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* Vivi *
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Bayern
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Vielleserin

Bewertungen

Insgesamt 32 Bewertungen
Bewertung vom 24.10.2018
Die Sonnenschwestern
Rees, Tracy

Die Sonnenschwestern


ausgezeichnet

Ein liebevoller Frauenroman

Tracy Rees kann man nur gern haben. Die junge Schriftstellerin trifft grundsätzlich den richtigen Ton, sie fällt sofort mit ihrer stilsicheren, gehobenen Sprache auf und wählt geschickt auch diesmal ein Thema, das einen richtig guten Frauenroman ausmacht: Liebe und wieder gefundenes Glück. Romantisch, entzückend englisch, vor einer atemberaubenden, nostalgischen Kulisse. Auch bei „Die Sonnenschwestern“ ist das der Fall.

Die Geschichte einer liebenden Mutter und einer verzweifelten Tochter ist rührend und spannend zugleich. Auf zwei Zeitebenen verlaufen die Ereignisse zu einem gemeinsamen Faden. Im Grunde genommen handelt es sich um eine eher alltägliche Erzählung, doch Tracy Rees verleiht dem unscheinbaren englischen Alltag eine Menge Spannung und eine besondere Eleganz, somit wirkt das Buch von Anfang an unwiderstehlich.

Zu erwarten sind keine großen emotionalen Ausbrüche, still und zurückgenommen führt die Autorin durch alle Widrigkeiten zweier Frauenschicksale. Mit der stimmungsvollen Vorstellung des walisischen Ortes Tenby und dem betörenden Duft der Welsh Cakes rundet sie die Erzählung liebevoll ab.

Die Übersetzung von Elfriede Peschel ist wieder so treffend und bewundernswert!

Bewertung vom 21.08.2018
Guten Morgen, Genosse Elefant
Wilson, Christopher

Guten Morgen, Genosse Elefant


ausgezeichnet

Die Welt steht auf dem Kopf in Juris Welt

Der 12,5-jährige Hauptstadtzoo-Bewohner, Juri, plappert ununterbrochen. Er berichtet putzig über sein abenteuerliches Leben in der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Er ist kindlich, unschuldig, versteht wohl noch nicht ganz, wie Sozialismus und Kommunismus funktionieren und kennt keine Angst. Er verzaubert mit seinen ehrlichen, direkten Worten.

Aus der Geschichte sticht eine seltsame Zuversicht heraus. Alles wird mit althergebrachten Sprüchen abgetan: „Es gibt Schlimmeres im Leben.“ Und nebenbei wird alles, was Juris Papa behauptet, bedingungslos akzeptiert. Schließlich ist Denken nutzlos und gefährlich. Das ist wohl eine bewährte Methode zum Überleben in einer lebensbedrohlichen politischen Situation. Unter gar keinen Umständen wird eine eigene Meinung formuliert oder laut ausgesprochen.

Die schrille Weltordnung des aufgeweckten, doch unfallbedingt behinderten Jungen und die radikalen, teils sogar unanständigen Formulierungen des Autors klingen lustig, doch hinter diesen makaberen Aussagen versteckt sich die gnadenlose Realität, die keine der Romanfiguren wahrhaben möchte. Selbst heitere Feierlichkeiten und ein anscheinend unbegrenzter Zugang zu Konsumgütern – was zugegebenermaßen nicht der russischen Alltagssituation der 1950er Jahre entspricht – können die bedrückende Grundstimmung nicht verschleiern.

Teils wird man von dubiosen Ereignissen überrascht und man erklärt sich diese Situationen gern mit gewagten Fantasien eines Autors – sozusagen betrachtet man die von der Ideologie rechtfertigte Brutalität als manipulative Spielchen einer bewusst gestalteten Geschichte. Doch dabei schlüpft man unbemerkt in die Rolle eines naiven Lesers, voller Hoffnung auf ein Happy End.

