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Marianna T.

Bewertungen

Insgesamt 154 Bewertungen
Bewertung vom 05.11.2023
Eigentum
Haas, Wolf

Eigentum


gut

Eigentum

Wolf Haas schreibt sich wenige Tage vor dem Tod seiner Mutter ihre Erinnerungen von der Seele. Ihr Leben, geboren 1923, scheint eine einzige Aneinanderreihung von Entbehrungen und einer Verbitterung darüber, die ihren Sohn sehr geprägt hat. Dies wird in der Erzählung sehr deutlich und zeigt sich gut in seinen spitzen und humoristischen Bemerkungen. In der Art, wie er schreibt, bildet sich das Wesen seiner Mutter ab. Da ist ihr ewiges "sparen, sparen, sparen" und ihre Erzählungen von "früher", die wie ein Tänzchen sind: ein Schritt vor und zwei zurück. So braucht es einen ganzen Absatz um etwas zu vermitteln, was auch gut in einem Satz untergebracht werden könnte. Alles erstreckt sich mehr, als es müsste und verdeutlicht gerade dadurch die Mühen eines alten Menschen Erinnerungen in Worte zu packen. Alles widerholt sich bis ins Endlose, zieht Schleifen, fast wie in einem Gedicht. Haas benennt sogar im Laufe der Erzählung Gründe für die Widerholungen. Hinzu kommt, dass er viel östereichische Mundart unterbringt. Sprachlich ist die Erzählung also anregend, aber vorallem anstrengend.
In der Erzählung wird nicht nur der Kampf seiner Mutter mit den schwierigen Lebensbedingungen deutlich, sondern auch sein Wunsch nach Befreiung von dieser Prägung, aber auch seine Wertschätzung für seine Mutter. Er sucht Trost.
Dabei geht er immer wieder in die Vergangenheit seiner Mutter. Manchmal bin ich über die unerwarteten Wechsel zwischen den Zeiten und den Erzählperspektiven gestolpert und musste mich erstmal wieder orientieren. Spannung kam dabei nicht auf. Ich hätte nicht erwartet, dass sich die 160 Seiten so lang ziehen.
Authentische Erzählung über eine Mutter, geboren 1923 rückblickend kurz vor ihrem Tod. Stilistisch authentisch, aber anstrengend und langatmig.

Bewertung vom 25.10.2023
Cleopatra and Frankenstein
Mellors, Coco

Cleopatra and Frankenstein


ausgezeichnet

Lebensschmerz

Cleos und Franks Liebe überschlägt sich förmlich. Sie sind scheinbar so ungleich und doch verbindet sie ein tiefer Lebensschmerz. Der Titel trifft es. Cleopatra und Frankenstein - glamourös und gleichzeitig beängstigend und hässlich.
Dieser Roman ist kein gewöhnlicher Liebesroman, vielmehr geht es um tief verletzte Menschen, die sich in Süchte stürzen. Der gesamte Freundeskreis zelebriert fast schon den seelischen Absturz (Gewalt, Suchtmittelmissbrauch, Suizidalität). Die Geschichten der Einzelnen werden eindrücklich und schonungslos erzählt. Manches hat Leichtigkeit, anderes wiederum ist furchtbar tragisch und widerlich. Die Erzählung ist unglaublich spannend und sehr faszinierend. Mir haben die wechselnden Erzählungen aus den verschiedenen Perspektiven gefallen und die geschickte Art, wie diese miteinander verwoben sind. Auch wenn die Charaktere auf den ersten Blick nicht sympathisch erscheinen, haben sie doch viel Liebenswertes an sich. Ich habe sie lieb gewonnen und mit ihnen mitgefiebert.
Die Sprache und Erzählweise hat mir sehr gefallen. Manches ist kurz und abgehakt, anderes sanft und fließend. Die Erzählung hat viel Tiefgang und einen starken Ausdruck. Ich habe das Buch fast aufgesogen, fühle mich am Ende nicht so mitgenommen wie erwartet, eher versöhnt.

