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Blümchen
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Dresden

Bewertungen

Insgesamt 172 Bewertungen
Bewertung vom 11.09.2024
Das Wesen des Lebens
Turpeinen, Iida

Das Wesen des Lebens


sehr gut

Der Mensch und die Natur – ein Plädoyer für den Artenschutz

Weit in die Vergangenheit nimmt uns die finnische Autorin Iida Turpeinen mit, zu den Wundern der Beringsee (die damals diesen Namen noch gar nicht bekommen hatte). Drei Jahrhunderte umspannt ihre Geschichte, in der sie der damaligen und der heutigen Natur auf die Spur kommt – und allem, was dazwischen passiert ist.

Als der Forschungsreisende Steller die ersten Exemplare der sagenumwobenen „Meerjungfrau“, einer großen Seekuh-Art, entdeckt, ahnt er nicht, wie kurz die noch verbleibende Lebensdauer dieser Art auf Erden sein würde. Sein Antrieb war die Forschung, doch als sich bei den Seeleuten herumsprach, wie wohlschmeckend das Fleisch und wie wertvoll das Fett der Seekuh ist, ging das Gemetzel los… wie bei so vielen Dingen war es die Gier der Menschen nach Besitz und nach Macht, die der friedlichen Seekuh zum Verhängnis wurde.

Die Autorin berichtet von der Entdeckung neuer Arten, aber auch von ihrem viel zu schnellen Verschwinden. Sie kleidet diese Geschichten in eine Art Bericht, der einem Sachbuch ähnelt. Wörtliche Rede sucht man vergeblich in diesem Roman. Trotzdem bleibt die Spannung nicht auf der Strecke. Immer wieder werden die Leser in eine neue Zeit, eine neue Situation geworfen, aber immer wieder kommt die Autorin auch auf die Seekühe zurück – sei es, als ein Skelett entdeckt wird, sei es, als dieses Skelett zur Ausstellung vorbereitet wird, sei es, als schließlich eine maßstabsgerechte Zeichnung dieses Skeletts angefertigt wird – die trotzdem nicht auf eine Buchseite passt und den Verleger vor Herausforderungen stellt.

Dieses Buch ist eine Erinnerung und eine Mahnung – Menschen, geht sorgsam mit der Natur um und versucht, die Vielfalt der Lebewesen zu bewahren. Die tragischen Geschichten der Stellerschen Seekuh oder des Riesenalks rufen einem ins Gedächtnis, dass wir Menschen uns immer wieder ungerechtfertigterweise über andere Arten erheben – dabei sollten wir doch Teil der Natur sein und nicht ihre Beherrscher. Ein eindringliches und mahnendes Buch – nicht nur für Naturfreunde.

Bewertung vom 08.09.2024
Die Frauen von Maine
Sullivan, J. Courtney

Die Frauen von Maine


sehr gut

Die Geschichte eines Landstrichs am Beispiel seiner Frauen

J. Courtney Sullivan nimmt die Leser mit in den Norden der USA, in den Bundesstaat Maine, New England. Die hübschen Küstenstädtchen, die prachtvollen viktorianischen Häuser, der traumhaft schöne Indian Summer – das verbinden Touristen mit diesem Landstrich.

Die Autorin erzählt dessen Geschichte am Beispiel von Frauen, die dort gelebt haben. Verbindendes Element ist ein altes, viktorianisches Haus auf den Klippen, in dem Generationen von Frauen miteinander auf irgendeine Weise interagiert haben.

Da ist die neureiche Genevieve, die das Haus umbauen lässt, und für einen Pool illegal einen alten Familienfriedhof entfernen lässt, was im wahrsten Sinne des Wortes die Geister der Vergangenheit heraufbeschwört.

Da ist Jane, die das verfallene viktorianische Haus als Teenager bewunderte und als Zufluchtsstätte aufsuchte – nicht wissend, dass es auch mit ihrer eigenen Familiengeschichte verbunden ist.