Der Einblick ins gesteuerte und gelähmte Leben eines Volkes in der Sowjetrepubliken trifft die Leser schonungslos. Dennoch: Juris kindlich ungetrübte Einstellung zum Leben und sein ungewöhnlicher Gedankenstrom ergeben eine seltsame, spannende Erzählung.

Bewertung vom 22.07.2018
Sehnsucht / Dream Maker Bd.1
Carlan, Audrey

Sehnsucht / Dream Maker Bd.1


gut

Eine leichte, sinnliche Freizeitlektüre

Die neue Serie „Dream Maker“ von der amerikanischen Bestseller-Autorin, Audrey Carlan, ist eine Reihe von Episoden um junge Verliebten aus privilegierten Kreisen. Eine traumhafte und zugegebenermaßen unerreichbare Kulisse für Alltagsmenschen; die Welt der (einfluss-)reichen und schönen Promis. Im ersten Buch gibt es drei Geschichten mit dem jungen, unwiderstehlichen Parker Ellis in der Hauptrolle, der als Ich-Erzähler über seine sorgenvollen Partnerinnen und Auftraggeberinnen berichtet. Parker Ellis ist in jeder Hinsicht ein heldenhafter Problemlöser.

Bei Audrey Carlan kann man sich sicher sein, sexuell betörende Details sind inklusive.

Auch diesmal lässt es sich die Autorin nicht nehmen, das Wort gegen Gewalt dem weiblichen Geschlecht gegenüber zu erheben. Sehr lobenswert. Doch mit mehr Propaganda muss man nicht rechnen: Bei „Dream Maker“ handelt es sich um einen einfachen, genussvollen, erotischen Roman.

In der ungekürzten Hörbuchversion verleiht Sven Macht seine Stimme dem Protagonisten, Parker Ellis. Er meistert die Rolle grandios. Die einzige Schwierigkeit entsteht lediglich dadurch, dass er in gewissen Dialogen weibliche Töne der Begeisterung nachahmen muss, das ist jedoch mit einer männlichen Stimme eine Sache der Unmöglichkeit. Einige Parts übernimmt noch Alicia Hofer, doch vorerst tritt die zweite Hauptfigur, Schauspielerin Skyler Paige, noch selten als Ich-Erzählerin in den Vordergrund.

Vermutlich kommt diese Geschichte als Buch authentischer vor, als in Form eines Hörbuchs, dennoch bietet sie in beiden Fällen eine leichte, sinnliche und entspannte Freizeitaktivität.

Bewertung vom 11.07.2018
Der englische Liebhaber
de Cesco, Federica

Der englische Liebhaber


ausgezeichnet

Liebe und Zerstörung nach dem Zweiten Weltkrieg

Federica de Cescos Roman fängt etwas betrübt an, mit traumatisierenden Bildern aus dem Zweiten Weltkrieg, die sich in die Erinnerung einer alten Frau fest eingebrannt haben. Bald schildert die Ich-Erzählerin, Anna, ihre persönlichen, schrecklichen Erlebnisse: Zwei Zeitebenen verlaufen parallel; ältere Ereignisse ab 1944 werden aus Annas Perspektive dargestellt, Ereignisse ab 1988 dagegen aus Charlottes Perspektive, sie ist Annas Tochter. Was jedoch Anna tatsächlich erlebte, kann ihre Tochter erst aus den alten Tagebüchern und Tonbändern ihrer Mutter – nach deren Tod – endlich erfahren.

Die Geschichte stellt nicht nur eine komplizierte Liebesgeschichte dar, sondern sie reflektiert auch die zerstörerische Kraft des Krieges.

Die Szenen sind gefühlvoll und vermitteln eine stets zunehmende Antikriegsstimmung.

Annas Schicksal ist reich an wechselnden Emotionen: Es gibt bittersüße Momente, Glück, Hoffnung, Verständnis, aber auch reichlich Angst, Verzweiflung und letztendlich eine entschlossene Abrechnung mit den Widrigkeiten eines einzelnen Lebens.

