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Märchens Bücherwelt
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Wolfenbüttel

Bewertungen

Insgesamt 205 Bewertungen
Bewertung vom 07.06.2024
Rebellin mit Herz
Büchle, Elisabeth

Rebellin mit Herz


ausgezeichnet

England, 1811: Ein weiblicher Robin Hood oder Mrs.Robin genannt bildet hier das Grundgerüst des Buches.

Die Begegnung zwischen der vereinsamten Lady Henrietta Murray und der Pfarrerstochter Lily Thompson bietet eine bedeutsame Wendung. Als Gesellschafterin bringt sie frischen Wind in das doch recht nüchterne, teils sehr engstirnige Aristokratenleben, in dem sich Henrietta immer unzufriedener gefühlt hat.

Da Lily allerdings ein Herz aus Gold hat, ihre Meinung gern offen kundtut und sich für keinen Schlagabtausch zu schade ist, erlebt man in diesem Buch heitere, humorvolle aber auch sehr emotionale Wendungen.
Spätestens als Lily mehr durch Zufall erfährt, wie die Menschen an den Docks leben fühlt sie sich verpflichtet, den Armen dort zu helfen. Allerdings hat sie nicht mit dem charmanten Marvin, dem Earl of Kantley gerechnet, der ziemlich hin und hergerissen von der scharfsinnigen, hilfsbereiten und unterhaltsamen Lily ist. Bald schon ist die gesamte Gesellschaft in Aufruhr, die Meinungen über Lily und Henrietta gehen weit auseinander und das Gefühlschaos ist perfekt.

Ich hab das Buch von Anfang bis Ende genossen, es war so völlig anders, als erwartet und dennoch richtig gut und man fliegt nur so durch die Seiten, lacht, leidet, lebt mit all den besonderen Charakteren, die alle auf ihre ganz spezielle Weise zu großartigem Lesevergnügen beitragen.
Angefangen vom Butler, der Kammerzofe, den Menschen an den Docks, aber auch Marvin, Henrietta, Lily oder einem kleinen Jungen namens James – alle haben einen Platz in meinem Leserherz erobert.

Besonders der Schluss hat mich nochmal ordentlich überrascht, ich hab mit etwas vollkommen anderem gerechnet und genau diese unerwarteten Wendungen, Wirrungen und Herausforderungen lieb ich an Büchern so.

Sanft und gefühlvoll wird auch die Vergebung eingebunden, denn gerade Lily tut sich schwer, ihr Leben in Gottes Hände zu legen, ihre Ungeduld steht ihr oft im Weg und so agiert sie häufig aus dem Bauch heraus, ohne darauf zu vertrauen, dass Gott vielleicht eine ganz andere Wendung ermöglicht.

Ein wundervolles Buch, das sich zu lesen lohnt, wenn man gute Unterhaltung mit einer gut abgestimmten Mischung Krimi, Humor, Adel, Liebe sucht, mit der präsenten Frage: Ist der Wunsch zu helfen gerechtfertigt, wenn man aus dem Überfluss den minderbemittelten beisteht, auch wenn es auf unkonventionelle Art und Weise geschieht?

Lasst Euch überraschen, denn die Entwicklung wird Euch begeistern.

Für mich ein 5 Sterne Lesehighlight, dass ich sehr gern weiterempfehle.

Bewertung vom 06.06.2024
Unter fernem Himmel - Rebellisches Tanzmädchen
Beck, Jana

Unter fernem Himmel - Rebellisches Tanzmädchen


ausgezeichnet

Hurdy-Gurdy Girls – Ein für viele unbekannter Begriff und so mancher denkt wahrscheinlich eher an leichte Mädchen. Doch in diesem Roman taucht man in die Geschichte dieser besonderen Tanzmädchen ein.
Louisa wird von ihrem Vater an einen sogenannten Seelenverkäufer verschachert, der sie nach Ankunft in Amerika ebenfalls als Tanzmädchen weiterverkauft. So sehr ihr Herz an ihrer kleinen Schwester hängt, die dem Unwillen ihres Vaters ausgesetzt ist, hofft sie, so schnell es geht, wieder zurückzukehren. Doch egal, wie sie es anstellt, ihr bleibt keine andere Wahl und das was sie erlebt, das gefährliche, teils rabiate Leben, die Ausnutzung und die Erwartungen verlangen alles von ihr ab.

