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gitti

Bewertungen

Insgesamt 19 Bewertungen
12
Bewertung vom 14.10.2023
Kontur eines Lebens
Robben, Jaap

Kontur eines Lebens


ausgezeichnet

Die Protagonistin, Frieda Tendeloo, ist eine sehr sympathische, geistig rege 81jährige Dame, die sich nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes Louis in einem Pflegeheim wiederfindet und dort ihr Leben Revue passieren läßt. 1963 hat sie ein Kind geboren, das nicht leben durfte. Der zugehörige Vater, Otto, ein verheirateter Mann, war mir nicht gerade sympathisch. Auf der einen Seite eine betrogene Ehefrau, auf der anderen Seite eine Geliebte die er alleine ließ, als sie ihn wirklich gebraucht hätte.
Was mich aber an der, wohl eher alltäglichen Geschichte, wirklich schockiert hat, ist, daß wir das Jahr 1963 schreiben. Methoden wie diese gehören doch dem tiefsten Mittelalter an! Ich bin selbst Jahrgang 1956, also war zu der Zeit dieser Umgang mit schwangeren, unverheirateten Frauen Standard und das ist wirklich erschreckend!
Vom Autor Jaap Robben habe ich noch nie etwas gelesen, ich hoffe aber. daß es nicht das letzte Buch war. Seine mitfühlende Art zu schreiben, wirkt zu keiner Zeit kitschig. Er versteht es mit kurzen, klaren Sätzen so zu erzählen, daß man vollkommen in der Geschichte aufgeht!
Auch den beigelegten Brief fand ich eine nette Idee und er hat mich zusätzlich für den Autor eingenommen. Eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 14.10.2023
Vom Himmel die Sterne
Walls, Jeannette

Vom Himmel die Sterne


gut

Jeanette Walls steht für mich für gute Bücher. Ich habe sowohl das "Schloss aus Glas" als auch "Ein ungezähmtes Leben" gelesen und für gut befunden. "Vom Himmel die Sterne" konnte mich leider nicht überzeugen.
Es fängt schon beim Cover an - ein strahlendes, junges Mädchen- was mit dem Inhalt des Buches wenig zu tun hat, genauso wenig wie der Buchtitel.
Der Inhalt ist eine Familiengeschichte in deren Mittelpunkt Sallie Kincaid - die Tochter des Duke - steht. Dieser hat mit seinen vielen Ehefrauen und außerehelichen Affären für eine ziemlich unüberschaubare Familie gesorgt.
Die Tragödien häufen sich in dieser Familie und ein Todesfall jagt den anderen. Das ist mir alles zu viel und wirkt einfach unglaubwürdig.
Sallie verbringt die Hâlfte ihrer Kindheit bei ihrer Tante, (die auch ein Kind vom Duke hat, oder habe ich das falsch verstanden?) weil sie Zuhause bei der Stiefmutter unerwünscht ist. Erst nach deren Tod kehrt sie zu ihrem Vater zurück. Dieser stirbt allerdings auch bald, genauso wie ihr kleiner Halbbruder.
Dafür bringt die vierte Frau vom Duke ein Kind zur Welt, von dem man aber nicht sicher sagen kann, daß der Duke der Vater ist. Die kleine Grace jedenfalls wächst bei Sallie auf, nachdem sich die Mutter aus dem Staub gemacht hat
Die Geschichte geht so weiter und wirkt auf mich von Seite zu Seite unglaubwürdiger und konstruierter. Ich habe auch irgendwann den Faden verloren, das Lesevergnügen hielt sich in Grenzen.

