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bedard

Bewertungen

Insgesamt 56 Bewertungen
Bewertung vom 17.04.2024
Meeresfriedhof / Die Falck Saga Bd.1
Nore, Aslak

Meeresfriedhof / Die Falck Saga Bd.1


ausgezeichnet

Überzeugende Verknüpfung von realen Geschehnissen und Fiktion
Die Erfolgsgeschichte der einflussreichen norwegischen Reederfamilie Falck reicht weit in die Vergangenheit zurück und hätte mit dem Tod des Reeders Thor Store Falck 1940 enden können. Damals sank das Hurtigrutenschiff nach einer Explosion, auf dem der Reeder mit seiner zweiten Frau Vera Lind und dem kürzlich geborenen Sohn Olav reiste. Viele Passagiere, darunter etliche deutsche Soldaten, überlebten das Unglück ebenso wie der Reeder nicht.
75 Jahre später ist Olav Falck immer noch aktiv im Vorstand von SAGA, einer humanitären Stiftung, in der auch eines seiner drei Kinder, Alexandra, eine Führungsposition einnimmt. Sie hat die engste Beziehung zu der hochbetagten Großmutter. Aber da gibt es auch noch Hans, den Enkel von Thor Store Falck aus seiner ersten Ehe. Er hat einen ganz anderen Karriereweg eingeschlagen und arbeitet als Arzt überwiegend in Krisengebieten. In dieser Funktion hat er es zwar zu Ruhm gebracht, der Reichtum der Falckdynastie ist ihm und seinen Kindern aber verwehrt geblieben.
Als die Schriftstellerin Vera Lind stirbt, ist ihr Testament nicht auffindbar. Die gegensätzlichen Interessen der beiden Familienzweige prallen aufeinander, aber auch innerhalb Olavs Familie tun sich Gräben auf.

Aslak Nore hat im ersten Band der Trilogie viele verschiedene Themenbereiche miteinander verflochten. Es geht nicht nur um Intrigen, Machtstreben und Missgunst innerhalb einer Familie. Einflussnahme in internationalen Krisenherden, glaubwürdig beschriebene militärische Einsätze und Manipulationen sind ebenso Thema wie die psychischen Beschädigungen, die diese Erfahrungen bei den Menschen anrichten. Die historischen und aktuellen politischen Hintergründe, die dem Roman zugrundeliegen, sind beeindruckend beschrieben.

Zu Anfang sind die Charaktere etwas schwer einzuordnen, da ist der vorangestellte Stammbaum der Falck-Familie eine sinnvolle Hilfe, die sich aber schnell erübrigt. Es gibt keine eindeutigen Sympathieträger, die über die gesamte Länge des Romans die Rolle einnehmen könnten. Dafür sind die Hauptprotagonisten viel zu facettenreich gezeichnet. Ebenso überzeugend sind die diversen Beschreibungen der Handlungsorte.

Trotz der Komplexität und der stellenweise recht schwer zu ertragenden Beschreibungen lässt sich der Roman aufgrund des flüssigen und dem jeweiligen Inhalt gut angepassten Schreibstils gut lesen. Die häufigen Perspektiv- und Ortswechsel erfordern ein bisschen Konzentration, erhöhen aber auch die Spannung. Gleichzeitig lockern sie bedrückende Szenen auch wieder auf.

Auch wenn man noch lange auf die Fortsetzung warten muss, Meeresfriedhof verdient eine klare Leseempfehlung für Leser:innen, die sich auf diese Art von Romanen einlassen wollen.

Bewertung vom 11.04.2024
Lichtjahre im Dunkel
Ani, Friedrich

Lichtjahre im Dunkel


ausgezeichnet

Ein gelungener Roman für Fans von Friedrich Ani
Das Schreibwarengeschäft von Viola Ahorn und ihrem Ehemann Leo hat schon bessere Zeiten gesehen. Das gilt auch für deren Ehe. Als Leo nach einem Besuch seiner Stammkneipe nicht nach Hause kommt, beauftragt seine Ehefrau erst nach fünf Tagen eine Detektei mit Nachforschungen, verzichtet aber auf eine Vermisstenanzeige bei der Polizei. Der ehemalige Polizist Tabor Süden beginnt auf seine ganz eigene, gewöhnungsbedürftige Art mit der Spurensuche. Als Leos Leiche gefunden wird, kreuzen sich die Wege von Tabor Süden und seiner ehemaligen Kollegin Fariza Nazri erneut, die jetzt für die Ermittlungen zuständig ist.