Diese Geschichte hat mir unglaublich gut gefallen. Nicht nur zu erleben, was es mit dem Hurdy Gurdy Musikinstrument auf sich hat, sondern auch was die Tanzmädchen alles leisten müssen. Man taucht sofort ein, ist gefangen von dem entbehrlichen, rauen Leben, erlebt in Louisa ein tapferes junges Mädchen, dass gegen dieses Leben rebelliert und doch keine andere Wahl hat, als sich dem Kaufvertrag und damit ihrem Schicksal zu fügen.

Spannung von der ersten bis zur letzten Seite, es gibt so viele Wendungen, ungeahnte Ereignisse und durch die Schilderungen fühlt man sich in eine andere Zeit versetzt, aber gleichzeitig als Teil der Geschichte.
Ich hab es voll genossen, freue mich schon sehr auf die Fortsetzungen dieser tapferen, jungen Mädchen mit all den lauernden Gefahren, dem Unmut und der Ausbeutung durch die Besitzer, dem Neid unter den Tänzerinnen und einer sanft beginnenden Liebesgeschichte, von der wir laut Vorschau noch mehr erfahren werden.

Alleine das Cover ist ein Traum und Eye-Catcher und ich freue mich schon unglaublich auf die beiden Folgebände, die sehr vielversprechend klingen.

Von mir eine große Leseempfehlung mit voll verdienten 5 Sternen

Bewertung vom 04.06.2024
Die Hotelerbin
Caine, Ada

Die Hotelerbin


sehr gut

Das große Finale der Karlsbad-Trilogie um eine junge Hotelangestellte, die durch Fleiß, Herzlichkeit und Mut ihren Weg geht.

Nach dem unschönen Ende im Hotel Adonis hat Eva eine neue Bleibe im Hotel Janker gefunden, die sie sofort ins Team integrieren und durch ihre Art wird sie nicht nur rechte Hand der Chefin, sondern ist auch bei den Kunden und Gästen sehr beliebt, was sich am Ende in einer besonders überraschenden, aber berührenden Geste äußert.

Allerdings bleiben auch Hindernisse nicht aus und immer wieder sieht sie sich mit den verschiedensten Problemen, traurigen Anlässen und Widerständen konfrontiert, nicht nur mit dem Nachbarhotel, sondern auch aus der eigenen Familie. Die Wege des Adonis kreuzen sich jedoch schneller als gedacht, weil sie die kleine Tochter ihres ehemaligen Arbeitgebers vor dem Ertrinken rettet. Hier entwickelt sich sehr viel an Dramatik mit etlichen weiteren Geschehnissen, die dem Hotel zum Verhängnis werden könnten.

Evas Entwicklung hat mir gut gefallen, hatte ich sie im 1.Teil noch für etwas zu übermotiviert und naseweis gehalten, so merkt man, dass sie bei so vielen Geschwistern schnell auf eigenen Beinen stehen und fleißig sein musste, damit die Großfamilie über die Runden kommt, was sie auch jetzt wieder deutlich und teilweise erschütternd zu spüren bekommt. Ihrer Aufmerksamkeit und dem Interesse an anderen ist es zu verdanken, dass so manche Gefahr entschärft werden kann.

Insgesamt war es ein schöner Abschluss dieser Reihe, viele berührende Momente, auch das kleine Mädchen Otti schleicht sich ins Leserherz und so erlebt man einen schönen Wohlfühlroman, der vielleicht ein wenig mehr an Spannung vertragen hätte und sich manches leider auch etwas zu schnell und offensichtlich entwickelt hat. Auch der Schluss war mir im Vergleich zur Gesamtlänge der Reihe etwas zu gerafft, da hätte ich mir dann doch etwas mehr gewünscht.

Aber dennoch gebe ich gern eine Leseempfehlung und hab die Zeit in Karlsbad mit den Dialekten, der damaligen Vorgehensweise und den Einblicken ins Hotelwesen genossen.

