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lesewuermchen
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Neuss

Bewertungen

Insgesamt 15 Bewertungen
12
Bewertung vom 20.06.2022
Morgen kann kommen
Kürthy, Ildikó von

Morgen kann kommen


gut

Zwischen Verrat, Lügen, Mut und Aufbruch

Die eigentliche Thematik- das Führen eines selbstbestimmtem Lebens ohne Gefallsucht- wurde anhand der Geschichte zwei ungleicher Schwestern für meinen Geschmack inhaltlich umgesetzt, war mir aber insgesamt zu langatmig, so, dass ich Mühe hatte dabei zu bleiben. Durch ein dramatisches Ereignis am Hochzeitstag von Ruth entsteht eine lange Kontaktpause zwischen den Schwestern, die erst durch weitere plötzlich zu Tage tretende Umstände zum Aufbruch von Ruth führt, die sich nun auf den Weg in die alte Villa der Großeltern flüchtet, wo sie ihre Schwester Gloria antrifft. Gloria, einst Maria genannt, hat sich dort mit ihren Freunden ein ganz eigenes Leben eingerichtet. Rudi, Erdal, Fatma- alles wunderbar von der Autorin geschaffene Charaktere, die Ildiko von Kürthy, die Geschehnisse aus ihrer Perspektive erzählen lassen. Der Erzählstil ist humorvoll und strotzt teilweise ein wenig über, wenn es um die Vergleiche geht. Auch wenn es im Rahmen solcher Beziehungsgeflechte, wie Ehe, Frau-Mann-Verhältnis, Rolle der Frau, Geschwisterkonflikte, Freundschaften oft um prozesshaftes persönliche Weiterentwicklung der Hauptfigur geht, fehlt mir trotzdem die Spannung innerhalb der Ereignisse.

Das Cover sagt irgendwie alles und nichts aus, wirkt nebulös, lässt ein wenig davon erahnen, wie es ist, wenn man tief in seinen Innern genau weiß, irgendetwas stimmt nicht, wie es Ruth bestimmt in all den Jahren ergangen sein muss, bevor sich die Umstände nicht mehr verdrängen ließen und ans Licht kamen. So deute ich es. Die kleinen Aquarelle innerhalb des Buches schmücken das Erzählte und werten das Buch für mein Empfinden aus künstlerischer Sicht auf.

Dieses Buch würde ich nur bestimmten Menschen empfehlen, bevorzugt Frauen, die für diese Thematik offen sind.

Bewertung vom 26.05.2022
Eine Frage der Chemie
Garmus, Bonnie

Eine Frage der Chemie


ausgezeichnet

Mit Halbsieben zum "Essen um sechs" von ElkeV

"Eine Frage der Chemie" oder im Originaltitel noch treffender "Lessons in chemistry" bringt die geniale Chemikerin Elisabeth Zott hervor, die für ihre Zeit unerschrocken und entschieden in den 50er und 60er Jahren in Amerika gegen die Benachteiligung von Frauen kämpft. Wer nun vermutet, es handele sich um eine von vielen Storys, die nur eingefleischte Emanzen und die noch wenig überlebenden Suffragetten auf den Plan ruft, der irrt. Bonnie Garmus ist hier ein wahres Meisterwerk gelungen- eine Geschichte, die nicht besser hätte erzählt werden können, und die sich in vielen aufschlussreichen Dialogen mit dem Leben selbst beschäftigt.
Als Wissenschaflerin ist Elizabeth immer wieder den Intrigen und Übergriffen ihrer männlichen, oft weniger kompetenten Kollegen ausgesetzt, bis sie eines Tages auf den bekannten Chemiker Calvin Evans trifft, der sie wie kein anderer mit ihren Fähigkeiten erkennt und liebt. Doch die Umstände ändern sich sehr bald, und die junge Frau schlägt ungeahnte Wege als Moderatorin einer Kochshow ein, die sie auf ihre Weise dazu nutzt, die Zuschauer/innen für die chemische Seite des Kochens zu begeistern und sogleich auf Missstände ihrer Zeit hindeutet und Frauen ermutigt, ihre eigenen Wege zu gehen.
Durch ungeklärte Ereignisse aus dem Leben des Calvin Evans hält die Autorin eine gewisse Spannung in der atmosphärisch ohnehin "positv" geladenen Erzählung aufrecht.

Selten habe ich eine Geschichte gelesen, in der die Personen eine solche Tiefe haben, so greifbar nah sind, als säße man mit in Elisabeths Labor zum Essen um sechs am Sonntag neben Madeline und Harriet, während Halbsieben, dieser wunderbare Hund, einer meiner Lieblingsfiguren, seinen Kopf an mein Bein drücken würde, weil er spürt wie lebendig und gegenwärtig er in der Zeit des Lesens in unserem realen Leben war und wie sehr wir ihn lieb gewonnen haben. Wir haben das Buch zu zweit gelesen- ein Mann und eine Frau- und ich darf von männlicher Seite zurückmelden, dass es großen Gefallen gefunden hat.