Da ist Hannah, die Frau eines Kapitäns, die vor Jahrhunderten in diesem Haus auf die Rückkehr ihres Mannes wartete – und von der Klippe aus mit ansehen musste, wie sein Schiff sank, kurz bevor es den Heimathafen erreichte.

Und da ist Eliza, die zur religiösen Gemeinschaft der Shaker gehört und Hannah als Dienstmädchen unterstützt – und sehr schnell sehr viel mehr für Hannah wird als nur eine Haushaltshilfe.

Kunstvoll verwebt die Autorin die Geschichten der Frauen von Maine, die das Leben rund um das Haus auf den Klippen prägten und in die Gegenwart führten. Es werden viele Themen angeschnitten, die die Geschichte des Landstrichs maßgeblich beeinflussten – so zum Beispiel auch die der indigenen Bevölkerung und ihres kulturellen Erbes. Als Leser bekommt man einen Einblick, wie mit diesen Menschen umgegangen wurde, wieviel Unrecht ihnen wiederfahren ist, aber auch, wie schwer es für die heutigen Nachfahren ist, diese leidvolle Geschichte aufzuarbeiten.

Mit dem Thema Geister und Reinkarnation begibt sich die Autorin auch ein wenig in spirituelle Gefilde. Dass ihre Geschichte auch diesbezüglich gut recherchiert ist, kann man dem Nachwort entnehmen. Die im Roman geschilderten Szenen beruhen auf umfangreichen Recherchen dazu, wie ein sogenanntes Medium arbeitet und versucht mit Verstorbenen in Kontakt zu treten. Auch die geschilderte spirituelle Großveranstaltung ist nicht allein der Fantasie der Autorin entsprungen.

Will man diesen Roman genießen, sollte man Aufgeschlossenheit gegenüber spirituellen Themen mitbringen, sich für amerikanische Geschichte interessieren und die doch anspruchsvolle Konstruktion des Romans nicht scheuen. Dadurch, dass die Geschichten der Frauen doch sehr miteinander verwoben erzählt werden, ist aufmerksames Lesen gefordert, obwohl es sich um einen Unterhaltungsroman handelt. Ich selbst empfand das Lesen teilweise als etwas mühsamer als bei vergleichbaren Geschichten, wobei ich nicht richtig benennen kann, woran das lag. Vielleicht war es die Struktur des Romans, vielleicht waren es die vielen Personen, die alle in irgendwelchen Verbindungen zueinander standen.

Mir hat es viel Spaß gemacht, den Roman und mit ihm die Geschichte Maines zu entdecken. Ich wurde durch das Buch behutsam auf die sensiblen Themen in der Geschichte des Landstrichs aufmerksam gemacht und das Buch wird mir in guter Erinnerung bleiben.

Bewertung vom 01.09.2024
Pi mal Daumen
Bronsky, Alina

Pi mal Daumen


sehr gut

Liebenswerte Geschichte aus der Welt der Wissenschaft

Sie treffen sich im Einführungskurs zum Mathematikstudium: Moni Kosinsky, Ü50, Oma von drei Enkeln, schrill gekleidet, mit Helfersyndrom. Und Oscar, 16, Mathe-Nerd, Überflieger-Schüler, leicht autistisch. Können zwei so unterschiedliche Menschen befreundet sein?

Ja, das können sie – auch wenn Oscar eher unfreiwillig in diese Freundschaft geworfen wird und Moni in der ihr eigenen Art etwas zu forsch an die Sache herangeht. Letztlich erkennen sie, wie viel sie einander geben können und profitieren voneinander.

Die gesamte Geschichte ist aus Oscars Sicht geschrieben und seine Weltsicht ist faszinierend und schrullig zugleich. Einerseits ist er ein Genie im abstrakten Denken, andererseits hat er Probleme, ironische Sätze seiner Mitmenschen zu verstehen. Aber insgesamt zeichnet die Autorin hier das Bild eines sehr liebenswerten jungen Mannes, der für Mathematik brennt und dessen größter Wunsch es ist, zu den ganz Großen in diesem Bereich der Wissenschaft zu gehören.

