Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
MB
Wohnort: 
Rösrath

Bewertungen

Insgesamt 371 Bewertungen
Bewertung vom 11.09.2024
Sobald wir angekommen sind
Lewinsky, Micha

Sobald wir angekommen sind


sehr gut

Antiheldentum. Das ist der rote Faden, der sich durch Micha Lewinskys ersten Roman "Sobald wir angekommen sind" zieht. Lewinskys Antiheld Ben ist beherrscht von dem Gedanken, was sein Tun und Lassen bewirken könnte. Und stets fürchtet er irgendwelche Konsequenzen, was ihn zu einem unentschlossenen Zeitgenossen macht. Zumeist ist er jemand, der auf die Handlungen der anderen reagiert, sich nicht festlegen mag, keine Position bezieht. Das einzige, was ihn in seiner Identität bestärkt ist, dass er als Jude gewappnet sein und ständig auf irgendeine Flucht vorbereitet sein muss. Und es gibt einen Fluchtanlass: Den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Befürchtung, dass dieser Krieg sich ausweiten und zu einem atomaren Schlagabtausch führen könne, man auch in der Schweiz nicht mehr sicher sei. Zwar vorher getrennt von seiner Frau, aber immer noch in der gemeinsamen Wohnung zusammenlebend mit ihr und den beiden Kindern, beschließt die Familie nach Brasilien auszuwandern (wobei die Initiative nicht von Ben sondern von seiner Ex-Frau ausgeht). Ben ist Drehbuchautor, hat einen vor Jahren gut besprochenen Roman geschrieben und arbeitet zu 'Stefan Zweigs Zeit inkl. dessen Suizid in Brasilien, weshalb ihm genau dieses Fluchtziel als sehr geeignet erscheint, um sich erneut wieder ins Gespräch zu bringen. Gleichzeitig flieht Ben aber auch vor seiner Geliebten Julia, die er zurücklässt, und damit auch vor einer wichtigen Lebensentscheidung. In Brasilien scheitern Bens Versuche, Männlichkeit zu zeigen, Julia seine trotz der Distanz fortbestehende Liebe immer wieder zu verdeutlichen, seine Ex-Frau zurückzugewinnen, immer wieder. Ben gibt das Bild eines Mannes auf der Suche nach einer selbstbewussten, eigenen Identität ab; als einziges Identitätsangebot scheint sein Jüdischsein herhalten zu müssen; seine Kränklichkeit schützt ihn vor selbstbewusster Verantwortungsübernahme; als Leser:in möchte man Ben über das gesamte Buch hinweg an die Hand und besser noch an die Brust nehmen. Das Buch ist wie ein Film, bildmächtig und nie langweilig. Ben ist als Figur zwar überzeichnet, aber durchaus in sich stimmig ausgestaltet, nur so manche Reaktion der 'Mitwelt' auf Ben finde ich nicht ganz so nachvollziehbar und etwas konstruiert. Gut lesbar. Hat mir einige Schmunzler abgerungen.

Bewertung vom 11.09.2024
Man sieht sich
Karnick, Julia

Man sieht sich


gut

Unterhaltsam. 'Wenn nicht jetzt - wann dann', das denkt man als Leser:in des neuen Romans "Man sieht sich" von Julia Karnick schon bald nach den ersten Seiten. Darüberhinaus ist die Geschichte des Romans eine schon häufig und gern erzählte: Zwei Liebende, die in jungen Jahren nicht zueinander finden, viele Umwege gehen müssen, sich nach einer Zeit als Ältergewordene wieder begegnen und es am Ende, nach Jahrzehnten, als Menschen um die 50, dann doch ganz knapp schaffen, sich in ein Miteinander finden und sich dem hinzugeben, was die Leser:innen schon von Anbeginn an wissen: Dass die beiden, Friederike und Robert, füreinander bestimmt sind. Das Klassentreffen zu dem die beiden, inzwischen über 50, eingeladen sind und zu dem sie eigentlich gar nicht hinwollen, ist der Ausgangspunkt, von dem aus die Autorin in Rückblicken auf die Jugend Ende der 80-er und eine zweite Begegnung in den 2000-ern die beiden sich begegnen, sich irgendwie verlieben und auch wieder scheitern lässt. Neben den drei Zeitebenen, die in gut nachvollziehbarem Wechsel geschildert werden, wird die Geschichte abwechselnd einmal aus Roberts und das andere Mal aus Friederikes Perspektive erzählt. Die Figuren sind in ihrem Fühlen und Handeln sehr nachvollziehbar geschildert, haben ihre Ecken und Kanten, was die Geschichte trotz aller bereits am Anfang zu vermutender Schlussromantik recht lebensnah macht. Wunderbar geeignet auch als Hörbuch auf längeren Waldspaziergängen ;-)

