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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Patricia
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Kehl

Bewertungen

Insgesamt 32 Bewertungen
Bewertung vom 15.03.2022
Im Rausch des Aufruhrs
Bommarius, Christian

Im Rausch des Aufruhrs


sehr gut

Die Weimarer Republik – kaum ein Abschnitt in der deutschen Geschichte wird derzeit so oft thematisiert und ist so populär. Vor allem die aufreibenden 20er Jahre sind etwa durch die Serie „Babylon Berlin“ und den Kinofilm „Fabian – Gang vor die Hunde“ sehr präsent. Der Autor nimmt in seinem Buch „Im Rausch des Aufruhrs“ das Jahr 1923 ins Visier. Es ist unfassbar beeindruckend, wie viele Aspekte Bommarius beleuchtet – nicht nur politische. Alle Bereiche kommen darin vor: Wirtschaft, Literatur, Theater, Kino, Journalismus und natürlich gesellschaftliche Fragen und Erkenntnisse.
Verpackt werden diese Informationen mal als Anekdote, mal als Hintergrundgeschichte, mal als Selbstreflexion einer der Helden oder Heldinnen dieser Zeit. Und davon gibt es viele. Der Schriftsteller Kurt Tucholsky kommt ebenso vor wie der Politiker Walter Rathenau, der Künstler Georg Grosz, die Sängerin und Schauspielerin Marlene Dietrich, der Chansontexter Marcellus Schiffer und der Theater- und Filmregisseur Max Reinhardt. Der Leser erfährt viele Details aus dem Leben der damals lebenden Persönlichkeiten - etwa, dass Joseph Goebbels in einer Filiale der Dresdner Bank in Köln arbeitete, obwohl er promovierter Philologe war oder dass ein an den damaligen Reichspräsidenten Ebert adressierter Brief nicht ankommt mit dem Verweis: Adresse fehlt, Empfänger unbekannt. Und auch die Phänomene, die heute meist nur noch als Schlagworte bekannt sind, wie etwa die Hyperinflation, werden anschaulich erklärt: „Alles ist in Bewegung, die Preise aber bewegen sich nicht - sie explodieren. Ein Brot kostet 2.200 Mark, eine Schrippe 90 Mark, ein Stück Blechkuchen 150 Mark.“

Der Vorteil dieses umfassenden Sachbuchs ist gleichzeitig sein Nachteil: Es werden sehr viel Persönlichkeiten und Informationen aufgeführt. Als Leser ist man schnell reizüberflutet. Es ist, als würde man versuchen, ein Lexikon zu lesen. Schnell merkt man, dass derart viele Hinweise in der Kürze nicht zu verarbeiten sind. Ich hätte mir gewünscht, mehr über die ein oder andere erwähnte Person zu erfahren und bestimmte Themen ausführlicher dargestellt zu bekommen. So hätte ich diese spannende, historische Zeit intensiver aus den Augen eines Menschen verfolgen und nachvollziehen können.

Bewertung vom 08.11.2021
Im Winter Schnee, nachts Sterne. Geschichte einer Heimkehr
Geda, Fabio;Akbari, Enaiatollah

