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wasserklaenge

Bewertungen

Insgesamt 14 Bewertungen
12
Bewertung vom 16.07.2023
Die Einladung
Cline, Emma

Die Einladung


weniger gut

Alex hat Glück gehabt: Als ihr Leben gerade so richtig den Bach runterging, hat sie Simon kennengelernt. Er ist über 50, sie 22 und offenbar hat sie bei ihm die richtigen Knöpfe gedrückt. Denn nun wohnt sie mit ihm in seinem Sommerhäuschen im den Hamptons und vertrödelt ihre Tage mit baden im Meer oder baden im Pool oder damit, sich hübsch zu machen für ihren Gönner. Doch nach einem Fehltritt ist Simon ihrer plötzlich überdrüssig und setzt sie vor die Tür. Und so irrt Alex ohne Geld und ohne Plan durch die Reiche-Leute-Viertel der Insel und versucht die Tage bis zu Simons Labor Day Party herumzukriegen, in der irrationalen Hoffnung auf eine Versöhnung.

Ok. Ich glaube, ich habe selten einen Roman gelesen, in dem man die Figuren so wenig kennenlernt, wie in diesem hier. Alex Vergangenheit bleibt unscharf. An viele ihrer Bekanntschaften erinnert sie sich selbst nur vage. Dom, dem sie noch Geld schuldet, bleibt ein substanzloses Phantom. Simons reiche Freunde sind blutleere Platzhalter. Alex Bekanntschaften sind durchweg oberflächlich, ihr einziger Beweggrund mit Leuten zu interagieren ist Egoismus oder Bedürftigkeit. Sie braucht Geld, Essen, einen Schlafplatz oder Sicherheit. Diese Oberflächlichkeit spiegelt zwar Alex Leben wieder, aber über das „Warum“ schweigt sich Cline aus. Das war mir zu dünn.

Eine vage, planlose, zufällige Begegnung führt zur nächsten. Bis Alex es wieder verbockt und weiterzieht. Das fand ich relativ bald langweilig und belanglos. Es passiert einfach nichts! Niemanden kommt man nahe, alles wiederholt sich und alles ist irgendwie egal.

Mit diesem Roman habe ich mit Emma Cline abgeschlossen. Den guten Eindruck, den „The Girls“ hinterlassen hat, hat sie mit „Daddy“ und „Die Einladung“ verspielt. Auf noch eine Enttäuschung habe ich keine Lust!

Bewertung vom 05.04.2023
22 Bahnen
Wahl, Caroline

22 Bahnen


sehr gut

Für eine junge Frau Anfang 20 hat Tilda wirklich eine Menge Probleme. Neben dem Studium jobbt sie an der Supermarktkasse. Ihren Freunden aus der Schulzeit schaut sie dabei zu, wie diese Weltreisen machen oder ans Meer fahren, nach Berlin ziehen oder ins Ausland, nächtelang feiern gehen und sich von einer Romanze in die nächste stürzen. Doch Tilda hat für all das keine Zeit, geschweige denn Geld. Sie muss sich schließlich um ihre kleine Schwester Ida kümmern, denn ihre Mutter kann das nicht. Ihre Mutter ist Alkoholkrank und hat in Summe mehr schlechte als gute Tage. Die Mädchen sind an eine Mischung aus Chaos, Gehässigkeit, Teilnahmslosigkeit, Abwesenheit und manchmal auch Gewalt gewöhnt. Doch die Situation ändert sich, als Tilda eine Promotionsstelle in Berlin angeboten bekommt. Die Stelle ist ein Traum, doch dafür müsste sie Ida allein bei ihrer Mutter zurücklassen und sie weiß nicht, ob das Mädchen dafür schon bereit ist.

Besonders hat mir in diesem Roman die Beziehung zwischen den beiden Schwestern gefallen, die so früh schon selbstständig sein mussten und mehr oder minder nur sich hatten. Über Idas Kreativität und den langsamen Weg heraus aus ihrem Schneckenhaus zu lesen, fand ich sehr schön.

Da der Roman aus Tildas Perspektive erzählt ist, und sie viele ihrer Gefühle von sich wegschiebt, wirkt er ein wenig nüchtern und sprachlich eher reduziert. Das passt natürlich ausgesprochen gut zu Tilda, die früh gelernt hat misstrauisch zu sein und sich Sorgen zu machen, lässt aber auch weniger Emotion zu. Dafür sind die Momente, in denen Tilda mal loslässt und glücklich ist umso berührender.

Ein paar Dinge fand ich aber irgendwie unlogisch, beziehungsweise nicht richtig auserzählt. Wer beispielsweise ist Ursula, auf die Tilda bei fast jedem ihrer Schwimmbadbesuche trifft? Eine Freundin, eine Bekannte, eine Mitarbeiterin des Schwimmbades? Ursula steht wie ein NPC in einem Videospiel immer im Schwimmbad für ein Pläuschchen mit Tilda bereit. Außerhalb davon taucht sie nie auf oder wird auch nur erwähnt. Auch, woher sie sich kennen ist unklar.

Dann fand ich es etwas befremdlich, dass das Alkoholproblem von Tildas Mutter ein offenes Geheimnis ist aber sowohl Tilda, als auch Ida damit vollkommen allein gelassen werden. Dabei war Tilda als Kind Dauergast bei der Familie ihrer (sogenannten) Besten Freundin Marlene. Ist es traurige Realität, dass von dort nie ein Hilfsangebot kam, obwohl Tilda offensichtlich Probleme hatte und irgendwann auch noch ein Säugling dazu kam? Hat keiner der Lehrer, Ärzte, Nachbarn oder Freunde jemals irgendetwas unternommen? Ich hoffe sehr, dass diese krasse Nachlässigkeit nicht der Realität entspricht.