Friedrich Ani bleibt auch in dem neuesten Fall für Tabor Süden seinem gewohnten Schreibstil mit seinen ganz speziellen Wortschöpfungen treu: etwas sperrig und das Erzähltempo ist ausgesprochen entschleunigt. Die meisten Charaktere sind in irgendeiner Weise beschädigt und nicht sonderlich sympathisch. Hinter der Fassade verbergen sich Untiefen. Trotzdem entwickelt man ein gewisses Mitgefühl mit ihnen. Melancholie ist der treffendste Begriff für die über allem liegende Stimmung.

Auch dieser Roman um Tabor Süden wird polarisieren. Es handelt sich um keinen klassischen, auf Spannung, rasantes Tempo und fulminantem Finale angelegten Kriminalroman. Stattdessen bekommen Leser:innen einen anspruchsvollen literarischen Roman, in dem es auch um eine Ermittlung geht, die Aufklärung aber letzten Endes gar nicht so bedeutsam ist.
Wer sich darauf einlassen mag, für den ist Lichtjahre im Dunkel absolut empfehlenswert. Alle anderen werden vermutlich enttäuscht sein.

Bewertung vom 12.03.2024
Geordnete Verhältnisse
Lux, Lana

Geordnete Verhältnisse


ausgezeichnet

Eskalation einer toxischen Beziehung
Philipp ist in der dritten Klasse und wünscht sich nichts sehnlicher, als endlich einen Freund zu haben. Er ist wegen seiner roten Haare, seiner Inkontinenz und seiner alkoholkranken Mutter ausgegrenzt. Sein Wunsch geht in Erfüllung, als Faina in seine Klasse kommt. Sie stammt aus der Ukraine, beherrscht die deutsche Sprache noch nicht gut und hat ebenso wie er rote Haare. Als Faina richtig in Deutschland angekommen ist, reicht ihr die ausschließliche Beziehung zu Philipp nicht mehr und sie sucht Kontakt zu anderen Gleichaltrigen. Philipp kommt damit nicht zurecht und ihm zuliebe schränkt sie ihre Kontakte ein. Schließlich wohnen beide sogar zusammen, sind aber kein Liebespaar. Dann geschieht etwas und es kommt zum Bruch.
Als Faina schwanger und mittellos bei Philipp vor der Tür steht, bietet er ihr sofort seine Hilfe an.

Der Roman ist in drei Teile gegliedert: Philipp, Faina und Faina und Philipp. Zu Beginn lernt man daher nur Philipp kennen, zunächst als ausgegrenztes Kind, das verzweifelt einen Freund sucht und später als wohlhabender Mittzwanziger, der erneut eher isoliert zu sein scheint. Obwohl man zumindest mit dem Kind Mitleid empfindet, wirklich sympathisch ist der Charakter auch in dieser Phase nicht.
Faina bleibt noch unscharf, aber interessant. Sie ist das Flüchtlingskind, das sich in einem fremden Land neu orientiert und einlebt. Anfangs unsicher, dann zunehmend selbstbewusst und offen für neue Erfahrungen. Ihr familiärer Hintergrund ist ebenfalls schwierig, und tatsächlich trifft sie nicht immer die besten Entscheidungen.
Im dritten Teil geht es dann um die gemeinsame Zeit in Berlin, beginnend in der letzten Hälfte der Schwangerschaft. Die Gegensätze und unterschiedlichen Erwartungen werden immer deutlicher, die Konflikte nehmen zu.
Spätestens jetzt zeichnet sich ab, dass die Beziehung zwischen den Beiden auf eine Katastrophe zusteuert. Als Leser*in hofft man, dass der Absprung noch rechtzeitig geschieht, auch wenn die Eskalation das nicht erwarten lässt.

