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monerl

Bewertungen

Insgesamt 232 Bewertungen
Bewertung vom 07.04.2021
Der wunde Himmel
Oertel, Jeannette

Der wunde Himmel


sehr gut

(3,5 Sterne)

Meine Meinung
Die Leserschaft wird gleich ins Geschehen geworfen und es geht spannend los. Die Protagonistin Tabea Blum ist noch recht neu in ihrem Job als Assistentin und rechte Hand des elydischen Botschafters als sie eine erste Demonstration vor der Botschaft mitbekommt und der Botschafter nicht auffindbar ist. Geheime Räume, geheime Aufträge, Agenten, Überwachungen und diplomatische Verwicklungen, all das bietet dieser Roman. Auch eine gewisse politische Brisanz ist spürbar. Es geht ebenso um die DDR, die Stasi, am Rande aber auch um Gaza, Jerusalem, Diktatur, islamisches Leben und Diplomatie als auch Demokratie. Das alles in einer nahen Zukunft verortet. Wie nah, wird nirgendwo erwähnt.

Diese zeitliche Verortung jedoch fehlte mir etwas, denn ich konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass die Geschichte in der heutigen Zeit spielt. Es hat mir ein bisschen die Einführung und Beschreibung zum zeitlichen Setting gefehlt.

Über die Abläufe und Geschehnisse, die im Zusammenhang mit der Botschaft und dem diplomatischen Dienst zu tun haben, wunderte ich mich hin und wieder da ich gedacht habe, dass vieles etwas strenger laufen würde, strengere Protokolle gelten würden. Es wäre interessant zu erfahren, was die Autorin sich davon ausgedacht hat.

In der elydischen Botschaft trifft Tabea Blum auf Rayan Mansur, den Diplomaten für die innere Sicherheit, mit dem sie eine heimliche, leidenschaftliche, ungesunde und sie runterziehende Liebesbeziehung hat, die, wenn sie herauskommt, sie ihren Job kosten würde. Diese Leidenschaft erliest man sich in einigen erotischen Passagen, die ich persönlich für die Glaubwürdigkeit der Liebschaft nicht unbedingt gebraucht hätte. Ich brauche keine ausschweifenden Beschreibungen, mir reichen Andeutungen. Wer es erotisch(er) mag, ist hier gut bedient. Nicht immer konnte ich diese gegenseitige Gier aufeinander nachvollziehen. Doch es war wohl gegenseitige Liebe und dass sie irgendwie füreinander bestimmt waren.

Die Spannung im Roman ist Jeannette Oertel sehr gut gelungen. Sie hält sie auf recht hohem Niveau und steigert sie von Seite zu Seite. Darin verflochten sind auch Geheimnisse und Geschehnisse aus Tabeas Vergangenheit in der DDR, die wiederum in Verbindung zur Stasi und ihrem Vater stehen. Nach und nach werden diese Punkte aufgelöst und erfahren am Schluss ihre gesamt Offenbarung. Doch in Bezug auf andere Fragen, insbesondere im Hinblick auf das Ende in Verbindung mit Alex und Rayan, fühlte ich mich etwas in der Luft hängengelassen. Ich hätte mir eine Auflösung in dieser Hinsicht sehr gewünscht.

Die Protagonisten sind allesamt sehr gut Charakterisiert. Und es gibt einige davon. Das diplomatische Parkett betreten neben Deutschen und Elydiern auch Russen, Amerikaner und noch ein paar andere. Alles Figuren eines politischen Schachspiels, das hinter undurchsichtigen Mauern gespielt wird. Die Erschaffung einer geheimnisvollen und spannenden Atmosphäre ist der Autorin sehr gut gelungen. Ich war gefangen in diesem politischen Spiel und Umbruch, sodass ich das Buch innerhalb von drei Tagen gelesen habe.