Monis Motive für ihr spätes Studium erschließen sich nur langsam. Sie avanciert zwar schnell zu einer beliebten Kommilitonin (und auch irgendwie zu einer Institution im Hörsaal), aber ihre wirkliche Geschichte bleibt lange Zeit verborgen.

Es ist spannend, gemeinsam mit Oscar Monis Geschichte auf den Grund zu gehen und dabei die Entwicklung ihrer Freundschaft zu erleben.

Einzig das Ende dieser Geschichte war für mich nicht ganz befriedigend – da hätte ich mir noch ein paar mehr Antworten erhofft. Für mich blieb einiges im Dunkeln, das aus meiner Sicht eine klarere Erläuterung verdient gehabt hätte.

Fazit:
Wer einmal abtauchen will in die „vierte Dimension“ und die faszinierende Welt der Mathematiker und gleichzeitig einen warmherzigen Roman über Freundschaft lesen möchte, der ist mit dieser Geschichte gut beraten!

Bewertung vom 24.08.2024
Ehemänner
Gramazio, Holly

Ehemänner


gut

Vorne hui, hinten... naja 🤷🏻‍♀️

Was mit einer grandiosen Idee und genialen Szenen begann, wurde zum Ende hin arg konstruiert und nichtssagend.

Es geht um einen geheimnisvollen Dachboden, der nach Laurens Teilnahme an einem Junggesellenabschied plötzlich Ehemänner "ausspuckt". Sobald sie einen auf den Dachboden zurück schickt, kommt der nächste die Leiter herunter. Was Lauren anfangs schockiert und irritiert, macht ihr zunehmend Spaß, denn sie kann ihre Keben wechseln wie in einem Videospiel... Doch irgendwann wird sie der Situation überdrüssig - bekommt sie den Dachboden in den Griff? Kann sie dessen Geheimnis lüften?

Nun, das sind die Fragen, die jeden Leser dieser Geschichte bei der Stange halten. Und das Ende war für mich leider eine herbe Enttäuschung.

Deshalb kann ich trotz tollem Schreibstil, durch den man nur so hindurchfliegt und einer grundsätzlich genialen Plotidee nur 3,5 Sterne vergeben. Da wurde viel versprochen, aber die zweite Hälfte des Buches kann das leider nicht halten.

Bewertung vom 10.08.2024
Wellengang
Griffin, Anne

Wellengang


sehr gut

Typisch irisch - melancholisch, etwas schroff, aber liebenswert!

Anne Griffin hat in diesem Roman zwei Themen miteinander verwoben: Heimat und das Leben nach einem großen Verlust. Jedes der beiden Themen hat gewissermaßen einen Erzählstrang und eine eigene Geschichte.

Verbunden sind diese Geschichten in der Protagonistin Rosie Driscoll. Rosie wuchs auf einer kleinen Insel vor der Küste Irlands auf, ihr Vater war Kapitän der Inselfähre und das war auch Rosies Traum: Kapitänin werden. Sie erfüllte sich diesen Traum und hielt schon mit Anfang 20 ihr Kapitänspatent in der Hand. Doch das Schicksal mischte die Karten neu, als sie ihren späteren Ehemann Hugh kennenlernte. Für ihn verließ sie die Insel und zog nach Dublin. Sie bekamen zwei Kinder, hatten ein hübsches Haus - eine typische Mittelklassefamilie eben.

Als ihre 17jährige Tochter Saoirse (sprich: Sier-scha) eines Nachmittags spurlos verschwindet, wird das Leben der Familie auf den Kopf gestellt. Auf die ersten fieberhaften Wochen der Suche folgen lange Monate zwischen Hoffen und Bangen, die schließlich einer gewissen Resignation weichen, als Saoirse immer noch nicht gefunden ist. Nur Rosie gibt die Hoffnung nicht auf, dass ihre Tochter lebt. Und sie verliert sich selbst dabei.

