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IchGebaere

Bewertungen

Insgesamt 18 Bewertungen
12
Bewertung vom 19.10.2020
Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht
Petkovic, Andrea

Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht


sehr gut

Worum geht es?
Andrea Petkovic, Jahrgang 1987, war Top-10-Spielerin im Tennis. Sie schreibt in ihrem Buch über ihre Anfänge, ihre Profizeit und viele private Episoden.

Meine Meinung
Wäre das Buch mit Tennis eingestiegen, hätte ich es wohl weggelegt. Doch der Einstieg ist eine wunderbare Erklärung, dass die folgenden Texte Erzählungen sind: An der Realität orientiert, doch eben literarisch und nicht journalistisch.

Auch das erste Kapitel handelt nur am Rande vom Tennis und viel mehr von Andrea Petkovics Jugend zwischen der slawischen Identität ihrer Eltern und ihrem Wohnort in Deutschland.

Das Buch hat Höhen und Tiefen. Manche Kapitel fand ich eher langweilig, manche extrem spannend. Die Trennlinie läuft dabei keineswegs zwischen Tennis und dem "Rest des Lebens". Ich mag Tennis, bin aber keine Tennisspielerin und habe in den letzten Jahren auch nur wenig Tennis geschaut. Meine Prioritäten liegen einfach anderswo. Die Trennlinie läuft für mich zwischen Kapiteln, in denen es sich tatsächlich nur im private Erlebnisse handelt, die in keinen größeren Zusammenhang zu fassen sind, und denjenigen Kapiteln, in denen die persönliche Biographie ein Spiegel der gesellschaftlichen (oder tennis-gesellschaftlichen) Strukturen ist.

In diesen Kapiteln greift Petkovic zum Beispiel die Themen Nationale Identität, Einwanderung, Privilegiertheit, Feminismus, Frauenfeindlichkeit, Mentale Stärke und Lebensziele auf.

Besonders stark finde ich eine Szene, in der sie beschreibt, wie ihre "gutbürgerlichen" Freundinnen sich sehr aufmüpfig fühlen, weil sie schwarzfahren -- obwohl ihr Regelbruch keine Konsequenzen hat, weil ihre Eltern einfach die Strafe zahlen. Petkovics Schlussfolgerung: Eine Tat ist nur dann mutig, wenn das Scheitern eine wirkliche Konsequenz hat. Ich kam aus dem Nicken gar nicht mehr heraus.

Außerdem hat mir die Erklärung zur Entstehung des Damentennis sehr gefallen. Um überhaupt wahrgenommen zu werden, stimmten die Damen zu, sich auch "sexy" vermarkten zu lassen. Das führt nun zu sexistischen Kommentaren unter Youtube-Videos vom Damentennis. Doch Petkovic macht deutlich, dass dies lediglich ein Schritt auf dem Weg ist. Das Ziel ist, als Sportlerinnen für die sportliche Leistung respektiert zu werden. Ohne Kommentare zu Weiblichkeit, Stöhnen beim Aufschlag oder "zu muskulöse Oberarme".

Fazit:
Ich vermute, dass eingefleischte Tennisfans fast schon enttäuscht sein werden, dass viele Kapitel nicht oder nur am Rande mit Tennis zu tun haben. Petkovic-Fans wird das Buch dagegen begeistern.

Für alle, die weder Petkovic-Fans noch Tennis-Lieber*innen sind, habe ich folgenden Tipp: Lest das Buch, wie ihr einen Blog lesen würdet: Nicht unbedingt von vorne nach hinten komplett, sondern kapitelweise -- und dann nur diejenigen, die euch interessieren. Dabei solltet ihr allerdings nicht nach den Kapitelnamen gehen, sondern ein wenig überfliegen. So, wie man eben auch Blogs liest ;-)

Bewertung vom 06.10.2020
ministeps: Hör rein, sing mit! Erste Kinderlieder zum Anhören.
Volksgut

ministeps: Hör rein, sing mit! Erste Kinderlieder zum Anhören.


sehr gut

Worum geht es?
Es werden 5 Kinderlieder vorgestellt: Backe Kuchen, Alle meine Entchen, Summ Summ Summ, Bruder Jakob und Schlaf, Kindlein, schlaf. Auf je einer Doppelseite gibt es den Text und die Noten samt Akkorden sowie ein passendes Bild. Wird die Seite aufgeschlagen, erklingt außerdem die Melodie.

