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AnnBee

Bewertungen

Insgesamt 29 Bewertungen
Bewertung vom 18.05.2019
Bell und Harry
Gardam, Jane

Bell und Harry


gut

(Zu) nett
„Bell und Harry“ ist ein früher Roman der Erfolgsautorin Jane Gardem, in dem es um die Freundschaft zweiter Jungen geht. Bell lebt auf einem Hof irgendwo im Nirgendwo Südenglands. Harry stammt aus einer Londoner Familie, die jeden Sommer dort in einem gepachteten Haus Urlaub macht. Während es in der Elterngeneration zunächst zu Missverständnissen kommt, freunden Harry und Bell sich schnell an und bestehen zusammen einige Abenteuer. Das wird sehr episodenhaft erzählt; zwischen den einzelnen Anekdoten liegen oft mehrere Jahre. So wird deutlich, wie aus der Urlaubsbekanntschaft eine tiefe, lebenslange Freundschaft wird. Dabei erleben die Jungs einige Abenteuer; so richtig brenzlig wird es aber immer höchstens ganz kurz, bevor sich alles wieder in Wohlgefallen auflöst. Das ist wunderbar warm und zart geschrieben, man möchte unbedingt selbst sofort nach England in den Urlaub, und wenn man bei der Heuernte helfen muss. Insgesamt ist es aber einfach zu harmlos und zu episodenhaft für mein Empfinden. Sicher ein schönes Buch für Urlaubstage, in denen man einfach mal nur friedliche Anekdoten in der Sonne genießen möchte, ohne sich emotional allzu sehr mitreißen oder sich die Wohlfühlatmosphäre kaputtmachen zu lassen. 3,5 Sterne.

Bewertung vom 16.04.2019
Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem / Golden Cage Bd.1 MP3-CD
Läckberg, Camilla

Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem / Golden Cage Bd.1 MP3-CD


weniger gut

Die Rache einer Frau

"Die Hölle kennt keine Wut wie die einer verschmähten Frau.“
Das Thema der Frau, die auf einen Betrug überreagiert, ist in der Literatur nicht neu. Läckbergs Heldin Faye geht nicht ganz so drastisch vor wie Medea, aber auch sie geht über Leichen um sich an ihrem Exmann Jack zu rächen, der sie betrügt und mittellos zurücklässt.Vor dieser Trennung hat Faye sich von Jack in die Rolle der duckmäuserischen Ehefrau und Mutter drängen lassen. Dabei vermisst sie zwar seinen Respekt, aber so ein Leben im Luxus ohne Arbeit und mit Kindermädchen ist doch auch ganz bequem.In diesem ersten Teil ist Faye so naiv und unterwürfig, dass es oft kaum auszuhalten ist. Nach der Trennung schaltet sie dann um auf erfolgreiche Karrierefrau, aber nur, um sich an Jack zu rächen. Dieser Teil ist noch nerviger als der erste, weil er so eine Karikatur des Feminismus präsentiert, dass sich mir die Nackenhaare aufstellen. Es geht nie um Selbstermächtigung, Gleichberechtigung oder strukturelle Ursachen für Geschlechterungleichheiten, sondern um einen Kampf von Frauen gegen Männer. Männer sind dabei die bösen untreuen Betrüger, Frauen die armen Opfer. Das war mir einfach zu plakativ und zu doof. Achso, für ihre Rache braucht Frau natürlich auch Silikonbrüste, ist klar. Oberflächliche Frauen sind hier die, die sich nur für das Geld eines Mannes interessieren; tiefgründig ist man schon, wenn sich das Interesse auch auf dessen Genitalien erstreckt. Ansonsten trägt frau Dolce und Gabbana und trinkt Cava, man trägt eine Patek und trinkt Whiskey.
Um es abzukürzen: Die meisten Charaktere sind eindimensional, unplausibel und unsympathisch. Ich hatte durchgehend den Eindruck, die Autorin feiert das mehr als grenzwertige, kriminelle Verhalten ihrer Protagonistin ab und finde das wenig inspirierend. Wie Aristoteles sagte:
"Jeder kann wütend werden, das ist einfach. Aber wütend auf den Richtigen zu sein, im richtigen Maß, zur richtigen Zeit, zum richtigen Zweck und auf die richtige Art, das ist schwer." ( Nikomachische Ethik)
Läckberg verpasst es leider, das zu reflektieren oder gar den Leser zum Weiterdenken anzuregen. Außerdem wird Klischee an Klischee und überflüssige Sexszene gehängt; da hilft auch die verschachtelte zeitliche Erzählstruktur mit Rück- und Vorblenden (oder der sehr künstliche Wechsel von erster und dritter Person zwischen den Zeitebenen) nicht. Mein erstes und letztes Buch dieser Autorin. Die Hörbuchsprecherin hat mir hingegen gefallen.