Bewertung vom 19.05.2023
Das glückliche Geheimnis
Geiger, Arno

Das glückliche Geheimnis


sehr gut

Durch das Buch "Unter der Drachenwand" bin ich vor einigen Jahren auf den Schriftsteller Arno Geiger aufmerksam geworden. Besonders angetan bin ich von seiner Art zu schreiben, seiner enormen Beobachtungsgabe, die sich dennoch nicht in Details verliert und seinen klaren, gut verständlichen Sätzen.
Für mich teilt sich die Geschichte "Das glückliche Geheimnis" in zwei Teile. Im ersten Teil geht es um sein geheimes Leben, nämlich die regelmäßigen Touren durch Wien, in denen er nach entsorgten Schriftstücken in Altpapiercontainern sucht. Diese Briefe und Tagebücher von Wildfremden geben ihm viel Material für seine eigenen Bücher. Gleichzeitig geht es um das Erwachsenwerden und das "Ins Leben finden" eines jungen Mannes mit allen Höhen und Tiefen, die nun mal dazugehören. Ich finde diesen Teil der Geschichte sehr intim und weiß nicht recht, ob es eine derartige "Nabelschau" braucht.
Ganz anders die zweite Hälfte. Nachdem der junge Mann erwachsen geworden ist, dreht sich die Geschichte auch um die Menschen in seinem Umfeld, mit denen er es nicht leicht hat. Eine emanzipierte Partnerin, ein demenzkranker Vater und eine Mutter, die nach einem Schlaganfall versucht, wieder ins Leben zurückzufinden. Das alles sind Themen, die einen in der Lebensmitte beanspruchen, und die Arno Geiger meiner Meinung nach souverän bewältigt. Nicht zuletzt durch die Freiheiten, die ihm sein Beruf gewährt.
Insgesamt ein gelungenes Werk, besonders seine philosophischen Betrachtungen zu den unterschiedlichsten Themen.

Bewertung vom 19.05.2023
Wovon wir leben
Birnbacher, Birgit

Wovon wir leben


sehr gut

Julia wird aus ihrem geliebten Job als Krankenschwester entlassen, weil sie einen gravierenden Fehler gemacht hat. Die Dienstwohnung muß sie ebenfalls verlassen und ihr bleibt nur noch die Möglichkeit wieder nach Hause in ihr Dorf und zu ihren Eltern zu ziehen. Daß die Mutter den Vater verlassen hat,
erfährt sie erst auf dem Weg nach Hause.
Julia tut sich schwer damit wieder in dem Dorf zu leben, daß sie vor vielen Jahren nur zu gern verlassen hat. Sie tut sich auch schwer im Zusammenleben mit ihrem Vater, der viel von ihr fordert. Nachdem der Vater nach einem schweren Unfall auch noch zum Pflegefall geworden ist, sieht Julia für sich nur zwei Möglichkeiten, entweder fü lange Zeit die Pflegerin ihres Vaters zu sein oder ihn zu verlassen.
Sehr gut beschrieben sind die Veränderungen im Dorf z.B. die Schließung der Fabrik, die vielen Bewohnern die Lebensgrundlage entzieht, die Alkoholprobleme und Arbeitslosigkeit nach sich zieht.
Gut, daß ein "Städter" ins Spiel kommt, der wohl einiges verändern wird. Die zarte Liebesgeschichte, die sich zwischen ihm und Julia entwickelt ist ebenfalls gut beschrieben.
Mir hat daß Ende sehr gut gefallen, zeigt es doch, daß die Autorin auch keine Patentlösung zur Hand hat.
Weniger gefallen hat mir die traurige Grundstimmung, die sich durch die ganze Geschichte zieht.

Bewertung vom 19.05.2023
Aus ihrer Sicht
Céspedes, Alba de

Aus ihrer Sicht


sehr gut

"Aus ihrer Sicht" von Alba der Cespedes ist schon nach dem zweiten Weltkrieg erschienen, würde aber erst or kurzem ins Deutsche übersetzt und das - wie ich finde - hervorragend. Die Sprache fängt in ganz besonderer Weise den Zeitgeist ein. Sie ist sehr ausführlich, um jedes Detail bemüht, und kann dadurch ein ganz klares Bild der jeweiligen Situation vermitteln.
Besonders gefallen hat mir die Beschreibung von der Kindheit Alessandras. Sie ist ein besonders gefühlvolles, intelligentes Mädchen, das sehr darunter leidet, immer im Schatten ihres verstorbenen Bruders zu leben. Sie verbringt viele, einsame Tage am Fenster ihres Zimmers und ist sich selbst genug. Ihre einzige Verbündete, nämlich ihre Mutter, verliert sie als junges Mädchen, als diese Selbstmord begeht.
Bei ihrer Großmutter in den Abruzzen hat man eine Zeitlang den Eindruck, daß sie zur Ruhe kommt und ganz im Alltag des Landlebens aufgeht.
Nach ihrer Rückkehr nach Rom, lernt sie Francesco kennen, der im Widerstand arbeitet. Die Zeichen stehen auf Krieg. Wohl um ihrem Mann nahe zu sein, wird sie ebenfalls im Widerstand aktiv. Nach dem Ende des Krieges und der Rückkehr von Francesco aus dem Gefängnis, beginnt für Alessandra leider nicht die Zeit der Zweisamkeit. Francescos politische Tätigkeit nimmt immer mehr Zeit in Anspruch und sie sieht sich zurückgeworfen auf das Hausfrauendasein. Sehr gut dargestellt wird das Frauenbild dieser Zeit, an dem Alessandra letztendlich zerbricht.
Das Buch ist in jeder Hinsicht interessant, sehr gut geschrieben und bekommt- weil es für mich an manchen Stellen zu ausführlich ist- vier Sterne. Es gibt niemanden, dem ich es nicht empfehlen würde.

