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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Pitty318
Wohnort: 
Lahn-Dill

Bewertungen

Insgesamt 55 Bewertungen
Bewertung vom 29.06.2022
Ein unvollkommener Ehemann
O'Flanagan, Sheila

Ein unvollkommener Ehemann


ausgezeichnet

Eine zarte, sanfte Geschichte, die Gedanken und Gefühlen nachspürt

Ein Buch, das leise daher kommt, aber große Bedeutung hat. Die Geschichte spielt in Irland und handelt von Roxy, die bestürzt über das Verhalten ihres Mannes ist. Die emotionale Nähe zu ihrem Mann hat einen Riss bekommen, seit sie ihn in flagranti mit der Nachbarin im eigenen Ehebett gesehen hat. Roxy versucht ein neues Gleichgewicht zu finden. Sie möchte den Riss kitten, aber wie kann es gelingen, wenn ihr Herz unentschlossen ist? Und warum ist es überhaupt unentschlossen?

Roxy lässt uns an ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben, selbstkritisch, reflektiert, am Anfang gefangen in die Bedürfnisse ihrer Kinder, ihres Mannes, Rollenbildern und Traditionen. Sie ist eine moderne Frau, die ihren Mann liebt und die Partnerschaft mit ihm sehr schätzt. Seit der Erkrankung ihres Vaters hat sie seine Taxi-Servicefahrten zum Teil übernommen und diese scheinen ihr jetzt der einzige Halt zu sein.

Das Buch ist weniger witzig als ich gedacht habe, dafür hat es mehr Tiefe als ich erwartet hatte. Sheila O‘Flanagan beschreibt mit einer großen Präzision die inneren Gefühlszustände der Protagonistin Roxy. Diese Innenansicht und die Entwicklung von Roxy haben mich außerordentlich beeindruckt. Roxy findet immer mehr Worte für ihre Lebenssituation und ihre Gefühlswelt. Das ist der große Pluspunkt dieser Erzählung.

Der Schreibstil ist flüssig und gut zu lesen. Das Buch ist gespickt mit kleinen, plastisch erzählten Details, die meine Vorstellungskraft angeregt haben. Manchmal hatte das Buch kleine Längen und ich wusste nicht, wo es langgeht und auf was es hinausläuft. Immer dann vertraute ich mich dem Buch an und las einfach weiter. Es fühlte sich dann wie im richtigen Leben an: manchmal muss man einfach vertrauen und weitergehen (-lesen) und … wie Roxy neue Räume erobern.

Das Buch kann ich Lesenden empfehlen, die in dieser Betrogensein-Situation den Standpunkt der Protagonistin erfahren möchten und die zahlreichen Für und Wider abgewogen wissen wollen.

Bewertung vom 24.06.2022
Fräulein Stinnes und die Reise um die Welt
Jansen, Lina

Fräulein Stinnes und die Reise um die Welt


ausgezeichnet

Ein Jahres-Lesehighlight - Weltreise einer außergewöhnlich mutigen Frau

Die Geschichte von Clärenore Stinnes (1901-1990) und ihrer Weltreise mit dem ersten serienmäßig herstellten Auto der Firma Adler ist ein ganz wunderbares Buch über den Mut einer jungen Frau in einer Zeit als üblicherweise Frauen von ihren Eltern noch verheiratet wurden und für Haushalt und Kinder zuständig waren. Obwohl Clärenore aus einer reichen Industriefamilie stammt, hat sie von dort kein Geld für diese Reise erhalten. Auch die Adler-Werke haben lediglich das Auto bzw. zwei Autos beigesteuert und den Lohn der zwei Mechaniker bezahlt. Alle weiteren finanziellen Mittel für die Reise hat Frau Stinnes von Sponsoren eingeworben.

Das 1929 veröffentlichte Reisetagebuch Im Auto durch zwei Welten von C. Stinnes diente der Autorin als Vorlage für ihren Roman.
Der Schreibstil ist temporeich und kurzweilig, und es war ein großes Vergnügen, die Reisegruppe auf ihrer strapaziösen Weltreise zu begleiten. Sie lernen viele gefährliche Situationen zu überbrücken und zu überleben. Manchmal hilft einfach nur Mut zum Handeln oder Mut zur Flucht. Das Buch ist sehr spannend und nah geschrieben und ich habe an vielen Stellen mitgezittert. Sehr gerne hätte ich allerdings noch mehr Fotos außer dem auf dem Cover abgedruckten gesehen.

