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Romy

Bewertungen

Insgesamt 61 Bewertungen
Bewertung vom 27.04.2024
Mit den Jahren
Steenfatt, Janna

Mit den Jahren


gut

Janna Stenfatt erzählt in “Mit den Jahren“ die Geschichten von Lukas, Eva und Jette. Lukas ist Künstler und Familienvater und der Ehemann von Eva. Eva ist Lehrerin und liebt ihre beiden Kinder über alles. Jette schreibt gerade an ihrem ersten Roman und arbeitet nebenher in einer Videothek. In einer Kneipe in der Nähe der Videothek läuft sie schließlich Lukas über den Weg, die beiden kommen ins Gespräch und enden schließlich in seinem Atelier. Jette hatte bisher ausschließlich Beziehungen mit Frauen und ist unsicher, was diese neue Entwicklung bedeuten könnte. Eva bemerkt natürlich, dass Lukas abends immer öfter nochmal ins Atelier verschwindet und nach Alkohol riecht, wenn er sich später zu ihr ins Bett schleicht. Als er eines Tages erst zum Frühstück zurückkehrt, zieht sie einen Schlussstrich. Zurück bleiben Jette, Lukas und Eva als Einzelpersonen, die sich mit den grundlegenden und fundamentalen Fragen des Lebens beschäftigen müssen.
Die Covergestaltung hat mich neugierig gemacht und passt auch gut zur künstlerischen Ader von Lukas, die im Roman eine wiederkehrende Rolle spielt. Allerdings hat das Cover eine gewisse Erwartung in mir geweckt, die nicht wirklich erfüllt wurde. Ich hatte eine feinsinnige Erzählung erwartet, die aus Kunst und Worten Emotionen entwickelt. Tatsächlich ist der Roman eher derb, Alkohol und Sex sind wie ein roter Faden, der sich durch die gesamte Erzählung zieht. Das ist nicht unbedingt schlecht, war aber nicht, was ich aufgrund des Covers erwartet hatte. Das Thema der Geschichte finde ich trotzdem sehr gut umgesetzt, da der Schreibstil der Autorin authentisch wirkt, und die Leben, die sie skizziert, gleichermaßen alltäglich und bemerkenswert erscheinen.
Ich fand die handelnden Personen interessant, konnte mich allerdings nicht immer mit ihnen identifizieren, was auch daran liegt, dass die drei Hauptfiguren deutlich älter sind als ich. Das habe ich jedoch nicht negativ empfunden, sondern eher als Herausforderung, mich auch in deren Lebensrealität hineinzuversetzen. Insgesamt war das Buch für mich ein willkommener Kontrast zu den Geschichten aus dem Bereich Young Adult, die ich sonst lese.

Bewertung vom 19.04.2024
You'd Be Home Now (MP3-Download)
Glasgow, Kathleen

You'd Be Home Now (MP3-Download)


