Familie interessiert.
Eher aus Zufall erfährt er, dass sein Großvater ein Haus in Polen hatte, das enteignet wurde. Vergeblich versuchte dieser eine Entschädigung dafür zu bekommen.
Also versucht der Enkel sein Glück und sucht erstmal dieses Haus. In Polen beauftragt er eine Rechtsanwältin, seine Interessen zu vertreten.
Gleichzeitig versucht Menachem etwas mehr über seine Familie zu erfahren und stößt so auf einen Abraham Kajzer, einen Cousin seines Urgroßvaters.
Diese beiden Fakten bilden die Eckpfeiler des Buches.
Schon bei der Suche nach dem exakten Standort des Hauses gibt es Schwierigkeiten und dann ist da die polnische Justiz, die nicht gerade kooperativ ist.
Einen Großteil des Buches nimmt die Schilderung vom Projekt Riese, eines riesigen unteritdischen Areals ein, das noch heute von "Schatzsucher" erkundet wird. Hier tritt dann auch Abrahem Kajzer in Erscheinung, der als Häftling dort gearbeitet hat und nach dem Krieg ein Buch verfasst hat, das sich mit diesem Projekt befasst und bei den Schatzsuchern quasi als Bibel gilt.

Kaiser beschreibt in seinem Buch sehr genau sowohl den tiefverwurzelten Antisemitismus als auch einen Deutschenhass, der die Generationen überdauert hat. Der Antisemitismus macht sich vor allen Dingen im Justizwesen bemerkbar, wenn darüber gestritten wird, wann eine Person ,die im KZ war, als tot anzusehen ist.

Insgesamt ist Kajzer ein sehr lesenswertes Buch, das sehr authentisch ist.

Bewertung vom 22.09.2023
Die Geister von Triest
Klinger, Christian

Die Geister von Triest


sehr gut

Bei "Die Geister von Triest" von Christian Klinger war ich schon vom Prolog richtig gefesselt und mußte unbedingt wissen, was es mit diesem mysteriösen Mord, der offenkundig lange vor 1914 spielt, auf sich hat.

1914, kurz vor dem Kriegsbeginn, wird in Triest die Leiche einer Frau gefunden, die allgemein nur die Hexe genannt wird. Kriminalinspektor Gaetano Lamprecht wird mit der Aufklärung dieses Falls beauftragt, was ihm erstmal eine Aufschiedung seiner Einberufung einbringt. Die Lösung dieses Falls erweist sich schwieriger als gedacht,
überall findet er Hinweise, die ins Leere laufen oder Mysterisches. Doch zu guter Letzt kann er diesen Fall lösen, auch mit der Hilfe seiner Schwester und seiner Sekräterin. Und was es mit dem Mord vom Anfang auf sich hat wird auch gleich mitgelöst.

"Die Geister von Triest" ist ein klassischer Krimi der "who done it" Art, der besonders durch sein Ambiente besticht. Klinger zeigt hervorragend die Zerrissenheit Triests, das zu Österreich gehörte aber mehrheitlich von Italienern bewohnt wurde.
Der Inspektor ist eine interessant Figur, halb Österreicher, halb Italiener ist auch er ambivalent in Fragen der Nationalität. Er ist ein passionierter Radrennfahrer, ein moderner junger Mann, der auch gegen die Reize der Weiblichkeit nicht immun ist.

Ich habe das Buch gerne gelesen, nicht zuletzt weil das charmante österreichische Deutsch diesem Krimi noch eine weitere Authentizität gibt.

Eine schöne Empfehlung für alle, die klassische Krimis gerne lesen

Bewertung vom 28.08.2023
Prophet
Blaché, Sin;Macdonald, Helen

Prophet


ausgezeichnet

Was ist hier geschehen ? fragt man sich gleich am Anfang des Roman "Prophet" von Sin Blaché und Helen McDonald.

Plötzlich ist auf einer Wiese im ländlichen England nahe einer US Airbase mitten auf einer Wiese ein Diner aufgetaucht, hell erleuchtet, einladend aber ohne Stromzufuhr und irgendeinen Bezug zur Umwelt. Als dann noch eine Leiche auftaucht werden zwei besondere Ermittler zur Aufklärung herangezogen.

Adam Rubenstein ist ein kühler, korrekter Mann aus den USA und Sunil Rao ist ein eher chaotischer Inder, der für den britischen Geheimdienst arbeitet. Bald erfährt der Leser, dass die beiden sich schon lange kennen und bereits in Afganistan zusammen gearbeitet haben. Rao hat eine besondere Gabe: er kann falsch von richtig unterscheiden, diese Gabe und Rubensteins kühl-analytisches Denken helfen, die immer mysteriöseren Geschehnisse zu entschlüsseln und schließlich aufzuhalten.

Die beiden Charaktäre Rubenstein und Rao haben mir in ihrer Gegensätzlichkeit wirklich gut gefallen. Dass vieles aus Adams Jugend erzählt wird, macht seine Art und sein Verhalten sehr verständlich. In Rückblenden wird auch seine etwas zwiespältige Beziehung zu Rao erklärt. Rao ist in dieser Geschichte eher der Loser, der kaputte Chaot mit einer fast übernatürlichen Begabung.