Die Autorin Lina Jansen vermutet, wäre Clärenore Stinnes ein Mann gewesen, wäre sie in die Geschichte eingegangen und ähnlich wie Charles Lindbergh berühmt geworden. So hat sie ihr mit diesem Buch ein Denkmal gesetzt.

Für den Roman kann ich eine uneingeschränkte Leseempfehlung geben. Es wird Lesende ansprechen, die gern in eine andere geschichtliche Zeit eintauchen und hautnah die Schwierigkeiten der ersten Weltumrundung mit einem Automobil kennenlernen möchten. Wer allerdings zusätzlich zahlreiche Beschreibungen von Sehenswürdigkeiten erwartet, wird enttäuscht werden.

Bewertung vom 24.06.2022
Der Geschmack von Freiheit / Töchter der Speicherstadt Bd.2
Marschall, Anja

Der Geschmack von Freiheit / Töchter der Speicherstadt Bd.2


ausgezeichnet

Eine Geschichte, die unter die Haut geht

Der zweite Band über die Familiengeschichte der Kaffeehandelsfirma Behmer & Söhne beginnt 1929 und endet 1945.
Claire Behmer ist fast erwachsen und möchte studieren, sie hat andere Interessen als die Firma zu übernehmen. Maria, ihre Mutter, will zum erstenmal wieder in ihre Heimat Brasilien fahren. Der Nationalsozialismus kündigt sich als unheilbringende Zeit an. Im Bekanntenkreis der Familie Behmer befinden sich zahlreiche jüdische Familien, was wird aus ihnen jetzt werden? Auch für die Firma Behmer & Söhne ist es eine schwere Zeit, greift doch die Partei der Diktatur, die NSDAP, nach vielen Machtpositionen.
Das Buch ist gespickt mit historischen Ereignissen, vor allem wird hautnah erzählt, wie sie alle Familienmitglieder betreffen.

Mein Einstieg in das Buch war mit einer kleinen Enttäuschung verbunden, da ich die Figur der Mutter Maria Behmer aus Band 1 sehr ins Herz geschlossen hatte und gerne mehr mit ihr erlebt hätte. Durch den Zeitsprung zwischen Band 1 und 2 ist aber ein Wechsel angesagt. Der Schreibstil ist wie bei Band 1 flüssig und sehr spannend, die Geschichte ereignisreich.

Mich hat sehr begeistert, dass viele der mitwirkenden Charaktere als Persönlichkeiten mit Profil ausgestaltet waren, von den Hausangestellten bis zum Buchhändler. Das gab mir das Gefühl, die Personen gut zu kennen und mit ihnen sehr vertraut zu sein. Um so schrecklicher waren dann die Jahre der Nazidiktatur für mich. Die Szenen wurden von der Autorin Anja Marschall sehr lebensecht erzählt, ich musste das Buch mehrmals aus der Hand legen, weil es mir zu viel war. Der Hunger und der Beschuss der Hamburger Bevölkerung zur Zeit des Krieges haben mir sehr zugesetzt. Wahrscheinlich auch wegen der aktuellen Lage in der Ukraine.

Ein spannender, ereignisreicher und realitätsnaher zweiter Band, den ich sehr gerne weiterempfehle. Ich bin gespannt, wie es in Band 3 weitergeht.

Bewertung vom 05.06.2022
Wie man sich einen Lord angelt
Irwin, Sophie

Wie man sich einen Lord angelt


ausgezeichnet

Eine tatkräftige Kitty mischt die Londoner High Society auf

Begeistert habe ich Band 1 des Lady’s Guide von Sophie Irwin verschlungen. An keiner Stelle habe ich mich gelangweilt oder bin irritiert über die Handlung gewesen.
Kitty Talbot muss nach dem Tod beider Elternteile für sich und ihre vier Schwestern sorgen, da die Eltern ihren Kindern nur Schulden hinterließen. Da Kitty selbst als Frau zu dieser Zeit kaum Möglichkeiten hat, etwas zu verdienen, bleibt nur die Alternative, einen Mann zu heiraten, der finanziell gut ausgestattet ist und ihrer Familie adäquat unter die Arme greifen kann. Dazu hat sie die Idee nach London zu fahren, um dort mehr Gelegenheiten zu bekommen, das Interesse eines reichen Mannes auf sich zu lenken.

