Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
LaberLili

Bewertungen

Insgesamt 162 Bewertungen
Bewertung vom 17.06.2023
Das Netz / Island-Trilogie Bd.1 (eBook, ePUB)
Sigurðardóttir, Lilja

Das Netz / Island-Trilogie Bd.1 (eBook, ePUB)


gut

Einem klassischen Krimi entspricht „Das Netz“ nicht: die Protagonistin Sonja kann von Anfang an als eine der Bösen gelten und man wird hier direkt damit konfrontiert, dass sie ihr Geld als Drogenkurierin verdient; angesichts der Buchbeschreibung hatte ich eher erwartet, zunächst davon zu lesen, wie sie in diese Kreise abrutscht, aber sie steckt bereits am Beginn der Geschichte mittendrin. Eh ist die Beschreibung ein wenig verfehlt, denn auch die Beziehung zu Agla ist als solche gar nicht definiert: Während Sonja sich da deutlich mehr „Offizielles“ wünscht, hadert Agla, die vor Sonja noch nie mit einer Frau zusammen war, arg damit, sich in eine Frau verliebt zu haben, denn sie ist doch gar nicht „so eine“.
Tatsächlich verlaufen die Geschichten dieser beiden Frauen hier eher parallel, von diversen gemeinsam verbrachten Nächten mal abgesehen und sehr vielen Grübeleien, ob und zu was diese Beziehung, oder Nicht-Beziehung, führen soll/könnte.
Auch der Bragi-Strang wird später parallel eingeflochten; die Handlung rund um Sonja steht zwar klar im Fokus und macht das Gros dieses Romans aus, aber insgesamt werden da eben drei Hauptfiguren thematisiert, deren Wege sich, mal häufiger, mal seltener, überkreuzen.

Ich habe „Das Netz“ jetzt als eher ruhigen Roman empfunden. Völlig einfangen konnte mich die Geschichte nicht, denn tatsächlich passierte gar nicht so viel, außer dass Sonja immer mehr Drogen aus dem Ausland nach Island schmuggeln sollte, Bragi mit dem Pflegeheim seiner Frau mehr als unzufrieden war und Agla zum Einen nicht zugeben wollte, lesbisch zu sein, zum Anderen aber ohnehin damit beschäftigt war, sowohl ihre Beteiligung als auch die einiger Kollegen am isländischen Bankencrash zu verschleiern.
Gelangweilt habe ich mich während des Lesens nicht, wobei für Spannung eigentlich nur die Frage sorgte, ob Sonja je aussteigen würde können und wie die großen Drogenbosse da weiter auf sie reagieren würden. Später wird zwar noch die Frage aufgeworfen, wer eigentlich da der oberste Drahtzieher ist, aber was vermutlich für einen Mindf*-Moment sorgen sollte, war für mich völlig absehbar. Mit der Beteiligung dieser Person hatte ich schon frühzeitig gerechnet und ab DEM großen Spannungsmoment in diesem Buch war es eigentlich völlig absehbar und da habe ich mich wirklich gewundert, dass die sonst eher abgebrüht auftretende Sonja da völlig den Kopf verlor und überstürzt zu handeln begann. Bzw. ihr Verhalten konnte ich angesichts dieser dort geschilderten Notsituation sogar noch halbwegs nachvollziehen, aber auch ihr Umfeld mit der vermeintlich sauberen Weste hat da nicht so reagiert, wie man es eigentlich erwarten sollen dürfte, von daher war es nicht ganz nachvollziehbar, dass eine gewisse Enthüllung sie später ganz kalt erwischt haben sollte. (Ja, das klingt jetzt kryptisch, aber ich will nicht spoilern. Wer von Anfang an aufmerksam liest und nur ein klitzekleines bisschen weiterdenkt, für den wird es hier aber keinen Plot Twist, sondern lediglich eine Bestätigung, geben.)

Das Ende ist auch semi-offen: Es gibt keinen klaren Cut, aber der Schluss war als solcher für mich nun auch akzeptabel. Es ist einfach eines dieser Enden, die dazu einladen, die Geschichte ab hier selbst noch ein wenig weiterzuspinnen – oder eben den nächsten Band zu lesen. Ich habe dabei allerdings nur wenig Interesse an der Trilogie im Gesamten entwickelt und werde es vermutlich dabei belassen, einfach nur „Das Netz“ gelesen zu haben.

Bewertung vom 16.06.2023
Der Herzgräber (eBook, ePUB)
Williams, Jen

Der Herzgräber (eBook, ePUB)