Meine Meinung
Das Liederbuch ist wirklich eine Bereicherung. Wir haben es nun anderthalb Wochen lang auf Herz und Nieren getestet: Zuerst zu Hause, dann auch in der Kita. Es hat bisher jeden Schabernack mitgemacht. Sowohl die Pappe als auch die Elektronik zum Abspielen der Lieder zeigen sich sehr gutmütig in Bezug auf energische Kinderhände.

Obwohl das Buch relativ dick ist, sind nur 5 Lieder enthalten. Der letzte Teil wird durch die Technik in Anspruch genommen. Das stört aber kaum: Für kleine Kinder reichen 5 verschiedene Lieder vollkommen aus.

Die Qualität der Musik ist gut. Die Stimme ist zu verstehen - auch wenn die Qualität vermutlich mit sinkender Batterieleistung abnehmen wird. Da hilft dann wohl eine neue Batterie. Das Batteriefach ist mit kleinen Schrauben gesichert und somit kindersicher.

Mir ist außerdem positiv aufgefallen, dass die Musik nicht zu laut ist. Das finde ich extrem wichtig, wenn das Kind sich allein mit dem Buch beschäftigen soll.

Positiv ist außerdem der An-Aus-Knopf auf der Rückseite. So können wir das Buch auch einach nur anschauen, ohne die Musik zu hören.

Die Farben und Bilder überzeugen. Durch das Buch begleiten gemalte Tierbabys, die aufgrund kräftiger, aber angenehmer Farben und klaren Linien auch für Kinder gut zu erkennen sind.

Fazit:
Für mich gibt es nur einen einzigen Nachteil am Buch: Die Musik startet aufgrund eines Lichtsensors. Dieser reagiert schnell auf Tageslicht, aber bei künstlicher Beleuchtung nur, wenn diese Beleuchtung wirklich hell ist und das Buch am besten direkt unter die Lampe gehalten wird. Insofern eignet sich das Buch nicht zum Einschlafen oder wenn es schon dunkel ist.

Bewertung vom 29.09.2020
Heimat muss man selber machen
Trinkwalder, Sina

Heimat muss man selber machen


sehr gut

Sina Trinkwalder beschreibt in ihrem Buch Heimat muss man selber machen die Geschichte ihrer Firma manomama. Mit manomama wollte sie bewusst denjenigen Menschen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt geben, die sonst keine Chance haben. Sie wollte ökologisch und sozial nachhaltig wirtschaften und das ganz ohne den Stempel der Gemeinnützigkeit. Sie wollte außerdem ihren Angestellten mehr als nur einen Arbeitsplatz bieten. Sie wollte Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit bieten – Heimat eben!

In vielen Gesprächen kristallisierte sie die neun Grundsätze heraus, nach denen Menschen bei manomama miteinander umgehen. Anhand dieser „Liste“ von Grundsätzen zeigt die Autorin auf, wie Heimat tatsächlich gelingen kann. Sie bezieht sich dabei immer wieder auf manomama, aber weitet den Blick auch auf die Gesellschaft als Ganzes. Nicht immer ist ihre Analyse dabei unumstritten. Doch immer bewertet sie sich und ihre Mitmenschen mit Nachsicht und Güte. Auch, wenn sie es so prägnant nicht formuliert, scheint doch immer wieder durch: Wenn ich in dieser Situation wäre, würde ich vermutlich genau so handeln. Das ist auch einer der Kernsätze, die ich aus dem Buch mitnehme.

Darüber hinaus ist mir noch das folgende Spannungsfeld im Kopf hängen geblieben: Einerseits zeigt die Autorin auf, dass Menschen nicht nur Geld brauchen, sondern auch Teilhabe. Diese Teilhabe werde durch das jetzige Grundsicherungssystem genauso wenig gesichert wie durch ein bedingungsloses Grundeinkommen. Andererseits sei es aber unzureichend, wenn Arbeit der einzige verbindende Faktor bliebe. Ich schließe daraus, dass sie Arbeit als wichtig sieht, aber gerade in Zeiten unsicherer Arbeitsmarktgestaltung unser gesellschaftlicher Zusammenhalt nicht nur darauf gründen darf.