Bewertung vom 23.03.2019
Rückwärtswalzer
Kaiser, Vea

Rückwärtswalzer


sehr gut

Lesevergnügen

Lorenz, Schauspieler in seinen 20ern, ist pleite. Selbst verschuldet und in der Annahme, dass ihm schon irgendwer aus der Patsche helfen wird, sei es seine Familie oder hart arbeitende Freundin. Alles andere wäre halt auch ziemlich unbequem für ihn...aber es kommt anders: Seine Freundin verlässt ihn, seine Tanten haben auch kein Geld, dann stirbt auch noch Onkel Willi. Weil der unbedingt in seiner Heimat Montenegro begraben werden wollte, machen Lorenz und seine Tanten Hedi, Wetti und Mirl sich mit dem tiefgefrorenen Willi im Auto von Wien aus auf den Weg.
Das ist alles sehr amüsant und gut geschrieben, macht wirklich Spaß zu lesen. Die Kapitel alternieren zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit der drei Tanten. Diese sind wirklich zauberhaft, ganz eigene Charaktere, die vor allem zusammen großartig funktionieren. Insgesamt hat das Buch so viel Herz wie Humor.
Gestört hat mich etwas, dass ich das Gefühl nicht loswurde, den Film schon zu kennen – sowohl was die Handlung als auch die Art des Erzählens angeht. Außerdem fand ich Lorenz wirklich schwer zu ertragen. Am Ende des Buches scheint er dann noch die Kurve zu kriegen und tatsächlich so etwas wie Stolz in sich zu entdecken. Das wiederum kam für mich aber viel zu plötzlich und wurde sehr schnell abgehandelt, so als ob halt noch schnell ein gutes Ende her muss. Kurz: Ein Buch über die drei Tanten mit Lorenz als Randfigur hätte wahrscheinlich 5 Sterne von mir bekommen – so stand leider der uninteressanteste Charakter sehr im Mittelpunkt. Insgesamt aber dennoch ein großes Lesevergnügen!