sehr gut

Emorys Leben ist an nur einem Abend in tausend Stücke zerbrochen: Sie war mit ihrem Bruder auf einer Party, irgendwann wollte sie heim. Ihrem Bruder ging es nicht gut, und außerdem war da ein Mädchen, das sich auf der Party unwohl fühlte und Emory gebeten hatte, sie sicher nach Hause zu bringen. Am Steuer saß schließlich ein Kumpel von ihrem Bruder, der die kleine Gruppe durch die Dunkelheit und den immer stärker werdenden Regen chauffierte. Doch irgendwann verlor er die Kontrolle über den Wagen und verursachte einen Unfall. Dieser Unfall kostet nicht nur das Mädchen auf der Rückbank ihr Leben, sondern löst noch eine ganze Reihe weiterer Konsequenzen aus. Emory wird am Knie verletzt und kann sich vielleicht nie wieder so bewegen wie vor dem Unfall. Ihren Platz im Tanzteam ist sie damit los. Bei ihrem Bruder wird im Krankenhaus eine Überdosis festgestellt – damit ist sein Drogenkonsum öffentlich, Emory kann ihn nicht länger vor ihren Eltern und der ganzen Welt verstecken. Ihre Eltern stecken Joey in eine Entzugsklinik, wo er lernen soll, ohne die Drogen zurecht zu kommen und sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Emory hat Zeit, körperlich zu genesen, doch auch die seelischen Folgen des Unfalls belasten sie. Das ändert sich auch nicht, als Joey endlich wieder nach Hause kommt und dort der größten Herausforderung bisher begegnet: Clean bleiben in seinem alten Leben, mit alten Freunden, Gewohnheiten und Problemen. Emory ist unglaublich froh, ihn wieder zu haben, und doch fällt es ihr unglaublich schwer zu sehen, wie sehr Joey zu kämpfen hat. Wird er es schaffen, seine Sucht in Schach zu halten?
Die Geschichte von Emory und Joey spielt sich in unzähligen Varianten und Variationen in vielen Familien in Deutschland, den USA und auf der ganzen Welt ab. Dabei geht es nicht nur um die Sucht und ihren Effekt auf den oder die Betroffene, sondern auch um deren Umfeld. Es geht dabei um Eltern und Kinder, Geschwister, Freunde und Arbeitskollegen, die mit einem Gefühl von Machtlosigkeit dabei zusehen müssen, wie jemand einer Substanz verfällt und ihr jegliche anderen Aspekte seines Lebens unterordnet. Doch eine Sucht ist eine psychische Erkrankung, vor der niemand vollständig sicher ist. Eine Sucht ist keine persönliche Verfehlung oder Schwäche, sondern eine Krankheit, die es zu behandeln und zu kurieren gilt. Dabei brauchen Betroffene Unterstützung und Halt, aber auch professionelle Hilfe. Dieser Weg fällt vielen nicht leicht und er verläuft auch selten so linear, wie es sich die meisten wünschen würden. Diese Erkenntnis bildet den Kern von Kathleen Glasgows Roman „You’d be home now“. Sie ist die Basis, auf der die Geschichte von Emory und Joey sich entwickeln kann. Emory war mir von Anfang an sehr sympathisch mit ihrer geschwisterlichen Liebe zu Joey, die teilweise auch ihr Urteilsvermögen getrübt hat. Auch das schwierige Verhältnis zu ihren Eltern hat sie als Charakter nahbar und sympathisch gemacht. Insgesamt hat mir das High School-Setting gut gefallen, ohne dass es zu sehr im Vordergrund stand. Die Autorin erzählt mit einer angenehmen Spannung. Diese rührt allerdings nicht von einer sich rasant entwickelnden Handlung sondern von einer tiefen emotionalen Verbundenheit mit den Charakteren und ihren Gefühlen. Man freut sich mit Emory, bangt und hofft mit ihr. Insgesamt ein sehr schöner Roman, den ich wirklich gerne gelesen habe und auch weiterempfehlen kann.

Bewertung vom 12.04.2024
The April Story - Ein wirklich erstaunliches Ding
Green, Hank

