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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Denise H.
Wohnort: 
Rostock

Bewertungen

Insgesamt 53 Bewertungen
Bewertung vom 14.01.2023
Mio und die Funkelsteine
Schwander, Livia; Schwander, Jana

Mio und die Funkelsteine


ausgezeichnet

Die Welt braucht mehr Wichtel

Funkelsteine sind ein Symbol für die Stimmung und das seelische Gleichgewicht der Wichtel. Wie praktisch wäre eine so offensichtliche Warnlampe in der heutigen Welt. Mio ist ein Wutzeli, der zu seinem heutigen Geburtstag eingeweiht wird in die Geheimnisse des Wichtelwalds und der Funkelsteine. Neben den Wutzeli gibt es noch andere Wichtel, die sich um das Wohl im Wald kümmern. Doch sie wurden beraubt: die Funkelsteine werden gestohlen. Nur von wem? Mio begibt sich auf die abenteuerliche Suche nach dem Übeltäter.

Das Buch der beiden Schwestern Livia und Jana Schwander fällt auf. Nicht nur durch das eher ungewöhnliche Querformat und die märchenhaften Figuren, sondern auch den besonderen und eher ungewöhnlichen Fokus der Selbstfürsorge in einem Kinderbuch. Dieses wichtige Thema taucht viel zu selten in Bilderbüchern auf. Aber auch wenn die Bedeutung des abstrakten Themas vielleicht nicht gänzlich bei den Kindern ankommen mag, geht die Geschichte und die Figuren zu Herzen. Kleinen Wichteln wird Verantwortung übertragen, sie stehen ein für die große Gemeinschaft und schaffen es sogar ihr Ziel zu erreichen.

Positiv hervor stechen auch die noch handwerklich erstellten Illustrationen, denen man ansieht, dass sie nicht oder nur wenig am Computer nachbearbeitet wurden. Ganz besonders detailreich und einladend wurden die Tannenhutzeli-Häuschen in den Bäumen gezeichnet.

Das Buch ist im Massel-Verlag erschienen, der noch sehr neu auf dem Markt ist und sich besonderen, herausfordernden Themen widmet. Ich wünsche ihm und auch den Autorinnen weiterhin viel Erfolg, eure Bücher sind klasse!

Bewertung vom 26.12.2022
Die schreckliche Adele im Land der unerzählten Märchen
Mr. Tan;Le Feyer, Diane

Die schreckliche Adele im Land der unerzählten Märchen


gut

Feministischer Kinder-Comic

Eine schräge Hauptfigur, Witz und eine gute Idee sollten doch eigentlich ein Garant für ein gutes Buch bzw. einen guten Comic werden. Die schreckliche Adele ist sicher dem ein oder anderem Leser bereits aus früheren Bänden bekannt. Ein Mädchen mit roten Zöpfen, das jedoch alles andere als lieblich und herzlich ist. Ihre markanten Augenbrauen und ihr hinterhältiges Grinsen geben bereits auf dem Cover den Hinweis, dass sie es faustdick hinter den Ohren hat.

In diesem Band geht es um niedliche Prinzessinnen, die im Märchenland an einem Talentwettbewerb teilnehmen um ihr persönlichen Märchen samt Prinz zu gewinnen. Adele muss gezwungenermaßen auch daran teilnehmen, obwohl sie große Ablehnung gegen schicke Kleidung, Glitzer und die zu sammelnden "Schmunzelpunkte" hegt. Alle Welt denkt, dass die Prinzessinnen nett und freundlich sind, doch im Hintergrund sind sie allesamt noch fieser als Adele. Ein wahrer Glitzer-Kampf bricht aus.

Anfangs habe ich wirklich nicht damit gerechnet. Mir gefiel, dass Adele sich nicht dem Klischee der Prinzessin in wallenden Kleidchen und schicken Frisuren fügen möchte. Aber, dass dann alles in einem Zicken-Krieg endet, in dem die geifernden Gören sich die Köpfe einschlagen, nur um bei einem Wettbewerb zu gewinnen, missfällt mir dann doch. Und, dass am Ende nichts reflektiert wird, keine Einordnung gegeben wird, warum die Prinzen immer noch besser wegkommen als die Mädels, halte ich für wenig pädagogisch sinnvoll. Wenn Jugendliche oder Kinder das Buch allein lesen, bezweifle ich, dass die Message, dass Gleichberechtigung angebracht ist, wohl nicht ankommt.

Die Zeichnungen an sich sind trotzdem gefällig und der Comic lässt sich gut an einem Stück lesen. Trotzdem ist die unklare Vermittlung der feministischen Werte für mich ein eindeutiger Minuspunkt.

