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Benutzername: 
Milli11
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 99 Bewertungen
Bewertung vom 09.01.2023
Ein Abend mit Marilyn
Wildner, Maxine

Ein Abend mit Marilyn


ausgezeichnet

Diva und unsicheres kleines Mädchen

Marylin Monroe wird 36 und es soll eine kleine Party zu ihren Ehren stattfinden. Alle Gäste sind schon da, nur das Geburtstagskind fehlt. Wie immer zu spät und es ist wie immer auch unsicher, ob sie überhaupt noch erscheint. Während der Wartezeit springt das Buch in die gemeinsamen Zeiten der einzelnen Gäste mit Marylin. Und immer wieder zeigt sich, dass es ungute, enttäuschte, verratene Beziehungen sind.
Ob es sich um ihre Mutter handelt, die Norma Jeane schon als Baby an fremde Menschen abgibt, ob es ihr gewalttätiger Ehemann Joe DiMaggio ist oder Kollegen wie der Schauspieler und Regisseur Lawrence Olivier, für den und mit dem die gemeinsamen Filmdrehtage eine einzige Katastrohe waren.
Und man wundert sich, wie aus einem kleinen, ständig nur hin- und hergeschobenen, vernachlässigten und missbrauchten Mädchen doch ein so großer Weltstar werden konnte, der ganze Generationen verzauberte. Mir tut sie zutiefst leid. Mit diesem Hintergrund erscheint es fast zwangsläufig, dass sie keine stabile gesunde Beziehung zu anderen Menschen aufbauen konnte und zum Missbrauch durch andere geradezu eingeladen hat. Viele wollten lediglich an ihrem Ruhm teilhaben, die Männer wollten das Sexsymbol und kamen dann nicht mit der unsicheren Frau hinter der Fassade klar.
Das Buch ist natürlich keine Biografie, ob diese Feier in dieser Zusammensetzung wirklich stattgefunden hat, weiß ich nicht, aber ihr Tod nur wenige Wochen nach diesem Geburtstag kündigt sich schon sehr deutlich an. Sie ist schwer alkohol- und medikamentenabhängig und sie hat Angst vor dem Alter, zumal aufgrund ihrer Unzuverlässigkeit und ihrem schwierigen Verhalten während der Filmdrehs ein Ende ihrer Karriere nahezu zwangsläufig erscheint.
Das Buch hat mir sehr gefallen, es liest sich einfach und bringt mir den Menschen Marylin sehr viel näher, daher von mir 5 Sterne.

Bewertung vom 29.11.2022
Das letzte Versprechen
Lind, Hera

Das letzte Versprechen


sehr gut

Unermessliches Leid der Banatdeutschen
Die kleine Anni lebt glücklich mit Eltern und Großeltern in einem kleinen Dorf im Banat, bis unvermittelt die ganze Grausamkeit des Krieges über sie hereinbricht. In den Augen der deutschen Wehrmachtssoldaten unterstützen diese fremden Deutschen sie nicht ausreichend, während die Partisanen und russischen Soldaten auf ihrem Vormarsch ihre ganze Wut und ihren Hass auf alle Deutschen unbarmherzig an ihnen auslassen. Davon bleibt keiner verschont, der Vater wird zur Wehrmacht eingezogen und überlebt die Kämpfe nicht wirklich lang, Annis Mutter Amelie wird mit den anderen jungen Frauen der Gegend unter grausamsten Bedingungen nach Russland in ein Kohlebergwerk verschleppt, die Zeit mit all ihren Qualen ist unvorstellbar hart und wird ihr Leben für immer prägen.

Die kleine Anni kommt in ein Kinderlager und soll eigentlich zu rumänischen Familien vermittelt werden, aber ihre Großeltern können das verhindern.
Irgendwie schaffen es die drei zu überleben, aber es ist unglaublich, was Menschen anderen Menschen antun können. Die Schilderungen lesen sich wirklich unglaublich hart, das ist nichts für zarte Nerven. Und vermutlich können die Beschreibungen das ganze Elend nicht ansatzweise wirklich wiedergeben.