Bewertung vom 09.09.2024
Die schönste Version
Thomas, Ruth-Maria

Die schönste Version


sehr gut

Intensität. Genau das ist es, was die Lesenden im Erstling "Die schönste Version" von Ruth-Maria Thomas erwartet. Müsste ich einen passenden Song für den Roman auswählen, würde ich mich für "This is not a lovesong" entscheiden. Klar, vordergründig geht es um die Liebe, das Begehrtwerden, die romantische Beziehung. Genau das sind die Sehnsüchte von Jella, die in den späten Nullerjahren in einer ostdeutschen Kleinstadt aufwächst, ihre ersten Erfahrungen mit ein wenig älteren Jungs sammelt und glaubt, so wäre die Liebe, obwohl sie sich offensichtlich nicht wohl damit fühlt, wie sie behandelt wird - sie passt sich an. Auch den besten Freundinnen gegenüber gibt es nicht die totale Offenheit. Jella lernt Yannick kennen und erlebt eine neue Intensität in der Beziehung - zunächst klappt auch alles recht gut, bis es dann zu ersten Eifersüchten kommt; und je mehr sich beide verletzen, desto intensiver scheint der Sex zu werden. Bis dann schließlich Yannick Jella bei einem eskalierten Streit würgt. Der Roman startet damit, dass Jella bei der Polizei Anzeige gegen Yannick erstattet, rollt anschließend ihre Geschichte und die Geschichte ihrer Beziehung mit Yannick auf. Beeindruckend tiefgehend - und auch wenn am Ende die Schuldfrage eindeutig zu beantworten ist, sind die Täter-Opfer-Rollen, je länger die Geschichte sich entwickelt, immer weniger eindeutig verteilt. Ein bedrückender Erstling. Unbedingt lesenswert!!!

Bewertung vom 09.09.2024
Ex-Wife
Parrott, Ursula

Ex-Wife


gut

Aufschlussreich. Mit wiederentdeckten Werken ist das so eine Sache. Im Kontext des Zeitpunktes ihrer Erstveröffentlichung mögen sie durchaus etwas Herausragendes darstellen, indem sie beispielsweise mit Hilfe der Form des Romans eine gesellschaftliche Situation kritisch- entlarvend beschreiben oder eine Protagonistin wählen, die einiges infrage- oder sogar auf den Kopf stellt. Und ich glaube, dass man so auch an Ursula Parrotts Roman "Ex-Wife" aus dem Jahr 1929 herangehen sollte. Beschrieben wird die absolute männliche Dominanz im Verhältnis der Geschlechter - sie haben das Sagen und das Recht sich innerhalb der Ehe durchaus andere Partnerinnen wählen zu dürfen. Umgekehrt gilt dieses Recht nicht, wäre Scheidungsgrund. In der erzählten Geschichte ist die Hauptperson Patricia zwar durchaus priviligiert und selbstbewusst, raucht und trinkt Unmengen, geht auf Partys, amüsiert sich, leidet aber gleichwohl unter ihrer Trennung von ihrem Mann Paul - eine starke Einbuße für ihr Selbstwertgefühl, versucht lange Zeit wieder seine Anerkennung zurückzugewinnen, bevor sie sich einer neuen Liebe zuwendet. Und doch gibt es nach meiner Auffassung Parallelen in dem Verhältnis der Geschlechter in der Gegenwart, weshalb es doch manchmal nicht ganz so verkehrt ist, sich einem wiederentdeckten Werk zu widmen. Der Roman ist konsequent in der Ich-Form erzählt und offenbart die Gedankenwelt einer Frau, die ständig bemüht ist, im Spannungsfeld zwischen Bindung und Unabhängigkeit ihre eigene Identität zu finden, statt sich lediglich auf ihre Rolle als 'Frau von...' zu beschränken. Durchaus lesenswert.