The April Story - Ein wirklich erstaunliches Ding


sehr gut

April führt ein ganz normales Leben: Nach ihrem Studium in Produktdesign ist sie bei einem Start-Up gelandet. Nicht unbedingt ihr Traumjob, aber immerhin kann sie es sich so leisten, weiterhin in Manhatten zu leben. Zwar teilt sie sich ihre Wohnung weiterhin mit ihrer Mitbewohnerin Maya, aber gegen deren Gesellschaft hat sie eh nichts einzuwenden. Als sie eines nachts mal wieder später das Büro verlässt, als sie sollte, entdeckt April eine ungewöhnliche Skulptur, mitten auf dem Gehweg. Beinahe wäre April vorbei gelaufen, doch als Kunstliebhaberin schämt sie sich direkt dafür, wie wenig Aufmerksamkeit sie diesem einzigartigen Werk geschenkt hat. Also ruft sie kurzerhand ihren Freund Andy an – diese Skulptur wäre doch ein tolles Thema für ein Video auf seinem YouTube-Kanal, den er seit einer Weile betreibt. Andy ist zunächst nicht begeistert, lässt sich jedoch breitschlagen, ein kurzes Video zu drehen und lädt es auch direkt hoch. Die beiden verabschieden sich, April fällt todmüde in ihr Bett – und am nächsten Morgen ist nichts mehr, wie es vorher war. April und Andy werden überrannt von Anfragen von Journalisten, denn die Skulptur in Manhatten ist nicht die einzige ihrer Art: Weltweise sind in großen Städten Dutzende von ihnen aufgetaucht. Keiner weiß wer sie aufgestellt hat, zu welchem Zweck, oder wie das ganze logistisch funktioniert hat. Auf mysteriöse Weise gibt es keinerlei Material von Überwachungskameras. Und Andy und April waren die ersten, die ihr Erscheinen auf Video festgehalten haben, noch vor den großen Nachrichten-Magazinen oder Lokalreportern.
Ich wusste nicht genau, was ich von der Geschichte erwarten sollte, wie sie sich entwickeln würde, oder was im Zentrum der Erzählung stehen würde. Entsprechend hatte ich keine konkreten Erwartungen an den Verlauf der Geschichte. Dachte ich zumindest, denn das, was April und Andy widerfährt, hat mich trotzdem überrascht. Tatsächlich werden eigentlich zwei Geschichten erzählt: Die plötzliche Bekanntheit von April, was es mit ihr macht, mit ihrem Alltag aber auch ihren Beziehungen. Und der Auslöser für ihre Bekanntheit, die Skulpturen, die Spurensuche nach ihrem Ursprung und ihrem Zweck. Beide Erzählstränge sind natürlich tief miteinander verwoben und können nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Sie bedingen sich gegenseitig, was ich mir beim Lesen immer mal wieder bewusst machen musste, wenn mich die Entwicklungen um die Skulpturen stutzig werden ließen. Umso besser hat mir die Schilderung von Aprils kometenhaftem Aufstieg gefallen. Ihre Geschichte steht dabei exemplarisch für so viele Phänomene unserer Zeit, die von der Macht der Aufmerksamkeitsökonomie geprägt ist. Mehr als es vielen von uns bewusst ist bringen wir jenen Macht, häufig sogar Geld, denen wir unsere Aufmerksamkeit schenken. Die Schilderung ihrer Erfahrungen und auch ihre eigene reflektierte Erzählweise hat mich gefesselt, und nur so durch die Seiten fliegen lassen. Am Schluss hat mich das Buch jedoch etwas unzufrieden zurück gelassen. Doch vielleicht ist es genau das, was ich aus dem Buch mitnehmen sollte: Dass wir selbst in unserer heutigen Zeit, die uns so viele Informationen zugänglich macht wie nie zuvor, nicht alles wissen und verstehen können.