Leider werden der Titel wie auch das Cover dem Inhalt nicht gerecht. Diese Zartheit, die beide ausdrücken, konnte ich im Buch nicht wiederfinden. So weckt das Cover falsche Erwartungen und verschreckt Leser*innen, denen ein spannender, erotischer Spionagethriller gefallen könnte.


Fazit
Ein eigentlich großartiges Debüt, hätte es zum Schluss hin etwas weniger von allem gegeben; weniger Begehren, Verzweiflung, Drama, Verwicklungen, Vergangenheitsbewältigung. Das hast mir am Ende die Geschichte etwas zu sehr in die Länge gezogen und sie wirkte deshalb ein bisschen zu konstruiert.
Empfehlen würde ich dieses Buch Fans von Politthrillern, die vor dunklen und erotischen Liebesgeschichten nicht zurückschrecken.

Bewertung vom 29.03.2021
Jeppe unterwegs
Bauer, Jutta

Jeppe unterwegs


ausgezeichnet

Meine Meinung
Gleich beim Aufschlagen des Buches gibt es eine wunderschöne Reisekarte, auf der man Jeppes Weg nachverfolgen kann. Die einzelnen Stationen sind mit einem gelben Punkt gekennzeichnet. So können die Kleinsten während des Lesens oder Zuhörens kurz innehalten und auf die Karte schauen, um sich zu orientieren. Diese Idee finde ich ganz hervorragend! Ganz am Ende gibt es die gleiche Karte, jedoch erweitert um den Weg, den Jeppe tatsächlich ging. Ein sehr kluger Zug, um nicht gleich zu verraten, was genau passieren wird.

Jeppe ist eine ganz süße und hilfsbereite Maus, die eine ganz wichtige königliche Aufgabe übertragen bekommt. Sie macht sich sogleich auf den Weg und möchte die Aufgabe umgehend erfüllen. Doch Jeppe ist auch eine sehr empathische Maus, die erkennt, wenn andere ihre Hilfe benötigen. Jeppe unterstützt und hilft sogleich, wie lange auch immer es dafür braucht. Um die Zeit für kleine Kinder greifbar und verständlich zu machen, wie viel Jette jeweils an Zeit verliert, gibt es am unteren Seitenrand einen grauen Zeitstrahl, auf dem die Kinder ablesen können, was der König, der Jette beauftragt hat, alles in dieser Zeit macht. Auf seiner Reise begegnet Jette Eichhörnchen, Schweinen, einem alten Ziegenbock, einem bösen Hund und einem Murmeltier, die allesamt wunderschön gezeichnet wurden. Die Bilder sind unterschiedlich groß und schön farbig. Manchmal gibt es wenig und manchaml viel zu betrachten. Hin und wieder entdeckt man dann auch die Comic typischen Sprechblasen und Panel-artige Bildersequenzen, die ganz ohne Text auskommen.

Fazit
Eine sehr einfühlsame Geschichte, die den Kindern Werte vermittelt. Zum einen, dass auch ein König nicht mehr wert ist als ein einfacher Eichhorn-Vater oder ein alter Zigenbock, der Unterstützung beim Gehen braucht. Alle Tiere bzw. alle Menschen sind gleich und man soll ihnen helfen, wenn man kann, auch wenn es einen selber etwas Zeit kostet und von den eigenen Aufgaben abbringen kann. Zum anderen, dass wenn man Gutes tut, dieses auch auf die eine oder andere Weise zurückbekommt, irgendwie und irgendwann. Was bleibt übrig, als eine absolute Lese- und Kaufempfehlung auszusprechen?!

Bewertung vom 28.03.2021
Pirouetten
Walden, Tillie

Pirouetten


gut

Meine Meinung
Zurzeit ist die Künstlerin gefühlt in aller Munde, umso gespannter war ich auf ihre zeichnerische Autobiografie. Mich begeistern die vielfältigen Möglichkeiten und Themen in Bezug auf Comics. Und gerade journalistische und sachbuchähnliche Comics und Graphic Novels haben mein Herz erobert. So freute ich mich sehr, dass die Leseprobe bereits offenbarte, dass Tillie Walden künstlerisch sehr begabt ist.