Schlussendlich wird die Restfamilie in Bayern wiedervereint, aber wirklich glücklich wird keiner, alle sind durch die unglaublich harte Zeit geprägt, traumatisiert und tief verletzt.

Dieser Teil des Buches hat mich sehr gepackt und berührt, die Beschreibung fasert aber für mich im Fortgang aus. Anni hat immer wieder furchtbare Schicksalsschläge zu bewältigen und bekommt viel zu wenig Unterstützung gerade auch von ihrem Mann, der nie an ihrer Seite steht. Sie opfert sich an ganz vielen Stellen für andere auf und bekommt sehr wenig zurück.

Die Einschübe aus der Sicht der Autorin haben mir den Lesefluss leider nicht besser gemacht, das sollte wohl das Biographische betonen, hat mir aber nicht wirklich gefallen.

Trotzdem empfehle ich das Buch, weil es gerade in der heutigen Zeit wieder zeigt, wie furchtbar die Kriege auch für die Zivilbevölkerung sind und das Schicksal der Deutschen, die in anderen Ländern wie Polen oder Rumänien gelebt und dann ihre Heimat verloren haben, leider zu wenig anerkannt wird. Von mir 4 Sterne.

Bewertung vom 17.11.2022
Connemara
Mathieu, Nicolas

Connemara


sehr gut

Aus der Provinz nach Paris und zurück
Hélène und Christophe stammen aus der gleichen französischen Kleinstadt, er war damals ein beginnender Eishockey-Star, den alle Mädchen inklusive Hélène anhimmelten, während sie sich hauptsächlich auf ihre Bildung als Mittel zum Wegzug in die Welt konzentrierte.

Christophe blieb in der Gegend, heiratete und bekam einen Sohn, die Ehe scheiterte und auch aus dem Rest des Lebens wurde nicht viel Erfolgreiches. Hélène dagegen erfüllte sich vordergründig ihre Träume, machte Kariere, bekam eine Bilderbuchfamilie und lebte sehr gesichert und erfolgreich in Paris. Bis zu einem bösen Burn-out, wegen dem die Familie wieder zurück in die Provinz zog.

Und dort begegneten sich eines Tages beide wieder. Es beginnt eine heiße Affaire, wobei beide eigentlich überhaupt nicht zueinander passen und sich völlig fremd sind in ihrer ganzen Art und Einstellung zum Leben. Aber trotzdem können sie nicht voneinander lassen.

In dem Buch werden diverse für mich sehr interessante Aspekte angerissen: wie geht man mit dem eigenen Altern um, wie mit den hilfsbedürftigen Eltern? Wie unterschiedlich ticken die Generationen, gerade Helenes Assistentin ist ein ganz wunderbares Beispiel für die Welten, die einige Lebensjahre an Unterschied bringen können. Und natürlich: was ist eigentlich Liebe, was Begehren und wie bekommt man im Idealfall beides unter einen Hut. Auch der soziale Aspekt kommt nicht zu kurz, was bedeutet uns Geld und finanzielle Absicherung, wieviel Leben gibt man an einen Beruf und wieviel Erfüllung bringt dieser? Das wird sehr klar und schonungslos beschrieben, und natürlich gibt es keine allgemeingültige Erklärung und Hilfe für all diese komplexen Themen.

Das Ende kommt etwas kurz und überraschend. Einige der Handlungen sind für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, aber ganz sicher ist das nicht alles unrealistisch. Stilistisch gefällt mir das Buch gut, allerdings mit einigen kleinen Längen. Über allem schwebt für mich eine große Tristesse und Melancholie. Was sich sicherlich auch aus dem Hauptthema: „Was macht man aus seinen Träumen“ ergibt.
Von mir dafür gute 4 Sterne.

Bewertung vom 15.09.2022
Matrix
Groff, Lauren

Matrix


sehr gut

Nonne wider Willen

Marie de France, eine uneheliche Tochter aus dem Geschlecht der Plantagenets, lebt nach dem Tod ihrer Mutter am Hofe der Königin Eleanore von Aquitanien. Aufgrund ihrer Größe, Ungelenkheit und ihres unschönen Aussehens passt sie aber so gar nicht in das Frauenbild dort und wird schlussendlich von Eleanore in ein verarmtes heruntergekommenes Kloster in England verbannt. Mutterseelenallein kommt sie dort nach einer beschwerlichen Reise an und die Freude über ihre Ankunft hält sich auch dort in Grenzen.