Im Winter Schnee, nachts Sterne. Geschichte einer Heimkehr


sehr gut

Wie wenig ich bisher über Afghanistan wusste, hat mir dieses Buch gezeigt. Meine Afghanistan-Kenntnisse beschränkten sich auf Schlagzeilen aus den Nachrichten wie „Abzug aus Afghanistan“ oder „erneuter Anschlag der Taliban“. Erst durch „Im Winter Schnee, nachts Sterne“ lernte ich die Seiten Afghanistans kennen, die das Land ausmachen - mitsamt seiner Kultur und den Traditionen, seinem Volk und die für die Region typischen Landschaften.
Das Buch erzählt nicht nur die bewegende Lebensgeschichte von Enaiatollah Akbari, der im Alter von 10 Jahren allein von Afghanistan nach Europa geflohen ist, es bringt dem Leser auch auf eine sensible und unaufdringliche Weise die weichen und schönen Seiten Afghanistans und dessen Geschichte näher sowie die unendliche Liebe einer Mutter und den unmessbaren Wert von Familie und Freunden.
Der junge Enaiat – so heißt die Hauptfigur im Buch - schreibt über all das Leid, das er auf seiner Flucht erfahren hat, aber ganz ohne sich zu beschweren, ohne auf Mitleid aus zu sein. Enaiat ist ein Kämpfer, ein Optimist, der lieber das Gute in der Zukunft sieht als das Schlechte, das ihm in der Vergangenheit widerfahren ist. Wie schwer es als Flüchtling ist, ohne Geld, Familie, Sprachkenntnisse und vor allem ohne jegliche Hilfe und Rückhalt von anderen in einer neuen Heimat Fuß zu fassen, macht Enaiat deutlich und nachvollziehbar.
Obwohl ihn mehrere Schicksalsschläge immer wieder zurückgeworfen haben, siegt auf lange Sicht seine Dankbarkeit dem Leben gegenüber. Selbst als seine Mutter durch einen unverschuldeten Unfall stirbt, sieht er nicht das, was er verloren, sondern das, was ihn bereichert hat und schreibt: „Deshalb danke ich ihr für all die Male, die sie mir als Kind den Mund abgewischt hat, mir etwas gekocht und erlaubt hat, den Topf mit dem Löffel auszukratzen. Für die Dinge, die sie mir damals gesagt und so beigebracht hat, wie man sich im Leben verhält. Aber auch für jede, die ich nicht verstanden habe und aus denen ich bis heute nicht schlau werde, und für jene, mit denen ich nicht einverstanden war.“
Ein berührendes Buch, das vor allem uns Europäern vor Augen hält, wie gut es uns geht.

Bewertung vom 27.08.2021
Das letzte Bild
Jonuleit, Anja

Das letzte Bild


ausgezeichnet

Marguerite setzte alles daran, endlich im Leben anzukommen – und bezahlte dafür mir ihrem Leben. Dieses Buch ist aber weit mehr als nur ein Roman über einen mysteriösen Kriminalfall: Es geht um die verheerenden Folgen des Zweiten Weltkriegs, um die Suche nach verlorenen Verwandten und ihrer Lebensgeschichte, aber vor allem um das Gefühl, sich endlich an einem Ort dieser Welt geborgen zu fühlen. Ausgangspunkt ist das Rätsel der Isdal-Frau, im Buch Marguerite genannt, das auf einer wahren Geschichte basiert. 1970 wurde in Norwegen eine Frauenleiche gefunden und bis heute ist nicht vollständig geklärt, wer diese Frau war und wie es zu ihrem Tod kam.
Der Autorin gelingt es, Zeitsprünge, Rückblicke und Perspektiven in ihren Roman einzubauen, ohne dass der Leser dadurch den Überblick verliert. Die Zusammenhänge fügen sich letzten Endes wie ein Puzzle, auch wenn anfangs der Eindruck entsteht, es wird nie ein vollständiges Bild ergeben. Was mich an diesem Buch aber am Meisten fasziniert hat, ist die Leichtigkeit, mit der die komplexen Zusammenhänge erzählt werden. Was gut 50 Jahre her ist, fühlt sich an wie die Gegenwart, mit detaillierten Beschreibungen und emotionalen Dialogen.
Wie viel Recherchearbeit hinter der Geschichte steckt, zeigt der Anhang des Buches: Jonuleit, die für ihren Roman auch nach Norwegen gereist ist, listet darin auf, wie umfangreich ihr Material für das Buch war und wie präzise sie den Fall analysiert hat: Sie stützte sich unter anderem auf Zeugenaussagen, Sachinformationen, untersuchte Widersprüche und erstellte ein Bewegungsprofil. Offene Fragen blieben dennoch übrig und wurden mit dem gefüllt, was einen guten Roman ausmacht: mit der überzeugenden Vorstellungskraft des Schriftstellers. Absolut lesenswert.

