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Benutzername: 
mia-w
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 13 Bewertungen
12
Bewertung vom 09.03.2021
Die siebte Zeugin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.1
Schwiecker, Florian;Tsokos, Michael

Die siebte Zeugin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.1


schlecht

Um es kurz zu machen: Ich war entsetzt. Dieses Buch hat leider nichts von alledem gehalten, was Cover, Klappentext und Autorenduo versprochen haben. Es ist plump geschrieben, hat eine nur im allerersten Ansatz originelle Story, wartet mit einem grauenvoll klischeehaften Figurentableau auf und ist obendrein (besonders fatal für einen selbsternannten Thriller) brechlangweilig.

Dies alles hat mich besonders überrascht, weil ich schon einige Bücher von Michael Tsokos gelesen habe, die deutlich besser geschrieben waren. Ich kann daraus nur folgern, dass Co-Autor Florian Schwiecker den Löwenanteil der Autorenarbeit übernommen hat - was dem Buch nicht gutgetan hat. Ich wusste zwischendurch nicht, ob ich lachen oder weinen sollte, wenn der wackere Westberliner Strafverteidiger Rocco (ein klischeehafter italienischer Familienmensch mit unangenehmen machismohaften Allüren seiner kleinen Schwester gegenüber) wieder einmal ratlos und rehäugig die Hände ringt. Dabei kommen dann Zeilen wie diese zustande: "Es gab eine Person, die mehr als jede andere für Wahrheit und Aufrichtigkeit stand. Mit dieser Person musste er sprechen! Kurz entschlossen wählte er die Nummer von Doktor Justus Jarmer." Dieser grauenvolle Duktus zieht sich leider durch das ganze Buch. Rocco Eberhardt ist entweder zutiefst ratlos, zutiefst betroffen oder zutiefst empört! (Mit Ausrufezeichen, versteht sich!) Es liest sich wie eine schlechte Provinzposse - die nur eben in Berlin spielt (aber keine Sorge, auch hier eigentlich fast ausschließlich im Westteil - und der ist ja eigentlich immer noch ein Dorf).

Am meisten geärgert habe ich mich allerdings über die angebliche zweite Hauptfigur, den Rechtsmediziner Justus Jarmer. Denn dieser hat eigentlich keinen ernsthaften Part im Buch. Am Anfang macht er eine nicht unwichtige Entdeckung bei der Obduktion - aber das war es auch schon. Danach wird er allerdings immer wieder - komplett unnötig für die Handlung - als eine Art moralische Instanz in die Story konstruiert, um am Ende angeblich beim Durchbruch zu verhelfen. Komplett überflüssig, größtenteils nicht nachvollziehbar und auch aus dramaturgischer Sicht eine echte Fehlentscheidung.

Bevor ich mich jetzt noch in weiteren Details ergehe, drücke ich beide Augen zu und gebe einen Sterne - für die im Ansatz kreative Story und dafür, dass ich bisher durchaus etwas von Michael Tsokos als Autor gehalten habe. In seinem eigenen Interesse hoffe ich, dass es keine weiteren Fälle dieses "Ermittler-Duos" geben wird. Denn das braucht die Welt nun wirklich nicht.

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.03.2021
Krass
Mosebach, Martin

Krass


weniger gut

Mein erstes Buch von Martin Mosebach, diesem hochgelobten, preisgekrönten und "letzten großen Wahrnehmungs- und Sprachkünstler unserer Literatur", wie die Zeit schreibt, war gleichzeitig mein letztes. Denn ich habe es leider kaum ausgehalten, wie hier auf hohem sprachlichen Niveau in Plattitüden, Ressentiments, Menschenfeindlichkeit und dem ewig Gestrigen geschwelgt wird.

Der Roman beginnt im November 1988 in Neapel und arbeitet sich mit einer Zwischenstation in Südfrankreich (1989) zum abschließenden Trauermarsch in Kairo im Jahr 2008 vor. Wäre die Handlung nur in den 1980er-Jahren geblieben! Ich hätte vermutlich beide Augen zugedrückt und das Buch als mit Absicht leicht gestrig angelegt verstanden. So musste ich erleben, wie hier auch in der (fast) Gegenwart Story und Figuren wie von vorgestern daherkommen - der Gegenwartsbezug wird ausschließlich durch Erwähnung der technischen Ausstattung behauptet (Handy, Tablet, letzteres 2008 zwar noch nicht existent, aber sei's drum) - und zu alledem auch 2008 noch in alter Rechtschreibung gesprochen wird (inklusive "Sopha" mit ph - wahrscheinlich habe ich einfach nur den Witz nicht verstanden).

Über die Handlung ist kein Wort zu verlieren, denn sie ist komplett irrelevant, auf die Figuren kommt es Herrn Mosebach an - oder doch auf die Sprache? Sie stand für mich während der zähen 525 Seiten leider so sehr im Vordergrund, dass ich nur mit Mühe geschafft habe, auf die rudimentäre Handlung und das traurige Ensemble der Protagonist:innen zu achten. Das muss ein Roman erstmal schaffen. Hut ab, Herr Mosebach!

Zusammenfassend gebe ich zwei Punkte für diesen Roman: einen für das possierliche Intermezzo mit dem Schuster, einen für die hohe Kunst, mich bis zum Ende an der langen Leine hoffen zu lassen, dass da noch was kommt - eine Wendung, eine interessante Charaktereigenschaft, irgendwas. Schade.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.03.2021
Die Experten
Kröger, Merle

Die Experten


gut

Ein wirklich gutes Buch mit wirklich vielen Längen - so lässt sich meine Meinung zu "Die Experten" vermutlich am besten zusammenfassen. Denn obwohl ich den Roman mit großer Begeisterung für Thematik und Hauptpersonen gelesen habe, konnte mich insbesondere das letzte Drittel kaum noch bei der Stange halten. Schade, denn dieses Buch bietet sowohl sprachlich als auch inhaltlich viel Gutes.

Ein Wort zur Handlung: Wir begleiten die Hauptfigur Rita etwa von ihrem 17. bis zum 27. Lebensjahr, wie sie zunächst gegen ihren Willen zu ihren Eltern und ihrer jüngeren Schwester nach Kairo umsiedeln muss, wo ihr Vater als deutscher (und titelgebender) Experte für die Nasser-Regierung Flugzeuge und Raketen entwickelt. Sie tritt eine Stelle als Sekretärin in einer der Fabriken an und befindet sich schnell mitten drin in einem unübersichtlichen Strudel aus Alt-Nazis, internationaler Aufrüstung und geheimdienstlicher Spionage.

Ich fand die Grundidee wirklich interessant: Hier wurde eine fiktive Familie in einen real existierenden Konflikt hineingeschrieben. Durch Ritas Augen betrachtet wurde die Ausgangslage erfahrbar, nichts erinnerte an ein dröges Geschichtsbuch. Auch der durchaus recht eigenwillige Stil der Autorin (Kapitel hangeln sich an Fotos aus Familienalben entlang, innerhalb der Kapitel gibt es nicht einen einzigen Absatz, ...) hat mir gut gefallen. Leider hat sich der letzte Teil des Romans dann für meinen Geschmack zu sehr in Details verfangen, und zwar so sehr, dass meine anfängliche Begeisterung in entnervtes Überfliegen umgeschlagen ist. Von den gut 660 Seiten Story hätte Merle Kröger sich gut und gerne 200 sparen können. So war ich am Ende fast erleichtert, als ich ins Nachwort entlassen wurde. Daher kann ich nicht mehr als zwiespältige 3 Sterne vergeben, was mir fast ein wenig das Herz bluten lässt.

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