Bewertung vom 13.09.2023
Zeiten der Langeweile
Becker, Jenifer

Zeiten der Langeweile


weniger gut

Tatsächlich langweilig

Mila lebt allein in Berlin, sie hat studiert und ihr einziges Streben ist es, sich aus dem Internet zu löschen - aus Angst Hasswellen ausgesetzt zu sein. Einen realen Auslöser scheint es dafür nicht zu geben, es ist eher eine unterschwelllige Angst oder ist es Weltschmerz? Die Corona-Krise hat ihr zugesetzt, die Welt bietet ihr keine Orientierung. Es lässt sich viel vermuten und es entstehen viele Fragen. Warum ist sie so orientierungslos?
Mila wirkt insgesamt einsam und hat auch eine familiäre Geschichte, die sie noch nicht verarbeitet zu haben scheint. Psychologisch gesehen hat der Roman viel zu sagen. Es wird allerdings nicht offen thematisiert, sondern wabert eher durch die Geschichte.
Milas Obsession ist sehr tragisch. Die damit verbundene Trostlosigkeit ist zunehmend schwer erträglich. Merkwürdigerweise ist die Erzählung insgesamt eher langatmig und langweilig. Ihre permanten Beschreibungen ihres Tagesablaufes erinnern mich an Robinson Crusoe und wirken im Zusammenhang mit ihrer psychischen Entgleisung eher lapidar. Das ging für mich nicht lange gut.
Enttäuschend. Dramatik und Lamgeweile - das geht nicht zusammen.

Bewertung vom 12.09.2023
Hinter der Hecke die Welt
Molinari, Gianna

Hinter der Hecke die Welt


ausgezeichnet

Kraftvoll

Von Pina und Lobo hängt das Dorf ab, denn ihr Wachstum ist das Wachstum des Dorfes. Doch sie wachsen nicht und das Dorf verschwindet. Währenddessen zeigen sich Dora in der Arktis die Auswirkungen der Menschheit auf die Umwelt sehr deutlich.
Gianna Molinari schafft es auf poetische Art das Wirken des Menschen sehr deutlich zu machen. Es geht um Wachstum, Stillstand, Bedeutsamkeit. Ihre Botschaft ist klar. Die Welt ist Müllhalde der Zivilisation und die Zivilisation wird von der Welt ausgelöscht.
Das Dorf, in dem Pina und Lobo leben, wird immer ein Stück mehr ausgelöscht, es löscht sich selber aus. Und jedes noch so große Klammern an Bedeutsamkeit für die Gesellschaft oder die Welt führt zu nichts.
Das Meer dagegen ist endlos weit und der Mensch ihm unterlegen. Dora ist fasziniert davon. Ihre Faszination wird spürbar. Was auch rüber kommt ist Wut und Entsetzen, obwohl die Charaktere dies nicht deutlich ausdrücken. Wut und Entsetzen über das Wirken des Menschen, Scham über dessen dumme Besitzansprüche und das Streben nach Herrschaft.
Die Autorin schafft durch Wiederholungen Aussagen zu verstärken und diese gleichzeitig infrage zu stellen. Das Motiv "euer Wachstum ist unser Wachstum" hat eine große Kraft. Gleichzeitig hat die Autorin eine sehr ruhige und fließende Erzählweise, die gerade durch die leisen Töne sehr eindrücklich wird. Was sie mit den handgezeichneten Bilder sagen wollte, ist mir dagegen nicht klar geworden. Sicher etwas Bedeutsames. Denn in diesem vielschichtigen Buch ist alles von Bedeutung.
Die Botschaft ist hart. Wären die Kapitel nicht so kurz und die Szenen nicht so sehr abwechslungsreich, würde diese Botschaft sicherlich erdrücken. So ließ sich die Geschichte zügig lesen.
Dies ist eine Geschichte, mit einer prägnanten Botschaft und viel Wut, die mit viel Feingefühl erzählt wird.

Bewertung vom 09.09.2023
Kleine Probleme
Pollatschek, Nele

Kleine Probleme


sehr gut

Midelifecrisis?