Bewertung vom 04.03.2019
Worauf wir hoffen
Mirza, Fatima Farheen

Worauf wir hoffen


gut

Zwischen den Welten

Der Roman schildert das Leben einer Migrantenfamilie in den USA. Die Eltern, Laila und Rafik, wandern in jungen Jahren dorthin aus, halten aber am Islam, ihrer Sprache und ihren Sitten fest. Entsprechend bewegen sie sich auch vorwiegend in indisch-muslimischen Kreisen. Von ihren drei Kindern erwarten sie, dies so fortzusetzen.
Wir bekommen einen Einblick in mehrere Jahrzehnte des Familienlebens, indem Episoden aus unterschiedlichen Zeiten und verschiedenen Perspektiven erzählt werden. Das gelingt der Autorin sehr gut und liest sich weit weniger anstrengend, als es vielleicht klingt. Die Perspektiven sind zunächst vor allem die der Mutter, der ältesten Tochter Hadia und des Sohns Amar. Hadia ist die brave, fleißige Tochter, der es am Ende jedoch gelingt, einen eigenen Weg zu gehen, der für ihre Eltern immerhin akzeptabel ist. Die Enge von Lailas Leben wiederum fand ich wirklich sehr bedrückend. Als Frau in diesem Kulturkreis muss man sich, dem Buch zufolge, schon über die Freiheit freuen, wenn man mal alleine in den Garten darf. Überhaupt wird immer alles nach Geschlechtern getrennt und die Gemeindemitglieder beäugen recht argwöhnisch, ob sich jemand einen Fehltritt leistet. Natürlich alles im Namen der Religion. Manchmal habe ich mich stark an meine Kindheit in einem sehr katholisch geprägten Dorf erinnert gefühlt.
Der mir sympathischste Charakter war entsprechend Amar, der sich mit dieser Enge nicht abfinden kann. Sein Gefühl, nur geliebt zu werden, wenn er sich regelkonform verhält, führt nicht zur Anpassung, sondern zur Revolte. In die Familie reißt das eine schmerzhafte Schlucht.
Am Ende des Buchs lernen wir dann noch die Perspektive des Vaters kennen. Hier wurde es mir dann endgültig zu „gefühlig“, fast schon rührselig. Diesen Teil hätte man gut und gerne auf ein Viertel seiner Länge kürzen können. Überhaupt hat das Buch einige Längen.
Insgesamt gibt es einen guten Einblick in einen (mir) fremden Kulturkreis und ist gut geschrieben, war mir persönlich aber etwas zu ausschweifend und emotional. Hilfreich wäre vielleicht auch ein Glossar zu den vielen indischen Begriffen gewesen, die nicht übersetzt wurden.

Bewertung vom 11.02.2019
Die Mauer
Lanchester, John

Die Mauer


sehr gut

Spannend trotz blasser Hauptfigur

Großbritannien in einer nicht allzu fernen Zukunft. Durch den Klimawandel ist der Meeresspiegel mehrere Meter gestiegen, was auf der ganzen Welt zu Chaos und Elend geführt hat. Nur Großbritannien, wie es scheint, verbleibt als Insel der Glückseligen, die ein einigermaßen normales Leben weiterführen. Bis auf die Mauer, die um die gesamte Insel gebaut wurde, und die von den jungen Menschen in einer Art Wehrdienst bewacht wird. Wer dabei versagt und einen der „Anderen“ über die Mauer entwischen lässt, wird zur Strafe selbst auf’s Meer verbannt.
Wir folgen dem Ich-Erzähler Joseph Kavanagh bei seinem Dienstantritt auf der Mauer. Den Anfang des Buches fand ich sehr stark; die Schilderung der Gleichzeitigkeit absoluter Langeweile und Todesangst bei den 12-Stunden-Diensten ist wirklich sehr gelungen. Leider wird der Roman jedoch zu Ende hin immer schwächer. Was mir gefehlt hat, ist vor allem eine Entwicklung des Protagonisten, die überhaupt nicht stattfindet. Nicht mal als er sich tatsächlich auf der anderen Seite der Mauer wiederfindet, löst das groß etwas in ihm aus, was das alltägliche Elend und den Überlebenskampf überschreitet. Keine Reflektion der Ungerechtigkeit dieser Mauer, kein Hinterfragen der eigenen Annahmen und Lebensführung. Auch seine Beziehung zu Hifa, in die er sich auf der Mauer verliebt, bleibt blass. Die Nebenfiguren haben ohnehin allesamt so gut wie kein eigenes Innenleben.
Obwohl die Grundidee wirklich toll ist und das Buch sehr flüssig und spannend geschrieben ist, gibt es daher leider von mir Punktabzug für die Charakterzeichnung.

