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Havers
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Insgesamt 1378 Bewertungen
Bewertung vom 27.07.2023
Apfelmädchen / Kommissarin Lind ermittelt Bd.1
Martin, Tina N.

Apfelmädchen / Kommissarin Lind ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Wo in der luxuriösen Villa sonst die Flurlampe hängt, baumelt eine Leiche. Eva Vendel, gequält, ermordet und zur Schau gestellt. Eine Lehrerin, die alle mochten. Wer tut so etwas? Und warum? Dann wird ein Mädchen aus der Vorschule entführt. Die Zeit drängt, denn das Kind leidet an Diabetes. Gibt es einen Zusammenhang mit dem Mord an Eva Vendel?

Fragen, die Kommissarin Idun Lund und ihr langjähriger Kollege Kommissar Calle Brandt klären müssen, die bei der der Mordkommission im nordschwedischen Boden arbeiten und mit dem Fall betraut werden. Mit im Team sind Svetlana Moritz, die Gerichtsmedizinerin und Siv Liv im Büro, die die Koordination übernimmt. Verstärkt wird die eingeschworene Truppe später durch Tareq Shaheen aus Stockholm. Allesamt sehr interessante Charaktere, wobei insbesondere Calle Brandt durch seine unkonventionelle Art heraussticht und stellenweise eine besondere Dynamik in die Ermittlungen bringt.

Wie aktuell in so vielen skandinavischen Thrillern erzählt auch Tina Martin in ihrem Erstling und Reihenauftakt die Story auf zwei Ebenen, kenntlich gemacht durch säuberlich getrennte und abwechselnde Kapitel, die sowohl das Tempo als auch die Spannung befeuern. Und je tiefer sich das Team in den Fall einarbeitet, umso klarer kristallisiert es sich heraus, dass es traumatische Geschehnisse in der Vergangenheit sind, die bis in die Gegenwart hineinwirken. Dabei konstruiert die Autorin aber nicht eindimensional, sondern legt verschiedene Spuren, die sich intelligent verflechten, mit Wendungen punkten und schlussendlich zu einem stimmigen Bild ergänzen.

„Apfelmädchen“ ist ein gelungenes Debüt, spannend geplottet und mit einem sehr gut charakterisierten, sympathischen Team, dessen Fälle ich auch zukünftig weiterverfolgen werde. Der Nachfolgeband „Gewittermann“ erscheint Mitte Januar 2024.

Bewertung vom 26.07.2023
An der Seite van Goghs
Cauchi, Caroline

An der Seite van Goghs


ausgezeichnet

Leuchtende Farben, kraftvolle Pinselstriche. Motive, wie im Rausch auf die Leinwand gebannt. Bilder, die das Innerste des Betrachters berühren.

Vincent van Gogh. Der Geniale, Verzweifelte, Besessene, Suchende, Mythos. Postimpressionist und Wegbereiter für die Fauves und die Expressionisten, der gerüchtehalber während Lebzeiten nur ein einziges Bild verkaufen konnte, und das blieb innerhalb der Familie bei seinem Bruder und treuen Unterstützer Theo.

Heute erzielen seine Gemälde auf Auktionen Höchstpreise. Ein Verdienst, den man zweifelsohne Johanna van Gogh-Bonger zusprechen muss, der Frau von Vincents Bruder Theo, die nicht locker ließ und dafür sorgte, dass 1901 die Galeristen Bernheim-Jeune van Gogh eine große Ausstellung widmeten und damit Wegbereiter für seinen Erfolg wurden.

Dieser außergewöhnlichen Frau widmet sich Caroline Cauchi in ihrem Roman „An der Seite Van Goghs“ mit großem Sachverstand und eingehender Recherche. Im Wesentlichen bezieht sie die zugrunde liegenden Informationen aus dem umfangreichen Briefwechsel zwischen Vincent und seinem Bruder Theo und füllt diese mit fiktionalen Geschehnissen auf.

Dies vermittelt zum einen ein sehr interessantes Bild über die Frauen im Kunstbetrieb, die mehr sein wollen als bloße Musen der Maler, zum anderen aber nimmt sie uns auch mit in die Pariser Künstlerszene mit ihren schillernden Vertretern wie Auguste Rodin, Camille Claudel und Paul Gaugin. Und sie zeigt uns die verschiedenen Facetten der Persönlichkeiten Van Goghs, ein Einzelgänger, der nicht dafür geschaffen ist, sich in dieser Szene wohl zu fühlen, sondern damit zufrieden ist, wenn ihm seine Staffelei und seine Farben zur Verfügung stehen.