Bewertung vom 12.06.2021
Die fremde Spionin / Die Spionin Bd.1
Müller, Titus

Die fremde Spionin / Die Spionin Bd.1


ausgezeichnet

Ich war überzeugt davon, dass mich kein Buch über die deutsch-deutsche Geschichte mehr überraschen, geschweige denn faszinieren könnte. Ich sollte mich irren.
Der erste Teil der Trilogie von Titus Müller „Die fremde Spionin“ ist nicht nur spannend und mitreißend, sondern liefert auch historische Details über das DDR-System, über die ich bislang kaum etwas oder gar nichts wusste, wie etwa die KoKo: Die Kommerzielle Koordinierung, deren Ziel es war, außerhalb des Staatsplanes Devisen zu besorgen.
Die Hauptfigur des Romans, die in Ost-Berlin lebende Ria Nachtmann, kennt lange Zeit nur das Bild der DDR, das die sozialistische Staatsführung preisgibt. Als sie aber als Sekretärin im Ministerium für Außenhandel angestellt wird, erfährt sie schnell und viel über die politischen Vorgänge und Machenschaften zwischen Westen und Ost. Sie wird - aus einem privaten und sehr nachvollziehbaren Grund - Spionin für den BND, was ihr Leben weit stärker verändern wird als sie es sich jemals vorgestellt hätte.
Rias Alltag mitsamt ihren Ängsten, Hoffnungen und Sehnsüchten ist so greifbar beschrieben wie der allgegenwärtige Mangel an Alltagsprodukten in der DDR. Auch der Gegensatz von BRD und DDR wird sprachlich so gut veranschaulicht, dass geradezu der Eindruck entsteht, eine untertitelte Fotoreportage vor sich zu haben. Und was mich besonders beeindruckt hat: Titus Müller gelingt es, historische Zusammenhänge und Erklärungen so geschickt in den Text einzubauen, dass dadurch nie der Lesefluss, geschweige denn die Spannung, dieses thrillerhaften Romans unterbrochen wird.
Kommenden Sommer wird der zweite Band veröffentlicht, 2023 der dritte. Ich zähle jetzt schon die Tage, bis es soweit ist.

Bewertung vom 05.04.2021
Stürme des Lebens / Die Insel der Wünsche Bd.1
Jessen, Anna

Stürme des Lebens / Die Insel der Wünsche Bd.1


sehr gut

Tine Tiedkens weiß, wie anstrengend, ermüdend und erniedrigend das Leben in den ärmsten Hamburger Vierteln Ende des 19. Jahrhunderts ist. Der stechende Hafengeruch, der nie enden wollende Hunger, die bittere Erkenntnis, den Anforderungen ihrer Eltern nicht zu genügen.
Die Heldin des Romans leidet und kämpft, fällt hin und steht wieder auf, sie lässt sich nie nicht unterkriegen und verfolgt die Hoffnung auf ein besseres Leben mit einer beeindruckenden Mischung aus Naivität, Ehrgeiz und Sehnsucht.
In Anna Jessens Roman „Die Insel der Wünsche“ bekommt der/die Leser*in einen tiefen Einblick in den Alltag des Blumenmädchens Tine – ihr Leid, ihre Niederlagen, ihre bitteren Erfahrungen sind so nachvollziehbar, dass das Lesen oftmals schmerzt – aber gleichzeitig sorgen Tines Erfolgserlebnisse, der Geruch der Blumen in ihrem Korb und ihr Streben nach Glück für die hellen und lebenswerten Momente.
Tine gelingt es, den ärmlichen Verhältnissen zu entkommen und sich auf Helgoland einen respektablen Platz in der Gesellschaft zu erkämpfen, ganz ohne dabei abzuheben und ihre Vergangenheit zu vergessen. Vielmehr schätzt sie das, was ihr geschenkt wird: die Welt zu erkunden, Liebe zu erfahren und ein ansehnliches Leben zu führen.
Für meinen Geschmack driftet der Roman jedoch oft in zu romantische Phrasen und langatmige Passagen ab – ein Hauch mehr nordischer emotionaler Kühle und würziger Kürze hätten dem Buch gutgetan.