Bewertung vom 16.03.2024
Leute von früher
Höller, Kristin

Leute von früher


sehr gut

Marlene hat gerade ihr Studium abgeschlossen und weiß nicht so recht, wohin mit sich. Also entschließt sie sich, erstmal einen Saisonjob auf einer Insel im Wattenmeer anzunehmen. Das Besondere: Ihr Arbeitsort ist ein Erlebnisdort, das so gestaltet ist wie um das Jahr 1900 herum üblich war. Das bedeutet, es gibt keinen Metzer sondern eine Räucherei, keine Cafés sondern ein Teehaus, und keine modernen Geräte, sondern altmodische Küchenwaagen – zumindest offiziell. Denn schnell lernt Marlene, hinter die Fassaden zu blicken und die Gebäude im Dorf als das zu erkennen, was sie sind: Kulissen. Denn natürlich kann man im Dorf auch mit Karten bezahlen, und die Zimmer im Gästehaus sind selbstverständlich mit Regenduschen ausgestattet. Ganz anders als die Baracken, in denen das Personal untergebrach ist: Diese liegen hinter der sogenannten Kostümgrenze, ab welcher alle Angestellten sich nur noch in ihren zugeteilten Kostümen und ohne moderne Gerätschaften wie Handys oder Armbanduhren bewegen dürfen. Marlene lebt sich schnell ein, und bleibt doch eher für sich. Sie erkennt, dass die anderen Angestellten aus ganz verschiedenen Gründen auf die Insel kommen: manchen gefällt die Arbeit und die Abgeschiedenheit, anderen gefällt vor allem das Geld, das sich dort in einer Saison verdienen lässt. Nach einer Weile lernt Marlene Janne kennen, die in der Räucherei arbeitet und keine Saisonkraft ist, sondern fest auf der Insel wohnt. Die beiden kommen sich näher, und doch wirkt es auf Marlene als würde Janne sie auf Distanz halten.
Kristin Höller hat mit „Leute von früher“ ein Buch voller Melancholie und unbeantworteter Fragen geschrieben. Das Setting ist toll gewählt, einerseits der Naturraum Wattenmeer, der eine raue und doch ruhige Atmosphäre schafft, andererseits das Erlebnisdorf mit seinen Geheimnissen und geflüsterten Mythen. Auch die Beschreibung der Saisonkräfte als eingeschworene und doch lose Gemeinschaft von austauschbaren Schauspielern im Gegensatz zu den neugierigen Touristen, die nur zu gerne über historische Ungenauigkeiten hinwegsehen, hat mir gut gefallen. Die Erzählung rund um Marlene ist weniger stringent verlaufen, als ich das erwartet hätte, und entsprach auch nicht ganz dem, was mir der Klappentext vermittelt hatte. Trotzdem hatte ich Freude dabei, mit ihr die Saison zu erleben, und mich dem Zauber der Vergangenheit hinzugeben. Allerdings bleibt das Verhältnis zu Marlene, wie auch den anderen Charakteren, eher kühl, was eine harmonische Reflektion der beschriebenen Wetterverhältnisse darstellt. Insgesamt war „Leute von früher“ eine angenehme und unaufgeregte Lektüre, die mich mit viel Liebe zum Detail für eine Weile ins Wattenmeer entführt hat.

Bewertung vom 11.03.2024
Der Ausflug - Nur einer kehrt zurück
Kvensler, Ulf

Der Ausflug - Nur einer kehrt zurück


sehr gut

Wie jedes Jahr im Sommer haben Anna, Hendrik und Melina eine mehrtägige Wanderung im Norden Schwedens geplant. Sie freuen sich auf ein paar Tage Natur, Ruhe und Abstand vom Stress des Stockholmer Trubels. Die drei kennen sich noch aus der Uni und sind ein eingespieltes Team. Anna und Hendrik sind ein Paar, Melina ist mit beiden eng befreundet. Doch dieses Jahr kommt alles etwas anders: Melina hat einen neuen Freund, der sich sehr fürs Wandern begeistert, und gerne mitkommen würde. Anna und Hendrik stimmen zu, und so machen sich die vier mit dem Zug auf den Weg gen Norden. Doch noch auf der Zugfahrt treten erste Spannungen auf: Jacob, der Neue in der Runde, will die von langer Hand geplante Wanderroute ändern. Zunächst sind Anna und Hendrik alles andere als begeistert, lassen sich dann aber doch umstimmen. Und so machen die vier sich auf den Weg in unbekanntes Terrain, durch unberührte Natur und unberechenbare Wildnis. Was als anspruchsvolle Wanderung beginnt, entwickelt sich schnell zu einem Trip, den keiner der vier so schnell vergessen wird. Denn mitten im schwedischen Nationalpark kann jeder Fehler lebensbedrohlich werden, kann jeder unaufmerksame Moment fatal sein. Wie geht man damit um, wenn einem plötzlich klar wird, dass die größte Gefahr nicht in der Wildnis lauert, sondern man an ihrer Seite wandert?
„Der Ausflug“ von Ulfs Kvensler ist ein unglaublich packender Thriller, den ich in nur wenigen Tagen verschlungen habe. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, so einnehmend war die Geschichte. Es gelingt dem Autor bereits nach wenigen Dutzend Seiten, ein unglaublich beklemmendes Gefühl beim Leser auszulösen. Da ist einerseits eine dunkle Vorahnung, andererseits eine augenscheinliche Sicherheit. Diese Beklemmung klingt nicht wieder ab, sondern begleitet die Wanderer, und somit den Leser, durch die Geschichte. Die Entscheidungen der einzelnen Charaktere sind manchmal zum Haare raufen, und trotzdem sind sie nicht abwegig – wahrscheinlich würde man selbst in der Situation ähnlich handeln. Ich war geschockt vom Verlauf der Handlung. Auch wenn ich darauf vorbereitet war, dass etwas passieren würde, bin ich aus allen Wolken gefallen, als es dann so weit war. Ich bin bis zum Schluss durch die Seiten geflogen, teils ungläubig, teils verwirrt, teils verzweifelt. Die Verwirrung hat sich bis zum Schluss nicht ganz gelegt, doch zu einem gewissen Maße macht genau das den Reiz der Geschichte aus. Für mich persönlich war das Ende jedoch nicht ganz befriedigend – für mich der einzige Makel an diesem sonst wirklich atemberaubenden Buch.