Bewertung vom 19.05.2023
Weite Sicht
Pilz, Thorsten

Weite Sicht


sehr gut

Man lernt Charlotte, die Protagonistin, am Sterbebett ihres Mannes kennen.Er ist überraschend, nach 48 Ehejahren, verstorben. Die Trauer hält sich jedoch in Grenzen und eigentlich bleibt dafür auch wenig Zeit.
Denn im Mittelpunkt der Erzählung stehen drei weitere Frauen. Gesine, Sabine und Bente, mit denen Charlotte einst eng verbunden war. Alle vier Frauen haben den Großteil ihres Lebens gelebt, mit allen Höhen und Tiefen, falschen und richtigen Entscheidungen.
Mir hat gut gefallen, daß es sich bei den Protagonisten um Frauen über 70 handelt, die in der Literatur, wenn überhaupt, eher eine Nebenrolle spielen.
Daß aber Frauen in diesem Alter in der Lage sind, noch einmal ganz von vorne anzufangen und ihr Leben völlig umzukrempeln, wage ich zu bezweifeln.
Vielleicht will der Autor uns aber auch sagen, daß es auch im Alter möglich ist den eingefahrenen Weg zu verlassen und Neues zu wagen, da stimme ich mit ihm überein.

Bewertung vom 11.04.2022
Die Sommerschwestern Bd.1
Peetz, Monika

Die Sommerschwestern Bd.1


gut

Die " Sommerschwestern" ist eine leichte Lektüre, wie gemacht für Sommer, Sonne, Strand und Meer. Auch wenn durchaus ernste Themen behandelt werden.
Der frühe Unfalltod, der den vier Schwestern viel zu früh den Vater genommen hat und damit auch den Halt im Leben.
Die Mutter, die nicht mehr - oder noch nie - in der Lage war, sich wirklich um ihre Töchter zu kümmern.
Vier Schwestern, die in jungen Jahren bereits auf sich gestellt waren und unterschiedlich damit zurechtkamen.
Leider hat auch das Geschwisterband unter den Vieren nicht gehalten und sie haben sich - wie die meisten Geschwister - in völlig unterschiedliche Richtungen entwickelt.
Das Familientreffen nach zwanzig Jahren ist entsprechend problembelastet.
Die Krankheit der Mutter und ihre überstürzte Heirat bleiben weitgehend ihr Geheimnis und führen zu wilden Spekulationen zwischen den Töchtern.
Auch bleibt im Dunkeln, wo der Bräutigam so plötzlich herkommt und ob er etwas mit der Vergangenheit zu tun hat.
Der Schreibstil des Buches ist sehr schlicht.
Dass nicht alle aufgezeigten Probleme der Sommerschwestern gelöst werden und dass es offen ist, wie es für die Vier und auch für ihre Mutter weitergeht, gefällt mir.
Meiner Meinung nach ein nettes Urlaubsbuch, nicht mehr und nicht weniger.