gut

Angesichts des Klappentextes hatte ich sehr viel mehr Hier & Jetzt erwartet; gefühlt fasst die Buchbeschreibung auch kaum mehr als das erste Kapitel zusammen. Da hatte ich definitiv damit gerechnet, dass es sehr viel mehr Vorlauf geben würde, bis es zu Heathers Gesprächen mit Reave kommt, aber das passiert eigentlich schon, kaum dass sie herausgefunden hat, wer der ominöse Briefkontakt ihrer Mutter war und basiert eher darauf, dass sie um diese Gesprächstermine gebeten hat, in der Hoffnung, mehr über ihre Mutter zu erfahren als darauf, dass die Polizei selbst ihr diese Gelegenheit zunächst angetragen hätte. Jene sieht letztlich nur eine Chance, dass der im Allgemeinen wortkarge Reave in den Unterhaltungen mit Heather Bemerkungen fallen lässt, die hilfreich für die gegenwärtigen Ermittlungen sein werden.
Ich war da wirklich auf einen ziemlich anderen Roman eingestellt gewesen, nämlich einen Thriller, in dem es klar um aktuelle Mordermittlungen gehen würde und in dem Heather mit dem im Klappentext erwähnten Ben eine Art Ermittlerduo bilden würde. Tatsächlich erfährt man aber nur wenig von dem, was in Polizeikreisen grad vor sich geht: "Der Herzgräber" bleibt da doch sehr auf Heather fokussiert, die das Verhältnis ihrer Mutter zum Serienkiller ergründen will und dafür in deren Vergangenheit einzutauchen versucht. Parallel wird in einem anderen Zeitstrang von einem Jungen erzählt, der quasi zum Mörder erzogen wird; eingangs wird einmal ganz direkt angedeutet, dass es sich hierbei um Michael Reaves handelt, der aber zum Einen darauf beharrt, unschuldig zu sein und sich nie zu auch nur einem Mord bekannt hat und zum Anderen bleibt nach dieser einen Namensnennung aber zunächst sehr lange offen, ob nun zu einer anderen Person gesprungen wurde, womöglich zum jetzigen Täter, oder weiterhin da Reaves' Aufwachsen geschildert wird.
In weiteren kurzen Sequenzen wird das Verschleppen neuer Opfer geschildert, aber generell werden die Morde an sich eher beiläufig dargestellt und hauptsächlich im Rahmen der Inszenierung der Opfer überhaupt aufs Tapet gebracht. Da finde ich den deutschen Titel "Der Herzgräber" schon eher suboptimal gewählt, denn er klingt zu sehr nach einem Namen, dem die Presse Reaves gegeben hat, wobei Heather, nachdem sie sich längst sehr mit dessen mutmaßlichen Taten befasst hat, erst später von Ben Parker erfährt, dass allen Opfern das Herz entfernt worden war. Der Originaltitel "A Dark and Secret Place" ist hingegen sehr viel passender, weil der Roman bereits sehr frühzeitig einen obskuren Ort mit ins Zentrum stellt, an dem die Fäden hier zusammenlaufen zu scheinen, während "Der Herzgräber" als Titel Reaves dort so dermaßen viel Platz einräumt, den er in der Geschichte prinzipiell gar nicht einnimmt. Die Evans-Reaves-Gespräche sind da definitiv auch keine Starling-Lecter-Gespräche, obschon es gewisse Parallelen gibt.

An sich hat mir der Roman, auch wenn ich ihn eben sehr genreuntypisch empfand und eher als Drama gelesen habe, indem sich die Protagonistin unerwartet wiederfand, ganz gut gefallen; mir blieb zum Schluss lediglich Einiges zu wenig ausgeführt, mitunter erinnerte er mich an einen Lückentext, dem die wesentlichen Infos zwar zu entnehmen waren, bei dem man sich die tieferen Zusammenhänge aber selbst zusammenfantasieren musste, z.B. warum ausgerechnet jetzt eine Reaves' Schema entsprechende neue Mordserie begann. Angesichts der Auflösung ergab diese riesige zeitliche Lücke für mich gar keinen Sinn und da hätte ich mir generell auch mehr Ermittlungsergebnisse gewünscht; mir blieben die Bösen in diesem Werk zu sehr "haben halt einfach dies und das getan" und auch die Opfer zu sehr "wurden halt einfach um die Ecke gebracht", und selbst Heather fand ich da vergleichsweise farblos - und das, obwohl die Geschichte grundsätzlich eine krasse Intensität hatte.
Zumindest der Spannungsfaktor; wer hat was getan?; blieb für mich konstant bestehen und ich würde den Roman durchaus weiterempfehlen (wenn auch weniger als Thriller), aber die ganz große Begeisterung blieb doch aus.

Bewertung vom 09.06.2023
Match on Ice (eBook, ePUB)
Well, Allie

Match on Ice (eBook, ePUB)


gut

Was die ominösen, bereits in der Buchbeschreibung angesprochenen, "Übungsstunden" anbelangt, konnte ich deren Sinn bis zuletzt nicht nachvollziehen - das blieb für mich ein ganz seltsames Konstrukt, das in meinen Augen lediglich dazu diente, die zu erwartende Romanze einzuläuten: denn auch wenn sich die Beiden letztlich ein wenig von ihrem jeweiligen Sport nahebrachten, schien die "Strafe" bis dahin darin zu bestehen, dass sie frühmorgens, vor dem eigentlichen Trainingsbeginn, gleichzeitig in derselben Halle auf dem Eis rumdaddeln sollten, wobei Romys einziges Problem darin zu bestehen scheint, dass sie derzeit, auch ganz unabhängig von ihrer Verletzung, den Axel nicht sauber abschließen kann. Dass ihre Verletzung sie nun noch unsicherer auf dem Eis hat werden lassen, kam für mich gar nicht rüber und ohnehin wurde die Geschichte für mich dem Eiskunstlauf nicht wirklich gerecht: während Eishockey sogar noch erklärt wurde, wurde Eiskunstlauf hier eher mit Phrasen bedient und da wirkte die Darstellung auf mich allzu sehr als habe man halt noch eine zweite Eissportart gebraucht, aber sich nicht mit zu vielen Sportarten (neu) auseinandersetzen wollen. (Ich habe ja auch keine Ahnung; ich kuck mir einfach nur ab und an gerne mal Eiskunstlauf, auch in Turnierrahmen, an, aber selbst ich kenne da inzwischen mehr „Fachvokabular“, was Sprünge und Schrittfolgen angeht. In diesem Roman wurde zusammen übers Eis gelaufen und ihr Partner musste Romy häufiger heben und ABER DER AXEL!!! Hier bestand Eiskunstlauf eigentlich aus nix Anderem.)