Das Cover zum Buch hat mir sehr gut gefallen. Es strahlt etwas Elegantes und gleichzeitig Verschmitztes aus. Die Farbwahl in türkis/rosé ist erfrischend modern. Die Boxbroschur des Buches ist sehr handlich und schützt das Buch sehr gut. Der hintere Deckel ist beim Lesen ganz einklappbar, so dass er nicht stört. Für mich ist es das erste Buch in dieser Gestaltung.

Kittys Unterfangen, einen gut situierten Ehemann zu angeln, hat mich amüsiert und mir hervorragend gefallen. Der Schreibstil ist flüssig, leicht und liest sich sehr gut. Ich konnte mir die Ausstattung, die Kleider der gesellschaftlichen Ereignisse und die Personen sehr gut vorstellen. Der Roman hat Tempo, Witz und ist sehr kurzweilig.

Sophie Irwin hat eine tatkräftige, intelligente, das Schicksal selbst in die Hand nehmende Figur erschaffen, die sympathisch durch die hohe Londoner Gesellschaft geistert. Etwas ist mir allerdings die Verliebtheit und Romantik zum Ende des Buches zu kurz gekommen. Das Ende hat bei Jane Austen einfach mehr „Bauchgefühle“ beim Lesen erzeugt. Trotzdem habe ich das Lesen des Buches sehr genossen und empfehle es allen Fans der Regency-Zeit sehr gerne. Ich freue mich schon auf den nächsten Band der Reihe.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.06.2022
Kopf über Wasser im Alltagschaos
Davis, KC

Kopf über Wasser im Alltagschaos


ausgezeichnet

Überraschend anders und für Menschen mit wirklichen Problemen, die ihre alltäglichen Haushalts- oder Körperpflegeaufgaben für sich in den Griff bekommen möchten.

Ein unkonventionelles und therapeutisches Buch mit neuen Lösungsansätzen, das eine wertschätzende Einstellung uns selbst gegenüber einfordert.

Bei Erkrankungen wie z. B. Depression, ADSH, Angststörungen, andere psychische Erkrankungen kann die Fähigkeit Routineaufgaben des täglichen Lebens aber auch die Körperpflege zu erledigen, beeinträchtigt sein. Diese Routinearbeiten, die immer wiederkehren, bezeichnet KC Davis allgemein als Care-Aufgaben, da sie Sorge tragen, dass es einem selbst und der Familie gut geht.

Das Buch ist ein ganz neuer Ansatz. Kein Ansatz, der auf neuen Ordnungssystemen oder anderen Zusammenfaltsystemen beruht, sondern wirklich auf das Problem und auf den Menschen mit den ihm eigenen Blockaden eingeht.
Für die Autorin KC Davis steht unbedingt das eigene Wohlfühlen und die eigenen Bedürfnisse im Vordergrund und ihr Buch hilft den eigenen Scham- und Versagensängste entgegenzuwirken und diese abzubauen.
KC Davis berichtet unter anderem ganz persönlich aus ihrem Leben und ihrer Erfahrung, aber auch, wie sie und was sie für Lösungen gefunden hat. Ein zentraler Punkt für sie ist, dass etwas einen Zweck erfüllt und eine Vorgehensweise funktionell ist. Auch wenn eine Vorgehensweise nicht herkömmlich ist, aber funktioniert, ist sie in Ordnung. Sie motiviert dazu, sich neue eigene Lösungen auszudenken, Ordnungsarbeit neu zu definieren: zum Beispiel: Organisiert ist nicht dasselbe wie ordentlich. Sie regt zudem an, kreativ zu sein und an das Problem angepasste Lösungen zu suchen.

In dem Buch werden viele neue Ideen und Sichtweisen angesprochen, es hat mir daher sehr gefallen und habe es selbst als hilfreich empfunden. Vor allem der wertschätzende Umgang mit sich selbst, der als Türöffner für Veränderungen wirkt, hat mich mehr als überzeugt.

