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Benutzername: 
Max Gutbrod
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 24 Bewertungen
Bewertung vom 13.09.2023
Als wär's ein Stück von mir
Zuckmayer, Carl

Als wär's ein Stück von mir


gut

Der Autor hat viel zu erzählen, vor allem wirken seine Erfahrungen im 1. Weltkrieg und der Emigration. Das muss so stark gerade auch auf Generationsgenossen gewirkt haben, dass die Memoiren in beinahe jedem Bürgerhaushalt standen, die über Jahrzehnte ans Schweigen gewohnte Münder öffnete und von „dem“ Zuckmayer gesprochen wurde.
Zuckmayers Ton ist erstaunlich gleichmütig, immer auch nach Wirkung schielend, auch wo es um Trauer wegen der aus der US-Emigration so fernen Heimat, das Entsetzen über das Sterben so vieler Freunde und die eigenen Irrtümer, etwa beim Aufbau der hartnäckig verfolgten Karriere und der späten Emigration geht. So ermüdet der Stil gelegentlich. Sehr ausführlich wird man etwa über die jeweiligen wirtschaftlichen Beschränkungen informiert, eher großmütig darüber, wenn es ihm – wie zeitweilig wohl sehr deutlich – gut geht.
Faszinierend sind zwei eher künstlerische Details: Wie er sich nach zwei „Durchfällen“ sicher war, einen eigenen Stil zu haben, und diesen dann im „Fröhlichen Weinberg“ durchsetzte, und wie er – was er sprachlichen Schwierigkeiten zuschrieb – unfähig war, diesen Stil amerikanischen Studenten zu erläutern – wie viel erhellender ist doch Lilli Palmer in ihrer Biographie über anglo-amerikanischen Humor.
Großartig, neugierig, eher positiv-begeistert, aber auch immer mit einer kritisch-distanzierten Note sind die Portraits, etwa von Stefan Zweig, Werner Krauss und Brecht, etwas störend nur, dass sich Zuckmayer immer eine eher kindische Rolle zuschreibt.
Eher bemüht, an name dropping grenzend, ohne viel Konkretes wiederum die Beschwörung der Freundschaften.

Bewertung vom 13.09.2023
Der Seelenbräu
Carl Zuckmayer

Der Seelenbräu


gut

Die Erwähnung der Musik von J. S. Bach und der Bilder sind wohl (vielleicht) als Offenheit für Fortschrittliches gemeint, werden aber leicht als altväterlich verstanden und heute wohl nur noch so wahrgenommen: Der einst aufständische Zuckmayer, der schon um sich durchzusetzen einigermaßen angestrengt nach allerlei Kompromissen mit dem Publikum suchte, wie besessen und vielleicht auch nicht immer sehr wählerisch nach Themen suchte, war nun ganz beim Populären angekommen, was etwa durch den Erfolg seiner Memoiren bestätigt wurde, die vielleicht – immerhin! – dazu beigetragen haben, dass über die jüngeren Kriegserfahrungen geredet werden konnte.

Bewertung vom 09.09.2023
Lexikon der Geschichte Rußlands
Torke, Hans-Joachim

Lexikon der Geschichte Rußlands


gut

Der Band enthält generell verlässliche und leicht zugängliche Informationen zu Einzelheiten, war mir umso mehr hilfreich erscheint, als Bewertungen bezüglich der sowjetischen Geschichte häufig von Voraussetzungen abhängen, die man lieber offengelegt hätte. Wenn Andropov beispielsweise als Kritiker von Breschnew bezeichnet wird kann man sich, vorstellen, dass inzwischen verfügbare Memoirenliteratur, die ein differenzierteres Bild zeichnet, bei Drucklegung so nicht verfügbar war.

Leider sind die Zusammenhänge und Querverweise nicht immer hilfreich, sie wirken, als wären Teile umfassenderer Pläne übrig geblieben. Die ähnlichen Texte zur unierten Kirche unter Religionsgemeinschaft und Orthodoxer Kirche verweisen z. B. nur im letzteren Fall auf Galizien und die Bukowina, von denen aus man auf die Ukraine verwiesen wird, wo nichts Einschlägiges steht. Bei START wird man zum INF-Vertrag verwiesen, der aber nicht beschrieben wird.