Die Romanze an sich war ganz schön, Jack und Romy bewegten sich auch auf der gleichen Ebene und waren sich ebenbürtig; mir hat es wirklich gut gefallen, dass es hier kein krasses Gefälle zwischen den Beiden gab. Weder war sie das arme Hascherl, das gerettet werden musste, noch er der hehre Prinz auf dem weißen Ross, geschweige denn eine gebeutelte Seele von nur nach außen hin hartem Kerl, der sich heimlich nach Liebe verzehrte. Nee, die Beiden waren einfach ganz normale Studierende mit Sportstipendien, wobei der Studienaspekt im Roman auch arg kurz kommt: Die Geschichte spielt sich zu mindestens 90% doch in Eishallen ab und dass die Hauptfiguren auch noch ein reguläres Studium zu absolvieren haben, wird da eher sporadisch eingeworfen, wohl um uns daran zu erinnern, dass Sport hier (noch) kein Hauptberuf ist, und außerdem spielen die Studieninhalte ganz zum Schluss doch auch noch eine kleine Rolle, um eine Intrige aufzudröseln.
Denn natürlich gibt es noch ein Drama, und hier fand ich es wiederum schön, dass es nicht hausgemacht, also vom Paar selbst konstruiert, war und dass es zudem, ohne nun groß spoilern zu wollen, mal wirklich um was ging. Also kein sich über zig Kapitel erstreckendes Eifersuchtsdrama, weil sie zufällig gesehen hat, wie er eine Unbekannte geknuddelt hat, die sich 100 Seiten später als seine Schwester entpuppte oder Ähnliches.

Generell fand ich diesen Roman im Vergleich mit anderen Titeln desselben Genres sehr authentisch; wie gesagt: die Hauptfiguren waren nicht krass auffällig und es gab auch nicht den ganz großen Schmonz (ebenso gab es übrigens auch keine erotischen Szenen; der Roman ist generell also eher im Bereich clean romance anzusiedeln). Wer seine Romanzen gerne total kitschig mag, wird hier eher enttäuscht sein; dazu ist die Gefühlsebene wohl zu nüchtern, eben: alltäglich, dargestellt. Wer es auch in diesem Genre gerne ein wenig realistischer hat, dürfte sich da weitaus mehr an "Match on Ice" erfreuen können.
Für mich ergab sich hier aus Allem eine solide Romanze mit einem für mich okayen Unterhaltungsfaktor; also mich hat diese Geschichte nun nicht völlig in den Bann gezogen, aber ich würde definitiv auch noch einer weiteren Sports Romance der Autorin eine Chance geben. Schade fand ich lediglich, dass die letztliche Auflösung des Dramas nicht tiefer thematisiert wurde; da hatte sich die Beziehung zwischen Romy und Jack zuvor so schön mit der Zeit entwickelt, nichts geschah überhastet, aber das Romanende war dann doch eher so basta, fertig, aus.

Bewertung vom 03.06.2023
Tristan Mortalis
Hill, Melissa C.;Stapor, Anja

Tristan Mortalis


sehr gut

"Tristan Mortalis" ist der zweite (eigenständige) Roman des Autorenduos Hill/Stapor, das mir bis hierher unbekannt war, wobei ich Autorenduos/-teams gegenüber generell, frei nach "Viele Köche verderben den Brei", eher skeptisch bin: Dieses Buch hat mich nun aber dazu bewegt, auch den ersten Jugendthriller dieser beiden Autorinnen direkt auf die Liste der Bücher, die ich noch lesen möchte, zu setzen.

Dabei fand ich den Anfang ein wenig stolperig: Hier wird nämlich eingangs doch noch etwas länger vom spektakulären Fund einer uralten Moorleiche berichtet, die "absolut guterhalten" ist, und als Bene auf einem Foto einen Zipfel des von der Leiche getragenen Harnisch als mutmaßlichen Teil von Tristans Theaterkostüm, das jener während ihrer letzten gemeinsamen Party trug, identifizieren kann, ist das Mysterium um den überraschenden Zustand dieser Moorleiche für die Lesenden nicht mehr sonderlich groß. Dadurch, dass die Kurzbeschreibung (und wohl auch der Titel) bereits verrät, dass sich die Geschichte rund um Tristans Todesumstände dreht, fand ich es ein wenig zäh, mich erst noch durch diverse "Ist er’s? Ist er’s nicht?"-Seiten lesen zu müssen. Zudem: Ich weiß es wirklich nicht, aber wäre eine Leiche nach einem halben im Jahr im Moor tatsächlich schon so ausgetrocknet und verknöchert, dass man sie mit einem jahrhundertealten Ritter verwechseln könnte? Und wie krass authentisch muss dieses Kostüm denn gewesen sein, dass offensichtlich auch dessen Material nicht sofort auffiel? Mir schien das doch dubios, dass hier recht lange gebraucht wurde, um festzustellen, dass die gefundene Leiche kein echter Ritter gewesen war.
Auch im weiteren Verlauf habe ich mich ein wenig schwer damit getan, dass dieser Fund hier zunächst schon über die Grenzen hinaus Schlagzeilen machte, sich dann herausstellte, dass es sich beim Toten um einen jungen Erwachsenen handelte, der auf ungeklärte Weise ums Leben gekommen war – aber als Tristans Freunde aus der Theater-AG dann teils sehr abrupt von ihren Studienorten etc. aus gen ihr Heimatörtchen aufbrachen, fragte nie jemand, ob sie den Toten gekannt hatten, der ja offensichtlich ihrer Altersgruppe zugehörig war, oder Ähnliches. Völlig skurril fand ich es allerdings, als die verbliebenen Freunde sich später in ihrem alten Stamm-Imbiss trafen und vom dortigen Betreiber gefragt wurden, wo denn das fünfte Mitglied ihrer Truppe wäre!? Als ob grad in einer Kleinstadt SO ein Tod nicht mitbekommen werden könnte und als ob in einem Fall wie diesen Tristans Foto nicht groß durch sämtliche Medien gejagt worden wäre… darin bestand für mich letztlich eigentlich auch das einzige Manko des Romans, dass der rätselhafte Tod eines Abiturienten während einer Abschlussfeier nicht öffentlich dermaßen ausgeschlachtet worden sein sollte, nachdem man ihn versehentlich schon als einen echten Ritter erkannt hatte.