Bewertung vom 26.11.2022
Meine Grenze ist dein Halt
Imlau, Nora

Meine Grenze ist dein Halt


sehr gut

Pflichtlektüre für Eltern

Nora Imlau ist eine sehr erfahrene und anerkannte Familien-Expertin, die sich dem Thema bedürfnisorientierter Erziehung widmet. In ihrem neuen Buch "Meine Grenze ist dein Halt" beschreibt und diskutiert sie aus diesem Blickwinkel wie wir aus den schwierigen Situationen, in denen Kinder mit dem Kopf durch die Wand wollen, heraus kommen ohne uns selbst zu verausgaben.

Es geht um elterliche und kindliche Bedürfnisse, was brauchen wir alle: Liebe, Kommunikation, Anerkennung, usw. Das brauchen sowohl Kinder als auch Erwachsene. Wie schaffen es die Eltern auf Augenhöhe mit dem Kind zu sprechen? Der Text beschreibt viele Beispiele aus dem realen Leben und greift die Hauptthesen auf, gibt Leitlinien vor, wie das Familienleben harmonischer wird. In Übungen und mit Merksätzen kann man das Gelesene vertiefen und in den eigene Alltag übertragen. Trotzdem ist es sicher nicht einfach alles sofort erfolgreich umzusetzen.
Die Autorin geht jedoch auch nicht davon aus, dass jeder und jede mit einer idealen Ausgangsposition ausgestattet ist, also unendlich Zeit und Geduld für seine Kinder aufbringen kann, sondern es auch je nach Situation in Ordnung ist, einmal eine Grenzen aufzuweichen.
Optimalerweise wäre es ratsam, wenn beide Elternteile dieses Buch lesen, denn es wird auch darüber gesprochen, dass Grenzen verschiedener Personen unterschiedlich sein können. Und dies Kindern zu zeigen, nicht eine unüberwindbare Mauer darzustellen, ist vollkommen okay. Ebenso thematisiert Imlau das unterschiedliche Verhalten der Kinder zu den Eltern oder anderen Bezugspersonen. Oft wird die Mutter vorgezogen oder das Kind verhält sich der Mutter gegenüber weinerlicher oder "ungezogener" als gegenüber Erziehern in der Kita. Warum ist das so?
Insgesamt empfand ich das Buch als sehr hilfreich und möchte es so gerne vielen Bekannten und auch unbekannten Eltern empfehlen zu lesen. Das Familienleben wird mit diesem Wissen und den hilfreichen Tipps kinderfreundlicher und mit einer gewissen Anlaufphase auch entspannter für die Eltern, denn die Kinder werden darauf sensibilisiert, die elterlichen Gefühle und Bedürfnisse ebenfalls zu wahren. Nur bei manchen Themen hätte die Autorin noch konkretere Beispiele aufführen können. Besonders wenn es um die Kommunikation mit den Kindern geht.

Bewertung vom 02.11.2022
Stachlige Eltern und Schwiegereltern
Berger, Jörg

Stachlige Eltern und Schwiegereltern


ausgezeichnet

Äußerst hilfreicher Ratgeber

Jörg Bergers praxisnaher Ratgeber über "stachlige Eltern und Schwiegereltern" ist die beste Lektüre, die man leidgeplagten erwachsenen Kindern an die Hand geben kann. Mit vielen realen Beispielen und Ratschlägen für verschiedene Situationen versucht der Psychologe dem Leser oder der Leserin Hilfe für angeknackste Familienbeziehungen zu geben.
Eingeteilt ist das Buch in Kapitel zu verschiedenen Arten von schwierigen Eltern. Es geht um Tipps für den Umgang mit beispielsweise bestrafenden, einschüchternden oder grenzüberschreitenden Eltern. Am Anfang jedes Kapitels findet man eine Checkliste anhand derer man überprüfen kann, ob dieses Kriterium ganz oder teilweise auf die persönliche Situation zutrifft. Danach folgen teils reale Situationen, die der Autor aus seinen vielen Jahren als Therapeut sammeln konnte, vielleicht auch fiktive Figuren. An diesen problematischen Szenen erklärt Berger, wie die "Kinder" sich selbst am besten daraus retten können. Welche Taktik sinnvoll ist oder womit sie sich eventuell auch abfinden müssen.
Sehr hilfreich sind die tatsächlich ausformulierten Beispiel-Antworten, die einem direkt ein Gefühl dafür geben, wie genau man auf bösartige Aussagen der Eltern reagieren könnte. Oft findet man in anderen Bücher an dieser Stelle nur vage Andeutungen in die eine oder andere Richtung aber selten so handfeste Formulierungen.
Mit Sicherheit wird jedem Leser und jeder Leserin mindestens eine der Beispiel-Situationen bekannt vorkommen, die man bisher vielleicht noch gar nicht als übergriffig oder beleidigend wahrgenommen hat. Von daher ist der Ratgeber bereits für diese Erkenntnis eine lohnenswerte Investition.
Als Fazit bleibt diesmal eher eine Frage stehen: hast du dir jemals gedacht, dass die Beziehung zu deinen Eltern oder Schwiegereltern nicht so harmonisch ist, wie du es dir wünschst? Dann gibt dir dieses Buch mit Sicherheit Hilfestellung und Lösungsansätze.