Bewertung vom 09.09.2024
Der Morgen nach dem Regen
Levensohn, Melanie

Der Morgen nach dem Regen


sehr gut

Gut lesbar und Tiefgang. Melanie Levensohn ist es mit ihrem aktuellen Roman "Der Morgen nach dem Regen" gelungen, dass ich jede freie Minute genutzt habe, nach dem Buch zu greifen. Und das liegt nicht daran, dass es einen irrsinnigen Spannungsbogen gibt, es zeichnen sich vielmehr von Beginn an viele Konfliktlinien ab, nach deren Auflösung man sich als Leser:in sehnt. Und so ist es ein Leichtes, den knapp über vierhundert Seiten zu folgen. Mutter Johanna ist als UN-Vertreterin in den Kriegs- und Krisengebieten dieser Welt unterwegs, liebt ihren Job, hat aber permanent ein schlechtes Gewissen gegenüber ihrer Tochter, die sie allzuhäufig mit Ehemann Ralph in New York allein lässt. Als die eigene Mutter stibt zwei Jahrzehnte später verstirbt - Johanna ist inzwischen getrennt, erbt sie das Haus in St. Goar und beschließt dorthin zu ziehen. Für Tochter Elsa, inzwischen erfolgreiche Anwältin am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, spielt der Job eine ähnlich große Rolle, bis zu dem Tag, an dem sie einen Burnout erleidet; Elsa muss zur Ruhe kommen, erinnert sich an ihre wohlbehüteten Kindertage bei ihrer Großmutter Toni in St. Goar und beschließt, Den Haag und auch ihren Freund zu verlassen, um sich im alten Haus der Großmutter zu erholen. Das Verhältnis zwischen Johanna und Elsa hat sich allerdings über die Jahrzehnte derart abgekühlt, dass ein konfliktfreies Miteinander nicht möglich scheint und beide nun vor der großen Herausforderung stehen, ihre Vergangenheit zu bewältigen. Die Gegenwartsebene ist in 2023 angesiedelt, die zweite Zeitebene in 2003; die Autorin hat sich für zwei Erzählperspektiven entschieden, die von Johanna und Elsa, was die Konfliktlinien zwischen Mutter und Tochter noch einmal betont. Schon der Titel des Buches verrät, dass die beiden es schaffen, sich wieder anzunähern, allerdings ist es ein langer, steiniger Weg. Punktabzug gibt es für den etwas kitschigen Kunstgriff, die verstorbene Großmutter Toni für Johanna quasi aus dem 'off' als Geist erscheinen und Ratschläge geben zu lassen. Ansonsten eine runde Sache, die bei all den auch berichteten Grausamkeiten aus den Krisengebieten, sogar einen kleinen Romantikfaktor im Beigepäck hat.

Bewertung vom 31.08.2024
Cascadia
Phillips, Julia

Cascadia


sehr gut

Gelungen. Und zwar äußerst gelungen. Märchenhafte Züge prallen auf die harte Realität. Schneeweißchen und Rosenrot in der herausfodernden Gegenwart des Nordwestens der USA. Julia Phillips ist mit ihrem aktuellen Roman "Cascadia" etwas gelungen, was man gerne bei Murakami liest - ein magischer Realismus, der Einbruch des Unerwarteten in die Wirklichkeit. (Sonst gibt es allerdings keine Parallelen zu Murakami). Sam und ihre ältere Schwester Elena halten sich mit Jobs geradeso über Wasser und müssen ihre sterbenskranke Mutter versorgen. Ein eher trostloses Leben; Elena stürzt sich neben der Arbeit in die Umsorgung der Mutter; Sam hat eine zunächst eher nüchterne Sexbeziehung zu Ben, um ihr Leben ein wenig 'aufzulockern'; was die Schwestern aber auszeichnet, ist ihr beidseitiger Zusammenhalt. Ein auftauchender Bär ändert dann aber alles. Zumal der Grizzly die Nähe von Elena zu suchen scheint. Elena bricht aus der schwesterlichen Gemeinschaft aus und projeziert auf ihr Verhältnis zum Bären die Hoffnung auf eine ander Zukunft. Und genau dies ist das nicht unmittelbar erkennbare Kernthema des Romans - das Gefangensein in den Verhältnissen, die Hoffnung auf Erlösung; auch auf die Gefahr hin, dass es nicht gut ausgehen mag. Julia Phillips erzählt nüchtern und unaufgeregt und wählt damit einen Erzählstil, welcher den passenden Rahmen für die Lebenswelt der Figuren setzt. Unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 28.08.2024
Geile Zeit
Seydack, Niclas