Unter allen Umständen stellt die Erzählerin die Kraft einer wahrhaft leidenschaftlichen und über lange Jahre anhaltenden, hingebungsvollen Liebe in den Vordergrund, die stets Lebenskraft spendete, obwohl sie von äußeren Kräften in Grenzen gehalten wurde.

Die präzisen Beschreibungen bringen die Szenen nah. Die Grundstimmung ist melancholisch und in die allgegenwärtige Traurigkeit mischt sich nur gelegentlich ein Lichtblick. Die Spannung lässt dennoch nicht nach: Alte Geheimnisse, verdrängte Emotionen, politische Intrigen, Identitätssuche und der Umgang einer neuen Generation mit einer konfliktreichen, problematischen Erbschaft – das alles bietet „Der englische Liebhaber“.

Die Autorin überzeugt mit einer klaren, objektiven Sprache, wohldurchdachten analytischen Ableitungen zur angespannten Situation nach dem Zweiten Weltkrieg mithilfe ihrer authentischen Romanfiguren.

Bewertung vom 11.07.2018
Ans Meer
Freund, René

Ans Meer


ausgezeichnet

Fuchsteufelswildes Märchen für Erwachsene

„Ans Meer“ von René Freund ist die ultimative Sommer- und Urlaubslektüre. Der Roman ist zwar recht locker und leicht, doch gut pointiert und des Lesens unbedingt würdig. Aus einer Reihe von unmöglichen Ereignissen entwickelt sich eine herzliche Geschichte um einen entführten Linienbus und dessen Insassen.

Die Art und Weise, wie der Autor mit der etwas unseriösen Ausgangssituation umgeht, macht das Buch interessant. Man wird schnell merken, dass hinter den scherzhaften Aussagen aktuelle Themen verborgen sind. Zeitnah (ein beliebter Ausdruck aus dem Buch) ergibt sich eine nette Liebesgeschichte, ein letzter Wunsch wird erfüllt, eine strenge Mutter wird besänftigt und nicht zuletzt: Es wird mit den energydrinktrinkenden Kapuzenjackenträgern ohne Migrationshintergrund bitter abgerechnet.

Nicht nur die sympathischen Romanhelden tragen zum Lesevergnügen bei. Im Laufe der Erzählung werden Sehnsüchte erweckt. Bei duftendem Cappuccino, Paninis, italienischem Eis, Pinienwäldern und Meeresrauschen fühlt man sich schnell bestens unterhalten.

Bewertung vom 30.05.2018
Die Schönheit der Nacht
George, Nina

Die Schönheit der Nacht


ausgezeichnet

Eine sinnliche Reise in die Bretagne

Die wahre Schönheit der Nacht zu erkennen ist nur eine Episode im Leben der Protagonistin, Claire. Die Schönheit der Worte zu entdecken ist dafür allgegenwärtig für die Leser. Die besondere Anziehungskraft üben in diesem Roman nicht etwa die stürmischen Ereignisse aus, sondern die atemberaubende Ausdrucksweise, die verzaubert und süchtig macht: Man möchte immer mehr von der natürlich wirkenden, ausdrucksvollen Geschichte erfahren. Die Leser sinnlich und emotional zu fesseln, schafft die Autorin bereits in den ersten Sätzen mit Leichtigkeit.

Von Anfang an fordert die außergewöhnliche, moderne Sprache von Nina George alle Sinne: Sie schafft eine stimmungsvolle Kulisse mit Geräuschen, visuellen Eindrücken, Gerüchen und Geschmack.

„Er hatte nach Milch und Zucker, nach Kaffee und Lust geschmeckt.“ Ein Seitensprung, betörend, unverbindlich, oberflächlich und er ist voller Sehnsucht. Eine kleine Flucht, doch kein Entkommen für die Hauptfigur: Der gewohnte Alltag erwartet Claire wieder. Man fühlt ihre lähmende Verzweiflung zwischen Lüge und Realität, und dennoch verliert man sich in der wundervollen Lyrik mitten im Gedankenstrom. Das Thema und die gut gewählten Stilmittel ergeben eine harmonische Einheit.