Perspektivisch ist "Tristan Mortalis" durchaus interessant gemacht: hauptsächlich spielt er im Hier und Jetzt und abwechselnd werden Tristans vier Freunde beleuchtet; dabei sind die Figuren hier doch sehr unterschiedlich und man kann sich leicht vorstellen, dass es außerhalb ihres gemeinsamen Engagements in der Theater-AG eher unwahrscheinlich gewesen wäre, dass sich ausgerechnet diese fünf Menschen zu einer Clique zusammengefunden hätten. Immer wieder wird aber zur fraglichen Partynacht zurückgeschwenkt und geschildert, an was sich die Vier da erinnern.
Dabei wird schnell klar, dass jeder ein etwas anderes Bild jener Nacht in sich trägt und diejenigen, die das Buch lesen, entwickeln da wohl alsbald eine Ahnung, dass jemand aus dieser Gruppe für Tristans Tod verantwortlich sein könnte, wobei bis zum Schluss alles sehr ominös bleibt und es einige unerwartete Enthüllungen gibt, dass man tatsächlich letztlich doch nur raten kann, wer hier eventuell der/die Böse war oder ob es eventuell doch alles ganz anders gewesen ist.
Da fand ich diesen Roman nun doch recht fesselnd und auch vielschichtig; gefallen hat mir auch, dass hier doch von den vier Hauptfiguren auch regelmäßig reflektiert wurde, wie sehr sie sich (alle) in den letzten Monaten bereits verändert hatten und ob ihre Prioritäten womöglich noch ein wenig zurechtgerückt werden sollten bzw. in welche Richtung sie sich ferner bewegen wollten. Niemand blieb von Tristans Tod da unberührt, obschon es seit dem Abschluss eigentlich auch gar keine Berührungspunkte zwischen dieser Gruppierung mehr gegeben hatte.
Für mich war das einfach eine gelungene, ohne Blutrünstigkeit auskommende, Mischung zwischen Thriller und Psychodrama! Zudem wie gesagt so überzeugend, dass ich auf alle Fälle ferner jetzt auch den anderen bislang erschienen Jugendroman des Duos noch lesen will.

Bewertung vom 03.06.2023
Kissing Chloe Brown / Brown Sisters Bd.1
Hibbert, Talia

Kissing Chloe Brown / Brown Sisters Bd.1


gut

Verblüfft hat mich hier beim Lesen zunächst einmal die Erwähnung, dass Chloe bereits Anfang 30 ist; die gesamte Aufmachung von Cover bis Klappentext hatte mich, wie auch die ersten Seiten des Romans bis zu jener Altersnennung, eher davon ausgehen lassen, dass es sich bei diesem Roman um eine typische Mittzwanziger-Romance handeln würde. So ganz habe ich Chloe ihr tatsächliches Alter auch bis zuletzt nicht abgenommen, zumal zwischendrin betont wurde, dass sie, bis sich ihr gesundheitlicher Zustand dramatisch verschlechterte, ein recht "normales" unauffälliges Leben geführt habe, was für mich gar nicht zur Darstellung der jetzigen Chloe passte, die, ganz unabhängig von ihrer Krankheit, doch auch einige Marotten hatte.
In diesem Roman lebt Chloe nun seit Kurzem zum ersten Mal in einer eigenen Wohnung, was mich zum Einen deswegen ein wenig befremdete, weil sie zuvor sogar schon einmal verlobt gewesen war, aber gemäß der Darstellung wohl noch nie abseits ihrer Familie gewohnt hatte, und zum Anderen dadurch, dass Chloe sich angeblich dort doch sehr einigelte und jeglichen Kontakt zur Nachbarschaft möglichst mied, aber wiederum einige Leute aus dem Haus sehr akkurat zu charakterisieren vermochte, was weder zu "just erst eingezogen" noch "gar nix mit irgendwem da zu tun" passte.
Also da gab es durchaus einige Punkte, die für mich nicht ganz so miteinander klickten, aber insgesamt war "Kissing Chloe Brown" für mich doch ein ganz unterhaltsamer Chicklit-Roman nach dem Motto "Welt raus, wir zwei rein", denn außer Chloe und Red hätte es eigentlich gar keine Figuren gebraucht. Ab und an tauchte grad aus Chloes Familie mal noch jemand auf, aber prinzipiell bestand die komplette Geschichte nur aus Chloe und Red.
Ein tolles Buch, wenn einem grad zu viele Menschen auf den Senkel gehen und man dankbar ist, wenn man dazu nicht noch von zig belletristischen Figuren genervt wird!

Die Handlung ist hier definitiv sehr vorhersehbar; Chloes Erkrankung nimmt zwar sehr viel Raum ein, wird aber nicht größer als die Hauptfiguren und obschon die Krankheit hier klar thematisiert wird, blieb der Roman meinem Empfinden nach doch sehr oberflächlich; also sollte jemand dieser Romance "aber mit Tiefgang!" bescheinigen, weil die Protagonistin ernsthaft krank ist, oder auch, weil die männliche Hauptfigur aufgrund vergangener Erfahrungen Probleme hat, sein Herz zu öffnen: sorry, nein, da gehe ich nicht mit.
Dabei habe ich, trotz aller Vorhersehbarkeit, bis zuletzt nicht verstanden, was nu eigentlich zwischen Chloe und Red passiert war, dass sie plötzlich bekundeten, völlig scharf aufeinander zu sein und rumzufummeln bzw. zu vö geln begannen; das kam für mich quasi aus dem Nichts; mir waren die Sexszenen auch zu viel. Jene hätte man meiner Meinung nach deutlich reduzieren können und dafür Chloes Schwestern mehr als ein paar Pflichtauftritte absolvieren lassen können. Schließlich ist dieser Roman der Auftaktband zu einer Reihe rund um alle drei Schwestern, aber ganz ehrlich: "Kissing Chloe Brown" hat mich da gar kein Interesse entwickeln lassen, da mir ihre Schwestern völlig fremd geblieben sind. Tatsächlich erschien mir die Großmutter noch am Einzigartigsten und ein Roman rund um jene Exzentrikerin könnte mir wahnsinnigen Spaß bereiten, aber Chloes Schwestern erscheinen mir so einfach völlig unspannend. Ferner hatte ich bei den Sexszenen das Gefühl, dass man da selbst merkte, sich zu wiederholen und dann schwankte die Erzählweise ständig abrupt zwischen zärtlicher Erotik und dreckiger Einhandliteratur; die Ausdrucksweise wechselte da mitunter so krass, dass ich mir nicht sicher war, ob all das so tatsächlich von nur einer Person geschrieben/übersetzt worden war.