Das Buch liest sich flüssig und unaufgeregt. Ja, zwischendurch prangert die Autorin die verrohende Sprache oder verschwindende Tugenden an. Doch alles in allem ist der Grundton des Buches positiv. Leute, bekommt eure Ärsche hoch und macht! Dann könnt ihr was verändern! - so möchte sie es uns wohl zurufen.

Überrascht war ich, als Trinkwalder von inklusiver Sprache schrieb. Sie sei früher nicht so darauf gepolt gewesen, sehe aber mittlerweile ein, dass eine sprachliche Inklusion von Frauen und nicht-binären Personen durchaus sinnvoll sei. Sie nutze deshalb in ihrer Kommunikation geschlechtergerechte Formulierungen und das Gendersternchen. So schreibt sie. Das Buch ist allerdings größtenteils im generischen Maskulinum geschrieben. Zwischendurch gibt es Ausnahmen, wenn sie von ihren „Ladys“ in der Produktion schreibt. Aber Unternehmer, Politiker und Journalisten sind alle männlich. Schade.

Das Buch lenkt den Blick weg von zugewanderten oder geflüchteten Menschen hin zu uns selber. In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? Was macht Heimat für uns so existenziell aus, dass wir ohne nicht leben können? Wie bekommen wir all die unterschiedlichen Heimatvorstellungen unter einen Hut, obwohl ja bereits (um Trinkwalders Beispiel aufzunehmen) der Bayer vom Land kaum mehr etwas zu tun hat mit dem Münchner?

Diese Konzentration auf uns selbst ist nicht einfach. Obwohl das Buch nicht durch den erhobenen Zeigefinger geprägt ist, bekam ich zwischendurch ein schlechtes Gewissen. Zum Glück bietet Sina Trinkwalder bereits das Gegenmittel gegen dieses schlechte Gewissen: Mach! Gerade ich, die ich selber ein Unternehmen habe, kann Einfluss nehmen. Als liebevollen Arschtritt kann ich das Buch deshalb genauso empfehlen wie als Gegenbeispiel zum Turbokapitalismus.

Ich empfehle das Buch deshalb sowohl allen BWL-Studierenden und Managern, die der Meinung sind, dass man die Gesetze des Marktes weder eindämmen noch ändern kann, genauso wie allen politisch Engagierten, um ihnen Mut zu machen, dass sie etwas ändern können.

Und natürlich empfehle ich es allen Selbstständigen – besonders Frauen, denn das Buch zeigt: Es ist möglich. Wenn du nur machst.

Bewertung vom 08.09.2020
Bittermonds Bucht
Harel, Maike

Bittermonds Bucht


ausgezeichnet

Bittermonds Bucht habe ich innerhalb eines Wochenendes verschlungen. Für Erwachsene beträgt die Lesedauer ungefähr vier bis fünf Stunden. Kinder werden wohl etwas länger brauchen.

Das Buch besticht schon durch seinen liebevoll und detailliert gestalteten Hardcover-Einband.

Die Geschichte ist erzählt aus der Sicht von Jukka. Um ehrlich zu sein, hat mich das Buch auch deshalb angesprochen, weil die Hauptperson einen finnischen Vornamen hat.

Die Geschichte spielt allerdings nicht in Finnland, sondern an einer tropischen Küste. Es gibt einen Sandstrand mit Palmen, Kokosnüssen und Bananen. Im Laufe des Buches wird deutlich, dass es auch Fantasy-Elemente gibt: (sehr süße Mini-)Drachen, Ermännchen und Erdweibchen sowie Grässgreife kommen vor. Davon abgesehen spielt das Buch in einer vor-industriellen Zeit. Es gibt Segelschiffe und Pferdekutschen statt Autos. Die Sozialstruktur lässt auf das Mittelalter oder die frühe Neuzeit in Europa schließen: Es gibt Städte mit Banken. Fahrende Händler*innen stehen in der sozialen Ordnung weit unten. Ein König regiert das Land mit seinen Fürsten.

In dieser Rahmenhandlung werden die beiden jugendlichen Hauptpersonen zusammengeschmissen, ohne dass sie etwas dafür könnten. Durch die Handlungen der Erwachsenen werden sie (nur halb-freiwillig) auf eine gemeinsame Reise geschickt. Sie bestehen Abenteuer und lernen sich nicht nur gegenseitig immer besser kennen. Sie stellen sich auch die essentiellen Fragen -- wo komme ich her? Was ist mir wichtig? Was will ich eigentlich?