Bewertung vom 17.02.2024
Geordnete Verhältnisse
Lux, Lana

Geordnete Verhältnisse


sehr gut

Philipp und Faina kennen sich, seit Faina als kleines Mädchen mit ihren Eltern aus der Ukraine nach Deutschland geflohen ist. Eines Tages hat Philips Lehrer sie der Klasse vorgestellt, und Philipp hat entschieden, dass die beiden beste Freunde werden würden. Dafür hat Philipp Faina Deutsch beigebracht, er hat seine liebsten Dinge mit ihr geteilt und ihr alles abgewöhnt, was ihn an ihr gestört hat. Sie wurde zu seiner Faina. Und aus dem einsamen Jungen Philipp, der sich hin und wieder einnässt und außer seiner alkoholkranken Mutter keine Bezugsperson hat, wurde der beste Freund Philipp, der mit der hübschen Faina Zeit verbringt, sie an die deutsche Kultur anpasst und nach der Schule sogar mit ihr zusammenwohnt. Doch eines Tages kommt es zum Bruch, Faina packt ihre Sachen und verschwindet. Philipp weiß natürlich, dass sie zurückkehren wird. Was ist seine Faina schon ohne ihn? Und was ist er ohne seine Faina? Also wartet er ab, behält sie aus der Ferne im Blick, und bereitet sich auf den Tag vor, an dem sie zu ihm zurückkehren wird. Und tatsächlich kommt dieser Tag: Faina steht vor seiner Tür. Und für Philipp ist klar, dass sie ihr Leben von nun an wieder gemeinsam verbringen werden. Doch Faina hat sich verändert, und auch die Probleme, die sie einst auseinander getrieben haben, sind nicht verschwunden. Doch Philipp wird dafür sorgen, dass nichts und niemand die beiden trennen kann – koste es was es wolle.
Der Roman „Geordnete Verhältnisse“ von Lana Lux ist aufgeteilt in drei Abschnitte: zunächst wird Philipps Geschichte erzählt, dann lernen wir Faina kennen. Und schließlich erfahren wir, wie ihr gemeinsames Leben verläuft. Der erste Teil hat aufgewühlt, ich fand die Schilderungen von Philipps Verhaltensweisen und Gedanken abstoßend und irritierend. Faina kennen zu lernen war dagegen angenehm und spannend. Auch in ihrem Leben gibt es Widrigkeiten, doch allgemein konnte ich mich mit ihr als Charakter identifizieren. Spätestens nach der Hälfte des Buches beschleicht einen als Leser eine dunkle Vorahnung, und man traut sich kaum zu spekulieren, was noch alles passieren wird. Lana Lux gelingt es, beim Leser gleichzeitig Neugierde und Spannung, aber auch eine gewisse Hemmung auszulösen. Als könnte man verhindern, dass die Dinge ihren Lauf nehmen, wenn man nur nicht davon lesen würde… Mir hat das Buch „Geordnete Verhältnisse“ gut gefallen, auch wenn es mich frustriert und unzufrieden zurückgelassen hat. Es ist wichtig, Aufklärung über das Thema Hass gegen Frauen in die Gesellschaft zu tragen, denn nur so ist Prävention und Hilfe möglich. Das ist Lana Lux mit ihrem Roman „Geordnete Verhältnisse“ gelungen. Ich hoffe, dass er noch vielen Menschen die Augen öffnen wird – sodass sie sehen, wer Opfer wird, aber auch wer Täter ist oder sich zu einem solchen entwickelt.