Gleich zu Beginn klärt die Autorin ihre Leserschaft darüber auf, dass sie mit dem Eislaufen haderte und keine so richtige Lust mehr darauf hatte. Mit Kapitel 1 tauchen wir dann in die Zeit der ca. 10-jährigen Tillie ein und es wird klar, wie anstrengend der Alltag für Kinder und Jugendliche ist, die Eislaufen ernsthaft betreiben. Aufstehen in frühen Morgenstunden, ab zur Eishalle in die Kälte, Konkurrenzkampf, Haare machen, schminken und Drill schon in jungen Jahren. So sehr Tillie dies alles hasste, kam sie viele weitere Jahre davon dennoch nicht los. Zu sehr mochte sie das Gefühl des Wettkampfs, der Herausforderung und die Beste zu sein.

Der Alltag bringt kaum Abwechslung, frühes Aufstehen, trainieren, in die Schule gehen. In der Schule wird sie gemobbt und hat kaum Freund*innen. Zudem weiß sie schon seit sie 5 Jahre alt ist, dass sie lesbisch ist. Dies macht sie auch ein stückweit einsam, da sie sich den anderen Mädchen vom Eislaufen und auch den Klassenkameradinnen noch nicht offenbaren will. Doch Tillie Walden erzählt auch von ihrem Umzug, Schulwechsel, von ihrer ersten Liebe, Trennung, ihrem Coming-out wie auch sexueller Belästigung und wie sie es geschafft hat, das Eislaufen hinter sich zu lassen.

Nachdem ich „Pirouetten“ gelesen hatte fühlte ich mich etwas erschlagen. In Tillies ersten 17 Jahren ist bei all dem für mich recht langweiligen Eislauf-Alltag insgesamt dennoch sehr viel passiert. Zu viele Themen, die plötzlich erscheinen aber nur kurz und oberflächlich abgehandelt werden. Ich denke, mir hätte diese Comic-Autobiografie besser gefallen, wenn sie sich auf weniger Themen konzentriert hätte und dabei eine flüssigere Erzählstruktur zustande gekommen wäre. So springt man als Leser*in irgendwie immer hin und her. Dies lies mich am Ende etwas unbefriedigt zurück.

Künstlerisch gesehen gefällt mir der Comic jedoch sehr gut. Der farbliche Grundton neben weiß ist dunkles violett. Akzente werden mit einem sanften gelb gesetzt. Dies empfinde ich als sehr angenehm für die Augen. Die Seiten enthalten unterschiedlich viele Panels. Es finden sich Seiten mit einem großen als auch welche mit 24 kleinen Panels. Zudem gefällt mir Tillie Waldens Zeichenstil. Er ist aussagekräftig und die Zeichnungen zu betrachten machte mir großen Spaß.

Fazit
In künstlerischer Hinsicht ein toller Comic, der mich auf der Erzählebene nicht ganz abholen und überzeugen konnte. Ein Comic einer jungen Künstlerin und Autorin, von der ich jedoch noch viel Spannendes erwarte. Interessant für alle, die gerne Coming-of-Age Geschichten lesen.

Bewertung vom 28.03.2021
Amulett Bd.6
Kibuishi, Kazu

Amulett Bd.6


ausgezeichnet

Meine Meinung
Der sechste Teil der Reihe fügt sich nahtlos in die Geschehnisse des fünften Bandes. Der Krieg gegen den Elfenkönig geht weiter. Emily und ihr Bruder Navin spielen dabei eine wichtige Rolle, auch wenn es seitens des Professors, der die Piloten für den Kampf ausbildet, Vorbehalte gegen Navin gibt. Doch die Gegner sind nicht zimperlich und jede*r Pilot*in ist wichtig.