Der Grundton des Romans ist ruhig und ausgeglichen, doch die Charaktere haben etwas Beunruhigendes. Die Realität der Figuren kommt dem Leser erschreckend nah und lässt die Einsamkeit und das Unglück der Hauptperson, Claire, nachempfinden. Die Einsamkeit und das Unglück in einer scheinbar glücklichen Ehe.

Die Autorin geht analytisch und wissenschaftlich vor, sie schildert Theorien zum menschlichen Verhalten und stellt schmerzhafte Erkenntnisse in den Vordergrund, über Kindheitsträume, Selbstverwirklichung, das Streben nach Glück, und natürlich auch über die Unglücksfallen, in die man häufiger hineintappt, als man erwarten würde. Offen bleibt nur bis zu den letzten Seiten, ob ihre Figuren einen Ausweg finden. Die Erzählung erlaubt dabei einen ehrlichen Einblick in die Gefühlswelt der heutigen Frauengeneration zwischen Alltag, Karriere und sehnsüchtigen Träumen. Eine authentische Darstellung moderner Weiblichkeit.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.05.2018
Wie man die Zeit anhält
Haig, Matt

Wie man die Zeit anhält


ausgezeichnet

Lieben lernen und Eintagsfliegen anständig behandeln

Das Leben aus der Perspektive eines 439-Jährigen zu betrachten ist außergewöhnlich, doch genau auf dieser Basis führt Matt Haig seine Leser durch die Geschichte im Roman „Wie man die Zeit anhält“. Logischerweise folgt man ihm auf mehreren Zeitebenen bis in die Gegenwart. Im Laufe seines ungewöhnlich langen Lebens macht seine Hauptfigur, Tom Hazard, überwiegend schmerzhafte Erfahrungen, daher wird man von Anfang an mit einer herzzerreißenden Melancholie konfrontiert. Glücklicherweise gibt es großartige Lichtblicke.

Da Tom Hazard bereits Ende des 16. Jahrhunderts zur Welt kommt, erlebt er unter anderem Shakespeares Zeit und – ein wundervoller Zufall – er unterstützt ihn sogar bei einem Bühnenstück im Globe Theater. Diese und ähnliche, gut pointierte Zwischensequenzen bieten ein besonderes Leseerlebnis und eine gewisse Heiterkeit.

Andererseits kommt dieses Buch gelegentlich so vor, als hielte man eine kleine Sammlung von unschätzbaren Weisheiten in den Händen. Die philosophisch angehauchten Abschnitte begeistern mit schlüssigen Gedankenansätzen um das Thema „Zeit“ herum. Die Entwicklung geht eindeutig in Richtung einer besseren Welt, in der Liebe und Lebenswille die Phasen der Angst, der Enttäuschung und des daraus folgenden Rückzugs besiegen können.

Ob die abwertend als „Eintagsfliegen“ bezeichneten, kurzlebigen Durchschnittsmenschen daraus lernen können? Hoffnung gibt es allemal. Doch vorerst gibt es diese äußerst seltsame Lektüre von Matt Haig und eine gute Gelegenheit, es Tom Hazard gleich zu tun und eine Liste der Dinge – zumindest im Kopf – zu erstellen, was das Leben und die aktuelle Epoche so liebens- und lebenswert macht.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.05.2018
Die Arznei der Könige
Weiß, Sabine