8 Jahre nach dem Verschwinden des Mädchens erleidet Rosie einen Zusammenbruch und kehrt Dublin den Rücken. Sie flieht auf ihre Heimatinsel und versucht, wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

Dort setzt das Buch an - es startet mit Rosies Ankunft auf der Insel. Der Rest der Geschichte wird in Rückblenden erzählt. Zwischen den Kapiteln erfährt man jeweils mit 1-2 Sätzen ganz langsam die wahre Geschichte über Saoirses Verschwinden.

Auf mich machte das Buch irgendwie einen zweigeteilten Eindruck. Einerseits die Geschichte um die Inselfähre, andererseits die Geschichte einer Mutter, die mit der Ungewissheit über das Schicksal ihrer Tochter leben muss. Da der zweite Erzählstrang aber eine solche Wucht hatte, blieb der andere Erzählstrang für mich immer ein wenig blass und irgendwie „lapidar“.

Mir persönlich hätte das Buch wohl noch besser gefallen, wenn sich die Autorin gar nicht weiter der Rahmengeschichte, sondern nur dem Porträt von Rosie als Mutter gewidmet hätte. Ihre verzweifelten Versuche, auch nach Jahren die Hoffnung zu bewahren, dass ihr Kind noch lebt, waren so eindringlich und kraftvoll, dass das locker das ganze Buch getragen hätte. Auch wenn die Geschichte dann wahrscheinlich noch melancholischer gewesen wäre - sie wäre auch noch einmal intensiver gewesen und das hätte für mich das I-Tüpfelchen der Geschichte ausgemacht.

Ich hätte es auch gern gehabt, wenn Saoirses Geschichte nicht nur in diesen kurzen Teasern zwischen den Kapiteln erzählt worden wäre (oder besser: nur angedeutet, denn mehr ist in dem Umfang ja nicht möglich), sondern wenn sie in eigenen Kapiteln zwischen denen über ihre Mutter mehr Raum bekommen hätte. Ich muss auch sagen - so richtig logisch war mir die Art, wie und warum Saoirse verschwindet, nicht. Da fehlen mir auch nach Beendigung des Buches noch Puzzleteile und das ärgert mich ein wenig.

Insgesamt fand ich den Roman sehr lesenswert - insbesondere Rosies Geschichte als Mutter eines verschwundenen Mädchens war sehr anrührend und hat mich tief bewegt. Wer auch im Sommer nicht vor einer etwas melancholischen Geschichte zurückschreckt und psychologischen Tiefgang in Büchern schätzt, ist mit diesem Roman gut beraten!

Bewertung vom 28.07.2024
Am Himmel die Flüsse
Shafak, Elif

Am Himmel die Flüsse


ausgezeichnet

Die Reise eines Wassertropfens

Elif Shafak ist und bleibt eine begnadete Erzählerin. Auch in „Am Himmel die Flüsse“ beweist sie wieder einmal, dass sie komplexe und kontroverse Themen zu einem Roman verbinden kann, der mitreißt und trotzdem flüssig erzählt ist. Man hat am Ende einfach das Gefühl, dass die Erzählung in sich „rund“ war. Das ist es, was für mich ein beeindruckendes Buch ausmacht - und genau das war dieser Roman für mich.

Wie man (leider) erst im Nachwort erfährt - und deshalb sage ich es bewusst am Anfang meiner Rezension - beruht vieles in diesem Roman auf wahren Begebenheiten. Die Autorin hat unheimlich viel recherchiert, um ihre Themen so wahrheitsgetreu wie möglich in ihr fiktives Werk einbinden zu können. Und das ist ihr richtig gut gelungen.
Anhand von drei Lebenswegen zu unterschiedlichen Zeiten erzählt sie die Geschichte eines großen Kunstwerks, eines kulturellen Erbes und einer ganzen Region im Nahen Osten. Verbindendes Element ist dabei ein Wassertropfen, der immer wieder in anderer Gestalt auf die Erde kommt - mal als Schneeflocke, mal als Salzwassertropfen im Meer, mal als Trinkwassertropfen… und dazwischen immer wieder verdunstet und erneut in den Kreislauf des Wassers eingeht.