Die Geschichte an sich ist durchaus auch für Erwachsene geeignet. Dass Kinder die Zielgruppe sind, habe ich vor allem immer am Ende der Kapitel oder Absätze gemerkt:

In einem Erwachsenenbuch würde der*die Leser*in wohl mit Andeutungen allein gelassen. Hier, im Kinderbuch, folgt stattdessen eine klar formulierte Schlussfolgerung. Diese sehe ich durchaus positiv. Immerhin müssen Kinder auch erst lernen, Texte so zu lesen, dass sie die Lücken füllen können. Ich sehe die Schlussfolgerungen deshalb nicht als Ersatz für die eigene Verständnisleistung, sondern eher als Lernstandskontrolle. Alle sind auf dem gleichen Standpunkt, und dann geht es weiter.

Einige große Themen werden im Buch angesprochen:
* Zweifel an bis dahin sicher geglaubten Tatsachen
* Shubladendenken ist häufig kontraproduktiv
* Geld kann helfen, ist aber nicht alles
* Streit ist nicht allein Kindern vorbehalten. Auch Erwachsene streiten sich. Wichtig ist die Versöhnung danach.


Kleine Abzüge gebe ich dem Buch, weil die Autorin "wegen" mit dem Dativ benutzt.

Ein großer Pluspunkt dagegen ist für mich, dass sowohl Frauen als auch Männer im Buch positive und negative Rollen einnehmen und dass alle Hauptcharaktere sowohl angenehme als auch störende Eigenschaften haben. Dadurch entsteht eine Lebendigkeit und Tiefe, die dem Buch sehr zugutekommt.

Auch die Beschreibungen von Landschaften oder anderen Personen bestechen durch eine Detailliertheit, die einerseits den Wortschatz der jungen Leser*innen positiv beeinflussen dürfte, andererseits aber auch schlicht eine wunderbare Welt im eigenen Kopf entstehen lässt.

Obwohl am Ende ein paar Fragen offen bleiben, gibt es ein Happy End, das dem Kinderbuch durchaus angemessen ist. Die Auflösung ist allerdings tatsächlich spannend und sollte uns Erwachsenen eine Lehre sein, nicht immer voreilig zu handeln.

Bei so viel Lob fällt das kleine "wegen dem" bei der Endbewertung nicht ins Gewicht. Volle Punktzahl für Bittermonds Bucht.

Bewertung vom 28.08.2020
Super reich
Horvath, Polly

Super reich


ausgezeichnet

Super Reich ist für mich ein Buch, das ich jeder Deutschklasse ab der 6. Klasse als Literatur empfehlen möchte.

Schon lange habe ich kein Buch mehr in der Hand gehabt, das so subtil und dennoch offensichtlich die Jugendbuchgeschichte mit einer Sozialstudie verknüpft.

Rupert ist arm. Bettelarm. Aber betteln würde er nie. Er hat sich bisher dadurch über Wasser gehalten, dass er sich an alle Regeln hält und nicht auffällt.

Als er durch einen Zufall das Weihnachtsfest bei der reichsten und einflussreichsten Familie der Stadt verbringt, glaubt man, dass sich dadurch nun nachhaltig etwas in seinem Leben verbessern könnte.

Dem ist aber nicht so.

Zwar schlittert er in den nächsten Monaten immer wieder mit verschiedenen Mitgliedern der Familie Rivers in die verschiedensten phantasievollen Abenteuer, doch diese helfen ihm nicht, aus seiner Armut zu entkommen.

Im Gegenteil geht es Rupert teilweise sogar noch schlechter als vorher, weil er nun nämlich Hoffnung verspürt, die dann aber immer wieder zerschlagen wird.

Dies liegt vor allem daran, dass den Mitgliedern der Familie Rivers Ruperts Situation überhaupt nicht auffällt. Klar sehen sie, dass er schäbig angezogen ist oder dass er klein und schmal ist. Aber Ruperts Lebenswirklichkeit liegt so weit entfernt von der Realität der Rivers, dass sie es nicht schaffen, seine Bedürfnisse zu sehen.

