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Benutzername: 
jutsi
Wohnort: 
Münsterland

Bewertungen

Insgesamt 71 Bewertungen
Bewertung vom 18.12.2023
Schneesturm
Walsh, Tríona

Schneesturm


gut

Solide Unterhaltung – nicht mehr, nicht weniger
Von Triona Walshs „Schneesturm“ habe ich mich gut unterhalten gefühlt – nicht mehr und nicht weniger! Vielleicht hatte ich etwas zu hohe Erwartungen an das Buch, denn das ungewöhnliche, monochrome Cover hat mich direkt neugierig gemacht. Die typische irische Kulisse ist trotz der Farbgebung eindeutig zu erkennen und auch die kalte, ungemütliche Atmosphäre eines Schneesturms kommt gut rüber. Dieses Versprechen konnte der Thriller auch halten – die typisch irische, oft schroffe Landschaft und auch die Eigenarten der Einheimischen hat die Autorin gut getroffen und rübergebracht. Auch die Geschichte ist vielversprechend: Eine Clique, die sich nach Jahren auf einer Insel wieder trifft, ein geheimnisvoller Unfall in der Vergangenheit, dann ein Mord, während die Verbindung zum Festland gekappt ist. Ich habe das Buch gerne gelesen und mich auch gut unterhalten gefühlt, aber der letzte Funke ist einfach nicht übergesprungen – trotz alle „Thrillerzutaten“ in einem Topf und vielen Irrungen und Wendungen! Vielleicht lag es daran, dass für meinen Geschmack eine Spur zu viel erklärt wurde oder dass ich die Grundidee einfach schon zu oft in anderer Form gelesen habe. Gute Unterhaltung für einen gemütlichen Leseabend bietet das Buch allerdings auf jeden Fall!

Bewertung vom 14.11.2023
Good Inside - Das Gute sehen
Kennedy, Becky

Good Inside - Das Gute sehen


ausgezeichnet

Empathisch, ermutigend und erfrischend anders!

Was ist meine weitherzigste Sicht auf das, was gerade passiert? Diese Frage steht im Buch „Good Insight - Das Gute sehen - Wie wir die Eltern werden, die wir sein wollen“ ganz zentral und sie repräsentiert den Ansatz der Autorin Dr. Becky Kennedy sehr treffend. Sie verschiebt den Fokus weg von defizitorientiertem Verhaltensfehlern auf Beziehungsaufbau und Unterstützung bei der Emotionsregulierung.

Das Buch ist in zwei Teile aufgeteilt und beinhaltet zunächst die „10 Grundprinzipien guter Erziehung“ die ihren Ansatz allgemein erläutern und verständlicher machen. Danach behandelt sie in Teil 2 in 19 Kapiteln konkrete Verhaltensweisen und gibt klare und verständliche Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen. Die behandelten Verhaltensweisen sollten fast allen Eltern bekannt vorkommen und reichen von nicht hören, quengeln, Wutanfällen und Geschwisterstreit bis zu Themen wie Schüchternheit, Essgewohnheiten und Ängsten. Insgesamt werden die häufigsten Themen, mit denen Eltern immer wieder Probleme haben abgedeckt.

Dr. Becky Kennedy ist klinische Psychologin mit viel Erfahrung in der Familienbegleitung und ihre Expertise wird während des Lesens immer wieder sichtbar. Sie schafft es jedoch, ihr Wissen in einen ermunternden, leicht verständlichen Schreibstil zu übersetzen – ganz ohne Vorwürfe und Vorschriften. Ihre Methode erfordert ein Umdenken, sie nennt es „neu vernetzen“ von Schaltkreisen, denn es erscheint zunächst ungewöhnlich Gefühle wie Trauer, Angst oder Wut nicht sofort „lösen“ zu wollen, gerade wenn man damit aufgewachsen ist, Emotionen schnell „in den Griff“ zu kriegen. Ihr Ansatz basiert auf dem Unterstützen der Emotionsregulierung der Kinder und dem grundlegenden Gedanken, ein guter Mensch zu sein, auch oder gerade wenn man einen schwierigen Moment hat. Die Vorteile gegenüber Methoden, die auf reine Verhaltensänderung abzielen, erläutert sie deutlich. Ihr Ansatz fühlt sich insgesamt positiv und bestärkend an, ohne dabei auf klare Grenzen zu verzichten.