Ein schillernder, flirrender, lebendiger und dabei doch informativer Roman, den ich sehr gerne gelesen habe.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.07.2023
1989 - Wahrheit oder Tod
Mcdermid, Val

1989 - Wahrheit oder Tod


weniger gut

Die Pressekonzentration hat Ende der achtziger Jahre rasant zugenommen, fast alle Printmedien befinden sich mittlerweile in den Händen zweier einflussreicher Mogule. Einer ist Ace Lockhart, Allie Burns‘ neuer Chef. Skrupellos, nur den Verkaufszahlen und dem Profit verpflichtet. Auch das Nachrichtenmagazin, für das sie arbeitete, ist im Besitz Lockharts und zu dem typischen Tabloid mit den reißerischen Schlagzeilen verkommen. Investigativer Journalismus ist nicht mehr gefragt, was die mittlerweile in Manchester lebende Allie schmerzhaft feststellen muss. Eine ihrer Reportagen, die die unhaltbaren Zustände in der (Nicht-)Behandlung von HIV-Infizierten in Schottland, deren Übersiedlung nach England und den Machenschaften der Pharmaindustrie schildert, erscheint zwar, wurde allerdings auf Anweisung des Herausgebers stark modifiziert und hat nichts mehr mit Allies eigentlichem Artikel zu tun.

Es hätte dem Roman mit Sicherheit nicht geschadet, wenn McDermid tiefer in diese Themen eingestiegen wäre. Ob das nun die Pressekonzentration und ihre Auswirkungen, die Arbeitsbedingungen von Journalistinnen in den überwiegend männlich geprägten Redaktionen, die verheerenden Auswirkungen, die Thatchers Politik für GB hatte, Aids im Spiegel der Öffentlichkeit, die Katastrophen von Lockerbie und Hillsborough (werden zumindest am Rande erwähnt) und…und…und

Stattdessen schickt McDermid ihre Protagonistin nach Ost-Berlin, wo diese sich in eine mehr als lächerliche Fluchtgeschichte verwickeln lässt, die sie – natürlich – in den Stasiknast bringt. Aber es geht noch wesentlich schlimmer. Die gefakte Entführung von Tycoons Töchterlein.Was sich die Autorin dabei gedacht hat, lässt sich noch nicht einmal vermuten. Für die Handlung war dies jedenfalls meiner Meinung nach überflüssig wie ein Kropf.

Langer Rede, kurzer Sinn:1989“ ist enttäuschend uninspiriert und hält dem Vergleich mit dem Vorgänger leider in keinster Weise stand. Von der gelernten Journalistin Val McDermid erwarte ich mehr als eine Aneinanderreihung uninteressanter Ereignisse und eine Playlist am Ende des Buches.

Bewertung vom 21.07.2023
Ingenium
Trussoni, Danielle

Ingenium


ausgezeichnet

Wenn man den Spuren des Puzzlemasters Mike Brink und der inhaftierten Jess Price folgen möchte, sollte man schon ein gewisses Maß an Interesse für Fragestellungen aus Mystik und Mathematik mitbringen, sind die zu lösenden Rätsel und Fragestellungen doch wesentlich komplexer als beispielsweise in den Thrillern Dan Browns. Dabei schreibt die Autorin aber nicht trocken, sondern verpackt diese Fragestellungen in eine spannende Handlung, die den Leser nur so durch die Seiten fliegen lässt.

Brink ist ein Savant, der in allem, was ihn umgibt, Muster erkennt, und diese außergewöhnliche Fähigkeit hat auch bei Jess Price die Gewissheit ausgelöst, dass nur er ihr helfen kann, das uralte Rätsel der jüdischen Mystik, das die Menschheit retten und ihre eigene Unschuld beweisen kann, zu lösen. Dazu muss aber zuerst eine ganz besondere Reliquie, eine Porzellanpuppe, gefunden werden, ein Unterfangen, das selbst Brink mit seinen Fähigkeiten immens fordert.