Sie machen ihn auf Mängel aufmerksam, sehen aber nicht, dass er an bestimmten Dingen gar nichts ändern kann. Dieses Muster zieht sich durch sämtliche Episoden im Buch und wird dabei dennoch nicht aufdringlich. Im Gegenteil hoffte ich mit jedem Kapitel mehr, dass nun endlich das nächste Familienmitglied, mit dem Rupert zu tun hat, anders sein möge und Ruperts Bedürfnisse wahrnehmen könnte. Hoffnung gibt es dazu immer wieder, denn es gibt durchaus Gemeinsamkeiten und Anknüpfungspunkte zwischen Rupert und den Mitgliedern der Familie Rivers.


Ohne zu viel vom Inhalt zu verraten, möchte ich an dieser Stelle auf ein paar Details eingehen:


Die Stärke dieses Buches ist es aus meiner Sicht, dass sie zeigt, wie privilegierte Menschen ihr Lebensbild auf alle anderen übertragen. "Zieh dir doch deinen Mantel an; es ist wirklich kalt da draußen" -- was als guter Rat gemeint ist, verspottet Ruperts Lebenswirklichkeit, der einfach gar keinen Mantel besitzt, weil er das Geld dafür nicht hat.

Selbst, wenn Rupert eine Entscheidung trifft, wird diese häufig von den Mitgliedern der Familie Rivers negiert. "Du hast ja keine Ahnung" oder "ich mach das schon für dich" sind dann die Sprüche, die er zu hören bekommt. Und natürlich ist die folgende Entscheidung komplett aus der Sichtweise einer reichen Person geboren und nimmt keinerlei Rücksicht auf Ruperts Situation und Beweggründe.

Selbst wenn den anderen auffällt, was Rupert gerade möchte, sehen sie das im Zusammenhang mit ihrer eigenen Realität und nicht in Bezug auf seine Erfahrungen.

Schön ist auch, dass im Buch die alte Brecht'sche Maxime "Erst kommt das Fressen, dann die Moral" nicht gilt. Im Gegenteil erlebt Rupert, dass Reichtum keineswegs bedeutet, moralisch besser zu sein. Dafür bedarf es konkreter Entscheidungen, die theoretisch einfach fallen sollten, wenn man Geld hat. Im Alltag ist das aber dann doch nicht unbedingt so.

Fazit: Super Reich erhält von mir die volle Punktzahl. Ich habe das Buch verschlungen und möchte es allen ans Herz legen, die der Meinung sind, dass arme Menschen doch einfach härter arbeiten sollten, um mehr Geld zu haben. Dieses Buch ist außerdem für alle, die aufgehört haben, zu träumen (und gerne wieder damit anfangen möchten), die etwas über Privilegien in der Gesellschaft erfahren wollen, die gern mitfiebern und die spannende Dialoge und ein bisschen Fantasy mögen.

Und natürlich ist es für alle, die Spaß haben kurzweiligen Dialogen witzig entworfenen Personen haben.

Definitiv ein Buch nicht nur für die Schule!

Bewertung vom 14.08.2020
Unser Mathelehrer unterrichtet von draußen - damit er dabei rauchen kann!
Greiner, Lena;Padtberg-Kruse, Carola

Unser Mathelehrer unterrichtet von draußen - damit er dabei rauchen kann!


gut

Im ersten Leseeindruck war das Vorwort dabei - und das fand ich relativ langweilig. Die Kapitel wurden dann besser. Die meisten abedruckten Situationen sind lebendig und witzig geschrieben. Häufig musste ich schmunzeln; manchmal habe ich laut aufgelacht.

Immer wieder störten mich aber die wertenden Einschübe der Autorinnen. Sie lassen sich zum Beispiel mehrfach darüber aus, welche Hygienestandards man denn nun unbedingt einhalten sollte - und lassen dabei recht zweifelhafte Standards erkennen.

Die Typologie der Lehrer*innen ist an sich gut gemacht. Allerdings ist die "zufällig gewählte" Zuordnung von männlichen und weiblichen Lehrer*innen dann doch sehr klischeehaft. Gerade dieses Kapitel hätte sich dagegen geeignet, um deutlich zu machen, dass es auch Lehrpersonal gibt, das eben nicht die männlichen und weiblichen Rollenstandards erfüllt. Dazu hätte man zum Beispiel die gesamte Typologie weiblich gestalten können.

Die beiden Kapitel über die Rechtliche Lage und Geschichten aus dem Nähkästchen von Lehrer*innen über Lehrer*innen sind informativ, passen allerdings nicht zum Rest des Buches. Der Rest des Buches ist als lustige Lektüre für zwischendurch gedacht - "Klolektüre" im besten Sinne des Wortes. Selbst die Typologie passt noch in dieses Konzept.