Letztlich sehe ich "Kissing Chloe Brown" als ganz gute Sommer-Sonne-Strand-Romance an, die es überflüssig macht, mehr als zwei Personen Beachtung zu schenken, bin aber doch enttäuscht, dass sich einige Punkte eher miteinander ver- als einhakten, weil da, wie ich finde, einfach Potential verschenkt wurde und die Geschichte einfach noch viel runder ausgestaltet hätte werden können.

Bewertung vom 03.06.2023
Seeing what you see, feeling what you feel (eBook, ePUB)
Gibson, Naomi

Seeing what you see, feeling what you feel (eBook, ePUB)


sehr gut

Dieser Jugendroman hat mich völlig fasziniert, auf gute sowie schlechte Art, gefesselt, schockiert, aufgewühlt, nachdenklich gemacht… selten hat mich je eine Geschichte überhaupt eine solche Bandbreite der Emotionen durchmachen lassen; selten hat mich eine Hauptfigur so beeindruckt wie Lydia und wirkte dabei jedoch derart unsympathisch. Man kann es nicht anders sagen: Lydia ist eine geniale Hackerin, bei der von Anfang an ersichtlich ist, dass ihre Fähigkeiten sie rasch ins Kriminelle abgleiten lassen könnten und bei der man sicher sein kann, dass ihr in einem entsprechenden Verfahren ein „Offener Vollzug oder Bewährung, wenn du für uns arbeitest“-Deal angeboten werden würde; wenig überraschend entspinnt sich sehr frühzeitig im Hintergrund auch eine Art „Catch me if you can“-Strang, der diesen Eindruck verstärkt.

Die Künstliche Intelligenz, deren Entwicklung Lydia mit ihrem Vater begonnen und die sie nun völlig alleine abgeschlossen hat, erinnerte mich sehr an die Mecha aus Spielbergs inzwischen 20 Jahre altem „A.I. – Künstliche Intelligenz“, wobei jene aber schon in Figuren gepresst wurden: das von ihr nach ihrem verstorbenen kleinen Bruder Henry benannte Programm wirkt wie ein körperloser Mensch, was auch hier letztlich ein Problem darstellt, denn Lydia sehnt sich nach einem „echten“ Henry in ihrem Leben und auch die KI strebt mehr und mehr danach, vollauf am Leben teilhaben zu können. Dabei habe ich mich teils arg schwergetan, wie hochfunktional Lydias Künstliche Intelligenz war und wie rapide sie sich weiterentwickelt hat – mitunter habe ich da echt überlegt, ob es die Künstliche Intelligenz überhaupt gäbe oder ob Lydia nach dem traumatischen Unfall ihrer kompletten Familie nicht einfach in eine Psychose abrutschte… teils schien mir das alles sehr wie die Darstellung einer gespaltenen Persönlichkeit, denn auch wenn häufig darauf hingewiesen wurde, dass Henry, der sicherlich auch durch seine Körperlosigkeit sehr imaginär wirkte, die menschliche Komponente fehlt und sein Bewusstsein rein technisch wäre, hat das Programm die Menschen doch so sehr kopiert und sich an diese angelehnt auch eigenständig weiterentwickelt, dass dieser Unterschied zwischen KI und Mensch irgendwann gar nicht mehr auszumachen war und Henry eher wie Lydias toxischer, hochmanipulativer Partner wirkte. Allerdings war auch Lydia nun nicht der Prototyp des netten Mädchens von nebenan, da entstand schnell eine ungute Bonnie-und-Clyde-Dynamik, bei der es teils nicht so einfach auszumachen war, wer nun der skrupellosere Part war und wer/was die Grenzen der Moral wohin verschob. Da lohnt es sich durchaus, die Handlung aus einem ethischen Blickwinkel kritisch zu betrachten; mich hat dieser Roman zwar sehr gut unterhalten und er war auch sehr spannend, aber als reinen Unterhaltungsroman würde ich ihn definitiv nicht betrachten. Da wird zweifelsohne eine diskussionswürdige Thematik angesprochen: mit welchen Tabus sollte man eine KI programmieren; zu welchem Zeitpunkt geht sie zu weit, so dass man eingreifen sollte; wie schnell gerät eine Entwicklung ggf. außer Kontrolle und welche Mechanismen hätten es womöglich verhindern können, dass Lydia mit Henry auf die „wir Zwei gegen den Rest der Welt“-Bahn gerät? Denn über dieser Handlung schwebt ein riesiger Schatten der Vernachlässigung und Ignoranz und des Traumas einer ganzen Familie.

Ein sehr lesenswertes Buch, vor Allem in dieser Zeit, in der ChatGPT so klar auf dem Vormarsch ist.