Geile Zeit


sehr gut

Lebensgeschichte persönlich. Niclas Seydack ist mit "Geile Zeit' ein äußerst unterhaltsames Buch gelungen. Ausgehend von der Perspektive seiner Generation schickt er seine Leserschaft durch die große und kleine Geschichte unseres Landes - und das über mehrere Jahrzehnte hinweg, bis ins Gegenwärtige hinein... und erzählt dabei auch ganz persönliche Geschichte, wo der eine oder andere schmunzelnd denken mag: 'Kenn' ich auch so'. Man mag über den Generationenbegriff als sinnvolles Unterscheidungsmerkmal zwischen Alterskohorten streiten; aber schließlich handelt es sich dabei ja auch nicht um 'die Wirklichkeit' sondern 'nur' um eine Betrachtungskategorie. Vielleicht sind sogar die Unterschiedlichkeiten innerhalb einer Generation größer als zwischen den Generationen. Folgt man aber Seydacks Generationenperspektive, so offenbart sich doch soetwas wie ein Lebensgefühl und dieses weiß der Autor ziemlich treffend zu beschreiben, indem er zentrale Prägungen benennt; persönliches Erleben, gesellschaftliche und politische Entwicklungen, einschneidende, krisenhafte Ereignisse. Eigentlich ein wilder Mix: 9/11; Corona; Lena & Mario; Counterstrike; Kohl & Merkel; Schulstreiche; das erste Mal... Aber alles ist gut miteinander verwoben, nie abstakt abgehoben; man merkt dem Buch an, dass der Autor nicht nur 'gesammelt' hat sondern offensichtlich auch selbst beim Schreiben viel Freude hatte. Konsequente Subjektivität - erzählte Geschichte.

Bewertung vom 19.08.2024
Das Pfauengemälde
Bidian, Maria

Das Pfauengemälde


gut

Schade. Maria Bidian, sicher auch angeregt durch die eigene Herkunft, hat sich in ihrem Debut-Roman "Das Pfauengemälde" einen an und für sich sehr gehaltvollen Stoff vorgenommen. Und es ist auch nicht so, dass sie nicht schreiben könnte - die Autorin versteht ihr Handwerk durchaus. Aber angelangt auf der letzten Seite, habe ich mich dann doch gefragt, was die Botschaft der Autorin an ihre Leser:innen sein könnte. Und keine rechte Antwort gefunden. Ana steigt zwei Jahre nach dem Tod ihres Vaters in den Zug und kehrt zurück in ihre rumänische Heimat; Anlass ist die Rückgabe des enteigneten Besitzes, wozu auch 'das Haus' zählt. Ana hingegen geht es vor allem um das 'Pfauengemälde'; sie lernt Familie und Verwandschaft neu kennen, erfährt einiges über ihren verstorbenen Vater, dem sie damals vor seinem Tod vor zwei Jahren gerne noch einen Besuch abgestattet hätte; sie erfährt einiges über die vergangene und gegenwärtige (politische) Situation in Rumänien. Und am Ende ist das Pfauengemälde kein wirkliches Gemälde, sondern nur eine Idee, nur eine Erzählung, die Mut machen sollte: "Der Pfau, das Tier der Hoffnung, der Unsterblichkeit, des Stolzes und der Liebe, der aus dem Tod aufsteigt." Die Geschichte ist ein klein wenig Familiengeschichte, ein klein wenig Identitätssuche und ein klein wenig Befreiungsgeschichte... aber von allem halt nur ein klein wenig.