Bewertung vom 28.05.2024
Tod im Chiemgau
Lehmann, Mathias

Tod im Chiemgau


sehr gut

Die Freundschaft zwischen Hans und Toni endet jäh, als Hans tödlich verunglückt. Nach 10 Jahren kehrt Toni umständehalber in die Heimat Reit im Winkl im Chiemgau zurück und muss sich erneut mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Mehrere Anschläge veranlassen sowohl die Oberkommissarin Roxana Mayrhofer als auch Toni selber, dies als persönliche Angriffe und Mordanschläge zu werten, ein Wettlauf mit der Zeit, da alles auf den Tod seines Freundes zurückführt.

Ich war sofort mittendrin, konnte Tonis Schuldgefühle und Unsicherheit bei der Rückkehr in der Heimat nachvollziehen und in verschiedenen Rückblenden erhält man mehr Einblicke in die Geschehnisse damals, wie sie zu Freunden wurden, obwohl die Familien konkurrierende Unternehmen haben und wie Wut, Trauer und Vorwürfe auch heute bei vielen schwelen, ganz besonders bei Hans Vater und jetzigem Bürgermeister, der skrupellos, streitsüchtig und intrigant seine Ziele verfolgt.

Die Spannung steigt stetig, zumal es so einige weitere Todesfälle und Anschläge gibt, die auch immer mehr Verdächtige auf den Plan rufen. Roxana hat alle Hände voll zu tun und muss sich gleichzeitig gegen einen eifersüchtigen, mürrischen Kollegen behaupten, der es nicht abwarten kann, dass sie endlich wieder verschwindet. Auch familiär hat Toni einiges zu überdenken, geht es immerhin um die Existenz des eigenen Familienunternehmens.

Der Autor hat sich nicht groß mit umfangreichen landschaftlichen Beschreibungen aufgehalten, dennoch hat man einen tollen Eindruck der Gegend, der Kultur und der Menschen dort erhalten. Deshalb zog sich nichts in die Länge, nahm immer mehr Fahrt auf und endete in einem Überraschungseffekt, bei dem ich zwar einen gewissen Verdacht hatte, der Verlauf allerdings dennoch anders als erwartet war. Dafür waren die 255 Seiten vollkommen ausreichend und gut genutzt.

Das Ende hat mich auch ein klein wenig überrumpelt, aber eher in der Hinsicht, dass ich auf weitere Fälle um die Ermittlerin Roxana hoffe, die für mich eine ganz starke Persönlichkeit war, menschlich trotz aller Ungerechtigkeiten ausgeglichen, fleißig und selbstlos agiert hat und bei allem einen kühlen Kopf bewahrt hat, egal wie verworren und rätselhaft dieser Fall auch war.

Auf jeden Fall hatte ich angenehme, spannende Unterhaltung, abwechslungsreich mit einigem Humor gespickt und freue mich schon auf weitere Krimis aus der Feder des Autors.

Bewertung vom 02.05.2024
The Vienna Writers - Sie schrieben um ihr Leben
Maetis, J.C.

The Vienna Writers - Sie schrieben um ihr Leben


sehr gut

Nach dem Anschluss Österreichs 1938 werden die Übergriffe der Nazis auf nicht arische Menschen immer schlimmer und gefährlicher. Auch die jüdischen Cousins Mathias Kramer und Johannes Namal samt ihrer Familien spüren die gefährlichen Auswirkungen. Beide als Schriftsteller bekannt und zum besonderen, aber gesuchten Kreis, bestehend aus Wissenschaftlern, Philosophen, Schriftstellern, Psychiatern und Mathematikern, des als aufrührerisch bezeichneten Sigmund Freud gehörend, müssen sie um ihre Sicherheit bangen.

Durch ein gigantisches, raffiniertes Netz entscheiden sie sich für einen Identitätswechsel samt körperlicher Veränderungen, direkt vor den Augen der Feinde lebend, da es keine Alternativen gibt. Wäre da nicht der sadistische, machthungrige Scharführer Heinrich Schnabel, der immer einen Schritt voraus ist und sich zum Ziel gesetzt hat, diesen Kreis auffliegen zu lassen.