Vergangenheit und Gegenwart, Zeitsprünge und Handlungsorte über die Kontinente hinweg, geheimnisvolle Rituale und wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Quantenphysik, all das macht aus diesem genreübergreifenden Roman ein höchst ungewöhnliches und dabei spannendes Lesevergnügen.

Bewertung vom 20.07.2023
Trügerisches Lavandou / Leon Ritter Bd.9
Eyssen, Remy

Trügerisches Lavandou / Leon Ritter Bd.9


weniger gut

Urlaubskrimis haben Hochkonjunktur, und es gibt kaum eine Region, die außen vor bleibt. Mit Abstand am beliebtesten bei den Leserinnen und Lesern ist Frankreich, und neben der Bretagne insbesondere die sonnige Provence Hier ist Remy Eyssens Lavandou-Reihe verortet, in deren Zentrum der aus Deutschland stammende Gerichtsmediziner Leon Ritter samt seiner Lebensgefährtin Isabelle Morell, stellvertretende Polizeichefin der ortsansässigen Polizei, steht.

Im neunten Band „Trügerisches Lavandou“ hält eine Kindesentführung das Team rund um Isabelle in Atem. Die beiden Kleinkinder Lucas und Luisa sind verschwunden und die Lösegeldforderung des Entführers stellt die verschuldeten Eltern vor große Probleme. Es gibt zahlreiche Hinweise und Verdächtige, aber im Laufe der Ermittlungen erweisen diese sich immer wieder als falsche Fährten. Das Interesse der Medien ist groß, die Zeit drängt und mit jedem Tag, der ergebnislos verstreicht, sinkt die Wahrscheinlichkeit, die Kinder lebend aufzufinden und zu ihrer Familie zurückzubringen.

Dieser Band der Reihe hat meine Geduld deutlich überstrapaziert. 530 Seiten Ermittlungsarbeit, die sich permanent im Kreis dreht und zu keinen neuen Ergebnissen kommt. Verdächtigungen und Nachforschungen, die sich nach kurzer Zeit als heiße Luft entpuppen. Unnötig aufgeblasene, unglaubwürdige Story. Zäh, langatmig und mit jeder Menge Wiederholungen. Die üblichen Außenseiter mit ihren Macken, die sie natürlich sofort an exponierte Stelle im Kreis der Verdächtigen katapultieren. Konventioneller, altbackener Stil. Dazu dann noch die zahlreichen Passagen aus dem Zettelkasten, die wir fast wortgetreu bereits in den Vorgängern gelesen haben. Das unvermeidliche Boule-Match mit den überheblichen Touristen, „La Mer“ im Radio Nostalgie (haben die nur diesen einen Tonträger?) und die Beschreibung der Vegetation, wobei letzteres noch das Beste an diesem Krimi ist. Zuletzt die Hoppla Hopp-Auflösung mit dem wenig schlüssigen Motiv. Enttäuschend.

Biedere Hausmannskost ohne einen Funken Raffinesse. Schade, denn die Vorgänger habe ich gerne gelesen.

Bewertung vom 18.07.2023
Südlich von Porto lauert der Tod
da Silva, Mariana

Südlich von Porto lauert der Tod


sehr gut

Anlässlich der Beerdigung ihres Großvaters kehrt die deutsch-portugiesische Polizistin Ria Almeida in das Land ihrer Kindheit zurück. Die Auszeit ist ihr willkommen, denn nicht nur in ihrem Job bei der Stuttgarter Kripo sondern auch in ihrem Privatleben häufen sich momentan die Probleme. Gemobbt von den Kollegen, auf eigenen Wunsch zurück im Streifendienst, eine gescheiterte Beziehung, alles scheint sich gegen sie verschworen zu haben. Zeit, zur Ruhe zu kommen und auf Reset zu drücken, sich darüber klar zu werden, wie es für die weitergehen soll.