Wir folgen im 19. Jahrhundert Arthur Smyth, der in ärmlichen Verhältnissen in London ohne Zukunftsperspektive aufwächst und doch letztlich ein Meisterwerk vollbringt, indem er das Gilgamesch-Epos auf Keilschrifttafeln entziffert. Vorbild für diese Figur war George Smith, ein Londoner aus der Arbeiterschicht, der zur Koryphäe für alte Keilschrifttafeln wurde. Wir folgen der 9jährigen Narin im Jahr 2014, deren Dorf im Nahen Osten einem Staudamm weichen soll. Und schließlich ist da Zaleekhah (sprich: Sahlie-cha, so zumindest wird es im Hörbuch ausgesprochen) im Jahr 2018, die als Hydrologin in London zu allem rund um Wasser forscht.

Abwechselnd wird aus den Perspektiven der Hauptfiguren erzählt, drei Stränge, die lange Zeit nebeneinander her laufen und sich schließlich auf den letzten 100 Seiten zu einem furiosen Finale verbinden. Niemals hätte ich geahnt, was schließlich passieren würde (Narins Geschichte ist mir sehr nahe gegangen) - aber letztlich hätte man es wissen können, denn es muss durch die Nachrichten gegangen sein und beruht ebenfalls auf wahren Begebenheiten. Als Mitteleuropäer hört man leider zu oft weg, wenn es um Konflikte im Nahen Osten geht…

Dieses Buch verband mit einer teils ausschweifenden, poetischen Sprache (die aber dennoch über diesen ganzen umfassenden Roman gut lesbar blieb) Wahrheit mit Fiktion und vermittelte einerseits Wissen zur „Wiege der Zivilisation“ Mesopotamien, dem Gilgamesch-Epos, der Entdeckung seiner Bedeutung sowie zum kulturellen Erbe der Eziden und ihrer Verfolgung. Daneben - aber nicht untergeordnet - wird auch die Frage des Umgangs mit der Lebensgrundlage Wasser gestellt, sowohl in Kulturen, die Trinkwasser für selbstverständlich ansehen als auch solche, für die (Trink-)Wasser etwas Besonderes ist. Ein Buch, das so viel enthält - so viele Informationen, aber auch so viele Denkanstöße. Ein Buch, das man gelesen haben sollte und das unbedingt weiterempfehle.

Bewertung vom 09.07.2024
Aufbruch in eine neue Welt / Savannah Bd.1
Wilke, Malou

Aufbruch in eine neue Welt / Savannah Bd.1


sehr gut

Neue unbekannte Welt - Das harte Siedlerleben im 18. Jahrhundert

Auswanderersagas sind in der Unterhaltungsliteratur schon immer beliebt gewesen, auch wenn sie in letzter Zeit von den Romanen aus dem späten 19./ beginnenden 20. Jahrhundert ein wenig verdrängt wurden. Jetzt hat sich mal wieder eine Autorin an dieses Thema gewagt und die Geschichte ihrer Wahlheimat Georgia aufgearbeitet.

Im Mittelpunkt steht Eleonore, genannt Nellie, die gleich zu Beginn des Buches von ihrem Vater verstoßen wird. Ungewollt schwanger war das junge Mädchen für ihn nur ein Klotz am Bein - und so verlässt sie schweren Herzens ihre jüngeren Geschwister und zieht allein los. Außer einem Cousin hat sie keine Verwandtschaft und so versucht sie sich zu diesem durchzuschlagen - was auch gelingt. Dort wird sie zum Glück aufgenommen, lernt weitere Verwandte und Bekannte kennen und erfährt erstmals etwas wie Familienzusammenhalt - aber auch die Verheißung eines besseren Lebens in einer fernen Kolonie. In deutschen Gefilden hält die junge Schwangere nichts und so macht sie sich auf ins Abenteuer - mit dem Schiff nach Georgia...