Bewertung vom 09.09.2023
Denken hören - Hören denken
Zender, Hans

Denken hören - Hören denken


gut

Unter den vielen Schriften Zenders mag meine Besprechung den falschen Band treffen, mir ist, als hieße die Essaysammlung, die ich meine und die mir abhandengekommen ist, „Die Sinne denken“, bessere Sucher mögen auch diese auf diesem Site finden.

Das Buch zeichnet Karriere, partielle Klugheit und eine sympathische Offenheit aus. Berührend der Nachruf über Fortner, obwohl er sich nach eigenem Bekenntnis von ihm „schon früh“ „abseilte“. Im Rückblick kaum mehr verständlich, dennoch aber wohl sehr charakteristisch für Musik in der BRD nach 1945 sind die berichteten Reaktionen auf Henze und Paik.
Nachdenkens Wert ist Zenders Bericht über die Musikpolitik in Hamburg.
Scelsis Prinzip ist eigentlich nicht beschrieben, aber ein Urteil darüber abgeben, was es nicht ist.
Freundlich ist Zender zu Brendel, offenbar mehr Persönlichkeit und Stellung wegen.
Erzählerisch und für Bewunderer Celibidaches wie mich außerorderntlich ist der Bericht von einem von H. Schiff veranlassten Video-Tagen mit Celibidache. Zwar sitzt Zender dem von Celibidache ja selbst gepflegten Bild des antimodernen Pultlöwen auf. Dabei könnte Celibidache durchaus unterschiedlicherer jeweils zeitgenössische Werke aufgeführt haben, als viele andere seiner Kollegen, genannt seien Genzmer, Hamel, Lidholm, Bekh, Shostakovich und Prokofiev, die Celibidache früh im Westen aufgeführt hat. Begeisterung
Insgesamt wirkt Zender angenehm und vielfältig, wie etwa auch seine Rekonstruktion der Winterreise voller Farben, aber mit nicht immer eindeutigem Neuigkeitswert.
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Bewertung vom 09.09.2023
Dietrich Fischer-Dieskau
Neunzig, Hans A.