Das Kloster ist verarmt aufgrund von Misswirtschaft, die Arbeit wird nach unpraktischen Erwägungen auf die Schwestern verteilt, alle hungern und frieren und Krankheiten töten viele der Nonnen weit vor ihrer Zeit.
Nachdem Marie realisiert hat, dass sie niemand von dort wegholen wird und sie völlig auf sich allein gestellt ist, beginnt sie, das Beste aus der Situation zu machen und krempelt nach und nach alle Bereiche um. Sie schafft es wahrhaftig, neue Geschäftsfelder zu erschließen, die Nonnen zu motivieren und das Leben im Kloster verbessert sich spürbar. Sie weckt Talente und Begabungen in den Nonnen und setzt diese zum Wohl der Gemeinschaft ein. Im Kontakt mit der Außenwelt legt sie großen Wert darauf, das Kloster weitgehend von Kriegen und vor allem auch Männern abzuschirmen, was sich als sehr kluge Entscheidung erweist. Auch mit Eleanore wird der Kontakt wieder enger und es entsteht sogar so eine Art von Freundschaft.

Dabei gibt es natürlich auch Rückschläge, nicht mit allen Schwestern kann Marie gut umgehen und ihre Visionen und Pläne überfordern auch viele ihrer Mitschwestern. Trotzdem behält sie die Zügel in der Hand und setzt sich immer wieder durch. Eine sehr beeindruckende Frau! Und das in einer Zeit, da Frauen sehr viel weniger wert waren als Männer.

Die Sprache des Buches ist sehr ungewöhnlich und hat mir ganz außerordentlich gefallen, sehr bildhaft und präzise. Dazu das Bild dieser sehr ungewöhnlichen Frau, die nicht mit Schönheit und Anmut glänzen kann, aber sich mit Klugheit, Beharrlichkeit und Zielstrebigkeit eine ganz eigene Welt erschafft und verteidigt. Gäbe es mehr von ihrer Sorte zu jeder Zeit, sähe die Welt wohl anders aus.

Ein tolles Buch nicht nur für Mittelalterfans!

Bewertung vom 15.09.2022
Liebe machen
Fröhlich, Susanne;Kleis, Constanze

Liebe machen


sehr gut

Gespräch unter Freundinnen

Schon die alten Bücher von Susanne Fröhlich haben mir gut gefallen und so habe ich mich über das Neue von ihr und ihrer Freundin Constanze Kleis sehr gefreut, zumal es um ein so allumfassendes, schönes und auch schwieriges Thema geht.

Und das Gespräch, denn in dieser Form werden die Themen abgehandelt, ist witzig, warmherzig, lebenserfahren und unterhaltsam. Aufgrund des etwas reiferen Alters der Autorinnen gibt es natürlich auch eine Menge Erfahrungen, eigene und aus dem Bekannten- und Freundeskreis. Dabei schrecken die Autorinnen auch nicht vor heikleren Themen zurück, ob es um Intimfrisuren, Intimverkehr oder ähnliches geht.

Und auch vor klaren Worten zu absoluten No-gos drücken sich Frau Fröhlich und Frau Kleis nicht, denn leider klammert man sich doch zu oft an tote Pferde, weiß das im Grunde auch und kann doch aus diversesten Gründen nicht davon lassen. Wenn man dann Meinungen von ganz fremder Seite hört, ist das doch oft hilfreich. Und eine klare Meinung haben die beiden glücklicherweise zu vielen Themen.

Das Cover passt m. M. n. auch ganz prima und gefällt mir gut.
Auf jeden Fall von mir gute 4 Sterne und eine Empfehlung für alle Singles und mehr oder weniger Verliebten.