Die Stadt Lucien scheint vernichtet, doch die kluge Bürgermeisterin hat einen Weg zur Evakuierung der Bewohner Luciens gefunden, aber die Zeit rennt. Können Navin und sein Team das Signal aktivieren, das Hilfe herbeirufen könnte? Und wie verläuft Emilys Kampf gegen Max und die Stimme?

Im vorliegenden Band entwickelt sich somit lediglich die Handlung, die Figuren stehen hier etwas im Hintergrund. Mit viel Action und Kampfhandlungen gilt es Mut zu beweisen und sich gegen das Böse zu stemmen. Dies geschieht natürlich nicht ohne Verluste.

Durch die Bürgermeisterin Luciens, die eine Elfe ist, erfahren wir wieder ein Stück mehr über die Vergangenheit, die Stadt und die Elfen. Trellis nimmt seine Führungsposition an. Er ist endlich aus seinem Schatten getreten.

Das Ende gibt wieder einen kleinen Ausblick auf den Nachfolgeband. Die Story bleibt weiterhin spannend und dies ist dem Autor und Künstler sehr hoch anzurechnen. Von Band zu Band möchte man weiterhin wissen, wie es den Charakteren ergehen wird und welche Überraschungen Kibuishi noch auf Lager hat. Nur gut, dass der 7. Band bereits im Juli 2021 erscheint.


Fazit
Wer alle Bände bis hierher gelesen hat, ist bereits mit dem „Amulett“-Fieber infiziert. Eine fantastische Abenteuer-Reihe im Comicformat, die spannend ist, interessante Charaktere aufweist und zeichnerisch sowie farblich Kindern, Jugendlichen als auch Erwachsenen Spaß beim Lesen macht. Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 24.03.2021
Der goldene Kompass - Die Graphic Novel zu His Dark Materials 1
Melchior, Stéphane

Der goldene Kompass - Die Graphic Novel zu His Dark Materials 1


sehr gut

Dies ist der erste Teil der Buchvorlagen-Trilogie „His Dark Materials“ von Philip Pullman, als Graphic Novel – Adaption. Sehr viele Leser*innen kennen die Bücher bereits, doch für mich ist die ganze Geschichte neu. Insofern las ich die Graphic Novel mit ganz unvoreingenommenen Augen und deshalb muss ich sagen, dass mir der Einstieg recht schwer gefallen ist.

Die Geschichte wird zeichnerisch nicht ganz flüssig erzählt. Ich ertappte mich immer wieder, wie ich eine Seite zurückgeblättert habe, weil ich dachte, ich hätte eine Seite ausgelassen, da ich den Fortgang der Geschichte nicht sofort erfassen konnte. Und dies ist für mich gleich das erste und größte Manko dieser zeichnerischen Adaption.

Zudem erschloss sich mir nicht so ganz, wie es zu diesen Dæmonen und ihrer gegenseitigen Abhängigkeit Mensch und Dæmon-Tier kam. Wird das im Buch besser erklärt bzw. eingeführt?

Doch die Idee der Geschichte konnte mich sofort begeistern! Hier bekommt die Leserschaft ein vielfältiges Fantasy-Abenteuer, das es in sich hat. Es wird gelogen, betrogen, intrigiert und auch getötet. Auf vielfache Art und Weise und dies auch noch recht bildhaft dargestellt. Deshalb gehöre ich zu dem Lager, das findet, dass das Lesealter angehoben werden sollte. Zehnjärige sollten vielleicht noch nicht solche Kampfszenen mit so viel fließendem Blut sehen. Kinder sterben, Dæmonen sterben, Erwachsene sterben. Ist für mein Gefühl ein bisschen viel auf einmal.

Gefallen hat mir aber die Tiefe der Geschichte. Lyra ist ein gescheites Mädchen mit viel Selbstvertrauen, Nächstenliebe und wenig Angst. Sie erkennt die Oberflächlichkeit vieler Erwachsener und kämpft dagegen an und versucht sich zu behaupten.