Die Autorin schildert in bester Familiensaga-Tradition die Geschichte einer jungen Auswanderin, die viele Abenteuer zu bestehen hat, bis sie sich in einem fernen Land ein neues Leben aufbauen kann. Im Mittelpunkt stehen ihr Kampfgeist und die immer wieder neuen Herausforderungen dieser neuen und vollkommen fremden Welt - mit anderen Pflanzen und Tieren, einem komplett anderem Klima und Krankheiten, die bisher niemand kannte.

Auch das enge Zusammenleben der Siedler führt natürlich immer wieder zu Problemen und unvorhergesehenen Situationen, die - wie in Unterhaltungsromanen üblich - zu ein wenig Drama und Verwicklungen führen.

Das Thema Unterhaltung steht eindeutig im Mittelpunkt der Geschichte und auch wenn die Autorin die wirklich schwerwiegenden Themen der damaligen Zeit - beispielsweise die aufkommende Sklavenhaltung und das Zusammenleben der indigenen Völker mit den Siedlern - thematisiert, geschieht das nach meinem Dafürhalten doch sehr „weichgespült“. Hier hätte ich mir noch mehr Authentizität gewünscht (auch wenns wehtut und vielleicht dadurch für einige Handlungsstränge kein Happy End möglich ist…). Denn das wahre Leben war mit Sicherheit nicht so gnädig wie Nellie zu ihrem Sklavenpaar Grover und Destiny… Sie hatten mit der Protagonistin als ihrer „Herrin“ verdammt viel Glück - ich denke das spiegelt nicht die wahren Schicksale der allermeisten farbigen Personen dieser Zeit wieder (kleine Anmerkung: wer zu diesem Thema einen richtig tollen Roman lesen möchte - greift zu „Das Gemälde“ von Geraldine Brooks!). Und auch die Situation zwischen der indigenen Bevölkerung und den Siedlern wird doch sehr wohlwollend geschildert - ich bin mir nicht sicher ob das die damaligen Realitäten wiederspiegelt.

„Savannah“ ist ein wenig „In einem fernen Land“, ein wenig „Vom Winde verweht“ (Sophie!), ein wenig „Fackeln im Sturm“ und ein wenig „Der mit dem Wolf tanzt“… aber alles verpackt in einen Unterhaltungsroman der genau auf die Vorlieben deutscher Leser*innen und den deutschen Buchmarkt zugeschnitten ist. Eine schöne Lektüre für den Urlaub - um sich mit dem Thema aber kritisch auseinanderzusetzen, müsst ihr andere Bücher zu diesen Themen lesen.

Bewertung vom 01.07.2024
Bad Summer People
Rosenblum, Emma

Bad Summer People


ausgezeichnet

Ein Sommer mit der High Society

Wer kennt sie nicht - die Geschichten über die High Society, die reichen New Yorker, die ihre Sommer in ihrem millionenteuren Ferienhaus in den Hamptons verbringen… Ein ähnliches „Reichendomizil“ ist Fire Island vor New York (die Insel gibt es tatsächlich, im Buch wurde nur der Ort Saltaire zu Salcombe).

Emma Rosenblum erzählt hier eine Geschichte von den „beneidenswerten“ Reichen und Schönen - die am Ende eher bedauernswert sind in ihrem permanenten Streben danach, den schönen Schein zu wahren. Denn das scheint das wirklich Anstrengende in einem solchen Leben zu sein.

Eins muss man zu diesem Buch sagen: Die Story, die die Autorin hier von den Lesern bzw Hörern ausbreitet, strotzt vor Klischees über die High Society - aber das Buch macht trotzdem unheimlich Spaß und so ist man mit Interesse, aber zum Teil auch mit einer gehörigen Portion Schadenfreude dabei, wenn Intrigen gesponnen werden oder sich die „Sommer-Nachbarn“ gegenseitig etwas vormachen.

Denn nichts ist wie es scheint in dieser Gemeinschaft von reichen, schnöseligen New Yorkern, die jedes Jahr den Sommer auf Fire Island verbringen und natürlich niemanden hinter die Fassade ihrer Familie oder ihres eigenen Lebens schauen lassen wollen. Alles ist toll, alles ist leicht, keiner hat Probleme… naja, zumindest nach außen hin.