Ich habe jetzt schon einige Bücher über den Holocaust und die politischen Geschehnisse gelesen und bin mal wieder überrascht, eine völlig andere Seite kennengelernt zu haben. Dieser Roman des Thrillerautors John Matthews, der dieses Buch unter dem jüdischen Familiennamen seines Vaters und zum Gedenken zahlreicher Familienmitglieder, die dem Holocaust zum Opfer fielen, schrieb, zeigt eine neue Sichtweise auf die dunkle Epoche. Der Druck, die Herkunft verbergen zu müssen, weil die Sanktionen so einschneidend, demütigend und in den meisten Fällen mit dem Tod endeten, haben auch viele Familien zerrüttet und auseinandergerissen. Auch die Möglichkeit der Identitätsveränderung, um diesem Schicksal zu entgehen war für mich völlig neu.
Man konnte die Angst der beiden Familienväter spüren, sowohl um die Familie als auch die eigene Sicherheit. Die Darstellung der Einschränkungen und die erniedrigende, widerwärtige Vorgehensweise hat mich innerlich viele Male zerrissen.

Was hab ich mitgefiebert, mitgelitten und trotz der Unterstützung des hilfsbereiten Kommissars Josef Weber war es ein Katz und Maus Spiel. Abwechselnd wird aus der Sicht von Mathias und Johannes erzählt, zwischendurch auch aus der Beobachterperspektive über die Abläufe der SS, im Konzentrationslager Sobibór und dem Netz aus Helfern, die sich unter Lebensgefahr auf verschiedenste Weise für die Opfer eingesetzt haben. Jedes Kapitel wird mit einem Zitat Sigmund Freuds oder einem neuen gesetzlichen Erlass gegen andere Rassen eingeleitet.

Die Geschichte beginnt langsam, gibt nach und nach Einblicke in die jeweiligen Familien, deren Verbindungen, die drohende Gefahr und nimmt immer mehr Fahrt auf. Mit etlichen unerwarteten Wendungen, Dramatik pur und Nervenkitzel schafft es der Autor, die Anspannung im weiteren Verlauf zu steigern, einen bis an die Grenzen zu katapultieren, wie eine nicht endende Achterbahnfahrt.

Dabei werden Fragen nach der eigenen Courage aufgegriffen, was ist man bereit für seine Familie und das eigene Leben zu riskieren, wie bestechlich ist man und zeigt in verschiedenen sehr nahe gehenden Szenen die Menschlichkeit aber auch dem gegenüber die krasse Unmenschlichkeit auf. Man beginnt sogar, sich selbst dabei zu hinterfragen, wie man in bestimmten Situationen und der ganzen Ausweglosigkeit reagiert hätte.
Das Buch muss man wirken lassen, es ist toll recherchiert und bietet eine weitere für mich neue Sichtweise auf dieses menschenunwürdige Geschehen unserer Geschichte. Ich habe vor Wut und Entsetzen aufgrund der ganzen Ungerechtigkeit und Vorgehensweise einige Male mit den Tränen gekämpft.

Es mag vielleicht etwas nüchtern wirken und man muss sich etwas an die verschiedenen und neuen Namen gewöhnen, doch die Charakterzeichnung war eindrucksvoll, zeigt Schwächen, die schiere Verzweiflung, ebenso wie die Hoffnung auf den kleinsten Hauch des Überlebens und dem Drahtseilakt zwischen Vertrauen und Vorsicht. Ein ganz starkes Buch, gegen das Vergessen, für die Menschlichkeit und Nächstenliebe.

Bewertung vom 25.04.2024
Herzklopfen im kleinen Bonbonladen am Meer
Rogasch, Julia

Herzklopfen im kleinen Bonbonladen am Meer


sehr gut

Egal ob Sommer oder Winter – jeder Syltroman von Julia ist ein Lesegenuss und es macht unglaublich viel Spaß mit ihr auf Reisen zu gehen.

Dieses Mal begleiten wir Marla auf die malerische und so eindrucksvolle, spezielle Insel Sylt. Alle Pläne für einen Neuanfang auf der Insel, die sie mit ihrem Freund hatte, sind zerplatzt, die Anreise ist eine Katastrophe und wäre da nicht ihre treue beste Freundin Insa, sähe die Welt auf Sylt deutlich düsterer aus. Ein Zwischenfall auf dem Autozug mit Peer und seiner Tochter Levke stellen die Weichen für einen alles verändernden Kontakt zu Oma Alva und ihrem Zuckerhüs. Dieser Bonbonladen kommt für ein gebrochenes Herz gerade richtig und mit ihrer so verständnisvollen, mitreißenden Art motiviert sie Marla, nicht aufzugeben, sich Ziele zu setzen und dafür zu kämpfen. Auch ihre Enkelin Levke erobert ihr Herz ebenso wie das ihres Vaters.