Bewertung vom 30.01.2024
Die Burg
Poznanski, Ursula

Die Burg


sehr gut

Maxim hat eine ganz besondere Einladung erhalten: Als Experte für Escaperooms darf er "Die Burg" besuchen, ein altes Gemäuer, das der Milliardär Nevio aufwändig restaurieren und umbauen hat lassen. Dabei herausgekommen ist ein Labyrinth aus Escape-Rooms, die sich im weitläufigen Tunnelsystem unter der Burg befinden. Und Nevio hat sich nicht lumpen lassen: Alle Wände sind mit modernsten LED-Screens ausgestattet, die jedes nur denkbare Szenario zum Leben erwecken können. Zusätzlich gibt es Sprinkleranlagen und Düsen, die auch Wetter und Düfte simulieren können. Ein erstklassiges Soundsystem gibt es selbstverständlich auch - also alles was es braucht, um die perfekte Illusion zu erschaffen. Und das Beste: Jede Gruppe, erlebt eine neue Reihe an Escape-Rooms. Neue Rätsel, neue Geschichten, neue Orte. Denn den kreativen Part übernimmt eine KI, die den Input der Besucher in Echtzeit in ein Erlebnis verwandelt.
Doch Maxim kann sich nicht so recht auf das bevorstehnde Abenteuer freuen: Er ist sich sicher, dass seine eigenen Escape-Rooms gegen die übermächtige Konkurrenz der Burg keine Chance haben werden. Doch Nevio hat ihm für seine Expertise eine Menge Geld angeboten, also wird Maxim die Burg mit einer Gruppe besuchen, und Nevio anschließend Verbesserungsvorschläge zukommen lassen - falls es überhaupt noch etwas zu verbessern gibt.
Doch die Zeit in den Tunneln der Burg verläuft anders, als Maxim und der Rest der Gruppe es sich vorgestellt haben. Was zunächst milde gruselig war, verwandelt sich nach und nach in einen Alptraum, aus dem es scheinbar kein Entkommen gibt. Denn die KI hat außergewöhnliche Ideen - nur entsprechen diese nicht alle dem Geschmack der Besucher.

Ich habe in der Vergangenheit schon verschiedene Titel von Ursula Poznanski gelesen, und habe sie immer als wirklich außergewöhnliche Autorin wahrgenommen. Ihre Geschichten sind unglaublich mitreißend und durchdacht. "Die Burg" hat mich neugierig gemacht, weil Poznanski hier ein neues Thema bearbeitet: Die KI und die Probleme, die bei ihrem Einsatz entstehen. Zwar ist sie nicht die erste, die aus diesem Stoff einen Thriller spinnt (z. B. "Der Wald" von Tibor Rode), trotzdem war ich gepannt, wie ihre Version sich lesen würde.
Das Setting hat mir gut gefallen, durch die detailreichen Beschreibungen konnte ich mir die Burg sehr gut vorstellen. Auch die eingeführten Charaktere, die das Abenteuer im Escape-Room gemeinsam bestreiten, waren mir sympathisch. Zwar sehr unterschiedlich, doch alle in sich stimmig und mit Unterhaltungswert. Zu Beginn braucht die Geschichte etwas, um in Fahrt zu kommen, doch ich finde es gut, dass Poznanski sich die Zeit nimmt, um Bilder im Kopf der Leser entstehen zu lassen, und die gewünschte Atmosphäre zu erzeugen. Der weitere Verlauf ist sehr spannend und fesselnd, doch leider hat mir das gewisse Etwas gefehlt. Zwar ist das Buch unterhaltsam und man taucht als Leser wirklich ein in die Welt, die Maxim und die Gruppe erleben, trotzdem fand ich die Erzählung, und auch die Auflösung am Ende, nicht so atemberaubend beeindruckend, wie ich es erwartet hätte. Alles in allem ist „Die Burg“ wirklich ein sehr gutes, ein sehr spannendes Buch. Doch Poznanski hat die Messlatte in der Vergangenheit so hoch gelegt, dass ich tatsächlich noch etwas mehr erwartet hätte. Trotzdem kann ich „Die Burg“ uneingeschränkt empfehlen und freue mich schon auf weitere Thriller aus der Feder von Ursula Poznanski!