Bewertung vom 14.05.2022
Gretas Erbe / Die Winzerin Bd.1
Engel, Nora

Gretas Erbe / Die Winzerin Bd.1


ausgezeichnet

Spannende und abwechslungsreiche Familiengeschichte um Greta in einer Winzerfamilie in den 70er Jahren

Greta wird von der Familie Hellert aufgenommen als ihre 17—jährige Mutter bei ihrer Geburt stirbt. Als sie größer ist, ist sie vor allem Haushalts- und Winzerhilfe in der Familie. Greta würde sehr gern beruflich auf eigenen Beinen stehen. Ihr Herz hat sie an Robert, den mittleren Sohn der Familie Hellert, verloren.

Der Roman lebt zu Beginn etwas davon, dass man als Leserin das Erbe von Greta erwartet. Dann aber beginnt eine eigene Dynamik und ich bin in das Leben, die Wünsche, Hoffnungen und Sehnsüchte der jungen angenommenen Waise Greta hineingezogen worden und habe das Buch verschlungen.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen. Er liest sich sehr flüssig und es passieren ständig neue Ereignisse, so dass ich das Buch an keiner Stelle langweilig empfunden habe. Ich habe zahlreiche interessante Informationen zu Weinanbau und -herstellung, die nebenbei erwähnt werden, erfahren. Vor allem das Vorgehen beim Schutz der Weintrauben vor Nachtfrösten war mir vorher nicht bekannt in der Umsetzung.

Die Geschichte wird überwiegend aus der Sicht von Greta erzählt, lediglich an einer Stelle erfährt man mehr über die Gedanken ihrer Ziehmutter. Die Sichtweisen der anderen Figuren bleiben eher verborgen. Diese zusätzlichen Sichtweisen hätten mir die anderen Personen sicher etwas näher gebracht und den Roman insgesamt noch aufgewertet. Trotzdem hat das Buch mir ein großes Lesevergnügen bereitet und ich gebe eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

… und die Musiktitel der 70er Jahre müssen einfach mitgesummt und wieder einmal gesungen werden. Herrlich!

Bewertung vom 23.04.2022
Danke, Afrika! Was ich zwischen Dschibuti und Marokko fürs Leben lernte.
Wendt, Lena

Danke, Afrika! Was ich zwischen Dschibuti und Marokko fürs Leben lernte.


ausgezeichnet

Spannendes und sehr persönliches Sachbuch mit Happy End

Danke, Afrika! ist ein ganz persönlicher Bericht über die Erlebnisse von Lena Wendt, die heute als Fotografin, Tanz- und Yogalehrerin und Mitgründerin des Labels Dihiya Inspired in Marokko lebt und arbeitet. Lena hat ihr Herz an den afrikanischen Kontinent oder besser an die Menschen, die dort leben, verloren. Sie beschreibt die Spontanität, die Lebensfreude und die Offenheit genauso wie die Trostlosigkeit, die Unerbittlichkeit und die Armut.
Das Buch besteht aus zwölf Kapiteln, die jüngeren Datums sind, und während der Corona-Pandemie in Marokko entstanden sind. Die weiteren elf Kapitel sind Erzählungen von Ihren Reisen durch den Kontinent in den Jahren von 2008 bis Anfang 2020. Lena Wendt besuchte insgesamt elf verschiedene Länder und hatte mehrere Jahre bereits in Marokko gelebt, bevor sie in der Corona-Pandemie dort - absichtlich - „gestrandet“ ist.
Lena Wendt hat einen sehr wertschätzenden Blick auf die Menschen. Ohne die Distanz zu verlieren, bleibt sie jedoch immer realistisch. Sie beschreibt viele Situationen, teilweise sehr persönliche, die ihre Liebe für die Menschen auf dem Kontinent deutlich werden lassen.

Beeindruckt hat mich ihre große Reflexionsfähigkeit, denn nicht nur in einer Situation hat sie ihr eigenes Handeln bewusst hinterfragt und neue Wege gesucht.
Das Buch war für mich eine große Bereicherung. Es lässt sich sehr gut lesen, der Schreibstil ist flüssig und die Geschichten spannend und berührend. Es vermittelte mir einen Blick auf die Menschen in Afrika, den ich bisher nicht hatte. Zahlreiche Fotos illustrieren ihre Erzählungen.

Danke, Lena für die schöne, ereignisvolle Reise durch zwölf Länder Afrikas, für den Mut, mit dem Du neue Abenteuer suchst und andere teilhaben lässt und für die Wertschätzung, die Du durch Deine Sichtweise vermittelst.