Bewertung vom 15.09.2022
Die Passage nach Maskat
Rademacher, Cay

Die Passage nach Maskat


gut

Gewürze, Drogen, Mord und Totschlag auf der Kreuzfahrt in den Orient

Der aus dem 1. Weltkrieg traumatisierte Fotoreporter Theodor Jung ist mit seiner Frau Dora und deren Familie auf einer Reise in den Orient. Vorgeblich möchte Doras Vater als Inhaber eines Handelsunternehmens dort Gewürze kaufen. Leider ist das Verhältnis von Theodor zu seiner Schwiegerfamilie und auch deren Verhältnisse untereinander nicht wirklich zugewandt und wohlwollend. Auch die Beziehung zwischen Dora und Theodor selbst läuft nicht gut und so soll diese gemeinsame Reise einiges zum Guten wenden.

Doch schon nach wenigen Tagen an Bord ist Dora spurlos verschwunden und jedermann bestreitet, sie überhaupt je an Bord gesehen zu haben. Theodor beginnt an seiner eigenen Wahrnehmung zu zweifeln, aber findet in dem Zimmermädchen Fanny doch eine unerwartete Verbündete und Helferin. Stück um Stück kommt er der Wahrheit über Doras Verschwinden näher und dabei deckt er jahrzehntealte Familien-Geheimnisse auf, die ihm bislang verborgen geblieben waren.

Mir kommt Theodor etwas sehr naiv und gutgläubig vor, ich kann mir nicht vorstellen, dass man in einer Ehe derartig viele und große Geheimnisse über längere Zeit voreinander verbergen kann. Und auch die große Intrige zu seinen Lasten kann ich mir nicht wirklich gut begründen. Aber schlussendlich gelingt ihm ja doch ein Happy End, auch wenn ich das etwas konstruiert finde. Dora kommt mir etwas sehr blass gezeichnet vor, immerhin ist sie ja die Hauptperson im Hintergrund, die alle Fäden in der Hand hat.

Sehr gut gelungen ist dagegen die Beschreibung der damaligen Zeit, die Stile und Moden, die geherrscht haben, das nach wie vor schwierige Verhältnis zwischen den diversen Feindesländern aus dem letzten Weltkrieg, die Wunden, Verluste und Traumata, die die Menschen noch immer mit sich tragen. Umso trauriger, dass dieses Elend auch in Europa nicht für alle Zeiten überwunden ist, hier wurden wir wieder böse überrascht.

Von mir eine Lese-Empfehlung für alle Krimifans mit historischem Faible mit guten 3 Sternen.

Bewertung vom 26.07.2022
Blanche Monet und das Leuchten der Seerosen / Ikonen ihrer Zeit Bd.7
Paulin, Claire

Blanche Monet und das Leuchten der Seerosen / Ikonen ihrer Zeit Bd.7


sehr gut

Eine Malerin im Schatten der Männer

Blanche Hoschede ist schon als kleines Kind von der Malerei fasziniert, ihr Vater ist ein begeisterter Kunstsammler und so hat sie frühzeitig die Gelegenheit, den damals noch völlig unbekannten Claude Monet kennenzulernen. Dessen Bilder werden von der französischen Kunstszene verrissen und er ist dringend auf Unterstützer und Mäzene angewiesen.

Doch Blanches Vater hat sich finanziell übernommen, die Familie muss aus ihrem Landsitz ausziehen, der Vater schafft es nicht, die Familie weiter zu unterhalten und hat auch das Vermögen seiner Frau verbraucht. Diese wiederum lässt sich auf eine Affaire mit Monet ein, was ihrer Ehe nicht wirklich gut bekommt.

Nach dem Tod von Monets Frau lebt sie ganz offen mit ihm und den Kindern in einer Großfamilie zusammen und das Geld ist ständig knapp. Nur sehr langsam stellen sich erste Erfolge mit Monets Malerei ein, bis es endlich möglich ist, die berühmte Villa mit Garten in Giverny zu beziehen und zu gestalten.