Allerdings steht es um das Zuckerhüs nicht so gut, Alvas Alter, Verpflichtungen in Hamburg und familiäre Probleme drücken die Stimmung und es müssen viele Entscheidungen getroffen werden.

Oma Alva hat mich so sehr an Oma Änne aus einem anderen Roman der Autorin erinnert, einer meiner Lieblingsromane. Beide haben sich durch ihre besondere Art in mein Herz geschlichen. Diese selbstlose, hilfsbereite und immer positive Art, die auch auf andere wirkt und ebenso in das Zuckerhüs einlädt, wie die Süßigkeiten selber. Doch auch die kleine Maus Levke mit ihrer erfrischenden, kindlich aufgeweckten Art ist einfach zu süß, meine kleine Favoritin.

Die Schicksale aller haben mich sehr berührt, eine Verflechtung, die umfangreicher ist als angenommen, aber ein Überraschungsfinale ergibt, mit dem ich so nicht gerechnet habe. Und gleichzeitig erlebt man dieses unglaubliche Inselflair, das ich bislang auf noch keiner anderen Insel so grundverschieden und beeindruckend erlebt habe.
Nicht nur was die Menschen betrifft, sondern die vielfältige Natur mit all seinen Nuancen, ob raue See oder Wattenmeer, gemütlich mit Reetdach und hyggeligem Gefühl oder Prestige und Reichtum. Eine Insel voller Widersprüche, dessen Zauber man aber nicht entkommt.

Ich hab es geliebt, all die Eindrücke wirken zu lassen und nebenbei eine gefühlvolle, emotionale Geschichte zu genießen, die Einblicke in die Herstellung von Süßigkeiten gibt, Geschmack und Gerüche transportiert, als wäre man direkt vor Ort. Die Charaktere sind authentisch und auch wenn es mit einigem Herzschmerz verbunden ist, sind es genau diese Personen, die sich gegenseitig helfen, unterstützen und versuchen füreinander da zu sein.

Alleine das Cover und dessen Haptik laden schon ein – das Zuckerhüs ist genauso wie in der Geschichte beschrieben und streicht man darüber, spürt man das Reetdach, die Steine, die speziell gearbeitet sind. Und dann beginnt man zu lesen und ist mittendrin, fühlt mit, erlebt große Gefühle, Ängste, Sorgen, gescheiterte Pläne, neue Ziele, Verlustängste, Abschiede, Neuanfänge und den Wert von Freundschaft und Zusammenhalt. Und ganz nebenbei darf man in Gedanken viele Seelenstreicher an Süßigkeiten im Geiste probieren.

Obwohl ich über die häufigen Wows schmunzeln musste, kann ich diesen Roman wärmstens empfehlen, man kann die vielen wunderschönen Eindrücke gar nicht alle in Worte fassen, das muss man selber fühlen und diese Reise lohnt sich, auch wenn sie leider schon wieder zu Ende ist. Aber im Herbst geht es weiter und auf den Wintertee freue ich mich auch so unglaublich.

Bewertung vom 22.04.2024
Worte und Wunder
Kaiser, Ann-Sophie

Worte und Wunder


gut

Buchhandlung Klinger – ein stolzer Besitz, der speziell für die Tochter Ruth eine ganz besondere Bedeutung hatte. Doch dann kam der Krieg und mit ihm zahlreiche Opfer. Der Laden zerbombt, der Hoffnungsträger und Sohn Friedrich im Krieg verschollen und der Vater beim Bombenangriff getötet. So rafft sich die verbliebene Familie auf, um nach dem Krieg die Scherben zusammenzusammeln und die Buchhandlung zu neuem Leben zu erwecken, doch sowohl die Schwiegertochter Rosa als auch Ruth, deren Ehemann Willi auch als verschollen gilt, haben ganz unterschiedliche Ansichten. Dann taucht auch noch ein junge Frau namens Lore auf, verwaist und obdachlos und bringt neuen Schwung in den Laden…
Diese Geschichte steckt voller Geheimnisse und sämtliche Charaktere tragen sie verborgen, viel zu viel hat der Krieg genommen und sie in Ungewissheit gelassen. Fehler, die gemacht werden, Entscheidungen, die getroffen werden und es scheint sich wie eine Schlinge für alle immer weiter zuzuziehen.