Bewertung vom 10.10.2022
Omi, ich bin jetzt vegan!
Vochezer, Angelique

Omi, ich bin jetzt vegan!


sehr gut

Idee super, Umsetzung leider nicht 100% perfekt

Ein Kochbuch, dass sich auf Rezepte der älteren Generation spezialisiert oder besser gesagt auf die, die man mit Kindheit, Geborgenheit verbindet, nur in veganer Variante. Danach haben sicher schon viele Veggie-Gourmets lange gesucht. Denn oft sind es die speziellen Konsistenzen, die Fluffigkeit, die durch Ei und Co. kommen, die man selbst in veganer Manier nicht so ganz zusammen bekommt. Oder man denkt nur, es kann ja nicht klappen.

Angelique Vochezer und ihre Großmutter Ingeborg Teßmann lehren einen das Gegenteil mit ihrem liebevoll zusammengestellten Buch über Lieblingsgerichte aus der Kindheit. Begleitet werden die Rezepte von einem längeren Einleitungsteil, in dem die jüngere der beiden Autorinnen beschreibt, wie sie zum veganen Lebensstil gekommen ist, welche Vorteile er mit sich bringt und auf welche Hindernisse sie dennoch gestoßen ist. Außerdem erklärt sie, worauf man achten sollte, aber auch, wie man sich durch saisonales Obst und Gemüse und sinnvolle Vorräte einen schmackhaften, gesunden und bunten Teller zubereiten kann. Omi Ingeborg kommentiert weiterhin, dass früher sowieso weniger Fleisch auf den Tisch kam - es war einfach teuer und schwerer zu bekommen.

Die Rezepte orientieren sich etwas an der Österreichischen Küche, mit vielen Teigwaren (Kaiserschmarrn, Zwetschgenknödel, etc.). Themen sind: Suppen, Basics (z.B. Aufläufe, Klopse, Ei-Ersatz), Salate, Einmachen, Geburtstagstisch, Ostern und Weihnachten. Positiv aufgefallen ist mir, dass jedes Rezept von einem hübsches Bild flankiert wird. Größtes Manko im Buch und beim Ausprobieren der Rezepte waren die recht knappen Beschreibungen. Wer noch nie Germknödel selbst gezaubert hat, bleibt mit großen Fragezeichen zurück, wenn er sie formen und "sieden" soll. Hier hätten die beiden ausführlicher erklären sollen.

Die Idee und Umsetzung insgesamt ist jedoch gelungen und wird mit Sicherheit einige Menschen überzeugen, dass man mit veganer Ernährung eben nicht auf die geliebten Gerichte aus der Kindheit verzichten muss, sondern mit etwas Kreativität gesunden Genuss erleben kann.