Die Leser merken aber schnell, dass hier alles nur scheinheilig ist - denn die Paare betrügen sich gegenseitig und untereinander, natürlich wird regelmäßig hinter dem Rücken der anderen gelästert und letztendlich erschüttert eine Tragödie den Ort. Doch was ist wirklich passiert in dieser Nacht? Die Antwort darauf gibt es erst auf den letzten Seiten bzw. in den letzten Hörminuten. Die Geschichte wartet bis zum Schluss mit Wendungen auf, die man teilweise erwartet hat, teilweise aber auch nicht…

Sprecherin Alina Vimbai Strähler unterstützt mit ihrem Sprachstil den sommerlichen Vibe, der beim Lesen dieses Romans aufkommt. Ihre Stimme passt gut zur Geschichte und hat mich gut durch den Roman geführt.

Dieses Buch ist richtig gute Sommerunterhaltung - absolut zu empfehlen als spannende Strandlektüre für den Urlaub oder als entspannde Unterhaltung auf dem Liegestuhl im eigenen Garten. Und sind wir doch mal ehrlich… wer lästert nicht mal ab und zu über die Nachbarn oder Bekannte? Mit diesem Buch kann man das ohne schlechtes Gewissen tun! ;-)

Bewertung vom 28.06.2024
Herzklopfen in Wildberry Bay / Wildberry Bay Bd.2
Covi, Miriam

Herzklopfen in Wildberry Bay / Wildberry Bay Bd.2


ausgezeichnet

Lovestory vor tragischem Hintergrund

Am 02.09.1998 stürzte vor der Küste Nova Scotias ein Flugzeug ins Meer - es gab keine Überlebenden. Diese Tragödie hat sich Autorin Miriam Covi nicht ausgedacht - das ist wirklich passiert. Auf dem Flug von New York nach Genf kam es auf dem SwissAir Flug 111 zu einem Kabelbrand - mit dem Ergebnis, dass die Instrumente versagten und die Crew die Kontrolle über das Flugzeug verlor.

Mehrere Gedenkstätten erinnern heute in Nova Scotia an das Unglück - und eine davon ist der Ausgangspunkt dieses Romans. Denn Hauptfigur Helena ist dorthin gekommen, um ihrer Mutter zu gedenken, die vor 20 Jahren an dieser Stelle ums Leben kam. Doch aufgrund einer Unachtsamkeit findet sie sich plötzlich selbst in Lebensgefahr wieder. Gerettet wird sie von einem Mann, der sich zufällig in der Nähe aufhielt. Er kümmert sich um die geschockte Touristin und als sie panisch verkündet, wahrscheinlich ihr Schiff zu verpassen, fährt er sie nach Halifax. Mit dem Ergebnis, dass sie trotzdem zu spät sind - die Queen Mary hat längst Richtung Southampton abgelegt und Helena ist zunächst gezwungen in Kanada zu bleiben - denn Fliegen ist keine Option für die traumatisierte Frau.

Wie es weitergeht, kann man sich denken - Helena und ihr Retter fühlen sich zueinander hingezogen und die Leser begleiten sie auf ihrem Weg zum Glück. Doch das hat auch seine Schattenseiten - denn Helena und Luke verbindet viel mehr als sie zunächst annehmen... beide haben Erinnerungen an die Zeit nach dem Flugzeugabsturz damals und beide haben keine Ahnung, dass sie sich damals bereits begegnet sind...

Wie immer hat Miriam Covi eine wunderbare Love Story geschrieben, wenn auch diesmal mit deutlich ernsteren Untertönen und einer eher melancholischen Grundstimmung. Trotzdem kann man sich einfach fallen lassen in diesen Roman und lernt zudem noch viel über die tatsächlichen Begebenheiten rund um den 02. September 1998 und über seine Folgen für die Region und auch die Angehörigen der Opfer.