Die Entwicklungen in Deutschland während des Wiederaufbaus, der Konflikt zwischen der Sowjetunion und den Allierten, der zur Teilung von Ost und West führte und für etliche Bewohner erneute Not nach sich zog, die Einführung der Deutschen Mark und auch die Veränderung in der Buchwelt, als nicht mehr alle Bücher unter Diktat standen und das Taschenbuch langsam Einzug hielt – all das wird hier in der Familiengeschichte geschickt mit eingebaut, während jedes Familienmitglied anders mit den neuen Geschehnissen umgeht.

Ruth mit ihrer kühlen, abweisenden Art macht es ihrer Schwägerin Rosa schwer, als Team zu arbeiten, gemeinsam Ideen zu sammeln und umzusetzen. Aber Rosa hat so eine einnehmende, lebendige Art und obwohl sie redet wie ein Wasserfall, hat sie das Herz am rechten Fleck und versucht die Familie zusammenzuhalten.
Besonders nachdem immer wieder Dinge passieren, die alles Bisherige auf den Kopf stellt. So manche Herausforderung, auch von der Konkurrenz, ist zu meistern und jeder muss seinen Platz finden und auf sein Herz hören.

Eine nette Geschichte für zwischendurch, nicht wirklich überraschend, auch ohne große dramatische Szenen, aber dennoch hat mir das Buch, das ich nebenbei auch als Hörbuch genossen habe, gut gefallen.

Die Stimme von Yara Blümel passte zu den Frauen, ihrer Stimmung, ihrem Charakter und hat auch die Stimmung gut rübergebracht. Es geht um Zusammenhalt, Aufrichtigkeit, Aufarbeitung von Erlebtem, Vergebung und die Bedeutung von Familie und das ist der Autorin wirklich gut gelungen.

Bewertung vom 20.04.2024
Wohin unsere Träume ziehen
Cantrell, Josephine

Wohin unsere Träume ziehen


sehr gut

Mit Josephines Büchern fängt man immer an zu träumen. Sie hat diese ganz besondere Art, den Leser auf Reisen in die Vergangenheit mitzunehmen und dabei historische Elemente mit einfließen zu lassen.

Die Psychologin Sheila Mooney gestaltet mit ihrer Freundin Cara einen erfolgreichen Podcast namens Tales of Crime, in dem es um wahre Verbrechen geht. Ihre neue Aufgabe bringt Sheila auf die Spuren der Vergangenheit – 100 Jahre zurück zur Zeit des irischen Unabhängigkeitskrieges.

Mit ihrem gigantischen Wolfshund Fintan begibt sie sich nach Tirnac in Donegal, denn hier scheint ihre Urgroßmutter Mabel ihre Wurzeln zu haben. Ein Geheimnis, dass sie mit ins Grab nahm und Sheila setzt zusammen mit den 90jährigen Zwillingsbrüdern Seamus und Toffy und dem jungen Autor Colin, der sich zurzeit auf dem Anwesen Bell House befindet, alle Hebel in Bewegung, um auf Spurensuche zu gehen. Was sie hier entdecken, ist ein Schicksal einer jungen Frau, das wirklich unter die Haut geht.

Dazu wird man öfter in die Zeit der jungen Mabel zurückversetzt und es erschüttert einen, was für Grausamkeiten während des irischen Unabhängigkeitskrieges passiert sind, was Menschen erdulden mussten und wie sie noch Jahrzehnte später darunter zu leiden hatten. Ein Schicksal mit ganz viel Gänsehautfeeling.

Die Aufmachung, der Einstieg und die Entwicklung der Geschichte haben mich wieder mal sehr begeistert. Es ist so leicht einzutauchen, sofort mitten im Geschehen zu sein und durch die landschaftlichen Schilderungen ebenso wie der Charaktere sich wie ein Teil der Geschichte zu fühlen, alles direkt vor Augen zu haben und sich wegträumen zu können.