Bewertung vom 03.06.2023
Die Verborgenen (eBook, ePUB)
Geschke, Linus

Die Verborgenen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Der 01.06. zeichnet sich in diesem Jahr dadurch aus, dass an jenem Datum doch so einige vielversprechende Bücher erscheinen (und wie jedes Jahr natürlich dadurch, dass ich Geburtstag habe, haha); „Die Verborgenen“ konnte ich bereits im Vorfeld lesen und nach „Das Loft“ war ich doch besonders neugierig auf diesen neuen, eigenständigen Roman Geschkes und darauf, ob er womöglich wieder mehr in Richtung Mindf*** gehen würde oder ob; die Kurzbeschreibung ist doch sehr undurchsichtig und könnte so auch einen Horrorroman umreißen; die Handlung eher gen Mystery ginge.
„Die Verborgenen“ schildert das Leben des Ehepaares Sven und Franziska, die mit ihrer noch nicht ganz volljährigen Tochter Tabea ein Haus in Franziskas Heimat an der Küste bewohnen, wo sich der aus dem Ruhrgebiet stammende Sven generell nicht allzu wohlfühlt, während Franziska bemüht ist, zumindest das Bild einer Idylle aufrechterhalten zu wollen: Der Roman wird aus diversen Perspektiven beleuchtet, das heißt, alle drei Mitglieder der Familie erzählen abwechselnd und wiederholt von „heute“ sowie von „vor ein paar Tagen“, wobei hier sehr schnell klar wird, dass sowohl Sven als auch Franziska ihre Ehe insgeheim bereits weitgehend aufgegeben haben, während Tabea vor Allem mit sich ringt, welche Informationen bzgl. der Suche nach ihrer seit Tagen vermissten Mitschülerin Rebecca womöglich relevant anstatt simpler Gerüchte sind. Aber die spannendste Perspektive lieferst „du“: Denn da gibt es ferner diesen Strang, in dem der/die Lesende direkt angesprochen wird und in dem „du“ erfährst, was „du“ und warum „du“ es grade machst, was in „dir“ vorgeht… wenn man „Die Verborgenen“ liest, wird man selbst als einer eben dieser Verborgenen angeredet – und so ist sehr früh klar, dass zumindest ein quicklebendiger Mensch sich (eben „du“ dich) auf dem Dachboden des Hauses versteckt – sofern du dich nicht am Ende noch als Riesenkäfer oder Alien entpuppen solltest. Zumindest verhältst „du“ dich aber erstmal menschlich; tatsächlich habe ich übrigens nach ungefähr 43% des Romans angesichts einer bestimmten Szene kurz „Moooooment, bist du etwa…?“ gedacht, was sich bei knapp der Hälfte dann bestätigt hat und ich muss zugeben, dass mich das schon ein wenig überrascht hat, denn ich hatte mir „dich“ bis dahin ganz anders ausgemalt.

Für kleinere Überraschungsmomente halten zudem sowohl Sven als auch Franziska her, die beide ein gewisses Doppelleben führen, und da verschoben sich Sympathien im Verlauf der Handlung durchaus. Da blieb die Geschichte nie starr, sondern war wirklich bis zum Schluss stets in Bewegung, wobei es mich ein wenig genervt hat, dass es da am Schluss nochmals eine unerwartete Wendung gab, die ich an jener Stelle auch völlig unnötig fand und ferner schlechter als die vorherige Auflösung, welche sich für mich einfach viel glatter einfügte.

Ich habe „Die Verborgenen“ wirklich sehr gerne gelesen; die Handlung ist in sich schlüssig, leicht beklemmend (auch dadurch, dass sich die Geschichte erst allmählich vor einem ausbreitet und dass man perspektivisch hier quasi durchgehend in der Rolle eines Bösewichts feststeckt, trägt auch nicht so sehr zum persönlichen Wohlgefühl bei), und mir hat zudem gefallen, dass die Figuren allesamt sehr vielschichtig charakterisiert worden waren und es da nicht eine einzige Person gab, die man unter „voll und ganz ein Sympathieträger“ hätte einordnen können, sondern alle eben gute und schlechte Eigenschaften an den Tag legten. Definitiv ein Thriller für Leute, die auch davon genervt sind, dass es selbst im bösesten Buch fast immer eine allzu perfekte Figur gibt.

Bewertung vom 09.05.2023
Girl A (eBook, ePUB)
Dean, Abigail

Girl A (eBook, ePUB)


sehr gut

„Girl A“ erzählt keine klassische Anfang-Verlauf-Schluss-Geschichte; dieser Roman ist achronologisch aufgebaut und wirkt dabei ähnlich zerbrochen wie die Figuren, von denen er erzählt. Im Fokus steht das sogenannte „Girl A“, das, daraufhin zur Wahrung ihrer Anonymität als solches benannt, im Alter von 15 Jahren dem Elternhaus entkam, in dem ihre Geschwister und sie zwischenzeitlich seit Jahren gefangengehalten und von ihren Eltern, insbesondere dem immer mehr religiösem Wahn verfallenden Vater, misshandelt wurden – diese Vorgänge liegen in „Girl A“ bereits lange zurück, aus Lex, eben jenem „Girl A“, ist inzwischen eine in New York lebende Anwältin geworden, die nun nach dem Tod der Mutter, dem letzten gelebt habenden Elternteil, zurück nach Großbritannien reist, da diese sie testamentarisch betraut hat, den Nachlass abzuwickeln, der im Wesentlich aus dem inzwischen verfallenen „Horrorhaus“ besteht – Lex ist somit nicht nur gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen, was weiterhin mit diesem Haus geschehen soll, sondern dies auch mit ihren Geschwistern zu besprechen… an dieser Stelle hakte „Girl A“ für mich ein wenig, da erklärt wurde, dass die Kinder nach ihrer Rettung alle getrennt voneinander untergebracht und später vor Allem sämtlich adoptiert worden waren; für mich blieb es da etwas zu vage, wieso die Kinder hinsichtlich der leiblichen Mutter erbberechtigt gewesen sein sollten: Rührte das noch vom früheren Tod des Vaters her; hatte die Mutter sie nach und trotz all der Geschehnisse einfach weiterhin als Begünstigte benannt…? Wieso war das Haus nicht nach der Rettung der Kinder, z.B. zur Begleichung der Anwaltskosten, längst verkauft worden? Aber gut: die Opfer waren nun also plötzlich für den Tatort verantwortlich, und dieses Buch erzählt davon, wie Lex mit all ihren Geschwistern darüber reden muss, wobei sie mit der Erinnerung konfrontiert wird, dass sie sich auch in Gegenwart einer Therapeutin schon immer schwertat, über das zu reden, was ihren Geschwistern und ihr damals widerfahren ist.
Da schwenkt der Roman von Szenen der Gegenwart, in denen Lex hauptsächlich ihre Geschwister nacheinander aufsucht und in denen gezeigt wird, wie es jenen nach ihrer Befreiung weiterhin ergangen ist, zu Rückblenden, in denen Lex sich erinnert, wie sie vom relativ normal aufwachsenden Mädchen zum zunächst vernachlässigten und später zum eingesperrten und misshandelten Kind wurde. Es gibt übrigens keine auffallend bildhaften Darstellungen der Gewalt, die die Geschwister durchmachen mussten; hier scheint alles sehr vage durch und lässt letztlich zwar keinen Zweifel, aber man muss doch schon ein wenig aufmerksamer lesen, um das Grauen zu erfassen. Während des Lesens fand ich es zwar mitunter schwierig, weil mir alles teils so unklar geschildert zu sein schien und manches quasi über Nacht völlig extrem geworden war (wurde z.B. vorher zwar mal das zu wenige Essen und das Hungergefühl angesprochen, war eines der Kinder aber „plötzlich“ nicht „einfach nur“ hungrig, sondern buchstäblich bereits am Verhungern), aber im Nachhinein war das sehr geschickt gemacht, weil „Girl A“ eben spezifisch von Lex erzählte und man so eigentlich krass verdeutlicht bekam, dass bei ihr Verdrängungsmechanismen immer noch fleißig Rädchen drehten, und dass sie bestimmte Dinge/Situationen tatsächlich wohl gar nicht mehr erinnerte oder noch die mutmaßlich besseren Dinge im Gedächtnis hatte, wie der Vater der die Kinder auslachte, dass sie angesichts eines verfaulten Schimmel-Irgendwas tatsächlich glaubten, er würde sie zwingen, sowas zu essen. Oder dass ihr bestimmte Dinge letztlich gar nicht mehr auffielen, weil sie auf alle Geschwister zutrafen und sonstige Vergleichsmöglichkeiten inzwischen ja fehlten.