Mich hat dieser Roman nachhaltig beeindruckt, auch wenn er vielleicht ein wenig überfrachtet ist. Es werden so viele verschiedene Themen bearbeitet, die deutlich mehr Raum verdient hätten. Insbesondere das Ende empfand ich als zu komprimiert. Trotz dieser Einschränkung ist „Geordnete Verhältnisse“ sowohl sprachlich als auch inhaltlich absolut empfehlenswert.

Bewertung vom 20.02.2024
Die Spiele
Schmidt, Stephan

Die Spiele


ausgezeichnet

Informativer und anspruchsvoller Politkrimi
Der Journalist Thomas Gärtner steht noch am Anfang seiner Karriere, als er in Mosambik zufällig auf eine Demonstration ehemaliger Vertragsarbeiter aus der DDR trifft. Dabei lernt er den charismatischen Charles Murandi kennen, der ihn über die Hintergründe aufklärt. Diese Begegnung bedeutet einen Wendepunkt im Leben des Journalisten. Immer wieder trifft er im Laufe der Zeit auf Murandi, der von einem um seinen Lohn betrogenen Vertragsarbeiter zum einflussreichen IOC Funktionär wird und knapp 30 Jahre später in Shanghai dabei ist, als das Olympische Komitee über die Vergabe der olympischen Spiele entscheiden wird. Doch Murandi wird ermordet und Thomas Gärtner, der sich sein Visum erschlichen hat, ist der Hauptverdächtige.
Sehr schnell schaltet sich das deutsche Konsulat ein und auch die Kanzlerin wird involviert, für die die Bewerbung um die olympischen Spiele ein unspektakulärer Routinetermin am Ende ihrer Karriere sein sollte.
Obwohl der Autor ausdrücklich darauf hin weist, dass der Roman und alle darin vorkommenden Personen Fiktion ist, lassen sich einzelne Personen und auch Geschehnisse unschwer identifizieren.

Shanghai, das politische System und die Strukturen innerhalb der Behörden sind sehr detailliert und nachvollziehbar beschrieben. Überwachung und Kontrolle, Rücksichten, die genommen werden müssen, das Taktieren im diplomatischen Umgang – diese Beschreibungen zeugen von sehr guter Kenntnis der aktuellen politischen Situation und hinterlassen ein beklemmendes Gefühl. Auch die Ein-Kind-Politik Chinas in der Vergangenheit und die heutige Bedeutung Chinas in der Welt spielen eine Rolle, ohne das der Roman überfrachtet wird.

Die Zeitsprünge umfassen manchmal Jahrzehnte, dann 1 oder 2 Tage vor oder nach dem Mord oder auch nur wenige Stunden innerhalb eines Tages. Auch die Ortswechsel sind sprunghaft angelegt. Dies erfordert schon etwas Aufmerksamkeit, trägt aber zur Erhaltung des Spannungsbogens bis zum Ende des Romans bei. Das ist sicher auch dem wirklich gut lesbaren Schreibstil geschuldet und den gut herausgearbeiteten Charakteren. Wirkliche Sympathieträger oder Identifikationsfiguren gibt es allerdings nicht.

Wer einen spannenden, gut geschriebenen Krimi mit fundiertem politischem Hintergrundwissen lesen möchte, dem ist dieser Roman absolut zu empfehlen.

Bewertung vom 11.02.2024
OUTLIVE
Attia , Peter

OUTLIVE


sehr gut

Gesund alt werden - ein unterhaltsam geschriebenes Sachbuch

Outlive von Peter Attia ist mit 640 Seiten ein echtes Schwergewicht. Obwohl es sich um ein Sachbuch handelt, ist es durch viele persönliche Erfahrungsberichte und Beispiele aufgelockert und überwiegend leicht lesbar. Lediglich in den Teilen, die sich explizit mit Krankheitsbildern, Forschungsergebnissen und daraus resultierenden Schlussfolgerungen befassen, ist das Buch für medizinische Laien möglicherweise etwas trocken zu lesen.