Bewertung vom 12.07.2022
Verheizte Herzen
Crossan, Sarah

Verheizte Herzen


ausgezeichnet

Ana und Connor haben eine Affäre. Sie ist eigentlich seine Anwältin, die beiden sind eigentlich verheiratet - nur nicht miteinandern. So gehen sie durchs Leben, retten sich von einem gemeinsamen Wochenende zum nächsten geheimen Dinner. Dazwischen unauffällige Anrufe, Textnachrichten voller Sehnsucht. Aber auch immer viel Streit, Ungewissheit darüber, wie es weiter gehen soll. Bis es auf einmal abrupt endet: Connor ist tot, und als seine Anwältin wird Ana sein Testament vollstrecken. Dabei lernt sie Rebecca, Connors Frau, kennen. Rebecca, die sie immer als die Eiskönigin sehen wollte, die Connor in ihren Bann gezogen hat, und für immer zwischen Ana, Connor und ihrem gemeinsamen Glück stehen wird. Doch je mehr Zeit Ana mit Rebecca verbringt, desto schwerer wird es für sie, dieses Bild aufrecht zu erhalten...

"Verheizte Herzen" ist in Versform verfasst, was mich zunächst etwas abgeschreckt hat. Ich habe mir Sorgen gemacht, ob eine solche Form nicht dem Inhalt und der Erzählung im Weg stehen könnte. Doch ich habe mich getäuscht: Die Verse lassen Raum für alles, was nicht gesagt wird, was man einfach fühlen und erfahren muss. Durch die begrenzte Menge an Text fliegt man nur so durch die Seiten, konzentriert sich auf jeden Satz, seziert jedes einzelne Wort, um wirklich jede Nuance und Faccette zu erspüren. All die aufkommenden Emotionen sind pur und rein, minimalistisch und mächtig zugleich.
Auch das gewählte Thema hat mich fasziniert: So oft lesen wir über die, die von der Untreue ihres Partners durch Ehrlich- oder Nachlässigkeit erfahren, die vor den Scherben einer Partnerschaft stehen und sich machtlos fühlen. Zu oft wird dabei außer Acht gelassen, dass dies kein zufälliges Ereignis ist, sondern dass es jemanden gibt, der sich schuldig macht, der betrügt, der hintergeht. Und das auch dieser Akt mit Emotionen, Lust und Schuldgefühlen verbunden ist, das es auch hier nicht nur schwarz und weiß gibt. Ich habe diesen Einblick genossen, und finde es gut, dass hier eine unpopuläre Perspektive eingenommen wurde.
Durch die besondere Form mangelt es an nichts, aber das Wesentliche steht im Vordergrund. Mir hat das sehr gut gefallen, und ich habe das Buch in nur zwei Tagen verschlungen. Und auch inhaltlich hat mich "Verheizte Herzen" in seinen Bann gezogen - von mir eine absolute Empfehlung!

Bewertung vom 11.07.2022
Ein unendlich kurzer Sommer
Pfister, Kristina

Ein unendlich kurzer Sommer


sehr gut

Auf einem verschlafenen Campingplatz irgendwo in Deutschland kreuzen sich die Wege unserer Protagonisten: Gustav, hochbetagter Herr des Hauses, der unheilbar krank ist und trotzdem seinen Lebensabend genießt. Lale, aus ihrem bürgerlichen Leben ausgebrochen, da sie seit dem Unfalltod ihres kleinen Bruders nicht mehr richtig funktionieren kann und nicht mehr so weiter machen will wie vorher. Christophe, angereist von "La Reunion", mit einem vergilbten Brief im Gepäck - auf dem seine gerade verstorbene Mutter verrät, dass Chris ein Kuckuckskind ist, und Gustav sein eigentlicher Vater.