22 Bahnen ist ein traurig-schöner Roman über zwei Schwestern, die sich ihre kleinen Freiheiten erkämpfen. Caroline Wahl hält den Leser durchweg bei der Stange, was die Nebenfiguren angeht, wäre meiner Meinung nach aber noch Luft nach oben. Wer Comming-of-Age Geschichten mag und nichts gegen einen etwas nüchterneren Stil hat, wird an diesem Roman sicher seine Freude haben!

3,5*

Bewertung vom 19.02.2023
Männer sterben bei uns nicht
Reich, Annika

Männer sterben bei uns nicht


weniger gut

Luise wächst auf dem weitläufigen Anwesen ihrer reichen Großmutter auf und ist der unbestritten Liebling der Matriarchin. Auch scheint sie die einzige zu sein, die sich dort wirklich wohlfühlt. Ihre Mutter, obwohl selbst bildhübsch, passte noch nie in die Welt der Reichen und Schönen. Luises Tante und Cousine hat der Hang zum Perfektionismus der auf dem Abwesen herrscht schon in die Stadt vertrieben und ihre Schwester Leni wurde ins Internat ausgelagert. Als nun die Großmutter stirbt, treffen all diese Frauen bei der Beerdigung aufeinander und alte Animositäten und Rivalitäten brechen wieder auf.

Mir hat besonders die Stimmung zu Beginn des Romans gefallen: Ein heißer Sommer, Luises Kindheit, eine Familie die offenbar viel Geld hat aber diverse Probleme totschweigt, eine Selbstmörderin im See. Vielversprechend. Doch leider konnte der Roman für mich die zu Beginn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen.

Ich habe letztlich nicht verstanden, was nun das Problem dieser Familie war. Warum war Luises Großmutter so herrisch und in der Verteilung ihrer Gunst so selektiv? Was war mit den Männern beziehungsweise wo waren sie denn nun? Warum redet niemand in dieser Familie offen miteinander? Und was soll der Aufhänger mit den toten Frauen im See, wenn diese nicht mehr als eine makabere aber folgenlose Kindheitserinnerung Luises waren?!

Auch die fehlende Entwickling der Figuren, die ich schon in Reichs Vorgängerroman "34 Meter über dem Meer" kritisiert habe, hat mich hier wieder gestört. Jede bleibt, wie sie war. Selbst Luise ist von dem Mädchen vom Beginn nicht weit entfernt. Und das obwohl weit mehr als 10 Jahre vergangen sind! Ohne Entwicklung und mit spärlichen, meist unkonkreten Einblicken in die Vergangenheit wirkte die Geschichte belanglos.

Gut fand ich allerdings die Beschreibung der Diskrepanz von Erinnerung. Wie Luise sich beispielsweise an Dinge aus ihrer Kindheit anders erinnert als ihre Mutter oder ihre Cousine. Oder wie sie selbst bemerkt, dass die eine oder andere ihrer Erinnerungen so nicht ganz stimmen kann, obwohl sie sich der Dinge so sicher war.

"Männer sterben bei uns nicht" hat mich trotz guter Ansätze und wunderbarer Aufmachung letztendlich nicht erreicht. Zu starr und zu schwammig war mir die Geschichte. Etwas mehr Substanz, mehr Handlung und weniger Andeutungen hätten dem Roman gut getan. So war es recht enttäuschend.

2,5*

Bewertung vom 17.07.2021
In diesen Sommern
Hecht, Janina

In diesen Sommern


sehr gut

In Janina Hechts Debütroman begleiten wir die Ich-Erzählerin Teresa in kurzen Kapitel von ihrer Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter. Stimmungsvolle Erinnerungsbruchstücke aus den Sommern ihrer Kindheit fügen sich zu einem groben Portrait ihres zunehmend alkoholkranken Vaters.

Besonders am Anfang des Romans schafft es Janina Hecht mit vielen kleinen Details Erinnerungen an die eigene Kindheit heraufzubeschwören. Spaghettieis, der Chlorgeruch des Schwimmbads oder Besuche bei den Großeltern. Überschattet ist diese sommerliche Nostalgie aber immer auch mit düsteren Erinnerungen an den Vater. Um ihn schleicht die ganze Familie sprichwörtlich auf Zehenspitzen herum. Ist er heute gut drauf? Wird es Streit geben oder bleibt er ruhig? Hat er wieder zu viel getrunken?

"Dieses eigenartige Befremden, das sich bis heute in mir ausbreitet, wenn ich eine Familie besuche, die sich so verhält. Wenn niemand im Zentrum steht und alle mit sich selbst beschäftigt sein dürfen." Seite 90

Es ist beklemmend, was die junge Teresa erleben muss. Wie sie versucht zumindest den kleinen Bruder zu beschützen, bis sie irgendwann das stille Ertragen der Mutter nicht mehr aushält und flüchtet.

Da Teresa im Laufe des Romans älter wird, verliert sich leider irgendwann zwangsläufig der Kindheitssommerton. Das fand ich schade, denn ich mochte ihn gerne und bin mit dem eher nüchternen Erzählton der jungen Teresa besser zurecht gekommen, als mit dem der älteren.

Mit "in diesen Sommern" ist Hecht ein stimmungsvoller wie trauriger Roman über das Erwachsenwerden gelungen. Mit Liebe und Wut lässt sie Teresa von ihrer Kindheit erzählen und zu der Erkenntnis kommen, dass man letztlich niemanden wirklich so genau kennt, wie man dachte. Trotz schwerem Thema ein schöner kleiner Roman mit Nostalgiefaktor, der mit seine besonderen Beobachtungsgabe besticht.

12