In der sehr ausführlichen Einführung schildert Dr. Attia seinen Werdegang und die daraus resultierende Motivation, Krankheiten durch frühzeitige Intervention und Verhaltensänderungen möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen. In erster Linie geht es dabei um Diabetes, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebs und Demenz. Er zeigt die bekannten Zusammenhänge von ungesundem Lebensstil und dem Entstehen dieser Krankheiten auf. Gesunde Ernährung und Bewegung, aber auch das Einbeziehen der seelischen Gesundheit werden als die Grundpfeiler eines langen, gesunden Lebens genannt.
Mit einigen Einschränkungen lassen sich die grundsätzlichen Informationen auch auf die deutsche Bevölkerung und das deutsche Gesundheitswesen übertragen. Allerdings sind etliche Vorsorgeuntersuchungen schon seit vielen Jahren Standard und längst nicht mehr unumstritten. Kritisch ist auch die Empfehlung zu betrachten, Medikamente wie Metformin oder Rapamycin einzunehmen, da diese nicht unerhebliche Nebenwirkungen haben können.

Trotzdem ist Outlive ein empfehlenswertes Buch, da es die Zusammenhänge gut erklärt und damit eher Verhaltensänderungen anregt als die bloße Aufforderung, sich gesünder zu ernähren und mehr zu bewegen.

Bewertung vom 28.01.2024
Zero Days
Ware, Ruth

Zero Days


sehr gut

Etwas vorhersehbar, aber trotzdem unterhaltsam

Jack und Gabe Cross sind nicht nur miteinander verheiratet, sie sind auch beruflich Partner. Gemeinsam spüren sie Sicherheitslücken in Unternehmen auf. Während sie physisch in die Gebäude und Sicherheitssysteme eindringt, hackt er sich ganz legal in die Datenbanken ein. Doch dann wird er ermordet und sie gilt als Hauptverdächtige. Um sich zu entlasten, muss sie untertauchen und den Mörder ihres Mannes finden.

Der Roman erfindet das Thrillergenre nicht neu, ist aber durchaus unterhaltsam und spannend zu lesen. Jack ist zwar eher eine Superheldin und damit etwas übertrieben charakterisiert, trotzdem ist es interessant, etwas mehr über das Arbeitsfeld der Pentester zu erfahren. Gleichzeitig macht es auch nachdenklich, wie viele Daten und Informationen wir unabsichtlich ständig preisgeben und welche Gefahren damit verbunden sind.

Und auch wenn es sich relativ früh abzeichnet, warum Gabe ermordet wurde und wer damit zu tun hat, man sollte trotzdem bis zum Ende weiterlesen.

Mein Fazit: ein unterhaltsamer, leicht lesbarer Thriller mit aktuellem Bezug und etwas zu eindimensionalen Charakteren. Ideal für ein verregnetes Wochenende. Kann man, muss man aber nicht lesen.

Bewertung vom 12.01.2024
Stille Falle / Leo Asker Bd.1
Motte, Anders de la

Stille Falle / Leo Asker Bd.1


ausgezeichnet

Gelungener Beginn einer neuen skandinavische Krimireihe

Smilla und Mansur sind Urban Explorer, Lost Places faszinieren sie. Jetzt haben sie einen Tipp für eine ganz besondere Höhle bekommen, die sie erkunden wollen. Ein letztes Foto auf Instagram, und dann verliert sich ihre Spur.

Da Smilla aus einer wohlhabenden, einflussreichen Familie stammt, wird sofort die Abteilung für Schwerverbrechen in Malmö eingeschaltet. Kriminalinspektorin Leonore Asker rechnet fest damit, nicht nur diese Ermittlung zu leiten, sondern auch zur Leiterin der Abteilung befördert zu werden. Doch es kommt anders. Sie wird zwar befördert, aber ihr wird die Ermittlung entzogen und sie landet im Keller als Leiterin der völlig unbekannten Abteilung für besondere Fälle. Dort arbeiten höchst exzentrische Kolleg*innen, die wenig miteinander zu tun haben und nur schwer einzuschätzen sind. Zutiefst verletzt und wütend stößt Leo durch Zufall auf Informationen, die mit dem Verschwinden der beiden jungen Leute zu tun haben. Obwohl ihr jegliche Einmischung in den Fall untersagt wurde, beginnt sie eigenständig zu ermitteln.