Die Arznei der Könige


ausgezeichnet

Eine warmherzige Heilerin

Im 14. Jahrhundert konnten Frauen – darunter auch feine Damen aus Adelsfamilien – kaum von einem selbstbestimmten Leben oder Eheglück träumen. Jakoba von Dahlenburg, der Protagonistin im historischen Roman „Die Arznei der Könige“ von Sabine Weiß ergeht es keinesfalls besser, obwohl sie in vieler Hinsicht eine besondere Frauenfigur verkörpert: klug, selbstlos, respektvoll und selbstbewusst mit Durchsetzungskraft. Ihr Leben wird ständig aufs Neue auf den Kopf gestellt – sie erleidet völlig unverschuldet die übelsten Ungerechtigkeiten – bis sie eines Tages ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt und vor ihrem tyrannischen Ehemann flüchtet. Für Jakoba beginnt damit eine abenteuerliche Reise unter vielen Gefahren aus Norddeutschland bis nach Venedig, von dort nach Paris und schließlich zurück nach Lüneburg.

Sabine Weiß bewies bereits mehrmals ihre außerordentliche Begabung in der Verfassung von authentischen historischen Romanen, auch diesmal gelang ihr ein kleines Meisterwerk. Vor stimmungsvoll abgestimmten Hintergründen führt sie ihre Heldin, Jakoba, die Heilerin, durch raue Landschaften, düstere Festungen und glänzende Städte. Dabei erlaubt sie sogar Einblick in die Königshäuser, in intrigante Machenschaften, nicht zuletzt ins Leben des einfachen Volkes.

Was Sabine Weiß aus wenigen Tatsachen anhand authentischer historischer Quellen zaubert, ist unterhaltsam und lehrreich zugleich. Die Erzählung wird mit zeitgemäßen Dialogen aufgefrischt, es kommen für die heutige Zeit ungewöhnliche Alltagsgegenstände vor, Gewohnheiten und Konflikte aus dem 14. Jahrhundert werden näher gebracht. Man lernt jedes Mal etwas dazu. Dabei genießt man die abwechslungsreichen Ereignisse und staunt über den damaligen Wissensstand der Heil- und Kräuterkunde.

Ein Roman, der alles Nötige für den perfekten Lesespaß bietet: Viel Spannung, stürmische Abenteuer, gnadenlose Kämpfe, herzerwärmende Romantik. Es geht um große Herrscher, kleine Alltagshelden und natürlich um eine vorbildliche und liebenswerte Frauenfigur. Auch die Nebenrollen sind bestens besetzt. Das Ergebnis ist so fantasievoll und bewegend, dass man das Buch ungern aus der Hand liegt.

Bewertung vom 27.03.2018
Das Geheimnis der Muse
Burton, Jessie

Das Geheimnis der Muse


ausgezeichnet

Kunst und Einzigartigkeit

Wenn man recht bedenkt, lösen Kunstwerke in jedem Individuum andere Gefühle aus, unabhängig davon, ob die Betrachter die Aussage der Objekte verstehen. Im Großen und Ganzen baut Jessie Burtons Bestseller auf diese Tatsache: Auf große Emotionen um falsch interpretierte Tatsachen, auf Vermutungen, Missverständnisse und verkannte Begabung.

Zwei Protagonistinnen auf zwei Zeitebenen und an zwei Orten – 1967 in London und 1936 in Andalusien – kommen in Berührung mit Kunst, jede auf ihre Art: Olive Schloss, die heimliche Malerin und Odelle Bastien, die Schrittstellerin mit mangelndem Selbstvertrauen. Ein geheimnisvolles Gemälde verbindet die jungen Damen und verwickelt sie in widersprüchliche Abenteuer.

1936 wird das Hauptthema von der Gleichberechtigung und Anerkennung des weiblichen Geschlechts beherrscht, Olive kann sich als Künstlerin nicht behaupten, da ihr schon von Kindheit beigebracht wurde, „dass Kunst nichts für Frauen ist“.

1967 rückt das überwiegend rassistische Verhalten der Londoner Bevölkerung in den Vordergrund, Odelle muss sich überwinden, um zu schreiben und ihre Texte zu publizieren, da sie als eine Schwarze aus Trinidad nicht die gleiche Akzeptanz hat, wie ihre Mitbürgerinnen – weder als Mensch noch als Autorin.