Als eine junge Frau tot aufgefunden wird, ist die Polizei des Fischerdörfchens Torreira in Gestalt ihres angeheirateten Verwandten João überfordert. Ein Kommissar aus der Kreisstadt wird mit dem Fall betraut, denn es ist nicht klar, ob dem Tod ein Unfall oder ein Gewaltverbrechen zugrunde liegt. Die Menschen misstrauen ihm, verschließen sich, denn seine arrogante, besserwisserische Art kommt nicht gut an. Aber glücklicherweise ist da ja auch noch Ria mit ihrem Instinkt und ihrer Erfahrung, die João tatkräftig bei den Ermittlungen unterstützen kann…

Seit Holger Karsten Schmidts genialer Fuseta-Reihe warte ich darauf, dass weitere Urlaubskrimis uns die unterschiedlichen Regionen Portugals vorstellen und näherbringen. Zwar gibt es da noch die Porto-Krimis mit Inspektor Fonseca, aber diese beschränken sich im Wesentlichen auf die Tätersuche. Ganz anders Mariana da Silva, die in ihrem Debüt „Südlich von Porto lauert der Tod“ neben der Polizeiarbeit auch noch jede Menge Dorf- und Familienleben, wunderbaren Landschaftsbeschreibungen und kulinarischen Highlights in die Handlung eingearbeitet hat. Die Autorin ist zwar in Deutschland aufgewachsen, hat aber portugiesische Wurzeln, und die Liebe zu Portugal merkt man jeder Seiten an. Nicht nur an ihren atmosphärischen Beschreibungen des Alltags, sondern auch an den Erläuterungen, die jedem Kapitel vorangestellt sind und typische Traditionen, geografische Besonderheiten oder alltägliche Redewendungen erklären, die man so weder in einem Reiseführer noch in einem Wörterbuch findet.

Diesen gelungenen, unterhaltsamen Krimi, der ohne großes Blutvergießen auskommt und Lust auf einen Urlaub an der portugiesischen Atlantikküste macht, empfehle ich gerne. Nicht nur denen, die ihre Koffer bereits gepackt haben, sondern auch allen, die in heimischen Gefilden bleiben und zumindest lesend in den Nordwesten Portugals reisen wollen.

Bewertung vom 14.07.2023
Sommersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.1
Engman, Pascal;Selåker, Johannes

Sommersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.1


sehr gut

Die schwedische Autoren/Journalisten Pascal Engman und Johannes Selånker nehmen uns in ihrem ersten Gemeinschaftsprojekt „Sommersonnenwende“ mit in den Stockholmer Juni im Jahr 1994.

Eine Hitzewelle hat die Stadt im Griff, als nahe einer Flüchtlingsunterkunft die Leiche einer bosnischen Migrantin aufgefunden wird. Ein Fall für die Mordkommission, insbesondere für Kommissar Tomas Wolf, denn dessen Bruder, der einer rechtsradikalen Vereinigung angehört, hat im Vollrausch vor dem Kommissariat lautstark die Verantwortung für dieses Gewaltverbrechen übernommen. Und die junge Frau wird nicht das einzige Opfer bleiben, ein Umstand, der Tomas Wolf schwer zu schaffen macht. Während seines Blauhelm-Einsatzes in Bosnien hat er zu viele Leichen gesehen und leidet seither unter PTBS, kann die wiederkehrenden Panikattacken nur mit Tabletten in Schach halten.

Parallel dazu ist auch Vera Berg, eine Journalistin mit einem fragwürdigen Privatleben und noch fragwürdigerer beruflicher Moral, dem Täter auf der Spur. Berg, die erst kürzlich entlassen wurde, weil sie Geld, das für die Bezahlung von Informanten gedacht war, in die eigene Tasche gesteckt hat, muss sich jetzt in ihrem neuen Job bewähren, hat aber offenbar nichts dazugelernt.

Die Autoren beschreiben sowohl die Ermittlungen/Recherchen der beiden Protagonisten als auch deren Privatleben lange Zeit klar getrennt aus der jeweiligen Perspektive. Es dauert, bis sich deren Pfade kreuzen, und die zahlreichen Wiederholungen fördern nun auch nicht gerade das Tempo. Hier hätte man durchaus straffer erzählen können.

Meine Gefühle sind zwiespältig. Einerseits wurde meine Geduld durch den langatmigen Mittelteil schon sehr auf die Probegestellt, andererseits konnten aber die zahlreichen Verweise auf die Geschehnisse dieser ereignisreichen Tagen mir ein Gefühl für die Probleme vermittelt, mit denen sich die schwedische Gesellschaft (und nicht nur sie) schon zu diesem Zeitpunkt konfrontiert sah. Geändert hat sich daran bis zum heutigen Tag nichts. Weder dort, noch hier. Im Gegenteil.