Mit Leonore Asker hat der Autor eine Figur geschaffen, die sehr facettenreich ist. Sie hat eine extrem ungewöhnliche Jugend erlebt, ist clever und eigenwillig. Gleichzeitig ist sie unsicher und verletzlich. Die anderen Kolleg*innen der neuen Abteilung sind skurril oder zumindest schwer einzuordnen. Die Grundidee erinnert zwar an eine bekannte andere Krimireihe, aber die Ausgestaltung drückt der Geschichte einen eigenen Stempel auf.

Auch wenn Anders de la Motte viele Ideen und Stilmittel einsetzt, die versierte Krimileser*innen bereits kennen, die Mischung macht diesen Roman trotzdem lesenswert. Rückblenden werden genau richtig platziert, um den Lesefluss nicht zu stören, im Gegenteil, die Spannung wird dadurch nur noch gesteigert. Und auch wenn man sich nicht für Urban Exploring interessiert, die Art wie das Thema beschrieben ist, macht die Faszination für diese verlassenen Orte nachvollziehbar.

Insgesamt gehört dieser Krimi zum Besten, was ich in letzter Zeit in diesem Genre gelesen habe. Klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 13.12.2023
Schwarzvogel / Fredrika Storm Bd.1
Skybäck, Frida

Schwarzvogel / Fredrika Storm Bd.1


gut

Serienauftakt mit interessantem Ermittlerduo, aber zu wenig Krimispannung

Im Auftakt der Krimireihe um Fredrika Storm muss diese gleich am ersten Arbeitstag in ihrer neuen Dienststelle in ihrem Heimatdorf ermitteln. Eine junge Frau ist anscheinend auf den zugefrorenen See geflüchtet, ins Eis eingebrochen und ertrunken.
Fredrika wird der Fall vor allem deshalb übertragen, weil sie über Ortskenntnisse verfügt. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Henry Calment muss Fredrika auch innerhalb ihrer eigenen Familie unangenehme Fragen stellen. Dabei rücken Themen aus der Vergangenheit in den Vordergrund, die eine objektive Ermittlung zusätzlich erschweren.

Die Vielzahl an Personen und familiären Verflechtungen erfordern gerade zu Beginn viel Aufmerksamkeit und stören sowohl den Lesefluss als auch den Spannungsaufbau etwas. Trotzdem lässt sich der Roman auch aufgrund der kurzen Kapitel gut lesen.
Die Annäherung des sehr gegensätzlichen Ermittlerteams ist gut herausgearbeitet und glaubwürdig beschrieben. Insbesondere Henry Calment ist ein sehr interessanter, vielschichtiger Charakter. Im Zusammenspiel mit Fredrika Storm hat das für den nächsten Band wirklich Potential.
Aber auch die meisten anderen Charaktere haben im Laufe des Romans an Kontur gewonnen.

Ein Fazit fällt mir tatsächlich schwer, weil der Krimi ein typischer Serienauftakt ist, in dem Charaktere eingeführt werden. Hilfreich wäre in diesem Fall aber tatsächlich ein vorangestelltes Personenregister gewesen. So musste ich mehrfach Personen neu zuordnen.
Die familiären Verstrickungen der Hauptperson waren mir zu bestimmend für einen Krimi. Empfehlen würde ich Schwarzvogel Leser*innen, die persönliche Verwicklungen der Ermittler*innen in Krimis mögen und die einen langsamen Spannungsaufbau schätzen.

Bewertung vom 16.11.2023
Herzsprechstunde
Eifert, Sandra;Kirschner-Brouns, Suzann

Herzsprechstunde


ausgezeichnet

Gute Einführung für interessierte medizinische Laien

Gendermedizin ist in letzter Zeit zunehmend ins Bewusstsein der Öffentlichkeit getreten und hat hoffentlich besonders auch in Arztpraxen Einzug gehalten. Die beiden Autorinnen der „Herzsprechstunde“ geben ihr medizinisches Wissen in gut verständlicher und weitestgehend leicht lesbarer Sprache an interessierte Laien weiter.