Spannend fand ich letztlich aber auch die Darstellungen der Geschwister, die allesamt grundverschieden waren und bei denen sich zeigte, wie hilflos die Geschwister auch im Umgang miteinander noch waren und dass alle sehr anders mit ihrer Herkunft umgingen bzw. dass sich teils auch zeigte, wie sehr man auch von den Eltern geprägt worden war.

Insgesamt ein sehr bedrückendes Buch, bei dem man, nicht zuletzt im Wissen, dass es derlei Befreiungsschläge schon gegeben hat und dass die hier geschilderten Verhältnisse durchaus Realitäten entsprechen, auch nicht umhinkommt, sich zu fragen, was passiert und wie es endet, wenn niemand entkommen kann.

Bewertung vom 24.04.2023
Du bist mein Lieblingsgefühl (eBook, ePUB)
Groh, Kyra

Du bist mein Lieblingsgefühl (eBook, ePUB)


gut

Leider hat auch dieser Roman für mich das „Mittleres-Drittel-Problem“, das ich persönlich seit wenigen Jahren beim Gros der romantischen Erzählungen wahrnehme und mit dem ich einen entsprechend platzierten Teil der Geschichte meine, in dem nicht wirklich groß etwas passiert, und bei dessen Anfang man bereits das Gefühl hat, die Geschichte wäre im Grunde genommen längst auserzählt.
In diesem Falle fasst die Buchbeschreibung das erste Drittel bereits weitgehend zusammen: Nela und Max lernen sich in einem Brautmodengeschäft kennen; bei keinem von beiden steht eine eigene Hochzeit an, aber nun denken sie das vom jeweils Anderen, den sich beide nicht aus dem Kopf schlagen können und bis dann Max‘ Firma kurz darauf zufällig neue Räumlichkeiten genau über Nelas Geschäft bezieht, haben beide ihrem engsten Umfeld schon genug was vorgeschmachtet, dass es für ihre Freund*innen schon ein running gag ist, wie voll verknallt sie jeweilig sind… tja, Max‘ Geschäftspartner Chris nahm nun nie ein Blatt vor den Mund, wollte immer alles ganz genau wissen, wurde von Anfang an als eher extrovertierter Mensch dargestellt, dem eher nichts peinlich ist und der sich nicht scheute, in jedes Fettnäpfchen auf seinem Weg voller Elan hineinzuspringen – aber als er Nela kennenlernte, sprach er sie nicht auf ihre vermeintliche Hochzeit an? Auch dass sonst niemand der Freund*innen, die wussten, wo Nela und Max sich zum ersten Mal begegnet waren, nachhakte, „wann ist es eigentlich bei dir soweit?“, fand ich extrem unglaubwürdig, zumal diese Ignoranz auch einfach zu keiner der Figuren zu passen schien. Und nach dem ersten Drittel dachte ich wirklich, es solle einfach mal jemand bloß ganz kurz die Hochzeitsplanung ansprechen, dann könnten sich Nela und Max in die Arme fallen und sich fortan ganz direkt gegenseitig anschmachten; Roman vorbei.
Da war ich wirklich drauf und dran, dieses Buch für mich einfach für beendet zu erklären, weil ich keine Lust hatte, nu womöglich mehr als ein halbes Buch zu lesen, in dem die Hauptfiguren einander heimlich anhimmeln würden, während sie sich verfluchten, sich in wen Verlobtes verkuckt zu haben, bis endlich mal aufgeklärt werden würde, dass keiner von ihnen bzgl. seiner eigenen baldigen Hochzeit im Laden gewesen war. Dabei fand ich den Einstieg bis dahin tatsächlich sehr unterhaltsam und kurzweilig, aber die Geschichte gelangte da eben an diesem Punkt an, bei dem ich nicht erwartete, dass nun noch irgendetwas passieren würde. Bis zur Auflösung des Missverständnisses war mir „Du bist mein Lieblingsgefühl“ im Mittelteil einfach zu zäh und langatmig, ehe die Geschichte dann doch wieder etwas an Fahrt aufnahm, denn auch wenn Nela (Musik) und Max (IT) in ihren Bereichen beide als ziemliche Nerds durchgehen können, sind sie ansonsten eben doch grundverschieden; Pragmatikerin vs. Romantiker; und diese Diskrepanz zwischen oberflächlicher Anziehungskraft und „wie gut können wir wirklich miteinander klarkommen?“ hätte man meines Erachtens schon deutlich früher fokussieren können anstatt erst noch ewig dieses Missverständnis weiter totzureiten versuchen, als es im Prinzip eh schon leblos dalag.