Bewertung vom 14.07.2023
Frankie
Gutsch, Jochen;Leo, Maxim

Frankie


sehr gut

Frankie, ein sprechender Straßenkater auf der Suche nach einer gefüllten Schüssel, einem warmen Eckchen und einem Menschen, der sich um ihn kümmert. Otto, der keinen Sinn mehr im Leben sieht und sich die Schlinge schon um den Hals gelegt hat.

Aus der unverhofften Begegnung dieser beiden entwickelt sich ein Märchen, gleichwohl eine gemeinsame Geschichte, in der die beiden Autoren Jochen Gutsch und Maxim Leo so gewichtige Themen wie Trauer, Lebensüberdruss und Depression verarbeiten. Dies immer jedoch nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern eher philosophisch und mit einer gehörigen Portion Humor in den Dialogen zwischen Tier und Mensch. Und ja, später stößt auch noch ein Hund dazu, ein kluger Hund zumal, der entscheidendes zu den genannten Themen beizutragen hat.

Das ist gelungen, auch wenn mir die Dialoge stellenweise etwas zu überdreht und zu bemüht witzig daherkommen. Aber vielleicht kann dieses Büchlein Menschen in psychischen Extremsituationen Anstöße geben, einen Anker bieten, eine Hilfe, um ihre aktuelle Situation nochmal zu überdenken. Dann hätte es seinen Zweck ja erfüllt.

Bewertung vom 08.07.2023
Bleich wie der Mond
Ventura, Luca

Bleich wie der Mond


weniger gut

So schmeckt der Sommer auf Capri: Sonnengereifte Tomaten, aromatisches Basilikum, ein feines Olivenöl und natürlich Mozzarella, am besten aus der Milch von artgerecht gehaltenen Büffeln produziert. Und genau darum geht es in Luca Venturas neuem Capri-Krimi „Bleich wie der Mond“, der Reihe mit den Inselpolizisten Enrico Rizzi und der aus dem Norden nach Capri strafversetzten Antonia Cirillo. Über den Grund dafür lässt uns der Autor selbst nach mittlerweile vier Bänden im Unklaren. Wahrscheinlich ist ihm selbst bisher noch keine schlüssige Begründung eingefallen. Man merkt es, I’m not amused…

Nino Castaldo, Inhaber eines Familienunternehmens in Anacapri, das sich auf die Herstellung von handgezogenem Büffelmozzarella spezialisiert hat, wird frühmorgens tot in einem seiner Milchbottiche aufgefunden. Rizzi wird in die Molkerei beordert und stellt fest, dass dieser ermordet wurde. Gemeinsam mit seiner Kollegin Antonia nimmt er die Ermittlungen auf und stößt in ein Wespennest aus familiären Zwistigkeiten und den erwartungsgemäßen Einlassungen zu Tier- und Umweltschutz.

Es gibt kaum etwas, was an diesem Kriminalroman lobenswert ist. Ein Urlaubskrimi lebt von den Beschreibungen der Orte. Die gibt es zwar, aber leider sind sie weder atmosphärisch noch informativ, so dass sie kaum Lust auf einen Capri-Urlaub machen. Am interessantesten sind noch die Beschreibungen der Mozzarella-Produktion. Was komplett vernachlässigt wird und dem Autor keine Erwähnung wert ist, sind die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse Kampaniens, einer Region, die für ihre europaweit höchste Arbeitslosigkeit bekannt ist.

Die Story ist dünn, plätschert vor sich hin, unterbrochen von dem belanglosen Geplapper sowohl der Verdächtigen als auch Rizzis, der im familieneigenen Garten Gemüse erntet und sein Schrottauto fahrtauglich macht. Der Plot ist bieder, bietet weder Spannung noch Tempo, die Personen sind flach gezeichnet und uninteressant.

Aber falls sich jemand dafür interessiert, wie handgezogener Büffelmozzarella hergestellt wird, ist er hier an der richtigen Adresse.

Bewertung vom 06.07.2023
Refugium / Stormland Bd.1
Lindqvist, John Ajvide

Refugium / Stormland Bd.1


sehr gut

„Refugium“ hat eine interessante Geschichte: Die Millennium-Trilogie des schwedischen Journalisten Stieg Larsson gehört zu den weltweit erfolgreichsten Krimireihen. So verwundert es nicht, dass sowohl der Verlag als auch die Erben nach dem Tod des Autors an diesem Erfolg partizipieren wollten und deshalb einen Autor suchten, der die Reihe fortschreiben sollte.