Nele Pollatschek schreibt sehr einfühlsam aus der Perspektive des fast 50 jährigen Lars, der Ordnung in sein Leben bringen möchte. Man sieht, was es bedeutet sich neu zu finden. Die Kinder sind aus dem Haus und die Frau auf Reisen.
Lars hadert sehr lange mit seinen Aufgaben. Es wird klar wieviel für ihn an scheinbar leichten Alltagsaufgaben und größeren Lebenswerken hängt, wie er Realität verdrängt, nachdem er alles so lange aufgeschoben hat und wie groß und unerreichbar alles geworden ist. So macht er was er gut kann: hadern, weg schauen, philosophisieren. Und als er dann anfängt zeigt sich wie viele Stolpersteine es allein durch das Aufschieben und Verdrängen gibt. Doch wie soll er mit der Enttäuschung über sich umgehen, seinem Leben, dass er mit wegschauen und verdrängen verbracht hat? Was hat das mit ihm und seinem Umfeld gemacht und wie kann er nun weitermachen? Es wird klar, dass es eine Neuorientierung braucht und auch, dass seine Frau nicht einfach nur auf Reisen ist. Er macht also eine To-Do-Liste und im Abarbeiten dieser Liste zeigt sich, wie er Abschied nimmt, Verstehen versucht und sich Neuzuorientieren versucht. Doch wie kann ihm dies gelingen, nachdem er 50 Jahre so gelebt hat?
Lars' Erzählung hat viel Tragik, dagegen nichts Komisches. Einige Stellen, besonders die sehr phantastischen kamen mir merkwürdig vor. Sein Monolog, denn von den anderen Charakteren hört man nur durch ihn, ist ausufernd. Seine Gefühle deuten sich an. Sein Ringen, Abschweifen und Ausweichen sind schwer erträglich. Seine "Kopfstimme" (die seiner Frau) trifft häufig mein Empfinden: nun mach doch mal! Doch es wird deutlich, dass er nicht so einfach kann, dass es unerreichbar ist. Fast wirkt er depressiv. Denn der Hausputz ist nicht nur Hausputz, sondern Konfrontation mit der Realität und seiner Unfähigkeit.
Bei allem Verständnis für sein Empfinden war das Lesen des Monologs eher anstrengend. Lars ist sympathisch und unsympathisch zugleich. Die Erzählung hatte einige Längen, auch wenn sie dadurch besonders realistisch ist.
Nele Pollatschek ist es gelungen mit besonders großer Aussagekraft über einen Mann in der Midlifecrisis zu schreiben.

Bewertung vom 17.08.2023
Der Vorweiner
Bjerg, Bov

Der Vorweiner


sehr gut

Weite Teile Europas und der ganzen Welt sind durch Katastrophen umbewohnbar geworden. Die Welt besteht nur noch aus Beton und entweder unaufhörlichem Regen oder Dürre. Die Oberschicht hat sich die menschlichen Gefühle von Trauer und Verlust komplett abgewöhnt und beschäftigt jetzt Vorweiner, Geflüchtete, die noch zu echter Trauer fähig sind.
Es ist beeindruckend mit welcher Wortgewalt aber auch geschicktem Sprachgebrauch der Autor diese unmenschliche Welt zeichnet. Dabei geht er mit viel bösem Sarkusmus vor und überzeichnet, grenzwertig und grenzüberschreitend. Beim Lesen war ich zwischen Vergnügen und Entsetzen hin und hergerissen. Das ist ein Roman, der entweder begeistert oder entsetzt.
Mit tiefsinnigen Wortspielen, wie "Zerstreuungsfeiern", schafft er es auf humorvolle Art das Makabre hervorzuheben. A wie Anna und B wie Berta fügen sich nahtlos in diese zerstörte und brutale Welt ein. Jedes Mitgefühl ist ihnen abhanden gekommen und damit auch jede Bedeutsamkeit füreinander. Es ist verstörend und eklig wie die Menschen miteinerander umgehen. Dem Autor gelingt es sowohl psychologische als auch soziologische Aspekte und vorallem Gesellschaftskritik glaubwürdig zu platzieren. So bringen die Medien zum Beispiel nur noch Fake-Nachrichten mit entsetzlichem Inhalt. Die Aussagekraft der Geschichte ist enorm.
Es stehen starke philosophische Fragen dahinter. Ist es möglich sich die Trauer abzugewöhnen? Woran bemisst sich der Wert von Menschen? Was braucht es für ein zufriedenes Leben? Wie können wir den großen Krisen unserer Zeit vorausschauend und umsichtig begegnen?
Das hat auch dafür gesorgt, dass ich das Buch nicht aus den Händen legen konnte - trotz innerer Abwehr, Ekelgefühlen und Entsetzen.
Schwierigkeiten hatte ich auch mit der undurchsichtigen zeitlichen Erzählabfolge. Es ist alles irgendwie durcheinandergewürfelt und wird dann auch infrage gestellt. Die Erzählerin ist nicht durchgehend zuverlässig.
Bemerkenswert erscheinen mir die sarkastischen Kapitelüberschriften zusammen mit dem kurzgefassten Inhalt vor jedem Kapitel wie "worin Berta ... (Dosenananas, sexuelle Inhalte)". Alles hat Bedeutung und braucht eigentlich einen zweiten Blick, müsste ein zweites Mal gelesen werden.
Der Roman hat mich sehr bewegt. Der geschickte Sprachgebrauch, viel böser Sarkasmus und die bedeutsame Botschaft sind positiv gegenüber den provokativ verstörenden Inhalten hervorzuheben.