Blanche wiederum beginnt ebenfalls zu malen und findet nach den langen Jahren der Unsicherheit und Unstetigkeit darin eine Erfüllung. In der Liebe bleibt ihr diese allerdings versagt. Sie verliebt sich ganz unsterblich in einen jungen amerikanischen Maler, aber Monet verbietet ihr die Hochzeit mit diesem Mann. Sie soll ihm weiterhin als Gehilfin zur Hand gehen.
Schlussendlich heiratet sie einen von Monets Söhnen, aber diese Ehe ist alles andere als glücklich.
Obwohl sie ganz hervorragend malt, bleibt sie stets im Schatten ihres berühmten Schwiegervaters, auch ich habe bislang nicht gewusst, dass es eine Malerin in der Familie Monet gibt.

Leider ist Blanches Leben ein gutes Beispiel dafür, wie schwer es Frauen damals hatten und wie wenig ihre Wünsche und Träume für ihr Leben zählten. Sie waren immer auf die Zustimmung ihrer Eltern und Ehemänner angewiesen und auch immer finanziell von diesen abhängig. Schlussendlich hat auch Monet Blanche für seine Zwecke benutzt.
Ich hätte mir mehr Durchsetzungskraft und Eigenständigkeit für sie gewünscht.

Insgesamt 4 Sterne von mir.

Bewertung vom 07.06.2022
Die Knochenleser
Ross, Jacob

Die Knochenleser


ausgezeichnet

Eine Welt der Männer

Der junge Michael Digger Digson lebt auf einer Insel der kleinen Antillen, hat die Schule mit besten Ergebnissen abgeschlossen und hat trotzdem keine Chance auf einen guten Job und ein halbwegs gesichertes Leben. Beim Herumlungern auf der Straße beobachtet er einen Mord und gerät ins Blickfeld des Detective Superintendent Chilman, der ihn für seine ganz spezielle Polizeitruppe rekrutiert.
Digger wird in England ausgebildet und arbeitet mit anderen Ermittlern der Spezialgruppe an diversen Vermisstenfällen der Insel. Dabei hilft ihm Miss Stanislaus, eine Tochter Chilmanns, die eigentlich keine ausgebildete Polizistin ist und recht unkonventionelle Ermittlungsmethoden verfolgt. Nebenbei betreibt Digger auch die Ermittlungen zum Tod seiner eigenen unter schwierigen Umständen verschwundenen Mutter.
Tatsächlich klären er und Miss Stanislaus die Fälle einiger vermissten Personen auf und können dabei auch einige brutale Mörder und Peiniger aus einem religiösen Kreis dingfest machen.
Das Ganze spielt in einer bunten exotischen Kulisse, die aber die Armut, permanente Korruption und Gewalt besonders gegen Frauen kaum überdeckt. Das Bild, das die meisten der dort lebenden Männer von Frauen, ihren eigenen Rechten und von den weit weniger zählenden Rechten der Frauen haben, ist für mich schwierig nachzuvollziehen und stößt mich ziemlich ab. Auch sind die Ermittlungsmethoden für unsere Welt ziemlich ungewöhnlich,
Da bin ich wieder sehr froh, in einem ganz anderen Kulturkreis leben zu können.
Die Sprache und Wortwahl im Buch ist auch etwas ganz anderes, der einfache Gassenslang, der ziemlich lautmalerisch wiedergegeben wird, hat in diesem Zusammenhang seinen eigenen Reiz.
Fazit: Ich würde vermutlich einen neuen Roman des Autors eher nicht kaufen, aber für Liebhaber der Karibik ist das Buch durchaus lesenswert.

Bewertung vom 22.03.2022
Die Diplomatin
Fricke, Lucy

Die Diplomatin


sehr gut

Unsere Werte und die Welt

Da stellt man sich das Leben als Diplomat so glamourös vor, an wunderbaren exotischen Orten, aber immer im sicheren Schutz der Diplomatie und mit allen deutschen Werten um sich herum, die einem wichtig sind. Und dann besteht die Aufgabe hauptsächlich daran, den Nationalfeiertag möglichst ökologisch und politisch korrekt so zu organisieren, dass aber auch die einheimische Bevölkerung das abbekommt, was sie an Deutschland schätzt, z. B. deutsche Wurst.