Insgesamt finde ich den Verlauf dieser sehr irrwitzigen Geschichte sehr gut gelungen und auf seine Art hat das Geschehen eine in sich sehr gute Logik. Die Liebesgeschichte zum Schluß setzt dem Ganzen noch das Sahnehäubchen auf

Für mich ist Prophet ein gelungenes, ungewöhnliches Buch, das zwischen den Genres angesiedelt ist.

Große Lese-Empfehlung.

Bewertung vom 09.08.2023
Mattanza
Fabiano, Germana

Mattanza


ausgezeichnet

Mattanza ist ein Wort, das ich vor der Lektüre dieses Buchs nicht kannte. Mattanza meint den traditionellen Fang von Thunfisch vor der Küste Siziliens und auf genau diese Tradition baut Germana Fabiano die Geschichte, die sie in diesem Buch erzählt auf.

Auf der kleinen Insel Katria läuft das Leben auch im Jahr 1960 noch nach den alten Regeln. Der Thunfischfang bestimmt die kleine Gemeinde, seit Jahrhunderten ist der "Rais", der Anführer der Fischer, ein Mann aus einer bestimten Familie. 1960 wartet die ganze Gemeinde auf die Niederkunft der Tochter des Rais, endlich soll der langerhoffte Erbe geboren werden. Aber es wird wieder eine Tochter geboren.
Pragmatisch wird beschlossen, dass die kleine Nora die Nachfolge ihres Großvater antreten soll. Nirgends steht geschrieben, dass der Rais ein Mann sein muß, er muß nur aus dieser bestimmten Familie stammen.

Also wird Nora bei ihrem Großvater aufwachsen und von Anfang an das Handwerk des Rais erlernen. Im Laufe der Jahre wird Nora eine gute Rais und übernimmt diese Funktion nachdem der Großvater einen Schlaganfall erleidet.

Zunächst läuft der Thunfischfang gut, aber nach einigen Jahren sind die Fangquoten so gering, dass sich der Aufwand nicht mehr lohnt, Schuld daran ist der industrielle Fischfang, der das Mittelmeer langsam aber sicher leerfegt.

Dafür kommen dann andere Lebewesen auf der Insel an: Bootsflüchtlinge, die endgültig das Leben der Insel auf den Kopf stellen

Das Buch hat mir wirklich gut gefallen, es macht auf elementare Probleme der heutigen Zeit aufmerksam, die Überfischung der Meere und die Flüchtlinge, die vor Krieg und Gewalt in Europa Schutz suchen.
Am Anfang lernt man eine Gemeinde kennen, die noch voll in den Traditionen verankert ist, in der jeder seinen Platz hat und wo sich jeder auf den Anderen verlassen kann.
Die Darstellung des Fischfangs mag recht brutal erscheinen, aber er ist doch im Einklang mit der Natur und nimmt nur das, was das Meer bereit ist zu geben.

Insgesamt ist es ein Buch, das sich wirklich lohnt zu lesen.
Erwähnen sollte man auch die Übersetzerinnen Barbara Neeb und Katharina Schmidt, die das Buch in ein schönes, angenehm zu esendes Deutsch gebracht haben.
Das einzige, was ich mir gewünscht hätte, ist ein Glosar, in dem einige italienische Begriffe erklärt worden wären

Bewertung vom 09.08.2023
Stolen Kisses
Suchanek, Andreas

Stolen Kisses


sehr gut

Mit Stolen Kisses hat Andreas Suchanek eine schöne queere Lovestory geschrieben.

Die Geschichte von Jannis und Kai hat alles was eine gute Liebesgeschichte braucht: Wechselbad der Gefühle, Probleme und ganz viel Liebe.

Eigentlich sollte es nur ein One Night Stand werden, aber dann merken die beiden Boys ziemlich schnell, dass es durchaus mehr ist und am nächsten Morgen vermissen die beiden schon diese aufregende Nacht. Dabei sind sie wirklich ganz unterschiedlich. Jannis ist ein leicht chaotischer Student, er hat keine Probleme mit seinem Schwulsein und die ebenso chaotischen Mutter und Schwester akzeptieren und lieben ihn so wie er ist. Kai dagegen ist ein junger Geschäftsmann, der sich einfach nicht outen kann. Sein Vater würde ihn nie verstehen und so versucht er immer, es seinem Vater recht zu machen.

Am nächsten Montag treffen die beiden wieder aufeinander, als Konkurrenten, die sich um eine geschäftliche Finanzhilfe bewerben müssen um den jeweiligen Familienbetrieb zu retten. Beide Familien sind in der Modebranche tätig und es beginnt ein Wettlauf darum, die vom Finanzier gestellte Aufgabe zu erfüllen und den Kredit zu erhalten. Natürlich will jede Seite gewinnen und Kai und Jannis geraten noch oft aneinander.