Bewertung vom 17.05.2023
Mein PMS und ich
Wagner, Mirjam

Mein PMS und ich


ausgezeichnet

Anschaulicher und glaubwürdiger Ratgeber

PMS und andere hormonelle Erkrankungen werden von einigen Fachfrauen, aber auch -männern thematisiert. Es sind Hormoncoaches, Heilpraktiker*innen, diverse Berater*innen, aber auch einzelne Ärzt*innen. Jetzt im Mai findet auch gerade wieder ein Online-Frauenhormonkongress statt, der viele Expert*innen zusammenbringt. Alle scheinen sie unterschiedliche Ansatzpunkte zu haben, mal die Ernährung, Hormonyoga, Lifestyleänderungen, Versorgung mit Vitaminen, Darmgesundheit etc.

Dr. Miriam Wagner beschäftigt sich in ihrem Ratgeber mit einer großen Bandbreite dieser wissenschaftlichen, aber auch ganzheitlich alternativen Ansätzen, bei der auch ihre eigenen Erfahrungen eine Rolle spielen.
Es gelingt ihr anschaulich grundlegende und weiterführende Informationen über den weiblichen Körper zu liefern und somit ein Verständnis für die zyklischen Zusammenhänge zu schaffen. Sie beschreibt das Jahreszeiten-Modell, mögliche Ursachen und Symptome und beschäftigt sich dann mit möglichen Therapien und Selbsthilfestrategien. Eine runde Sache.
Ihr Ratgeber lässt sich gut lesen, nicht nur wegen ihrer Glaubwürdigkeit sondern auch wegen der anschaulichen Gestaltung. Kleine farblich hervorgehobene Tips und Informationen heben Wichtiges hervor, Fragen am Ende der Kapitel bieten die Gelegenheit zur Selbstreflektion, Bilder und Übersichten sind sinnvoll eingesetzt. Dr. Miriam Wagner hat viele hilfreiche praktische Tips, aus denen sich Jede etwas heraussuchen kann. Das ist wohl auch eine Stärke dieses Ratgebers. Es wird nicht behauptet, dass es nur eine wahre Strategie gibt, sondern diverse Ansatzpunkte.

Bewertung vom 15.05.2023
Going Zero
Mccarten, Anthony

Going Zero


ausgezeichnet

Packende science fiction - oder doch realer Thriller?

In einem Betatest eines riesigen Datensammelunternehmens und der CIA in den USA sollen 10 Versuchspersonen 30 Tage für jede Technik unauffindbar sein. Unter den "Zeros" ist auch eine Bibliothekarin, von der man annimmt, dass sie schnell gefunden werden wird. Was sollte sie auch gegen ein weltweit agierendes Sozial-Media-Unternehmen ausrichten, das die besten Hacker, die ausgeklügeltste Analyse- und Spysoftware hat und sogar die Geheiminformationen der CIA nutzen kann?

Kaitlyn ist eine sympathische Hauptfigur, die es nach dem Vorbild "David gegen Goliath", gegen die Macht eines ganzen Landes aufnimmt. Sie scheint gebrochen, einsam und als hätte sie nichts zu verlieren. Im Gegensatz zu den anderen Zeros, deren Beweggründe und Lebensrealitäten anschaulich beschrieben werden, bleiben ihre Beweggründe lange unklar. Unklar bleibt auch wegen der Andeutung ihrer psychischen Erkrankung lange, ob alles wirklich geschieht, oder ob sie es psychotisch erlebt. Es scheint alles möglich.

Der Roman, ob real-Thriller oder science fiction entwickelt bereits am Anfang einen großen Sog und eine knisternde Spannung. Es ist unglaublich real, was das Sozial-Media-Unternehmen mit ihren gesammelten Datenbergen und den extrem findigen Techniker*innen ans Licht bringen kann. Nichts bleibt verborgen, alles wird ans Licht gezerrt, in die Einzelteile zerlegt, Zusammenhänge hergestellt, alles bis ins Kleinste analysiert, sodass der Staat handhabe gegen alles und jeden hat. Die Geschichte bekommt einen derben Geschmack von Orwells 1984 und ist auch ähnlich bedrückend. Das macht es auch so spannend und greifbar.