Ich kann das Buch denjenigen sehr empfehlen, die Spaß haben, durch persönliche Geschichten die Lebensweise und die Kultur von Menschen in Afrika kennenzulernen.

Bewertung vom 09.04.2022
Der Papierpalast
Heller, Miranda Cowley

Der Papierpalast


ausgezeichnet

Da in dem Buch heftige Szenen beschrieben werden, wäre eine Triggerwarnung angemessen gewesen.

Eine Frau erzählt aus ihrem Leben als Kind, Jugendliche, Erwachsene, Ehefrau, Mutter und Geliebte, von Sexualität, Traumata, Schuld, Verantwortung und Liebe.
Die Geschichte wird in zwei Erzählsträngen erzählt. Einem Erzählstrang, der in der Vergangenheit bei 1966 beginnt und meist in Jahren vorwärts erzählt wird.
Ein zweiter Erzählstrang handelt von einen Tag im Leben von Eleanor in der Gegenwart, ihren Erlebnissen, Befürchtungen und Entscheidungen zusammen mit ihrer Familie an dem Urlaubsort in Black Wood.

Eleanor (Elle) hat mit Ihrem Mann Peter zusammen drei Kinder. Sie sind fast jedes Jahr im Sommer in Black Wood, wo Eleanor schon als Kind mit ihren Eltern den Urlaub verbracht hat. Als Teenager hat sie dort Jonas kennengelernt, und eine intensive Teenager-Beziehung ist durch ihre gemeinsamen Urlaubserlebnisse entstanden. Später lernt Eleanor Peter kennen und heiratet ihn. Sie liebt ihre drei Kinder und ihren Mann, fühlt sich aber gleichzeitig unwiderstehlich zu ihrem alten Jugendfreund, der inzwischen ebenfalls verheiratet ist, hingezogen. Wie und unter welchen Voraussetzungen wird sie ihre Entscheidung in der Gegenwart treffen?
Sehr unaufgeregt schreitet die Erzählung mit vielen Naturdetails voran.

Mich hat die Autorin schon gleich auf den ersten Seiten in den Sog der Lebensgeschichte von Elle gezogen. Dieser Sog hielt bei mir bis zur Hälfte des Buches an. An der Stelle war ich soweit, das Buch aus der Hand zu legen und abzubrechen, weil die Ereignisse mich unglaublich betroffen gemacht haben. Die emotionale Verwicklung von Elle war kaum aushaltbar gewesen. Aber, ich wollte wissen, welche Ereignisse Elles und Jonas Leben überschatteten und ich las weiter und merkte, dass das zu Ende lesen etwas sehr Heilsames hatte. Das Buch handelt von vielen Gefühlen, durch die eine Frau im Leben durchgehen kann: Verliebtheit, Dumpfheit, Hass, Trauer, Schuldgefühle, Eifersucht, Ärger, Versöhnlichkeit, Freude, Erleichterung, Liebe … Diese Gefühle werden nie direkt ausgesprochen, aber alle spiegeln sich bei der Leserin wider.

Um bei den Erzählsträngen den Überblick zu behalten, habe ich manchmal zurückblättern müssen. Auch die zahlreich erwähnten Personen waren nicht immer einfach zuzuordnen. Das Buch ist keine einfache Sommerlektüre und kein Liebesroman! Aber gerade deshalb zählt Der Papierpalast zu meinen Lesehighlights des Jahres 2022. Wer gerne facettenreiche Geschichten - leicht und detailreich erzählt und mit sehr, sehr viel Tiefgang - liest, wird nicht enttäuscht werden.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.03.2022
Die Tochter
Hye-jin, Kim

Die Tochter


ausgezeichnet

Frauensolidarität erleben

Die Geschichte ist die Innenansicht einer südkoreanischen Mutter zu den Ereignissen und Konflikten, die ab dem Einzug ihrer lesbischen Tochter in ihre Wohnung in ihr Leben treten. Sie beginnt damit, dass die Tochter (Green) gemeinsam mit ihrer Lebenspartnerin (Rain) in die Wohnung der Mutter einziehen muss. Dadurch verschärft sich das Problem, das die Mutter mit der sexuellen Orientierung ihrer Tochter hat, sehr arg. Ihre traditionelle Rollenauffassung bietet ihr keinen Spielraum. Im Verlauf des Romans entsteht ein weiterer Konflikt für die Mutter an ihrer Arbeitsstelle im Pflegeheim, der ihre ganze Kraft erfordert und für dessen Lösung sie Unterstützung braucht.