Sowohl Sheila als auch Mabel haben ihre ganz eigenen Träume. Durch Umstände, Probleme und Entwicklungen, auf die sie nicht immer Einfluss hatten, die sie aber prägten und deshalb alles versucht haben, um tapfer zu sein, für das zu kämpfen, was ihnen am Herzen lag.

Auch die aufkeimenden Gefühle und dieses Knistern zwischen Colin und Sheila hat mir gut gefallen. Sanft, mit viel Humor und dennoch immer ein wenig geheimnisumwoben entwickelt sich eine Romanze, die weder überstürzt noch unauthentisch wirkte. Eben wegen der ganzen Aufs und Abs, unerwarteter Wendungen und einigen enttäuschenden Reaktionen war es mal ganz anders.

Ich hab es genossen, wie auch der Wolfshund ein wesentlicher Teil der Geschichte war, dieser Riese mit dem sanften Wesen und oft Vermittler zwischen den Akteuren der Story.

Wieder mal ein Roman, der zu Herzen geht, eine Mischung aus Fiktion und Realität, historischen Ereignissen, die für so viel Leid und Kummer gesorgt haben, aber in einer wunderschönen Geschichte wieder aufleben konnten. Egal in welcher Situation man ist, Träume helfen, ein wenig Licht am Horizont zu sehen, niemals aufzugeben und seinen Träumen zu folgen, egal wohin sie einen tragen.

Toller Generationenroman voller Geheimnisse, dramatischer Geschehnisse, authentischen Charakteren, Romantik, einer Suche nach dem persönlichen Atlantis, dem perfekt gerösteten Toast und einem Hund zum Verlieben.

Große Leseempfehlung!

Bewertung vom 15.04.2024
Just Another Missing Person - Findest du sie, wirst du alles verlieren
McAllister, Gillian

Just Another Missing Person - Findest du sie, wirst du alles verlieren


sehr gut

Die derzeitige Ermittlung nach einem vermissten Mädchen wird für die erfolgreiche Ermittlerin Julia Day zu einem Albtraum. Alle ihre Prinzipien und Grundsätze werden auf die Probe gestellt, denn wenn sie nicht eine falsche Fährte auslegt und damit einen Unschuldigen ausliefert, ist die Sicherheit ihrer Tochter gefährdet, denn der unbekannte Erpresser hat Kenntnis von einem dunklen Geheimnis.

Wie weit würde man gehen, um seine Liebsten zu schützen? Würde man es drauf ankommen lassen, mit allen Konsequenzen oder nach einem Schlupfloch suchen? Genau vor dieser Entscheidung steht Julia, nicht nur ihr Familienleben, sondern auch ihre Karriere hängt davon ab und erstere ist schon in Schieflage geraten.

Was die Spannung noch steigert, ist die Tatsache, dass die Geschichte von Julia, aus der Sicht des Vaters des gesuchten Mädchens und der Mutter des Beschuldigten erzählt wird. So erfährt man mehr über ihre Sichtweise, ihre Verzweiflung, ihre Ängste und Sorgen und was sie alles selbst bereit sind zu tun, um Licht ins Dunkel zu bringen. Dadurch entstehen so viele raffinierte Wendungen, Verdachtsmomente, die Beweislage scheint eindeutig und doch wieder nicht, weil es ständig Zweifel zwischen dem Offensichtlichen, der Verhaltensweise und neuen Kenntnissen gibt.

Allerdings hat mich ab und zu die Denk- und Verhaltensweise des Vaters etwas genervt, das war zeitweise etwas langatmig und verworren. Auch Julias Art, deren Arbeit oft wichtiger erscheint als die eigene Familie und dabei ziemlich uneinsichtig reagiert, fand ich etwas suspekt, kühl und gewöhnungsbedürftig.

Ein psychologisches Verwirrspiel, das die Autorin bis zum Schluss immer wieder dreht und durch Julias Entscheidungen und dem Spiel mit dem Feuer noch zusätzlichen Zündstoff mit reinbringt. Niemals hätte ich mit dieser Entwicklung gerechnet. Die Nerven bleiben bis zum Schluss gespannt und währenddessen überlegt man immer wieder, wie man wohl selbst reagiert und entschieden hätte.