Wenn allerdings die Lehrer*innen berichten, dass gerade junge Sportlehrer*innen immer wieder Annäherungsversuche von Schüler*innen abweisen müssen, ist das nicht lustig. Hier versucht das Buch den Sprung zur Sozialstudie. Dieser gelingt nur bedingt. Zwar ist das Wissen informativ, es steht aber ziemlich alleine da.

Ich hätte mir mehr Zitate, weniger Wertung und weniger Hintergrund-Info gewünscht. Wenn ich mich über den Wertewandel in der Pädagogik oder über die Herausforderung der Digitalisierung von Schulen informieren will, schlage ich kein Buch mit dem Titel "Unser Mathelehrer unterrichtet von draußen - damit er dabei rauchen kann" auf, sondern wähle eine ernsthafte Sozialstudie.

Bewertung vom 04.08.2020
Edition Piepmatz: Es war einmal ...: Meine Märchen
Grimm, Sandra

Edition Piepmatz: Es war einmal ...: Meine Märchen


gut

Bei Kinderbüchern bin ich noch kritischer, als bei Büchern für Erwachsene. Denn Kinder übernehmen sehr viel direkter, was wir ihnen vorleben.

Ich gehe deshalb immer mit einer großen Portion Misstrauen an Kinderbücher heran - das gilt um so mehr für Märchenbücher, die häufig nur so vor Stereotypen platzen.

Das Buch "Es war einmal... Meine Märchen" hat von mir 3 von 5 Sternen bekommen und ist damit eines der besseren Märchenbücher.

Zehn bekannte Märchen werden jeweils in kurzen Geschichten vorgestellt. Die Geschichten sind teilweise stark gekürzt und auf den wesentlichen Inhalt komprimiert. So sind sie auch schon für kleine Kinder ab circa 3 Jahren geeignet. Laut Buchrücken ist das Buch für Kinder ab zwei Jahren empfehlenswert. Ich stimme dem zu, wenn es zum Anschauen und besprechen gedacht ist. Zum Vorlesen sind die Texte für den*die durchschnittliche Zweijährige aber noch zu lang.


Im Buch werden die bekannten Märchen Rotkäppchen, Die Prinzessin auf der Erbse, Frau Holle, Das hässliche Entlein, Schneewittchen und die 7 Zwerge, Der Froschkönig, Hänsel und Gretel, Die Bremer Stadtmusikanten, Dornröschen und Aschenputtel vorgestellt.

Von den zehn Märchen bedienen also fünf - die Hälfte! - das Klischee, dass die weibliche Hauptperson am Ende den Prinzen heiratet. Das sind also Geschichten, von denen ich grundsätzlich Abstand nehme.

Von den anderen 5 Geschichten handeln 2 von Tieren. Die restlichen drei Geschichten haben mindestens eine weibliche Hauptperson, die nicht von männlichen Personen dominiert wird. Immerhin.

Dennoch, wie eingangs geschrieben, gehört dieses Buch zu den besseren Märchenbüchern für kleine Kinder. Der Grund liegt in den Zeichnungen:

Das Buch besticht durch wunderbare Bilder. Die Farben sind kräftig, freundlich und doch nicht übertrieben. Besonders positiv ist mir außerdem aufgefallen, dass nicht alle Hauptpersonen weiß sind. In der Geschichte vom Froschkönig sowie bei der Prinzessin auf der Erbse sind die Personen dunkelhäutig. Das ist wirklich selten, und sehr positiv hervorzuheben.

Darüber hinaus finde ich es angenehm, dass die Personen nicht den gängigen Model-Maßen entsprechen. Die Personen haben keine Disney-haften Kurven, sondern wirken wesentlich mehr wie die Durchschnittsperson. (Mir ist bewusst, dass auch hier eine normative Wertung enthalten ist.)

Zuletzt noch zum Material: Die Seiten sind aus dicker Pappe und damit ideal, um immer wieder von kleinen Kinderhänden gepackt zu werden. Das Buch wurde mit dem FSC-MIX-Label ausgezeichnet.

Fazit: Leider werden auch in diesem Buch die Geschlechterrollen vom rettenden Prinzen und der dankbaren Frau zementiert. Die Bilder gleichen aber viel wieder aus.

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