Der Roman ist spannend geschrieben, man fiebert mit den beiden, wünscht jedem, dass er sein Ziel erreicht und vor allem, dass es ein Happy End für ihre Liebe gibt,
Zwischendurch kann man sich herrlich amüsieren und über einiges auch mit den beiden ärgern.
Insgesamt ein schönes Lesevergnügen.

Bewertung vom 03.03.2023
Aus ihrer Sicht
Céspedes, Alba de

Aus ihrer Sicht


ausgezeichnet

Das Buch spielt im faschistischen Italien im Zeitraum von etwa 20 Jahren.
1939 lebt die 10 jährige Alessandra mit ihren Eltern in Rom in einer eher kleinbürgerlichen Umgebung. Der Vater arbeitet in einem Ministerium und die Mutter ist eine ausserordentlich begabte Pianistin, die als Klavierleherin arbeitet.
Zu ihrer Mutter hat sie ein sehr inniges und liebevolles Verhältnis, das je endet als sich die Mutter das Leben nimmt.
Um sich nicht um das Mädchen kümmern zu müssen, schickt der Vater Alessandra zu seinen Verwandten in die Abruzzen wo sie gegen alle Widerstände daran festhält ihr Leben so zu leben wie sie es will.
Zurück in Rom um dort zu studieren, wird sie wieder massiv vom Vater unter Druck gesetzt, dem traditionellen Frauenbild zu entsprechen.
Nach ihrem Studium verliebt sie sich in den Antifaschisten Francesco Minelli, die beiden heiraten und Alessandra scheint am Ende ihrer Träume zu sein.

Das Buch ist ausschließlich "Aus ihrer Sicht" geschrieben, neben Alessandra kommt niemand zu Wort. Der Stil ist klar und nüchtern, aber trotzdem sehr anschaulich, man kann voll und ganz in der Geschichte versinken.

Politisch wird das Buch erst nach und nach. Es wird politisch in dem Maße, wie Alessandra ein solches Bewusstsein entwickelt. Genauso entwickelt sich bei Alessandra die Überzeugung, dass Frausein nicht gleich Unterdrückung und die Herrschaft des Patriarchats sein kann, sondern dass es eine Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern geben muss.
Wenn man bedenkt, wann dieses Buch zuerst erschienen ist (1949) hat es leider nichts von seiner Aktualität eingebüst.
Ich finde, dieses Buch ist absolut lesenswert.

Bewertung vom 22.02.2023
Young Mungo
Stuart, Douglas

Young Mungo


ausgezeichnet

Young Mungo ist ein Buch, das fasziniert, abstößt und einen nicht mehr loslässt. Es behandelt Themen wie Vernachlässigung und Mißbrauch von Kindern und Armut und Alkoholismus.
Aber es zeigt auch einen Hoffnungsschimmer.
Mungo ist 15 und das jüngste von drei Geschwistern. Er lebt zusammen mit seiner Schwester Jodie und der Mutter in einer heruntergekommene Wohnung in Glasgow.
Der Vater ist schon vor Mungos Geburt gestorben und der ältere Bruder ist mit 20 bereits Vater und ein berüchtigter Gangführer.
Maureen, die Mutter (auch Mo-Maw genannt) vernachlässigt ihre Kinder, ist tagelang nicht zu Hause, sodass die Kinder sich fragen, ob sie überhaupt noch lebt. Es fehlt an Geld und oft gibt es auch nicht genug zu lessen.
Mungo läßt sich ohne Ziel von Tag zu Tag treiben bis er den gleichaltrigen James kennenlernt.
James hat einen Taubenschlag ausserhalb der Siedlung und Mungo beobachtet wie er sich liebevoll um seine Tauben kümmert. Langsam kommen sich die Jungen näher und verlieben sich eineinander trotz aller Widrigkeiten denn Mungo ist Protestant während James zu den verhassten Katholiken gehört. In ihrer offen homophoben Umgebung halten sie ihre Freundschaft versteckt.
Bei einer von Mungos Bruder initiierten Massenschlägerei gegen die Katholiken wird James schwer verletzt.
Um Mungo, der bezwungen war an dieser Schlägerei teilzunehmen, aus der Schußlinie der Polizei zu bringen, vertraut Mo-Maw ihn zwei Männern an, die sie von den AA kennt. Sie sollen ihn zu einem Angelausflug mit in die Highlands nehmen bis etwas Gras über die Sache gewachsen ist.
Was dann mit Mungo auf diesem "Ausflug" geschied, ist oft nur schwer zu ertragen.

Stilistisch finde ich es sehr geschickt, dass der Roman in zwei Erzählstränge aufgeteilt ist, zum einen in "Der Mai danach" und zum anderen in "Der Januar davor". Es fängt mit dem Mai an, wo Mungo die beiden Männer kennenlernt. Die Ereignisse in Glasgow und den Highlands werden abwechselnd erzählt, was eine große Spannung erzeugt.

Mein Fazit: kein Buch für schwache Nerven, die Brutalität ist zum Teil doch schwer erträglich,
Aber wer sich davon nicht abhalten läßt, liest ein ganz großartiges Buch.