Anthony McCarten gelingt es, wie in seinen anderen Romanen, unser soziales Gefüge und unser gesellschaftliches Leben und Streben infrage zu stellen. Die Moralische Frage drängt sich auf. Alles kommt auf den Prüfstand. Mit seinen klugen existenziellen Fragen regt er nachhaltig zum Nachdenken an. Es gelingt im hervorragend die Einzelnen glaubwürdig in das Geschehen zu bringen und deren Möglichkeiten sich zu verhalten auszuloten. Schwierige Entscheidungen müssen getroffen werden, manchmal mit dem Risiko um das eigene Leben. Denn das Experiment wirkt sich nicht nur auf die Versuchspersonen aus, es bringt auch das schlimmste aus den Beteiligten hervor, löst eine Dynamik aus, die die Kraft hat, alles zu zerstören.

Packender Thriller mit science fiction-Anteilen, nach dem Vorbild George Orwells. Ein Roman zum Nachdenken.

Bewertung vom 03.12.2022
Meine bessere Schwester
Wait, Rebecca

Meine bessere Schwester


sehr gut

Dysfunktionale Familie

Die Geschichte beginnt mit der tragisch-komischen Beschreibung einer Trauerfeier. Während Alice es ihrer Mutter ängstlich recht zu machen versucht, verweigert sich ihre Zwillingsschwester Hanna komplett. Ihr Bruder Michael verurteilt dies. Schnell zeigt sich das abwertende und manipulative Verhalten der Mutter und die psychischen Erkrankungen einzelner Familienmitglieder als Ausgangspunkt dieser Dynamiken (TRIGGERGEFAHR).

Nach und nach blättert sich das Leben der Familie und ihrer Familienmitglieder auf. Es ist einerseits spannend, aber auch sehr anstrengend die destruktive Dynamik mitzuerleben. Kein Familienmitglied ist besonders sympathisch, sondern eher anstrengend. Die Erzählung ist ungewöhnlich sachlich, liest sich wie ein psychologischer Bericht über die Entwicklung der Einzelnen. Vielleicht ist dies ein gutes Gegengewicht zur emotionalen Intensität und der Tragik, die die gesamte Geschichte ausmacht. Es gibt erst im letzten Drittel Dialoge und Interaktionen, die gegenwärtig wirken. Das ist gewöhnungsbedürftig. Trotzdem das Lesen des Buches wegen der Schwere und der Sachlichkeit sehr langwierig war, hat es sich gelohnt dranzubleiben.

Psychologische Erzählung über destruktive Familiendynamiken. Langwierig, packend und tiefgehend.

Bewertung vom 23.10.2022
Die Rückkehr der Kraniche
Fölck, Romy

Die Rückkehr der Kraniche


sehr gut

Frauenleben

Als Wilhelmine Hansen nach einem Sturz im Krankenhaus landet, treffen die ungleichen Schwestern Grete und Freya und Gretes Tochter Anne ungewollt aufeinander. Zurück in ihrem Elternhaus in der Marsch lassen sich ihre Lebenslügen, Verletzungen und unerfüllten Sehnsüchte nicht lange vor den anderen verbergen. Es kommt zur Konfrontation.

Romy Fölck beschreibt die Erfahrungen der Frauen und ihr ganzes Sein sehr anrührend. Die Stärke der Frauen tritt offen zutage, obwohl deren unerfüllten Sehnsüchte, ihre Streitlinien und ihre Schwächen so vordergründig scheinen. Es ist spannend, welche Dynamik sich zwischen den Frauen unterschiedlicher Generation entwickelt. Das Ende ist nicht überraschend. Schnell ist klar, worauf das Ganze hinaus läuft. So bleiben größere Spannungen aus. Zudem ist auch der Erzählfluss zwar fließend, aber vorallem gemächlich. Besonders an diesem Roman sind die Schilderungen des Tierreiches insbesondere der Vögel in diesem Gebiet. Sie sind sehr anschaulich und interessant. Kommt man ohne großen Spannungsbogen aus, so bietet dieses Buch ein leichtes und unaufdringliches Lesevergnügen.