Die bildhafte Sprache lässt die emotionalen Höhepunkte besonders eindrucksvoll erfassen, seien es romantische oder spannende Momente, bittere Missverständnisse oder qualvolle Leiden.

Was die Entwicklung der Geschichte betrifft, so treten unzählige unerwartete Wendungen auf, die die Erwartungen bezüglich der Finale mehrfach neu bewerten lassen. Dennoch: Die ganze Wahrheit um die Entstehung und Bedeutung des geheimnisvollen Bildes eröffnet sich nicht vor allen Romanfiguren, sondern nur vor den Lesern und hinterlässt einen bittersüßen Eindruck.

Die Bedeutung der Kunst und die Betonung der Einzigartigkeit begnadeter Künstlerinnen, so wie Olive und Odelle sind, begleiten die fesselnde Erzählung von Jessie Burton. „Das Geheimnis der Muse“ überzeugt als atmosphärischer Roman mit hohem Anspruch.

Bewertung vom 14.03.2018
Frau Einstein / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.1
Benedict, Marie

Frau Einstein / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.1


ausgezeichnet

Einsteins Familie, die Relativitätstheorie und das Wesen der Liebe

Die Andeutung an Einsteins Faulheit und die gehobene Zielsetzung, Sinn und Zweck der Menschheit auf der Erde herauszufinden stehen in großem Widerspruch. Doch sie sind Teil der Erzählung von Marie Benedict über die erste Ehefrau Albert Einsteins.

Die Vermutung liegt nahe, dass es sich hierbei um ein detailreiches biografisches Werk handelt, doch vieles ist aus dem privatem Leben der Einsteins nicht bekannt. Anhand des existierenden, historischen Materials entstand dennoch ein glaubwürdiges literarisches Werk, das mit fiktiven Szenen ergänzt wurde.

In einem ausgeglichenen, respektvollen Ton lässt die Autorin ihre Titelheldin, Mileva Marić, aus der Ich-Perspektive berichten. Damit verleiht sie ihrem Roman eine sehr persönliche Note. Die Erzählung wirkt daher weder trocken noch dokumentarisch und spiegelt nebenbei die Zwiespältigkeit der gesellschaftlichen Normen am Ende des 19. beziehungsweise am Anfang des 20. Jahrhunderts authentisch: Eine intelligente junge Dame behauptet sich schwer unter Männern, die sie ungern in ihren Kreisen am Polytechnikum akzeptieren wollen und in ihr nur ein „hilfloses Weibchen“ sehen. Es bereitete vor über 100 Jahren ungewöhnliche Schwierigkeiten, wenn man als Frau studieren wollte und noch dazu die Fächer Mathematik und Physik.

Während das Züricher Studentenleben mit seiner Feindseligkeit noch einigermaßen emotional zurückhaltend geschildert wird, entwickelt sich die Geschichte in den späteren Abschnitten wesentlich dramatischer. Obwohl anfangs Ansätze erkennbar werden, die auf die freigeistige und unkonventionelle Haltung Einsteins hindeuten, entfaltet sich langsam ein düsteres Frauenschicksal, das nahezu aussichtslos zu sein scheint. Doch die Hauptfigur, Mileva Marić, die hochbegabte erste Ehefrau von Albert Einstein, beweist in diesem Roman Stärke. Besonders beeindruckend ist ihre fromme Einstellung, die die Göttlichkeit der Naturwissenschaft betont und ihre unerschütterliche Liebe ihrer Familie und ihrer einzig wahren Freundin, Helene, gegenüber.

Der feinfühlige Roman von Marie Benedict ist in einer exzellenten Sprache verfasst, das stilistisch an den Sprachgebrauch der vorletzten Jahrhundertwende angepasst zu sein scheint. Nicht zuletzt werden dabei die Grundlagen der Relativitätstheorie und weitere physikalische Gesetze in einer sehr gut verständlichen Weise – sogar für Laien genießbar – behandelt. Eine anspruchsvolle Lektüre.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.