Letztlich stellte sich dieser Roman für mich nun als eine der leichten Lektüren heraus, die ich im Sommer gerne mal am Strand lese, aber deren gedruckte Ausgabe ich nach dem Auslesen dann auch dort im Offenen Bücherschrank zurücklassen und nicht wieder mitheimnehmen würde.

Bewertung vom 21.04.2023
Drei Frauen im Schnee (eBook, ePUB)
Imboden, Blanca

Drei Frauen im Schnee (eBook, ePUB)


gut

Den Roman "heimelig" der Autorin fand ich eben das: heimelig; so war ich auch an die Lektüre von "Drei Frauen im Schnee" in der Erwartung herangegangen, hier einen Wohlfühlroman zu lesen, aber für mich entsprach die Geschichte letztlich doch eher einem Heftroman, der auf etwas mehr Frauenpower getrimmt war. So ganz warm bin ich mit diesem Buch nun nicht geworden und das liegt nicht daran, dass das Wetter vor dem Fenster derzeit nasskalt und das Wetter in der Geschichte so richtig winter wonderland ist, sondern ich tat mich schon mit der als Erzählerin auftretenden Protagonistin Sonja schwer, bei der mir eingangs noch auffiel, dass ihre 16jährigen Töchter ja wohl bedeuten müssten, sie wäre erst spät Mutter geworden, und bei der es mich dann total überraschte, als sie kurz darauf erzählte, bald 40 zu werden. Ich hatte sie definitiv auf Mitte 50 rum geschätzt, und wenn ich darüber nachdenke, dass die Hauptfigur in diesem Roman, auch wenn die Geschichte bereits Ende 2012 spielt, ebenso alt ist wie meine Generation jetzt: Ich erkenne da einfach keine Schnittpunkte, weder zu irgendeiner der Frauen, mit denen zusammen ich aufgewachsen bin, noch mit mir. Sonjas "moderne" Schwester steht da auf einem ganz anderen Blatt, aber die Hauptfigur habe ich hauptsächlich als trutschig wahrgenommen. Nicht, dass sie mir unsympathisch gewesen wäre, aber ich fand sie eben auch nicht sonderlich sympathisch bzw. von der Hauptfigur eines Romans, in dem es laut Titel und Beschreibung vor Allem um eine Frauenfreundschaft gehen sollte, erwarte ich, dass sie auch so auftritt, dass man sich beim Lesen denkt, man würde sie gerne zum eigenen Freundeskreis zählen können.

Vor Allem hat es mich aber enttäuscht, dass die beiden anderen Frauen überhaupt erst nach der Hälfte des Romans zum ersten Mal auftraten (bis dahin beklagte eine gutgestellte Sonja hauptsächlich die festgefahrenen Weihnachtstraditionen und erwarteten Festabläufe der Familie) und auch später, "im Schnee", wird ihre Freundschaft eher so geschildert, dass sie einträchtig zusammenarbeiten und nach Feierabend mal fröhlich eine Runde Karten spielen. Ich habe im Vorfeld damit gerechnet, dass diese Frauenfreundschaft zwischen den Dreien sehr viel mehr Raum einnehmen würde; tatsächlich ging es aber in erster Linie darum, ob Sonja ihr (Liebes)Leben komplett umkrempeln würde.
Auch die Unterstützung Karins in ihrem vom Ruin bedrohten Hotel bestand eigentlich nur aus der Arbeit im Service (als ob das den Bankrott abwenden würde); da habe ich mich wirklich geärgert, dass Sonja, deren früherer Job in einer Bank erst kurz zuvor wegrationalisiert worden war, zwar sogar kurz darüber nachdachte, sich die Hotelunterlagen vor Karins anstehendem Gesprächstermin bei deren Bank nochmals anzuschauen, jenen Einfall dann aber verwarf, weil "wird schon seine Richtigkeit haben, dass das Hotel kurz vor der Pleite steht; Karin kennt ihre Finanzen schliesslich doch bestimmt genau". Stimmt schon, aber auch Karins Angst, die sie "mit Sicherheit vor diesem Termin hat", hätte man, grade als Freundin, sicherlich schmälern können, wenn man ihr zumindest nur mal angeboten hätte, so einen typischen Banktermin für eine mögliche Hypothek zu üben.

Was mir zudem im Nachhinein auffiel: anfangs wurde echt sehr viel darüber geredet, sinniert, gewitzelt, dass zu Weihnachten 2012 (wieder einmal) der Weltuntergang angekündigt worden war; das war ein vergleichsweise großes Gesprächsthema, welches dann plötzlich fast wie eine heiße Kartoffel fallengelassen worden war.

Heiter oder komisch fand ich hier gar nichts; selbst die paar Quäntchen Situationskomik, die es zumindest bzgl. Weihnachtens gab, wirkten eher bemüht eingestreut. Ich würde das Buch nun zwar stattdessen auch nicht unbedingt als ernst bezeichnen, aber es kam für mich eben nie über den Status "spiessiger Groschenroman zur Weihnachtszeit" (dabei gestehe ich grad Weihnachtsgeschichten auch den allergrößten Schmonz zu) hinaus.