Bewertung vom 06.01.2021
Ein Fluch so ewig und kalt / Emberfall Bd.1
Kemmerer, Brigid

Ein Fluch so ewig und kalt / Emberfall Bd.1


sehr gut

Es ist eine perfekt konstruierte magische Welt - und gleichzeitig doch nicht. Die Welt voller Zauberer, Prinzen, Soldaten und Ungeheuern ist nämlich weitaus realer, als man sie sich in Fantasy-Büchern vorstellt. Schon nach wenigen Seiten wird der Leser selbst Teil des Königreiches von Emberfall. Und wie es sich für ein Königreich gehört, steht das traditionelle Ringen von Gut und Böse an der Tagesordnung – mit einem Unterschied: Immer wieder gibt es Berührungspunkte zum realen Alltag und einigen Bewohnern in Washington D.C. Erstaunlicherweise stört das Überschreiten der Welten aber den Lesefluss nicht im Geringsten.
Der Leser kämpft mit Prinz Rhen und der bürgerlichen, aus Washington D.C. stammenden Harper, gegen den unsäglichen Fluch der Zauberin Lilith. Auf dem Schloss des Prinzen passt alles zu dieser verwunschenen, dem Fluch ausgelieferten Stimmung: Die üppigen Essenvorräte, die sich von selbst wieder auffüllen, die Musik, die sich Tag für Tag automatisch wiederholt und durch die Räume hallt, die Gegenstände, die - selbst, wenn sie zu Bruch gehen - alsbald wieder intakt auf ihrem ursprünglichen Platz stehen.
Obwohl vom ersten Augenblick kein Zweifel daran besteht, dass das Gute gewinnen wird, so behält sich die Autorin doch die ein oder andere Überraschung und unerwartete Wendung vor. Wer der Corona-Realität für einige Zeit entkommen will, gelingt das mit „Ein Fluch so ewig und kalt“ problemlos.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.10.2020
Der Fremde aus Paris
Hammad, Isabella

Der Fremde aus Paris


gut

Ich müsste von diesem Roman, der vor Kraft, vor der Liebe zum Detail und vor historischen Hintergründen nur so strotzt, begeistert sein. Ich müsste durch die lebendigen Dialoge, die emotionalen Ereignisse und die bewegenden Hauptfiguren alles um mich herum vergessen und in der Zeit rund um den Ersten Weltkrieg vertieft sein.
All das gelingt mir aber nicht. Ich kann mich auf diesen viel gelobten Roman nicht richtig einlassen, ich werde weder mit der Handlung noch mit den Figuren warm. Dabei ist die Herangehensweise der Autorin Isabella Hammad überwältigend: Es gibt ein Personenverzeichnis und die historischen Begebenheiten sind so realitätsnah, dass man das Gefühl hat, um 100 Jahre in der Geschichte zurückgeworfen worden zu sein. Die Themen, die behandelt werden, sind auch heute noch von Bedeutung: Es geht um Interkulturalität, Wissenschaften, Nationalgefühle, Religionen und um die Stärke der Liebe.
Mir persönlich ist das Werk aber zu kleinteilig, die Gespräche zu ausführlich, die Handlung kommt mir zu langsam voran und die Liebesgeschichte ist mir nicht plausibel genug. Und dennoch: Der Schreibstil, die Leichtigkeit der Sprache und die Idee der Geschichte beeindrucken mich.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.05.2020
Vardo - Nach dem Sturm
Hargrave, Kiran Millwood

Vardo - Nach dem Sturm


gut

Dies ist kein Buch für zarte Gemüter. In dem Roman, der den Leser ins Norwegen des 17. Jahrhunderts versetzt, dominieren der Überlebenswillen, Schmerz, Kälte und der unerbittliche Kampf der Kirche gegen das Gottlose. Kiran Millwood Hargrave beschreibt die damaligen kargen Lebensverhältnisse, die Sorgen ihrer Figuren und die Macht der Natur überzeugend, detailreich und gefühlvoll. Und dennoch: Es ist ein düsteres Buch, keines, das ich entspannt lesen konnte, eher eines, das ich regelmäßig weggelegt habe, um wieder durchatmen zu können. Das Leid der im Mittelpunkt stehenden Frauen schmerzt fast physisch und auch die Themen sind dunkel: Der Tod vieler Ehemänner, Väter und Brüder in einem gewaltigen Sturm, Hexenverbrennungen und der Kampf der Frauen gegen die Dominanz der Männer. Obwohl mich das Meer, die Gezeiten und die Landschaften der skandinavischen Länder schon immer fasziniert haben, werde ich mit der Inselstadt Vardø, wie sie im Roman beschrieben wird, nicht warm. Die bildreiche Sprache der Autorin zieht mich zwar in ihren Bann und lässt mich mit ihren Romanhelden zittern und leiden, hinterlässt aber gleichzeitig einen unheimlichen Nachgeschmack - der für andere aber sicher leichter zu verdauen ist.