Zeichnerisch finde ich diese Graphic Novel sehr gelungen. Sie ist so schön bunt und die Farben schaffen es die Atmosphäre der Geschichte zu unterstreichen. Passiert etwas Schönes sind die Panels in warmen Tönen gehalten, gibt es Kampf, Angst und Verwirrung kommen die kalten Farben zum Tragen. Auch finde ich, dass die Mimik der Charaktere sehr gut lesbar ist und die Gefühle der jeweiligen Figur sehr gut ausdrückt. Der Zeichenstil insgesamt liegt mir persönlich sehr.


Fazit
Eine tolle Adaption, die Kenner*innen der Buchvorlage jedoch einen enormen Vorsprung verschafft, da sie hin und wieder Wissen (aus dem Buch) voraussetzt, um sie ganz flüssig zu verstehen. Zeichnerisch jedoch ein Genuß, wobei das Lesealter m.M.n. zu jung angesetzt wurde. Insgesamt jedoch ein besonderes Abenteuer, dessen Ausgang ich unbedingt wissen möchte. Deshalb habe ich mir auch sofort die Buchvorlage gekauft! Große Leseempfehlung!

Bewertung vom 16.02.2021
Das perfekte Grau
Jamal, Salih

Das perfekte Grau


sehr gut

Meine Meinung

„Irgendwann schaust du dich um, blickst zurück und stellst fest, dass der ganze Weg, den du gegangen oder gerannt bist, dich nur einen Steinwurf weit von deiner Herkunft fortgeführt hat. Man kann seine Heimat verlassen aber es gibt keine Gegenwart ohne Herkunft. Niemals. Und nirgends.“ (aus Hörbuch, Kapitel 1)


Dieses Zitat ist für mich der Kern des Buches. Es ist der Rahmen eines eigenwilligen Roadtrips, der zwei Frauen und zwei Männer auf ihrer Flucht und zugleich auch Suche, erst zusammenschweißt, dann trennt, um ein erneutes Zusammenschweißen auf einer höheren Stufe zu ermöglichen. Doch bis dahin ist es ein harter Weg.

Novelle, Mimi, Rofu und Dante, vier Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und Geschichte, die jedoch ähnliche Erwartung ans Leben haben, das ihnen mächtige Steine in den Weg gelegt hat. Bis auf Dante. Er legte sich seine Steine selbst in den Weg.

Im heruntergekommenen Seebad-Hotel laufen sie sich über den Weg, von wo aus sie ganz unerwartet zu einer eingeschweißten Gruppe werden, zu Freunden, die sie in dieser Form wohl nie hatten.

Salih Jamal hat in seinem Buch Charaktere geschaffen, die ich sehr gerne kennengelernt und begleitet hatte. Sie haben Ecken und Kanten und entwickeln sich realistisch. Mein Favorit ist der Flüchtling Rofu, der trotz seiner Erlebnisse ein liebenswerter, aufgeschlossener und sehr sympathischer Mensch geblieben ist, der, wenn er sich aufregt, ins Englische wechselt, weil er sich dadurch besser ausdrücken kann.

Auch in diesem Buch zeigt sich das sprachliche Können des Autors, dessen Worte treffend be- und umschreiben, beschuldigen, anklagen, trösten und Hoffnung bringen. Auf 240 Seiten oder in meinem Fall 8 Stunden, schafft er es eine Story zu erzählen, die nicht mehr und auch nicht weniger Worte benötigt hatte.

Ein kleines Bisschen mehr „Pepp“ und mehr Hindernisse hätte ich mir gewünscht, die für mich die etwas gradlinige Story hätten stören dürfen. Wogegen ich von dem unerwarteten Ende völlig begeistert bin. Im Vergleich zu „Orpheus“ ist „Das perfekte Grau“ eine recht brave Geschichte.