Der Roman ist sehr gut lesbar, hat aber durch das Thema eine Schwere und Härte, wodurch das Buch für mich anstrengend zu lesen war und mich sehr bedrückt zurückgelassen hatte. Erst spät erkannte ich, wie das Ende der Geschichte noch interpretiert werden kann und meine Bedrückung löste sich auf. Das Buch Die Tochter hat mich emotional sehr beschäftigt und gleichzeitig angeregt über viele Lebenssituationen nachzudenken.

Die Autorin hat einen sehr gut konstruierten Roman geschrieben, der viel Interpretationsmöglichkeiten bietet. Nicht nur die Vergabe der symbolhaften Namen Green und Rain für die jüngeren Frauen, ist sehr gelungen. Green erinnert an Pflanzen und Bäume und mit Rain wird Regen und Wasser assoziiert. Was braucht man mehr im Leben als Nahrung und Wasser? Auch andere Namen wirkten sehr symbolträchtig ausgewählt. Die Akteurinnen sind überwiegend Frauen, so dass man sich in einem Frauenkosmos versetzt fühlt. Es werden weiterhin mehrere für die koreanische Gesellschaft heikle Themen in diesem nur 180-seitigen Roman unverblümt über die Gedanken der Mutter angesprochen.

Ich kann das Buch sehr empfehlen für Leser*innen, die sich über das Leben von Frauen in Südkorea und speziell auch die Lebenssituation homosexueller Paare dort informieren wollen. Es ist nicht einfach, die Schwere des Buches auszuhalten, aber die Lösung, die die Mutter am Ende des Buches für „ihren“ Konflikt findet, ist eine universelle Lösung für jede Form von Diskriminierung — nicht nur in Südkorea. … und das ist das Hoffnungsvolle.

Bewertung vom 05.03.2022
Gala und Dalí - Die Unzertrennlichen / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.1
Frank, Sylvia

Gala und Dalí - Die Unzertrennlichen / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.1


ausgezeichnet

Eine 52 Jahre andauernde Liebes- und Arbeitsbeziehung

Sehr jung haben sich die Russin Gala und der Franzose Paul Éluard kennengelernt und noch vor Ende des Ersten Weltkrieges geheiratet. Als beide von dem befreundeten Galeristen René Magritte zu einem Sommerurlaub an die Ostküste Spaniens eingeladen werden, fährt Gala nur ungern dorthin mit. Der Galerist hat eine erste Ausstellung mit dem noch unbekannten spanischen Künstler Salvadore Dalí in Paris vereinbart und die Sommerreise geht in den kleinen Fischerort Cadaques (Katalonien), um den Künstler Dalí in der Nähe seines Heimatortes zu besuchen.
Dalís Herz ist sofort für die zehn Jahre ältere Gala entbrannt. Gala ist zurückhaltend, da sie Dalí nicht einschätzen kann und zudem mit ihrem Mann ein gemeinsames Kind hat. Sie merkt aber sehr früh, dass hinter dem etwas verrückten Gebaren und den Ideen Dalís ein Künstler steckt, der Potential hat.

Die Liebesgeschichte zwischen Gala und Dalí wird von dem Autorenpaar Sylvia Frank ganz zart und einfühlsam erzählt. In den Text eingebaut sind zahlreiche Andeutungen und teilweise Kurzbeschreibungen von Dalís Bildern, was mir ausgesprochen gut gefallen hat. Am besten ruft man sich vor dem Lesen des Buches noch einmal seine Werke in Erinnerung. Mir war die Geschichte zwischen Salvadore Dalí und seiner späteren Frau völlig unbekannt und durch die Erzählung habe ich zusätzlich den Pariser Surrealisten Kreis kennengelernt. Etwas traurig war ich am Ende des Buches. Sehr gern hätte ich die beiden noch auf die erste Ausstellungsreise nach Amerika begleitet. Der Schreibstil des Autorenpaares hat mir außerordentlich gut gefallen und ich freue mich schon jetzt auf das nächste Buch aus ihrer Feder.

Empfehlen kann ich das Buch allen, die eine realitätsnahe Liebesgeschichte aus der Zeit von vor ca. 100 Jahren lesen möchten und sich für die Rolle von Gala in Dalís Leben interessieren.