Es ist sicherlich schwierig, sich in einem „Wohlfühlroman“ eines so ernsten Themas anzunehmen, zumal es sicherlich noch genügend Leute gibt, die eigene Erinnerungen damit verknüpfen. Doch ich hatte den Eindruck, dass die Autorin die Geschichte mit viel Fingerspitzengefühl und Respekt geschrieben hat und versucht hat, einerseits die traumatischen Folgen für die Helfer und Angehörigen der Opfer darzustellen, andererseits aber auch positiv zu bleiben und zu zeigen, dass man trotz einer solchen Erfahrung hoffnungsvoll in die Zukunft schauen kann.

Mir hat dieser zweite Teil der Wildberry Bay-Reihe wieder sehr gut gefallen, was natürlich auch den vielen tollen Nebenfiguren geschuldet ist. So eine Gemeinschaft wünscht man sich - am liebsten würde man sofort die Koffer packen, um alle persönlich kennenzulernen.

Miriam Covi ist für mich eine Garantin dafür, dass ich mit einem Buch einen „Kurzurlaub im Kopf“ machen kann, dass ich gut unterhalten werde, dass ich die wunderbare Natur Kanadas erleben kann, ohne einen Fuß vor die Tür zu setzen - und auch dieser Roman hat das wieder geschafft. Ich mag ihre Bücher sehr und kann sie nur wärmstens weiterempfehlen!

Bewertung vom 25.06.2024
Forgotten Garden
Gosling, Sharon

Forgotten Garden


sehr gut

Wohlfühlroman nach Goslings bewährtem Strickmuster

Sharon Goslings Wohlfühlromane haben mich schon zwei Mal begeistert und so wollte ich auch den neuesten Streich der Autorin unbedingt lesen. Doch statt mich zu überraschen, setzte sie in diesem Roman auf Altbewährtes und konnte mich daher nicht mehr ganz so in Begeisterung versetzen wie mit ihren vorherigen Büchern – denn ich hatte das Gefühl, dass es kaum etwas Neues gab.

Da ist eine Protagonistin mit Selbstzweifeln (Luisa), eine neue Chance an einem unverhofften Ort (Collaton im Nordwesten Englands), ein potentieller Love Interest (Lehrer Cas), eine spröde Jugendliche mit Problemen, die im Laufe des Buches zu sich selbst findet (Harper) und eine Gemeinschaft von Menschen, die mit der Zeit zusammenwächst und von gegenseitiger Hilfe und Unterstützung geprägt ist. Mit fast genau den gleichen Zutaten war schon der letzte Roman der Autorin an den Start gegangen und hatte wunderbar funktioniert. Auch diesmal geht das Rezept auf und es entfaltet sich ein Wohlfühlroman, in den man sich fallen lassen kann.

Nur ist es eben nichts Neues mehr, nichts Überraschendes, und ich hatte einfach das Gefühl alles so ähnlich doch schon einmal gelesen zu haben – auch wenn das Thema natürlich ein ganz anderes ist als im letzten Buch und somit trotzdem ein gewisser Unterschied besteht. Aber – um mal metaphorisch zu sprechen: wenn ich Nudeln mit Tomatensoße geliebt habe und jetzt Reis mit Tomatensoße esse, schmeckt es immer noch – aber es bleibt eben auch Tomatensoße und bringt keinen neuen Geschmack…

Deshalb wurden meine Erwartungen doch ein klein wenig enttäuscht, denn ich hatte mir vom neuen Buch auch neue Ideen und eine neue Storyline versprochen – doch alles war recht vorhersehbar. Die Geschichten der Nebenfiguren kamen diesmal etwas kurz für mein Empfinden – es drehte sich doch alles sehr zentriert um Luisa, Cas und Harper.

Das heißt nicht, dass ich das Buch schlecht fand. Es hielt, was es versprach: eine Feel-good-Story mit Gemeinschaftsgefühl und einem kleinen Kribbeln zwischen den Protagonisten. Nette Unterhaltung - nicht mehr und nicht weniger.