Das Hörbuch ist wunderbar von Kurt Kühl eingelesen. Ich hörte ihm sehr gerne zu. Und dennoch hätte ich noch lieber ein gedrucktes Exemplar vor mir liegen, um die vielen wundervollen Sätze und Weisheiten anstreichen zu können, die sich in diesem Buch befinden!

Von mir gibt es eine klare Lese- sowie Hörempfehlung! Ich bin sehr gespannt auf das nächste Buch von Salih Jamal.

Bewertung vom 16.02.2021
ORPHEUS (MP3-Download)
Jamal, Salih

ORPHEUS (MP3-Download)


ausgezeichnet

Was für eine Geschichte, was für ein Hörbuch!

Wer etwas Außergewöhnliches lesen oder hören möchte, greift unbedingt zu diesem Buch. Griechische Mythologie in der Moderne, verpackt in einen poetischen Krimi.

Obwohl jede*r, der*die Geschichte von Orpheus und Eurydike kennt weiß, wie sie ausgeht, bekommt dennoch ein originell geplottetes und interessantes Liebesdrama, gespickt mit Intriegen, dunklen und gefährlichen Geheimnissen, unerwarteten Wendungen und vielseitigen Charakteren. Die bildgewaltige Sprache ist schlussendlich das i-Tüpfelchen, das das Ganze wunderbar abrundet. Auch das Ende ist ebenso gelungen mit einem speziellen und so nicht erwartetem Ausgang.

Nach und nach entblättert der leidende Orpheus das Drama, welches sich abgespielt hat, das teilweise nichts für Zartbesaitete ist! Das Buch ist punktuell sprachlich wie auch inhaltlich brutal, das es schafft diejenigen in seinen Bann zu ziehen, die sich darauf einlassen können.

Jedem Kapitel ist ein Musiktitel zugeordnet, für das Salih Jamal auf YouTube eine Playliste erstellt hat. Jeder Titel ist so prägnant erwählt worden, sodass er perfekt zum Kapitel passt und es musikalisch einrahmt bzw. umschreibt. Den größten Lesegenuss erhält man, wenn man diese Titel vor dem Lesen des jeweiligen Kapitels hört.

Absolut lesens- und insbesondere hörenswert! Ein echter Geheimtipp!

Bewertung vom 18.01.2021
Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche (eBook, ePUB)
Eddo-Lodge, Reni

Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche (eBook, ePUB)


sehr gut

(4,5 Sterne)

Meine Meinung
Reni Eddo-Lodge ist in Großbritannien geboren und aufgewachsen, in einer weißen Familie, in der Hautfarbe lange Zeit kein Thema war. Im Laufe ihres Studiums fängt sie die Geschichte der Schwarzen in Großbritannien zu erfragen und zu suchen und da wurde ihr erstmals so richtig bewusst, wie ihr Geburtsland mit Menschen ihrer Hautfarbe umgegangen war, nämlich gewalttätig, rassistisch und diskriminierend. Und so ist für mich auch verständlich, warum der Frust und die Empörung aller PoC (People of Color) so groß ist, da wir nun in 2021 sind, doch leider auch heute noch an einem Punkt sind, an dem sich der weltweite, strukturelle Rassismus noch nicht signifikant verändert hat. Obwohl sich der Großteil der historischen Fakten auf den britischen Sklavenhandel bezieht, fand ich diese Passagen sehr interessant. Es wird sehr deutlich, wie brutal die einstige britische Kolonialisierung erfolgte und wie verbrecherisch das British Empire eigentlich war.