Bewertung vom 11.10.2021
Die letzten Romantiker
Conklin, Tara

Die letzten Romantiker


ausgezeichnet

Der Roman "Die letzten Romantiker" von Tara Conklin erstreckt sich über ein ganzes Jahrhundert. Er beginnt im Jahr 1981 und endet in der Zukunft, im Jahr 2079.
Vier Geschwister werden im Jahr1981 ganz plötzlich zu Halbwaisen, nachdem ihr Vater 34jährig an einem Herzinfarkt stirbt. Das bislang sorgenfreie Leben der Familie ändert sich mit einem Schlag, der Umzug in ein wenig attraktives Haus ist nur der Anfang. Die Mutter der Kinder, Noni, fällt nach dem Tod ihres Mannes in eine tiefe Depression und ist, wenn überhaupt, nur noch körperlich anwesend. Ganze Wochen verbringt sie in ihrem Zimmer und überläßt die Kinder ihrem Schicksal. Besonders das älteste Mädchen, Renee, fühlt sich verpflichtet den Haushalt am Laufen zu halten und sich um die kleineren Geschwister zu kümmern. Damit ist sie mit ihren 12 Jahren gnadenlos überfordert. Die Geschwister versuchen, so gut wie möglich zu funktionieren und geben sich gegenseitig Halt. Doch jeder von ihnen trägt aus dieser Zeit Wunden davon, die nie mehr ganz heilen. Und auch als Noni nach mehr als zwei Jahren wieder einigermaßen stabil ist, wird sie nie mehr eine richtige Mutter für ihre Kinder. Denn alle Sorgen und Nöte, die die Kinder quälen, werden von ihr ferngehalten, um sie nicht unnötig zu belasten. In der Zeit der grossen Pause, wie die Kinder die Depression ihrer Mutter nennen, gibt es aber nicht nur Überforderung, sondern auch glückliche Zeiten für die Kinder. Sie genießen ihre Freiheit, halten fest zusammen und verbringen viele Tage im Sommer am See. Dieser Teil des Buches ist sehr detailliert beschrieben, mit sehr viel Mitgefühl und hat mir gut gefallen. Mit dem Rest der Geschichte konnte ich allerdings nur noch wenig anfangen, handelt es sich doch um eine sehr normale Familiengeschichte. Jedes der vier Kinder wird erwachsen und geht seinen eigenen Weg, der sich von den Geschwistern unterscheidet. Jedes Kind hat seine eigenen Schwierigkeiten, bei Joe führen sie letztendlich zu einem frühen Tod, was seine Schwestern wieder näher zusammenbringt.
Die Geschichte mit Luna finde ich wenig spannend und sehr konstruiert.
Auch den Titel finde ich wenig passend, vielleicht ist er aber auch ironisch gemeint. Denn mit Romantik hat der Roman wenig zu tun, vielmehr handelt es sich um eine Familiengeschichte, die sehr genau die Beziehungen untereinander erforscht und auch wie Entscheidungen, die irgendwann getroffen werden, das gesamte Leben prägen können.
Weil das Buch in der zweiten Hälfte so deutlich nachlässt, gibt es von mir nur drei Sterne.

Bewertung vom 11.10.2021
Der Kolibri - Premio Strega 2020
Veronesi, Sandro

Der Kolibri - Premio Strega 2020


gut

Ein wunderbar gestaltetes Cover nimmt einen von Anfang an für diesen Roman ein. Die Lebensgeschichte von Marco Carrera, dem Kolibri, wird uns auf unterschiedliche Arten erzählt. In Geschichten, Briefen, E-mails und Dialogen erfährt man die wichtigen Stationen im Leben des Marco. Allerdings nicht chronologisch geordnet, sondern wild durcheinander, was
es für den Leser nicht einfacher macht. Dazu kommen noch die teils seitenlangen, verschachtelten Sätze, die zwar alle Sinn machen, aber nicht leicht zu lesen sind. Dieses Buch muss man sich wirklich erarbeiten, eine leichte Urlaubslektüre, wie ich vermutet habe, ist es sicher nicht.
Ein großes Lob geht an den Übersetzer, eine tolle Leistung!
Einige Stationen im Leben des Marco haben mich wirklich beeindruckt, z.B. die lebenslange Liebe zu dem Nachbarsmädchen Luisa. Oder die tiefe Freundschaft, die ihn mit dem Psychoanalytiker Daniele verbindet, obwohl die beiden sich nur selten gesehen haben.
Auch wie aufopferungsvoll er sich zuerst um seine verhaltensauffällige Tochter und später um die Enkelin kümmert, gefällt mir. Viele Schicksalsschläge, wie z.B. der Suizid seiner Schwester Irene , der Tod seiner Tochter oder die Wachstumsstörung in seiner Kindheit haben ihn zu dem Mann gemacht ,der er ist. Einer der da ist, wenn man ihn braucht und der im richtigen Moment dass notwendige tut. Dabei hat er durchaus auch seine Laster, z.B. das Glücksspiel. Das macht ihn
aber eher sympathisch.
Was es mit dem "neuen Menschen ",den die Enkelin verkörpert, auf sich hat, habe ich nicht verstanden.
Das letzte Kapitel, nämlich der selbstgewählte Tod des Protagonisten, hat mich sehr berührt.
Insgesamt ein sehr komplexer Roman, der aber sehr lesenswert ist. Mein Tipp: Möglichst in einem Zug durchlesen, sonst verliert man den Überblick.

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