Bewertung vom 02.02.2019
Der Hunger der Lebenden / Friederike Matthée Bd.2
Sauer, Beate

Der Hunger der Lebenden / Friederike Matthée Bd.2


gut

Zu nah am Klischee

Deutschland kurz nach dem 2. Weltkrieg, einer der heißesten Sommer des Jahrhunderts. Die Menschen hungern, trauern um all die Toten oder trauern heimlich den Nazis hinterher. Friederike Matthée, eine junge Frau aus einer ehemals wohlhabenden Familie, arbeitet als Assistentin bei der weiblichen Polizei in der britischen Besatzungszone. Sie wird losgeschickt, als auf einem Bauernhof die Gutsherrin Ilse Röder ermordet aufgefunden wird. Neben ihr steht die junge Franziska, ehemalige Lagerinsassin und obdachlos, mit einer Waffe in der Hand. Für alle scheint der Fall klar, nur Friederike hat Zweifel und forscht nach.
Dabei kommt, wie nicht anders zu erwarten, allerlei Unschönes bis Widerwärtiges über die Vergangenheit der beteiligten Personen in der Nazizeit ans Licht. Die Atmosphäre der Nachkriegszeit hat die Autorin schön eingefangen. Der Fall wiederum zieht sich lange recht zäh dahin, bis er dann, gerade als es spannend wird, schwuppdiwupp gelöst wird. Zeitgleich ermittelt der Brite Richard Davies, in den Friederike natürlich verliebt ist, in einem anderen Fall, der sich mit dem Mord an Ilse Röder kreuzt. Die Schilderung der Charaktere gerät dabei oft etwas arg schwarz-weiß, die psychologische Verarbeitung der Kriegsjahre verbleibt leider etwas oberflächlich. Ohne die Liebesgeschichte zwischen Friederike (immer mit Vornamen genannt) und Davies (immer der Nachname, obwohl sie sich duzen, weil: ist ein Mann) hätte ich vielleicht einen Stern mehr gegeben, weil es sich recht flüssig liest. In einem Krimi möchte ich aber nicht Sätze wie diesen lesen: „Du liebes bisschen, regte sich da gerade ein ganzer Schwarm Schmetterlinge in ihrem Bauch?“ (287). Ach du liebes bisschen.

Bewertung vom 26.11.2018
Ofirs Küche
Graizer, Ofir Raul

Ofirs Küche


sehr gut

Sympathisches Kochbuch

Die israelisch-palästinensische Küche ist hierzulande häufig unbekannt oder unterschätzt. Wer einen Einblick gewinnen möchte, dem sei dieses Buch ans Herz gelegt. Ofir Raul Graizer, Filmemacher und ambitionierter Hobbykoch, versammelt 80 vegetarische Gerichte aus seiner Heimat, garniert mit Geschichten zu ihrer Herkunft, Land und Leuten. Dabei wird angenehm wenig Brimborium betrieben, man braucht für diese Rezepte keine hoch-technisierte Küche – und dennoch wird das Essen, gerade das gemeinsame Essen, zelebriert. Der Autor ist kein professioneller Koch, und das tut dem Buch sehr gut; es hat was von Kochen mit Freunden. Dazu ist es schön und hochwertig gestaltet, mit hilfreichen Erklärungen zu ungewöhnlichen Zutaten, Zubereitungshinweisen und Fotos.
Ich habe schon eine ganze Reihe von Gerichten nachgekocht:
- Selbstgemachte Harissa
- Baba Ghanousch
- Blumenkohl mit Zitrone und Minze
- Shakshuka
- Mejadara
- Shilbato
- Matchuba
Die Ergebnisse waren zwischen ok und superlecker; meinem Freund hat das alles aber hervorragend geschmeckt, obwohl das meiste nicht nur vegetarisch, sondern auch vegan war. Ich selbst werde irgendwie mit Auberginen einfach nicht warm, außerdem war mir das alles viel zu viel Knoblauch – obwohl ich die angegeben Mengen schon immer halbiert oder gedrittelt habe. Schön wären auch noch Angaben zu den Zubereitungszeiten und eventuell Nährwerten gewesen. Manche Zutaten, zB Sumach, habe ich leider nicht bekommen – das würde dem ganzen vielleicht noch mehr Pep verleihen. Die großzügige Verwendung von Kräutern wiederum gefällt mir sehr. Ich werde bestimmt noch einige Rezepte ausprobieren, und die Shakshuka wird hier ein All-Time-Favourite: schnell, lecker, einfach, variierbar.