Die Autorin erkennt über ihren Kampf im Feminismus, dass auch dieser, obwohl Frauen im Allgemeinen ein gemeinsames Ziel haben, vor Rassismus nicht gefeit sind. So wird ihr klar, dass sie als schwarze Frau eine noch größere Diskriminierung erfährt als weiße Frauen. In all ihren Gesprächen über Feminismus und Rassismus stellt sie fest, dass es kaum möglich ist mit Weißen über das nicht Weiß-sein zu sprechen, da Weiße sofort beleidigt und schockiert reagieren, als sich mit dem Gesagten auseinanderzusetzten. Ich, als Weiße, kann das bestätigen. Da ich mich nun schon eine Weile mit dem Thema beschäftige, bin ich sensibilisierter und versuche meinen ersten Impuls zu untersuchen, woher er kommt. Doch Weiße, die sich mit diesem Thema überfallen fühlen gehen sofort in eine Abwehrreaktion. Doch natürlich sind auch alle PoC keine homogene Gruppe. Sie entstammen unterschiedlichen Kulturkreisen, Bildungsschichten, Religionen, Erfahrungen usw. und so findet man auch Rassismus unter Menschen, die als nicht Weiß definiert werden.

Meiner Meinung nach offenbarte Reni Eddo-Lodge sehr gut anhand von Beispielen und Zahlen, wie PoC strukturell im Bildungs-, Gesundheitswesen und der Arbeitswelt aufgrund von Rassismus diskriminiert werden. Und ich stelle bereits an mir fest, dass je mehr solcher Bücher ich lese und ich mich mit dem Thema auseinandersetzte, desto mehr fällt mir das Problem im Großen wie auch in Kleinen auf und ich fange direkt an, das mir Mögliche zu tun, sei es nur, die Menschen um mich herum darauf aufmerksam zu machen, dass man nie das N-Wort sagen darf, dass man nicht das Wort Farbige für Schwarze und PoC verwendet, dass das engl. Wort „coloured“ nicht wortwörtlich ins Deutsche übersetzt werden darf und warum usw. Insbesondere ist es auch wichtig, dass wir unseren Kinder das so früh wie möglich erklären, denn sie sind die Erwachsenen von morgen, die in großen Schritten die Zukunft verändern können, sei es Rassismus, Diskriminierung oder Umweltschutz. Wir alle sind Menschen, das sollte über allem an erster Stelle stehen!


Fazit
Ein interessantes und wichtiges Buch, das ich zum Thema Rassismus auf jeden Fall zu lesen empfehle. Sehr wertvoll auch im Hinblick auf die historische Entwicklung der Sklaverei in Großbritannien. Wer sich mit einem trockenen und sehr faktenreichen Schreibstil schwertut, dem empfehle ich zum Hörbuch zu greifen.

Bewertung vom 14.01.2021
Die Unschärfe der Welt
Wolff, Iris

Die Unschärfe der Welt


weniger gut

(2,5 Sterne)

Fazit:
Leider war dieses Buch ein Flop für mich. Meine Erwartungen wurden nicht erfüllt. Aufgrund der Buchbeschreibung und Verortung des Buches im Banat in Rumänien und zur Zeit des Kalten Krieges, des brutalen Ceaușescu-Regimes, des Zusammenbruchs des Ostblocks und der Flucht und Suche nach Freiheit vieler Menschen hatte ich ein politisches und kraftvolles Buch mit Drama, Leid und Liebe erwartet.

Doch leider plätscherte die Handlung die meiste Zeit vor sich hin. Sobald die Charaktere eingeführt und ihre Geschichte interessant und spannend wurde, verschwanden sie wieder für eine Weile von der Bildfläche. Die politische Ebene wird nur leicht tangiert, ohne dass die Leserschaft dann politisch motivierte Handlungen der Charaktere nachvollziehen kann. Der Druck, der einige Figuren zur Flucht trieb, ist absolut nicht nachvollziehbar.

Mich hätte das Dazwischen, das was zwischen den einzelnen Episoden und Schicksalen passiert, brennend interessiert. Thematisch hatte das Buch viel Stoff und Potential für einen großen und genialen Roman, die völlig ungenutzt verpuffen. Sehr schade, denn schöne und poetische Sprache allein machen keinen besonderen Roman aus. Bei Lyrik ist das natürlich etwas ganz anderes.