Auf knapp dreihundert Seiten erfährt man zunächst grundsätzliches über das Organ und seine Funktionsweise, den Unterschied zwischen männlichem und weiblichem Herz sowie die Diagnostik von Herzerkrankungen. Danach wird dezidiert auf den Einfluss von Hormonen und die besonderen Belastungen für das weibliche Herz in Schwangerschaft und Menopause eingegangen. Auch die große Bedeutung von emotionalen Stressfaktoren werden genauer benannt. Nach der Behandlung von weiblichen Herzerkrankungen widmen sich die Autorinnen ausführlich dem Thema Erhaltung der Herzgesundheit bei Frauen.

Neben eher trockenen Definitionen, Tabellen, Diagrammen und einigen Abbildungen gibt es auflockernde Einschübe (my take), die das Lesen sehr angenehm machen.

Aus familiären Gründen habe ich mich recht ausführlich mit dem Thema Herzkrankheit und Medikation befasst und trotzdem habe ich einige überraschende Dinge gelernt. Besonders beeindruckt haben mich ausschließlich weibliche Risikofaktoren für Herzerkrankungen, die ich nie in Zusammenhang gebracht hätte. Viele Tipps sind auch allgemein nützlich, z.B. die Vorbereitung auf Arztgespräche, um eine gute Diagnose und Behandlung zu bekommen.

Empfehlen würde ich das Buch eher Laien mit einem Grundwissen und Interesse an Humanbiologie und dem Zusammenspiel von Körper und Seele. Einzelne Kapitel kann man sicher auch als Nachschlagewerk immer wieder nutzen.

Bewertung vom 12.11.2023
Und wir tanzen, und wir fallen
Newman, Catherine

Und wir tanzen, und wir fallen


ausgezeichnet

Viel zu früher endgültiger Abschied
Bereits im Kindergarten hat die Freundschaft zwischen Edi und Ash begonnen. Jetzt sind die beiden Freundinnen Mitte vierzig und Edi ist unheilbar krank. Die letzte Phase ihres Lebens verbringt sie im Hospiz, ganz in der Nähe von Ashs Zuhause und weit entfernt von ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn, zu denen sie aber digital soviel wie möglich Kontakt hält. Dafür verbringt Ash täglich viel Zeit bei Edi im Hospiz.

Die Ich-Erzählerin Ash gibt Einblicke in die gemeinsame Geschichte der Freundschaft und die Höhen und Tiefen, durch die die Freundinnen in ihrem Leben gemeinsam gegangen sind. Sie beschreibt das Leben und Sterben im Hospiz in all seinen Facetten: Lachen, Freude, Leid, Schmerzen und Trauer. Besonders berührend sind die vielen kleinen Momente, in denen es den engagierten Helfer*innen und Angehörigen gelingt, den sterbenden Menschen eine Freude zu bereiten. Aber die Autorin beschönigt auch nicht.

Ashs Leben außerhalb des Hospizes wird zunehmend komplizierter, sie ist sichtlich mit der Situation überfordert. Dabei erfährt sie ausgesprochen viel Unterstützung, nicht nur durch ihre fast erwachsene Tochter, die viel Verständnis für die emotionale Schieflage ihrer Mutter aufbringt.
Ein bisschen zu kurz kommt dabei vielleicht Edis Geschichte, die hier aufgrund der Erzählperspektive im Hintergrund bleibt.

Trotz des ernsten Themas lässt sich der Roman eher leicht lesen und er ist auch nicht übermäßig emotional. Die Atmosphäre im Hospiz und die Ausnahmesituation, in der sich Angehörige befinden,
ist sehr realistisch dargestellt. Auch das Ende konnte mich im Großen und Ganzen überzeugen.

Empfehlenswert ist Catherine Newmans Roman für Leser*innen, die eine gewisse Distanz zum Thema haben und auch unkonventionelle Reaktionen in belastenden Lebensphasen akzeptieren können. Abraten würde ich all jenen, denen das Thema zu nahe geht und die aufgrund des Klappentextes ein stärkeres Gewicht auf Edis Lebensgeschichte erwarten.