Dietrich Fischer-Dieskau


weniger gut

Wie vielleicht typisch für einen Künstler seine Bedeutung sind Fischer Dieskaus Biographien typischerweise so unbefriedigend wie dieses Buch. Über einen sein Privatleben so Abschottenden und so rastlos Tätigen kann kaum ohne seine Zustimmung portraitiert werden, und diese scheint hier besonders an die Wiedergabe eines Selbstbildes gebunden gewesen zu sein, das ohne Zweifel vieles Richtige, aber auch manches Problematische enthält, jedenfalls aber bei weitem die Bedeutung des Künstlers nicht zu erfassen fähig ist. So kommt etwa die Rolle als Falstaff, die Fischer-Dieskau zu so wichtig war, dass er sie außer in Berlin und München in Japan, London und Wien vorstellte, kommt eher als Arabeske, nach dem Motto vor, Komik habe der eher ernste Sänger auch gekonnt. Dabei hat er gerade in ihr eine ans Übermenschliche grenzende, jedenfalls ungewöhnliche Kombination von schauspielerischer und sängerischer Beherrschung des Details geboten, die Komik als das eben nur beinahe Richtige völlig jenseits des Üblich-Klamaukhaften verkörpert. Fischer-Dieskaus Darstellung des Gebrochen-Bürgerlichen durch seinen Mandryka (dass die Arabella in München, Berlin und London auf den Spielplan kam wird auch seiner Bereitschaft zum Auftritt zu verdanken sein), mit den schwierigen Intervallen des Barak ins Magische hinüberspielend (vom dem – außer Lear - einzigen Bühnenauftritt, in dem ich ihn, schon nahe am Ende seiner Bühnenkarriere, life sah, ist mir vor allem seine Natürlichkeit, die Fähigkeit in Erinnerung, ein Arbeiter zu sein) wird ebenso wenig gewürdigt wie die Amalgamation des Unheimlich-Dämonisch-Komisch-Schlüpfrigen durch seine Auftritte Giovanni, Figaro und Cosi. Sein Zögern beim Aufbrechen der Rollengrenzen (ich erinnere mich an eine Vorlesung in Paris, bei der seine Übernahme des Rheingold-Wotan als Zeichen eines neuen Wagner-Bilds gewertet wurde) kommt nur indirekt, im Zusammenhang mit seinem Zögern mit der Übernahme der Sachs-Rolle vor. Ganz fehlt die Faszination, die er mit seinen regelmäßigen Lieder-Tourneen ausüben konnte, große Säle etwa für die auch musikalischen Eigenarten der Schubert‘schen Zyklen oder die Aufweichung des Bürgerlichen bei Wolf-Mörike begeisternd.
Grotesk wird die Fehleinschätzung, wenn die eher zweifelhafte schriftstellerische Tätigkeit Fischer-Dieskaus uneingeschränkt gewürdigt wird, dabei aber seine gemeinsame Herausgeberschaft der Schubert-Lieder mit dem großartigen Elmar Budde nicht erwähnt wird. Mit Elmar Budde hat Fischer-Dieskau auch in der Wolf-Akademie v. a. zu Ehren Schuberts interessant zusammen gearbeitet, von Elmar Budde hat ein aufschlussreiches Interview mit Fischer-Dieskau darüber geführt, wie sich Fischer-Dieskaus wandelnde Sicht auf die Winterreise in den Aufnahmen wiederspiegelt. Budde kommt in dem Band aber nur (auf S. 202) als Klavierpartner vor, obwohl er vielleicht Fischer-Dieskaus wichtigster musikalisch-intellektueller Freund war. Grotesk und traurig ist zudem, dass selbst im Rückblick nach Jahrzehnten weder Fischer-Dieskau, noch der Autor, noch der Verlag gemerkt zu haben scheinen, dass ein Brief an die noch kleinen Söhne, in dem Fischer-Dieskau (bemüht scherzhaft oder einfach nur (pädagogisch) unsensibel?) eine Reihe berühmter, Fischer-Dieskau anhimmelnden Künstler aufführt, vielleicht für Fischer-Dieskaus gute Organisation, aber auch für den hohen Preis des Ruhms spricht.

Bewertung vom 09.09.2023
Arnold Schönberg
Nono-Schoenberg, Nuria

Arnold Schönberg


ausgezeichnet

Als dieses Buch herauskam, wurde es als eher bemühter Versuch der Tochter wahrgenommen, an dem Ruhm des Vaters teilzunehmen. Es ist aber eher eine beeindruckende, soweit ich weiß einmalige Zusammenfassung des Nachlasses zu einer Art Auto-Fremdbiographie. Eindrucksvoll sind insbesondere die bedrängten Umstände in der Jugend, die, anders etwas als bei Th. Manns Faustus, erst vergleichsweise spät strukturiertes Musiklernen möglich machten, wie organisch sich daraus eine mögliche Erklärung für den Versuch des spät, eben nicht als Wunderkind in die Öffentlichkeit tretenden, sich durch Umstrittenes, aber auch durch die eher die (musikalische) Allgemeinheit ansprechende, eindrucksvoll gerade die (musikalische) Vergangenheit zusammenfassende Harmonielehre zu behaupten. Durch ein exzellentes Sichtwortverzeichnis unterstützt erlaubt das exzellent bebilderte und gedruckte Buch, auch durch Schönbergs intellektuelles Leben zu streifen, etwa schnell pointierte Äußerungen zu Bach und Mozart zu finden.

Bewertung vom 06.09.2023
Mein Chef Gorbatschow (eBook, ePUB)
Ryschkow, Nikolai

Mein Chef Gorbatschow (eBook, ePUB)