Vielleicht kann ich aber nur einfach nichts mit Büchern anfangen, die für einen Buchpreis nominiert waren. Wer weiß. Jeder bilde sich deswegen seine eigene Meinung.

Bewertung vom 12.01.2021
Böses Blut / Cormoran Strike Bd.5
Galbraith, Robert

Böses Blut / Cormoran Strike Bd.5


ausgezeichnet

Meine Meinung
Dies ist in der Tat der spannendste und interessanteste Band der Reihe! Wie üblich zeichnet er sich durch Ermittlungsarbeit von Cormoran Strike und Robin Ellacott aus. Mehrere interessante, kleinere Fälle beschäftigen die Mitarbeiter der Detektei und doch nehmen Robin und Cormoran einen ungewöhnlichen großen Fall an, der 40 Jahre zurück liegt und die Chancen ihn zu lösen sind gering.

In ruhigem Erzähltempo passiert auf den ersten 600 Seiten nicht viel und doch einiges. Es hat mir großen Lesespaß bereitet mehr über die kleineren Fälle zu erfahren als auch über die angestellten Ermittler. Sie alle sind bisher männlich und sehr unerschiedlich. Nicht mit jedem kommt Robin gleich gut klar, insbesondere das Machogehabe und die Annäherungsversuche von Morris gehen ihr auf die Nerven.

Das Büro wird von Pat geführt, die ihre Arbeit sehr gut macht aber mit Cormoran auf der menschlichen Ebene nicht besonders gut zurecht kommt. Auch er ist unerwarteterweise ziemlich brummig zu ihr. Warum das so ist wird später verständlich.

Der lange zurückliegende Cold Case, den die beiden Partner Robin und Cormoran bearbeiten, ist sehr verzwickt. Alte Polizeiunterlagen sind wirr und unverständlich, da der Hauptermittler ins Okkulte abgedriftet war und anhand von Sternzeichen und Tarotkarten versucht hatte den Fall zu lösen. Robin und Cormoran haben große Schwierigkeiten die Bedeutungen des Polizeiermittlers zu entschlüsseln.

Je näher es dem Ende zugeht wird der Cold Case immer spannender. Dabei wird insbesondere deutlich wie positiv sich Robin als Privatdetektivin entwickelt hat. Sie ist mutig und traut sich Beweise auf eigene Art und Weise zu beschaffen, ohne dass Cormoran davon weiß.

Auch der Handlungsstrang, in dem es um Robins und Cormorans persönliche Ebene geht, entwickelt sich weiter und driftet zu keiner Zeit in Kitsch ab. Er zeichnet wunderbar das Leben nach, wie wir alle es sicherlich auch selbst erlebt haben oder erleben und bleibt somit weiterhin spannend!

Eine kleine Kritik habe ich bezüglich der Übersetzung, denn leider konnte ich dieses Mal bemerken, dass drei unterschiedliche Übersetzer an diesem Werk gearbeitet haben. Insbesondere das erste Viertel in etwa war sprachlich nicht so flüssig. Der sprachliche Stil holperte etwas und störte mich im Lesefluss. Doch dies legte sich glücklicherweise wieder, sodass ich diese kleine Kritik nicht in meine Wertung einbezogen habe.


Fazit
Wieder ein sehr gelungener Band der Reihe, in dem die Autorin zeigt, dass sie es auch schafft einen so komplizierten Fall zu entwickeln, ohne dass die Leserschaft im Laufe der Zeit den roten Faden verliert. Doch man muss am Ball bleiben, denn die vielen Namen könnten verwirren, wenn man zu lange Lesepausen macht. Ich warte nun wieder sehr gespannt auf den nächsten Teil! Wer die Reihe noch nicht kennt, sollte natürlich bei Band 1 beginnen, doch ich finde, dieser 5. Teil kann auch eigenständig gelesen werden. Absolut lesenswert!