Bewertung vom 02.12.2019
Wintervanille / Kalifornische Träume Bd.1
Inusa, Manuela

Wintervanille / Kalifornische Träume Bd.1


gut

Es ist ein Buch für kalte Winterabende. Ein Buch, das versucht, den Alltagsstress auszublenden, indem der Leser in das warme Kalifornien gezogen wird. Im Roman „Wintervanille“ stehen vor allem zwei Dinge im Mittelpunkt: die Liebe mitsamt ihren schönen Momenten aber auch den Sorgen oder Zweifeln und süße Vanille-Prodkukte, die die Hauptfigur Cecilia Jones auf ihrer Vanillefarm selbst herstellt.
Cecilias Leben besteht aus Leidenschaft für Rezepte, Backideen und dem Ansporn, den intensivsten und besten Vanille-Geschmack zu finden. Sie liebt es, ihr Umfeld damit zu verwöhnen. Und natürlich sollte ein wunderbarer Mann an ihrer Seite, der all das zu schätzen weiß und wiederum Cecilia verwöhnt, nicht fehlen. Dementsprechend oft wimmelt es in dem Roman von Manuela Inusa nur so von Geruchs- und Back-Beschreibungen und romantischen Landschaftsbildern und leider auch von oft kitschigen Vorstellungen der idealen Liebe. Man merkt, dass die Autorin viel und gut recherchiert hat, aber mir sind die Charaktere zu einfach gestrickt und die Handlung zu vorhersehbar. Als Zeitvertreib genau das richtige Buch, aber nichts für jemanden, der überraschende Wendungen und etwas Prickelndes braucht.

Bewertung vom 05.08.2019
Neun Fremde
Moriarty, Liane

Neun Fremde


gut

Die Idee an sich ist charmant: Neun Menschen, die sich nicht noch nie zuvor gesehen haben, nehmen an einem Wellness-Aufenthalt teil – und in dem luxuriösen Ressort steht nicht nur Entspannung und gesundes Essen auf dem Programm, sondern auch nichts weniger als die absolute Reinigung der Seele jedes einzelnen. Die Teilnehmer könnten unterschiedlicher kaum sein, die Autorin Liane Moriarty beschreibt sie mit all ihren Vorteilen, Macken und Gedankengängen ausführlich und süffisant zugleich. Die neun sinn- und lösungssuchenden Fremden wären für jeden Psychotherapeuten eine Herausforderung, so skurril sind ihre Lebensgeschichten und Probleme.

Die ersten gut 200 Seiten sind faszinierend und nachvollziehbar - auch wegen Moriartys lockerem und flottem Schreibstil und dem regelmäßigen Perspektivenwechsel, bei dem immer aus der Sicht einer der Wellness-Teilnehmer oder der Wellness-Mitarbeiter erzählt wird. Alles, was im Alltag eine Rolle spielt, wird thematisiert: Die Angst des Älterwerdens und des Scheiterns, der überhand nehmende Schönheitswahn, die Macht der sozialen Medien, Geldsorgen, Drogen, Depressionen und Krankheiten und natürlich auch Beziehungsprobleme. Die eine oder andere Frage, die sich die Teilnehmer stellen, passt mit Sicherheit auch zum Leser des Romans, ganz so als wäre es ein Horoskop, bei dem jeder einen für sich zutreffenden Satz findet.

Aber dann entwickelt sich das Buch für meine Verhältnisse in eine absurde und pseudo-dramatische Richtung. Sicherlich spitzt Moriarty die Handlung absichtlich zu, geradezu perfekt, um daraus eines Tages eine quotenstarke Fernsehserie zu machen. Aber ich kann das Buch nicht mehr ernst nehmen, besonders auch deswegen, weil zu viel zu gewollt und happy-end-mäßig wirkt. Was wirklich schade ist, weil man merkt, wie viel Recherche-Arbeit in diesem Buch steckt, wie viel Zeit die Autorin investiert hat, um die einzelnen Themen wissenschaftlich korrekt wiederzugeben. Wen Realitätsfremdes und Seifenopern-Stil nicht stört, den wird dieses Buch begeistern.