Bewertung vom 26.09.2022
Vega - Der Wind in meinen Händen
Perko, Marion

Vega - Der Wind in meinen Händen


gut

Mehr erwartet

Wie dringend wir Bücher wie dieses brauchen, ist wahrscheinlich nicht notwendig zu betonen. Leicht zu lesende Fantasy-/Sci-Fi-Romane, die trotzdem einen wahren Kern haben, wie hier den Klimawandel, der die Menschheit bedroht, erreichen die Leser auf einer emotionalen Ebene. Wahrscheinlich spricht "Vega" genau die Generation von "Fridays for Future" an. Das Cover ist auch im Manga-Stil gestaltet, so wie es vermutlich vielen jungen Leuten gefallen könnte.
Allerdings ist die erste Hälfte des Romans leider so unemotional geschrieben, dass es nicht leicht ist Sympathien für die Protagonisten oder Verständnis für deren Handlungen zu entwickeln. Vega als Hauptperson kommt dabei noch am besten weg, wobei auch bei ihr Motivation und vor allem Details zu ihrer besonderen Gabe fehlen. Warum kann sie den Wind beeinflussen, wie macht sie das? Es tauchen so viele Fragen auf, von denen leider auch im Laufe des Buches nur ein Bruchteil beantwortet wird.
Im Grunde beginnt die Handlung rasant. Bei einem von Vegas Einsätzen als Wettermacherin, also im Grunde als Regenbringerin für die verdorrten Städte, regnet es ätzende Tropfen. Dies veranlasst die zuständige Kontrollbehörde sie zu jagen. Es entspinnt sich eine Verfolgungsjagd, die Vega zum Glück nicht alleine bestreiten muss. Zufällig rettet sie Leo aus der Situation. Warum? Wieso hilft er ihr? Sehr lang erfährt man auch zu ihm nichts.
Erst gegen Ende nimmt die Story wieder Fahrt auf und einige Zusammenhänge werden aufgeklärt. Hierbei spielen auch Umweltaktivisten und korrupte Großunternehmen eine Rolle. Natürlich wird nicht alles verraten, denn es gibt einen zweiten Band, hier eingeleitet durch einen gemeinen Cliff-Hanger. Man muss dann auch Band 2 lesen, denn die Geschichte in Band 1 wirkt alles andere als abgeschlossen.
Ein wenig außergewöhnlich spielt dieser fast dystopische Roman in Deutschland. Allerdings hätte man durchaus behaupten können, es wäre ein anderes Land. Es gab keine charakteristischen Merkmale, die zu einer Identifikation hätten führen können.

Fazit: Es hätte so viel Potential gegeben, aber es schien als musste sich die Autorin selbst an ihre Geschichte gewöhnen und erst in Fahrt kommen. Details hätten besser ausgeschmückt werden und die Figuren mehr "Charakter" bekommen können. Das Thema rüttelt trotzdem auf und lässt einen über die verschwenderische Wassernutzung und generell den Klimawandel nachdenken. Hoffentlich macht Band 2 noch etwas gut.

Bewertung vom 03.08.2022
Rille: Wann ist bald?
Krämer, Fee

Rille: Wann ist bald?


ausgezeichnet

Der kleine Gorilla mit großem Herz

Geduld ist sicherlich nicht die erste Eigenschaft, die man Kindern zuschreiben würde. Das braucht einen langen Entwicklungsprozess. Was ist Zeit, wie lange können Dinge dauern und was kann man machen, um die Wartezeit zu verkürzen?

Diese Themen behandelt "Wann ist bald?" von Fee Krämer und Nikolai Renger aus dem Thieme Esslinger Verlag. Schon vom Cover allein wird man in den grünen Dschungel gezogen, in dem viele bunte und liebenswerte Tiere leben. Im Mittelpunkt steht die Hauptfigur Rille, der kleine Gorilla, trotzdem das größte Tier in der illustren Runde. Und gerade er findet ein zerbrechliches kleines Ei ohne Eltern weit und breit und nimmt es mit, um sich darum zu kümmern. Gemeinsam mit den anderen Tieren gründet er eine "Kümmer-Gemeinschaft" und alle sind gespannt, welches Tier aus dem Ei schlüpfen wird.

Die Geschichte wird durch teils ganzseitige Bilder, teils aber auch Ausschnitte von Szenen illustriert. Alle Figuren sind äußerst niedlich dargestellt, selbst der Jaguar hat etwas knuffiges an sich und ist hier einmal nicht der Bösewicht. Darüber hinaus werden die lesenden Kinder dazu animiert, mit zu helfen, zu singen, zu behüten und zu zählen. Für ihre gute oder witzige Tat gibt es anschließend gleich nette Worte, also positives Feedback zum (Vor)lesen. Einziges Manko: meiner Meinung nach hätte man das gesamte Buch etwas kleiner und handlicher gestalten können.

Insgesamt ist es ein sehr schönes, lehrreiches und vor allem lustiges Bilderbuch für (ungeduldige) Kinder ab etwa 3-4 Jahren.

Bewertung vom 03.07.2022
Tiefes, dunkles Blau
Kobler, Seraina

Tiefes, dunkles Blau


sehr gut

Literarisch angehauchter Krimi mit leisen Tönen

Rosa Zambrano ist keine unzufriedene Kriminalbeamtin, wie sie in vielen anderen Kriminalromane zu finden ist. Sie ist (fast) zufrieden mit ihrem Leben, hat sich ein prima Zuhause in der Zürcher Innenstadt eingerichtet und geht auf in ihren Hobbies. Das Gärtnern und Kochen lebt sie mit Innbrunst und lässt auch ihre gewählte, sowie die echte Familie daran teilhaben. Eine so nahbare Krimi-Hauptfigur habe ich seit Bruno von Martin Walker lange nicht kennengelernt. Deswegen viel mir das Gernhaben nicht schwer.