Die Hauptprotagonistin erforscht die Abiogenese, ist bekennende Atheistin, was einer gewissen Logik zu folgen scheint, da sie in ihrem Ergebnis den Ursprung des Lebens zu erklären versucht. Dennoch finde ich dieses Klischee etwas zu kurz durchdacht, da es doch etliche Wissenschafler aus verschiedenen Fachbereichen gibt, die den Glauben an Gott nicht ausschließen. Ich hätte es spannend gefunden, da Elisabeth in ihrer Rolle alles hinterfragt, wenn die Gottesfrage Teil der ansprechenden Dialoge mit Reverend Wakely gewesen wäre. Doch dieser erklärt als Geistlicher, durch Evans beeinflusst, er würde selbst gar nicht an Gott glauben. Ungeklärt trotz aller wissenschaftlicher Ansätze bleibt die Frage nach dem Ursprung der menschlichen und tierischen Seele. Apropos "Seele"- es gibt unzählige dramatische Geschichten, die nur einen faden Nachgeschmack hinterlassen, aber hier haben wir es mit einem Roman zu tun, der trotz der darin beschriebenen Schicksalsschläge in der Gesamtatmosphäre positiv stimmt und im Ergebnis ermutigt hinzuspüren, was man selbst möchte.

Das Buch soll als Serie verfilmt werden. Da dürfen wir gespannt sein. Vorher bitte jedoch eine klare Aufforderung, dieses fantastische Buch zu lesen.

Bewertung vom 12.05.2022
Wir sind schließlich wer
Gesthuysen, Anne

Wir sind schließlich wer


ausgezeichnet

Schein und Sein am Niederrhein

Die junge, evangelische Pastorin Anna übernimmt in Alpen am schönen Niederrhein die Vertretung für einen erkrankten Kollegen und passt mit ihrer Biografie nicht so ganz in das Raster einer frommen Theologin. Die Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Vergangenheit verknüpft mit den Verstrickungen ihrer adeligen Herkunftsfamilie verlangen ihr so einiges ab.

Das Buchcover drückt stimmig die Verschiedenartigkeit sowie die Distanz zwischen den Schwestern Anna und Maria aus.

Der Familienkonflikt, der im spurlosen Verschwinden von Annas Neffen Sascha gipfelt, nachdem der eigene Vater ins Gefängnis musste, nimmt den hauptsächlichen Teil der Geschichte ein. Mir persönlich hätte es auch gut gefallen die Rolle der Pastorin stärker genährt zu sehen. Als Anna zum Ende des Buches gegenüber Volker Janssen, dem Polizisten, zugibt nicht mal beten zu können, wirkt sie in ihrer beruflichen Rolle für mich nicht so ganz glaubhaft, denn das wäre doch irgendwie wie ein Bäcker, der vorgibt keine Brötchen backen zu können. Die biblische Geschichte der Freundschaft zwischen David und Jonathan, die Anna zum Ende der Geschichte von iher Kanzel zum Besten gibt, dahingehend auszulegen es hätte sich um eine homosexuelle Beziehung gehandelt, halte ich für unzutreffend. Nicht immer heiligt der Zweck die Mittel.

Anne Gesthuysen verleiht ihren Protagonisten die nötige Tiefe, arbeitet die einzelnen Charktere sehr gut heraus. Besonders Tante Ottilie und Frau Erbs konnte ich mir lebhaft vorstellen sowie auch die auf Standesdünkel bedachte Mutter Annas, Mechthild von Betteray.
Anna wird als eine verletzliche Frau beschrieben, die in jungen Jahren zwar mutig genug war gegen ihre Herkunft aufzubegehren, aber nach erlittenen "Lebenswunden" neu lernen muss ihre Grenzen neu auszuloten und zu ihren Überzeugungen zu stehen. Sie übernimmt in ihrer Rolle als Tante große Verantwortung und wächst dabei über sich hinaus.

Um familiäre Zusammenhänge besser verstehen zu können hat die Autorin manche Begebenheiten aus der Rückschau der betreffenden Person erzählt. Insgesamt ist ihr Schreibstil flüssig und trifft wirklich genau die Mentalität der Niederrheiner, was mir selbst, in der Nähe lebend, sehr gefallen hat. Nur in unserer Gegend typische Worte wie "Kafupptich" ließen mich schmunzeln. Auch die ländliche Atmosphäre wurde gut eingefangen.

Obwohl mir das Buch gut gefallen hat, versucht es den Lesenden in eine Romantik zu führen, die es oft in der Realität gar nicht gibt. Nicht immer rücken in der Not innerhalb einer Familie oder einer Gemeinde alle zusammen und jeder entwickelt sich zum Besten und wächst mit der Herusforderung. Wer das erwartet, wird oft enttäuscht werden.