Fred Andermann, Anfang 50, hat ihre Illusionen im Laufe ihrer Diplomatenkarriere längst verloren. Sie weiß, wie sie sich auch gegen ihre eigenen Vorgesetzten am besten absichert, vertraut keinem und niemanden und kommt an ihre letzten Station Istanbul trotzdem an ihre Grenzen. Sie sieht, wie Recht und Gesetz mit Füßen getreten wird, jeder, auch mit einem deutschen Pass absolut der Willkür der Regierung ausgesetzt ist und sieht auch, dass ihr und ihren Kollegen die Hände komplett gebunden sind. Die Menschen werden in diesem Despotensystem zerrieben und sie kann so gut wie nichts tun. Bis sie dann doch etwas tut.

Man sieht in diesem Buch ganz deutlich, wo die Grenzen unserer diplomatischen Bemühungen liegen und wie wenig unsere Werte zählen. Diese sind für den übergrößten Teil der Erde nicht logisch, nicht verständlich, nicht erstrebenswert und werden daher auch nicht anerkannt und respektiert. Der Tanz geht nur so lang gut, wie man sich von Deutschland finanzielle Hilfen und Vorteile verspricht und so gut wie immer auch erhält. Bis sich die andere Seite vom Bruch aller Regeln die größeren Vorteile verspricht und das sieht man ja tagtäglich in den Nachrichten.

Dass dies für unsere Diplomaten und Botschaftsangehörigen sehr zermürbend und frustrierend sein muss, liegt auf der Hand und das wird aus diesem Buch sehr deutlich.
Zudem liest sich der Roman wirklich spannend, lediglich das etwas offene Ende hat mir nicht so gut gefallen. Deshalb sehr gute 4 Sterne von mir.

Bewertung vom 01.03.2022
Tell
Schmidt, Joachim B.

Tell


ausgezeichnet

Rohe Gewalt und tiefes Leid

Ich kann ja schon lange Menschen nicht verstehen, die sich gerne in die menschliche Vergangenheit zurückversetzen lassen würden und dieses Buch ist für mich wieder mal eine Bestätigung, dass man eher selten das Schicksal einer verwöhnten Königstochter treffen würde (die ggf. mit 13 an einen uralten Nachbarkönig aus dynastischen Gründen verheiratet worden wäre), sondern mit weitaus größerer Wahrscheinlichkeit als Kind einer armen Bergbauernfamilie.

Und der Autor schafft es ganz hervorragend, das Elend und Leid der einfachen Bevölkerung zu schildern. Die Hauptfigur Wilhelm Tell hat schon als Kind böse Misshandlungen erleben müssen, die ihn für das restliche Leben geprägt haben. Der Tod seines Bruders kommt noch dazu, so kann er kaum Gefühle zeigen und ist ein tief in sich verschlossener Mann geworden. Keinesfalls eine lichte Heldenfigur, die für die Freiheit der Schweizer kämpft. Auch seine Frau lebt nicht aus Liebe mit ihm zusammen, die Umstände haben ihr keine Wahl gelassen, darunter leiden natürlich auch ihre Kinder.

Dagegen das Leben der Habsburger Landsknechte: je grausamer und gewalttätiger sie gegen die Bergbauern vorgehen können, desto mehr Spaß macht es ihnen. Ein Mord mehr oder weniger belastet sie nicht. Das liest sich wirklich schwer.

Der Autor lässt in diesem Buch die einzelnen Personen selbst erzählen und das erzeugt ein ganz eigenes Bild auf die einzelnen Menschen. Der Landvogt Gessler, sonst immer als böser Tyrann beschrieben, entpuppt sich hier als empfindsamer Mann, den es heim zu Frau und Tochter zieht und trotzdem immer weiter in den Strudel aus Gewalt und Gegenwehr gezogen wird und schlussendlich daran stirbt.

Ganz überraschend war für mich die Figur des Pfarrers Franz, den ein böses Geheimnis aus der Kindheit mit Wilhelm Tell verbindet.

Das Buch hat mir sehr gefallen, es bringt eine ganz eigene und ungewöhnliche Sichtweise auf die alte Geschichte und der Erzählfluss wird immer schneller und treibt geradezu auf das Finale hin. Unglaublich spannend, auch wenn die harten und brutalen Beschreibungen manchmal sehr schwer zu lesen sind. Dafür 5 Sterne.