Während die drei sich kennenlernen und sich ihre Geschichten immer mehr miteinander verweben, geben sie nach und nach ihre Geheimnisse und Wahrheiten preis. Umschwirrt werden sie dabei von einigen Nebenfiguren, die die Geschichte bereichern, aber nicht entscheidend verändern. Besonderen Charm erhält das Ganze durch das Setting des Campingplatzes, der einerseits verfällt, durch Lale und Chris aber auch neues Leben eingehaucht bekommt. Und dessen sommerlich-zauberhafte Stimmung den Leser vollkommen in seinen Bann zieht. Allerdings liegt hier auch schon der Hase im Pfeffer: Die Kulisse hat mich mehr begeistert als die Geschichte selbst. Was zwischen Gustav, Lale und Christophe passiert ist vorhersehbar. Nett, aber nicht überraschend, stellenweise unterhaltsam verpackt, aber kein Meisterwerk.
Insgesamt lässt mich das Buch an einen Nachmittag am See denken: Schön, keine Frage. Nichts, wofür man andere Pläne absagen würde. Und am Ende des Sommers verschwimmen sie alle miteinander, und es ist schwer, einen einzelnen genau in Erinnerung zu behalten. "Ein unendlich kurzer Sommer" ist durchaus eine angenehme Lektüre, hat mich jedoch weder gefesselt noch überrascht oder besonders berührt.

Bewertung vom 17.06.2022
Der letzte Schrei
Sagiv, Yonatan

Der letzte Schrei


weniger gut

Oded Chefer erlebt gerade den wohl wichtigsten Abend seines Lebens: Er wurde zur einer Party eines PR-Moguls eingeladen, das ihn auch noch wegen eines Ermittlungs-Auftrags treffen möchte. Oded ist sich sicher: Heute wird seine Karriere als Privatdetektiv endlich abheben und ihn bekannt und erfolgreich machen, sodass er endlich das Leben führen kann, das ihm zusteht. Als queere Person in Tel Aviv hatte er es nicht immer leicht, besonders da es gerade weder beruflich noch privat so wirklich läuft bei ihm. Doch nun scheint sich das Blatt zu wenden. Nach einem netten Flirt mit dem Türsteher bekommt er endlich den Auftrag, nach dem er sich die Finger geleckt hat, und fühlt sich ab dem nächsten Morgen als Teil der Welt der Schönen und Reichen. Leider muss Oded bald feststellen, dass unter der glänzenden Oberfläche die ein oder andere hässliche Überraschung auf ihn wartet. Und das beruflicher Erfolg häufig einen Preis hat - sei es die eigenen Integrität oder auch das sich anbahnende private Glück.
Eigentlich mag ich Bücher sehr, die mich in eine spezielle Subkultur entführen. Sei es ein schulisches Setting wie ein Internat oder eine Musikschule, oder auch eine Dystopie, ausgelöst durch eine Seuche oder eine Umweltkatastrophe. In der Regel fällt es mir leicht, mich in diese Welten einzufinden (sei es mir nur unbekannt oder tatsächlich nicht real), und ihre Regeln und Eigenheiten als gegeben zu akzeptieren. Die bunte und diverse Welt, in die Yonatan Sagiv uns einführt, hat mich zunächst auch fasziniert und interessiert. Allerdings schlug dieses Gefühl bald in Ermüdung um, da man als Leser, der auf eindimensionale Informationen angewiesen ist, nur schwer die Orientierung behält. Ich kann nachvollziehen, dass man Menschen nicht in Schubladen stecken will, und ihnen auch Pronomen nicht fest zuordnet. Allerdings führt dies beim Lesen dazu, dass man häufig nicht weiß von wem oder über wen gesprochen wird, da die Pronomen nicht einheitlich sind. Die für europäische Leserinnen und Leser ungewöhnlichen Namen tun ihr Übriges und haben bei mir immer wieder zu Verwechslungen geführt. Leider habe ich dadurch nur schwer in die Geschichte gefunden, und konnte der Handlung nur mit einigen Problemen folgen. Ein Spannungsbogen hat sich für mich nicht wirklich aufgefbaut. Noch dazu war mir auch die Hauptperson recht unsympathisch, da sie bzw. er sehr oberflächlich und materialistisch daher kommt, und darüber hinaus seine/ihre sexuellen Bedürfnisse immer wieder in den Vordergrund stellt.
Alles in allem konnte "Der letzte Schrei" mich leider nicht überzeugen, da das Potential des Themas nicht ausgeschöpft wurde, und die Lektüre für mich wenig flüssig war.