Bewertung vom 13.08.2024
Pi mal Daumen
Bronsky, Alina

Pi mal Daumen


sehr gut

Amüsant. Alina Bronsky hat sich für ihren neuen Roman "Pi mal Daumen" zwei Außenseiterfiguren ausgedacht, lässt sie aufeinander treffen und zueinander finden. Da ist zum einen der hochbegabte 16-jährige, mit leicht autistischen Zügen ausgestattete Oscar, wohlsituiert mit Adelstitel und zum anderen die Anfang 50-jährige Moni Kosinsky, ein 'bunter Vogel', bereits Großmutter dreier Enkel, die ihr Leben und das der Familie mit Jobs unterhalten muss, über gute soziale Kompetenzen und eine riesige Portion Empathie verfügt. Die beiden, die gegensätzlicher nicht sein könnten, treffen sich zum Mathematik-Studium an der Uni, aber nur, weil für die Zuspätkommerin Moni der Sitzplatz neben Oscar zufällig noch frei ist. Die sich entspinnende Handlung ist konsequent aus Oscars Perspektive erzählt und wir Lesenden erhalten die Gelegenheit, die Dinge durch die Asperger-Brille zu sehen. Aber auch die anderen Gestalten (die Profs, die Familien der beiden Protagonisten und auch die Mitstudierenden) sind auf ihre Art besonders. Es lebe die Vielfalt, die aber auch Nährboden für Stereotype und Vorurteile ist. Natürlich nähern sich Oscar und Moni an, es wird ein mittelschwerer Skandal aufgedeckt, was mal wieder unter Beweis stellt, dass der Schein zuweilen das Sein überstrahlt. Sowohl Oscar als auch Moni durchleben eine Veränderung ihrer Persönlichkeit und es kommt zu einem (fast) versöhnlichem Schluss. Der Punktabzug erklärt sich dadurch, so habe ich es beim Lesen erlebt, dass Oscars Wahrnehmungsperspektive, seine Sicht auf die Dinge, nach circa der Hälfte der Geschichte die Handlung nicht mehr ganz so gut trägt und man beginnt, auf eine Wendung zu warten... und da hat Alina Bronsky uns ja nicht enttäuscht. Alles gut! Bitte lesen!

Bewertung vom 13.08.2024
Seinetwegen
Del Buono, Zora

Seinetwegen


weniger gut

Vaterlosigkeit. In Zora del Buonos neuem Buch "Seinetwegen" macht sich die Autorin auf die Suche nach dem Mann, der die Schuld an den Autounfall trägt, bei dem ihr Vater zu Tode gekommen ist als sie gerade einmal drei Jahre alt war. Mittlerweile sechzig Jahre alt startet sie nicht nur eine Erkundung, um 'eine Leerstelle in ihrem Leben' zu füllen, sondern lässt in "Seinetwegen" die interessierte Öffentlichkeit teilhaben. Weshalb es sich auch nicht um einen Roman im eigentlichen Sinne handelt. Mir hat sich auch die Frage gestellt, ob man darüber ein Buch schreiben muss. Natürlich kann man andere Menschen teilhaben lassen. Es ist auch kein Trauerbuch über den früh verlorenen Vater und bei der Recherche reisst die Autorin Themen an und führt Details auf, die zuweilen den Anschein des reinen Berichtens um des Berichtens willen haben. Da werden plötzlich Automarken interessant und Personen / Familiengeschichten, die nur sehr entfernt mit dem Kernvohaben zu tun haben, eine Antwort auf die Frage zu finden, wer dieser Mensch war, der Schuld am Tod des Vaters ist. Auch werden Vermutungen angestellt, die einer zu einer Erhellung nur wenig beitragen können - beispielsweise, ob der Fahrer des totbringenden Autos schwul gewesen sei. Mich hat das Buch recht unbefriedigt zurückgelassen... aber vielleicht ist das bei 'unvollständigen Puzzles' immer so.