weniger gut

Ryschkow geht es fast ausschließlich darum, Verantwortung auf Gorbatschow abzuwälzen. So wird Gorbatschows berühmte Reise nach England als ein Trick bewertet, sich durch Popularität im Ausland für den Posten des Generalsekretärs ins Spiel zu kommen. Warum ein solcher Trick Aussischt auf Erfolg haben konnte, dass die sowjetische Führungsstruktur nicht sehr leistungsfähig gewesen sein kann, wenn ein solcher Trick wirkte, wird nicht behandelt.
Ryschkows eigenes Feld, wegen dem er wohl in einer Art Notoperation zu Amt und Würden kam, die Wirtschaft, bespricht er nicht umfassend. Es mag wohl sein, dass die sowjetische Wirtschaft nicht mehr reformierbar war. Dennoch hätte ein wenig diesbezügliches Verantwortungsbewusstsein gefreut.
In Anatoli Kowaljows Memoiren wird im übrigen ein viel freundlicheres Bild von Ryschow gezeichnet, als er selbst nahe legt: Als gebildeter, nachdenklicher Verantwortungsträger, der sich für Menschenrechte wirksam einzusetzen wusste.

Bewertung vom 06.09.2023
Rußland / Deutsche Geschichte im Osten Europas

Rußland / Deutsche Geschichte im Osten Europas


gut

Dieser Band ist am ehesten, was der Titel verspricht, nämlich ein Nachspüren der Wirkung Deutscher. Es werden z. B. akribisch deutsche Schulen, Kirchengemeinden, Vereine und Krankenhäuser aufgeführt. Gleichzeitig zeigt er, wie schwer das Thema zu fassen ist: Wirklich gegenseitige Einflüsse darzustellen kann kaum umfassend gelingen. Jedenfalls entsteht hier nicht, wie in anderen Bänden, der allgemeine Eindruck, eine wirtschaftlich und kulturell überlegene Schicht habe die Ureinwohne dominiert. Manches gerät denn auch schief: So etwa die Darstellung der deutsch-sowjetischen kulturellen Bezüge, die sehr an – interessanten - Einzelheiten haften bleibt. Heutzutage würde auch Odessa (oder Odesa) nicht mehr als russische Stadt bezeichnet werden können. Diese eher kritischen Anmerkungen weisen eigentlich darauf hin, wie wichtig ein derartiges Unterfangen, eine Fortsetzung wäre.

Bewertung vom 06.09.2023
Das Tagebuch der Baronin Spitzemberg, geb. Freiin v. Varnbüler
Spitzemberg, Hildegard Baronin

Das Tagebuch der Baronin Spitzemberg, geb. Freiin v. Varnbüler


ausgezeichnet

In vielen wissenschaftlichen Werken, so bei Röhls Wilhelm II-Biographie oder bei Pflanzes Bismarck-Biographie findet man viele Verweise auf Spitzemberg, und doch ist sie viel erhellender, in ihrem knappen, besorgten, sichtbar Anteil nehmenden Stil viel leichter fähig, Charakterbilder zu zeichnen, Probleme zuzuspitzen und die Tragödie des Kaiserreichs vorauszuahnen. Gerade deshalb sei ein Gedankenspiel gewagt: Die Nachwelt scheint die Zweifel an Wilhelm II und seinen Freunden, etwa dem unseligen Eulenburg, vertieft zu haben. Viel interessanter wäre aber doch wohl gewesen, diese Zweifel zu hinterfragen, den jeweils Handelnden ihr eigenes Recht zu geben. Wilhelm II wäre dann vielleicht von einem ja nicht wirklich geplantem, und Bismarcks Übermacht notwendig einseitig angelegten Apparat notwendig überfordert und daher auch immer der Allgemeinheit unbefriedigend erschienen, was sich durch erratische Fluchtbewegungen gesteigert haben könnte.
Auch hinsichtlich allgemein Zeitgeschichtlichem wird man immer wieder reich beschenkt, so zu Theaterbesuchen der „Meininger“, Ausstellungen von Wereschagin.

Bewertung vom 06.09.2023
Erinnerungen
Gromyko, Andrej

Erinnerungen


weniger gut

Nicht ganz untypisch für Memoiren von Spitzenpolitiker ist, dass bei der Reflexion nicht viel anderes herauskommen kann, als während der Karriere, dass diese wiedergekäut wird. Besonders ärgerlich ist dies hier bei der Bewertung der jeweiligen Opponenten, so etwa H. Schmidt. Anregend sind die Details zur Potsdamer Konferenz, einige Striche zu einem – überraschend positiven – Porträt Stalins, ein wenig zu Interna der 50-iger Jahre und zur Potsdamer Konferenz.