Der Nachfolger wurde mit David Lagercrantz gefunden, dessen auf 10 Bände geplante Fortsetzung es allerdings bei Weitem nicht mit dem Original aufnehmen konnte und deshalb nach drei Romanen 2019 eingestellt wurde.

John Ajvide Lindqvist, ein erfolgreicher Autor, dessen bisherige Romane ausnahmslos dem Horrorgenre zuzuordnen sind, bekam nun die Möglichkeit, die Reihe fortzuführen. Dessen Sequel fand aber keine Gnade vor den Augen des Verlags und wurde abgelehnt. Also passte er die Geschichte an, änderte die Namen der Protagonisten und veröffentlichte sie unter dem Titel „Refugium“, ebenfalls geplant als Auftaktband der Stormland-Trilogie, die in 2024 und 2025 komplettiert wird. Die Fortsetzung der Millennium-Trilogie kommt nun von Karin Smirnoff und wird in der Übersetzung Ende August erscheinen.

Julia Malmros, eine ehemalige Polizistin und nun Krimi-Autorin, soll die Millennium-Trilogie fortschreiben und bekommt vom Verlag den Computernerd Kim Ribbing zur Seite gestellt. Obwohl das Exposé die Erwartungen der Lektorin nicht erfüllt und sie es deshalb ablehnt, freunden sich die beiden an und verbringen den Mittsommerabend gemeinsam in Julias Sommerhaus im Schärengarten. Doch dann bricht plötzlich ein Inferno los. Ein Boot nähert sich der Nachbarinsel, zwei Schützen eröffnen das Feuer und erschießen sämtliche Anwesende. Einzige Überlebende ist die Tochter der Familie. Verantwortlich für die Aufklärung dieser kaltblütigen Morde ist Julias Ex-Mann, der allerdings keinen Plan hat, wo er ansetzen soll. Und hier kommen Ribbing und Julia ins Spiel.

Einer der Toten ist ein Jugendfreund von Julia, und so zieht die ehemalige Polizistin alle Register, um die Verantwortlichen zu entlarven und zur Rechenschaft zu ziehen. Mit Ermittlungsmethoden ist sie vertraut, muss sich als Externe auch nicht an einschränkende Vorschriften halten und hat mit Kim Ribbing einen Hacker mit außergewöhnlichen Fähigkeiten an der Hand, der sie unterstützt. Sie recherchieren, verknüpfen die gefundenen Informationen, stellen Verbindungen her und sind bald mitten in einem Fall, der weitere Kreise zieht, als sie sich je hätten vorstellen können.

Wenn ein Autor in solch große Fußstapfen tritt, bleibt es nicht aus, dass Vergleiche gezogen werden. Und hier schneidet Lindqvist nicht schlecht ab, auch wenn die Passagen, in denen er sich seinen Frust über das abgelehnte Manuskript etwas zu oft von der Seele schreibt.

Natürlich gibt es offensichtliche Anleihen: Der Journalist Mikael Blomkvist wird zur Autorin Julia Malmros, beides Angehörige der schreibenden Zunft, Kim Ribbing ist die wiedergeborene Lisbeth Salander, ebenfalls schwer traumatisiert und mit Bindungsängsten, und um Big Money und mafiöse Männerbünde geht es hier wie dort.

Die Handlung ist bei Lindqvist in der Gegenwart angekommen und behandelt jede Menge Themen, die westlichen Gesellschaften unter den Nägeln brennen, aber auch einiges an Potenzial für kriminelle Aktivitäten bieten. Er erzählt spannend und in kurzen Kapiteln, wechselt zwischen den verschiedenen Akteuren hin und her, variiert zwischen Action und Recherche, was nicht nur das Tempo sondern auch das Interesse des Lesers/der Leserin durchgängig hoch hält. Und er schafft es problemlos, am Ende sämtliche Handlungsstränge souverän und ohne Logikfehler zusammenzuführen und offene Fragen hinreichend zu beantworten.

Ich habe mich jedenfalls sehr gut unterhalten gefühlt und die 524 Seiten in eineinhalb Tagen gelesen. Und auf die beiden Nachfolgebände freue ich mich bereits jetzt schon!