Bewertung vom 11.05.2022
Affenhitze / Kommissar Kluftinger Bd.12
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Affenhitze / Kommissar Kluftinger Bd.12


ausgezeichnet

Turbulent und saukomisch

Der nun schon 12. Fall rund um den Kommissar Kluftinger und sein oft lustig anmutendes Team der Kripo Kempten hält was er verspricht. Einen der Hauptschauplätze treffen wir, wie bereits auf dem Cover treffend abgebildet, bei brütender Hitze in einer im Ostallgäu angesiedelten Tongrube an, in der das Skelett des Urzeitaffen "Udo" gefunden wurde und später an gleicher Stelle den ermordeten Entdecker Prof. Brunner selbst.

Kluftinger gerät bis zur Lösung des Kriminalfalls in etliche Turbulenzen, ob es nun um die Beschattung der Kinderfrau seiner Enkelin Maxima geht oder um den anstehenden Trödelmarkt der Flüchtingshilfe, was in bildhaften Schilderungen unübertrefflicher Situationskomik kaum zu übertreffen ist. Die Autoren verstehen es sagenhaft ihre Leserschaft zum Lachen zu bringen. Die Charaktere und brisanten Situationen sind so gut herausgearbeitet, dass ich die einzelnen Protagonisten wie in einem Film vor mir sehen konnte. So habe ich z.B. bei der turbulenten Verfolgungsjagd der Luzie Bär mit dem Kommissar im Schlepptau regelrecht den Atem angehalten, was sich ähnlich zu Ende des Romans wiederholt, als der Kluftinger erneut in die Bredouille gerät.

Ich bin nach wie vor fasziniert davon, dass es zwei Autoren gelingt eine mittlerweile ganze Buchreihe zu schaffen, welches in sich stimmig ist und in der es keine "Brüche" verschiedener Schreibstile gibt.

Einziger Kritikpunkt stellt für mich als bekennende Christin diese andauernde Flucherei des Polizeibeamten dar, die das Autorenteam in diesem Band dazu nutzt die Hauptfigur selbst damit nochmal ordentlich "durch den Kakao" zu ziehen.
Die auch kritische Auseinandersetzung rund um das Thema "Sekte" ermahnt wiederum auf positive Weise sich nicht in blinden Gehorsam zu verrennen, und somit weist dieser neue Band sogar eine tiefere Botschaft auf.

Das neue Buch stellt ein in sich abgerundetes Lesevergnügen dar und sollte von jedem Klufti-Fan gelesen werden.

Bewertung vom 26.07.2021
Dein Herz in tausend Worten.
Pinnow, Judith

Dein Herz in tausend Worten.


ausgezeichnet

Mit Alice und The Police dahinschweben

Die ängstliche, geschichtenbegeisterte Millie, die in einem Londoner Verlag arbeitet, ist beseelt davon, nicht veröffentlichte Manuskripte zu retten. Doch was kann sie tun, wenn der dafür vorgesehene Raum geräumt werden soll? Tauchen Sie ein in die blumige Welt von Nottingham, die sich bereits auf dem Buchcover ankündigt und streifen Sie mit Millie durch den Stadtteil Londons, in dem die Straßen von geschichtsträchtigen Ereignissen, perfekten Blumen in blauen Balkonkästen, Curryduft und ausgefallenen Schuhen erzählen. Nachdem es ihr eines der Manuskripte besonders angetan hat, nimmt die Handlung anfangs sehr behutsam, dann etwas schneller Fahrt auf. Die Autorin versteht es den Leser mitzunehmen, man fühlt sich in Sicherheit -ganz genauso wie es sich das anfangs noch "flügellahme Drachenmädchen" Millie in ihrer zurückhaltenden Art wünscht. Besonders gelungen sind die stimmigen Bilder, die Pinnow heranzieht, um das Ungesagte auszudrücken, wie z.B. das märchenhafte Erscheinen der Eule. Die Protagonisten sind sehr sympathisch und weich gezeichnet, was dann etwas zu schön als wahr zu sein scheint, aber insgesamt zum gesamten, sehr romantischen Stil der Geschichte passt. Um zu lieben, braucht es Mut und Vertrauen und die Fähigkeit, Vergangenes loszulassen. Dieser Schwerpunkt der Handlung wurde als Prozess angemessen und realistisch beschrieben.

Wer Urlaub oder Erholung vom manchmal recht harten Leben sucht und die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben hat, der lese dieses Buch und lasse sich mit einem indischen Essen auf dem Tisch von "Message in a Bottle" dahintragen. Zum Dessert oder zur Tea Time versucht man es wie Mrs. Crane und Millie am besten mit Scones und Clotted Cream.

Wer Geschichten liebt und einen Hang zur Romantik hat, für den ist dieses Buch bestens geeignet.

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