Trotzdem gibt es einige Risse in ihrem Leben, der bisher unerfüllte Kinderwunsch und ein schockierender Fall, der sie in ihrer vorherigen Position traumatisiert hat. So kehrte sie der Kriminalpolizei den Rücken und wechselte zur vermeintlich ruhigeren Seepolizei. Doch auch dort kommt sie nicht weg von Morden. Ihr Arzt, der ihre Eizellen für eine spätere Kinderwunschbehandlung entnommen hat, wird tot gefunden.

Rosa ermittelt zwischen Escort-Service, Wissenschaft und der enttäuschten Ex-Ehefrau. Bald stellt sich die Frage, wer hier wen betrogen hat. Seraina Kobler nimmt sich viel Zeit, die Stadt, ihre Bewohner und speziellen Eigenarten zu beschreiben. Hoffentlich für spannendere weitere Bände. In dieser ersten Episode um Rosa kommt erst im letzten Drittel so richtig Spannung auf. Vorher könnte es schwierig werden, wenn man kein Interesse an Biotechnologie, genetische Manipulationen oder genüsslichen Gesellschaftsabenden hat.

Da ich persönlich viele Gemeinsamkeiten mit Rosa habe, fiel mir das absolut nicht schwer. Ich habe das Buch sehr gern gelesen, fand die Atmosphäre und sprachliche Eleganz toll und werden auf jeden Fall weitere Fälle von und mit Rosa Zambrano in Zürich lesen.

Bewertung vom 23.03.2022
Eine Frage der Chemie
Garmus, Bonnie

Eine Frage der Chemie


ausgezeichnet

Großartiger Roman über Emanzipation, Wissenschaft und Muttersein

Chemie ist Leben und Elizabeth Zott lebt Chemie. Als Vollblut-Wissenschaftlerin blüht die Protagonistin von "Eine Frage der Chemie" regelrecht auf, wenn sie mit ihrem Partner Calvin Evans während der Mittagspause über abstrakte Vorgänge wie Abiogenese diskutiert. Beide forschen an einem großen Institut, doch werden nicht gleich behandelt. In den 60er Jahren wird es vielen Frauen noch sehr schwer gemacht eigene Forschung zu verfolgen. Viele Männer stehlen die Ergebnisse und verkaufen sie als die eigenen. Aber nicht Calvin. Er verliebt sich in Elizabeths Verstand und sieht sie als ebenbürtige Gefährtin. Doch ihr Glück währt leider nicht lang.

Bonnie Garmus hat mit diesem Roman so viele, auch heute noch wichtige Themen in einer Geschichte verpackt, dass es einfach lohnenswert ist, das Buch zu lesen. Trotz des ernsten Hintergrunds hat sie es durch die Nebenfigur des Halbsieben, dem zugelaufenen Hund von Elizabeth, und die amüsanten, abstrusen Dialoge und Gedanken von Mad, Elizabeths Tochter, geschafft einen leichten Ton anzuschlagen. Die Lektüre macht Spaß und bildet.
Die Hauptfigur Elizabeth ist vielleicht auf den ersten Blick nicht die sympathischste. Sie lacht nicht viel, ist vorlaut und störrisch. Aber sie wird auch nicht gleichberechtigt behandelt, sondern vielmehr klein gehalten und nicht ernst genommen. Es ist eine Schande, dass allein das Geschlecht damals wie heute über Einkommen, Bildungschancen und Ansehen entscheiden kann. Deshalb braucht es mehr Elizabeths, um das zu ändern.
Ihre Tochter Mad(eline) würde, wenn man die Geschichte weiter erzählen würde, mit Sicherheit ebenfalls erfolgreiche Wissenschaftlerin, denn ihre Intelligenz ist bereits in jungen Jahren überragend. Sie versteckt sie sogar vor ihren Mitschülern und Lehrern. Beider Biographien sind tragisch, dadurch fühlt man sehr mit den beiden mit und freut sich gerade deshalb über die kleinen Wunder, die ihnen dann doch ab und zu widerfahren.

"Eine Frage der Chemie" ist eines der besten Bücher der letzten Zeit, weil es zugleich Familien- und Zeitgeschichte ist, darüber hinaus witzig, pointiert und gleichzeitig geistreich und motivierend. Am liebsten würde ich einen ganzen Stapel davon kaufen und die Bücher an Freunde, Kollegen und Familie verschenken.