Mit dem zusätzlichen Hörvergnügen der wirklich hervorragenden Erzähler wird das Buch noch intensiver präsentiert, die Stimmen passten perfekt zu den Charakteren und haben den Zuhörer damit noch mehr in die Handlung gezogen, Nervenkitzel ist vorprogrammiert.

Die Handlung baut sich langsam auf, aber irgendwann nimmt sie so viel Fahrt auf, dass man nicht mehr aufhören kann und völlig überrumpelt von den Twists ist. Du denkst, Du weißt was passiert- dann hast Du Dich täuschen lassen!

Bewertung vom 12.04.2024
Und Großvater atmete mit den Wellen
Teige, Trude

Und Großvater atmete mit den Wellen


sehr gut

Trude Teige erzählt in einer mitreißenden Geschichte von den Erlebnissen ihrer Familie zur Zeit des 2.Weltkriegs. Als ich diese Geschichte zu Ende gehört und dann das Nachwort gelesen habe, war ich fasziniert und gleichzeitig erschüttert, denn hier zeigt sich wieder einmal, wie sich Ereignisse der Vergangenheit bis in die späteren Generationen auswirken.

Die norwegischen Brüder Konrad und Sverre werden auf dem Weg ihres Handelsschiffs Richtung Australien von einem japanischen U-Boot torpediert und geraten in Gefangenschaft. Obwohl Konrad die Flucht in einem Rettungsboot gelingt, strandet er an der Küste Javas und wird verletzt auf die dortige Krankenstation gebracht, wo er die ebenfalls norwegische Krankenschwester Sigrid kennen- und lieben lernt. Doch die Zweisamkeit endet jäh, als die Japaner sie in getrennte Gefangenenlager bringen, eins für Frauen, eins für Männer. Eine schreckliche, unmenschliche Tortour beginnt, in der die Menschen schon bald den Grausamkeiten, Hitze, Krankheiten, Hunger, Folter und Willkür der Wächter ausgesetzt sind. Die Strafen für kleinste Vergehen verlaufen auf menschenunwürdigste Art und so manches Mal hab ich mit den Tränen gekämpft.

Oft musste ich an den Film Paradise Road denken, der mich damals auch extrem erschüttert hat. Nur der Willensstärke von Sigrid und auch einigen anderen tapferen Frauen ist es zu verdanken, dass sie sich trotz drohender Strafen und Erniedrigung einsetzten, um sich gegenseitig zu helfen, kreativ zu werden und für das Überleben der Gefangenen kämpften. Auch im Männerlager sah es nicht anders aus und so erlebt man abwechselnd aus der Sicht von Konrad und Sigrid, was in den Lagern passiert ist.

Auch wenn die Geschichte überwiegend über die Lagerzeit berichtet, gab es auch so manche schöne Begebenheit, die zeigt, was Zusammenhalt, Mut und Freundschaft ausmacht und wie man auch unter den schlimmsten Zuständen den Glauben und die Hoffnung bewahrt. Immer wieder fließt hier auch der Titel mit ein, was ich absolut passend fand.

Die Wendung am Ende hat mich auch nochmal an meine Grenzen gebracht, weil ich damit überhaupt nicht gerechnet habe, es aber trotz allem eine insgesamt zufriedenstellende Entwicklung nahm.

Schonungslos wird das Vorgehen der Japaner mit den Gefangenen erzählt, die in nichts dem Verhalten der Nazis nachstanden, die ohne Skrupel und völlig gefühlskalt und brutal gegen Feinde vorgingen, ungeachtet, ob Menschen um Gnade gefleht haben, kleine Kinder, Ältere oder Geschwächte waren.
Dennoch finde ich es wichtig, sich auch mit diesem Teil der dunklen Ära des 2.Weltkrieges zu beschäftigen, unter dem die gesamte Bevölkerung in den verschiedensten Formen leiden mussten. Geschichten gegen das Vergessen und um daraus zu lernen.

Obwohl es der 2.Teil ist, kann man ihn unabhängig vom 1.Teil lesen, wo es um den Großvater Konrad und seine Lebensgeschichte geht.

Es ist ein emotionsgeladenes Buch auf Tatsachen beruhend und die Autorin hat mit ihrem angenehmen, fesselnden und beeindruckenden Schreibstil einen bleibenden Eindruck hinterlassen.