Mein einziger Kritikpunkt bezieht sich nicht auf den Inhalt, sondern auf die Übersetzung. Teilweise konnte ich beim Lesen den amerikanischen Unterton direkt raushören. Einzelne Sätze wirken auf mich sehr wortwörtlich übersetzt und vielleicht auch deswegen etwas ungewöhnlich.

Insgesamt erhält „Good Insight“ von mir jedoch eine klare Leseempfehlung – das Buch ist empathisch, ermutigend und erfrischend anders!

Bewertung vom 27.10.2023
Flitz und Fluse - Gespenster-Training leicht gemacht
Moser, Annette

Flitz und Fluse - Gespenster-Training leicht gemacht


gut

Großartige Illustrationen aber leider klischeebehaftete Rollenbilder
Flitz und Fluse ist ein Kinderbuch über eine Gespensterfamilie, das mich mit gemischten Gefühlen zurücklässt. Gestalterisch fällt es absolut positiv auf: Das Cover verspricht eine niedliche Geschichte rund um die beiden Gespensterkinder Flitz und Fluse und gibt einen kleinen Vorgeschmack auf die wunderschönen Illustrationen. Sehr gelungen finde ich die besondere Farbgebung in eher dunklen Orange- und Lilatönen, die einen hohen Wiedererkennungswert haben und eher ungewöhnlich für ein Kinderbuch sind. Hier geben sie absolut stimmig die leicht schaurige Gespensterstimmung wieder. Auch die kleinen Details wie der freundliche Mond und die Eule, und das schaurig krumme Haus können mich überzeugen.
Inhaltlich verspricht die Geschichte ein spannendes Vorleseabenteuer, denn die beiden Gespensterkinder sollen durch ein Gespenstertraining so richtig das Gruseln lernen. Allerdings überzeugt mich das Buch inhaltlich nicht, da ich die dargestellten Rollenbilder klischeebehaftet und als nicht mehr zeitgemäß empfinde. So taucht eine hagere, böse Tante auf, die die Kinder mitnehmen will, wenn sie nicht gruselig genug sind. Sie erwartet „Küsschen“ von den Kindern – dies wird von den Eltern überspielt und nicht klar abgelehnt. Die schwangere Mutter soll möglichst wenig tun und sich schonen, der Onkel typisch „dick & witzig“ und auch der Körper des Vaters wird häufig kritisch bewertet. Uns sind die Regeln: „Mein Körper gehört mir & Wir bewerten die Körper anderer Personen nicht“ sehr wichtig, daher ist dies inhaltlich kein Buch, das ich meinen Kindern vorlesen möchte.
Fazit: Schade, das Buch verschenkt das Potential der besonderen Illustrationen durch den klischeebeladenen Inhalt!

Bewertung vom 27.10.2023
Das Klugscheißerchen
Kling, Marc-Uwe

Das Klugscheißerchen


ausgezeichnet

Klugscheißern für die ganze Familie
Das Klugscheißerchen von Marc-Uwe Kling wohnt erst wenige Tage bei uns und gehört trotzdem schon zu den absoluten Favoriten im Kinderbuchregal. Es ist ein perfekt durchdachtes, lustiges Buch für die ganze Familie. Die Illustrationen von Astrid Henn passen zum Buch - sie wirken auch oft leicht schräg, aber sympathisch! Ihr kleines blaues (türkises!!!) Klugscheißerchen ist genau die richtige Mischung aus niedlich und besserwisserisch.
Zu der Geschichte möchte ich gar nicht zu viel verraten – nur dass sich Wortwitz und Ideenreichtum durch das ganze Buch ziehen. Unsere Kinder sind drei und sechs Jahre alt und kichern beim Vorlesen um die Wette, dabei wird das Buch eigentlich erst ab sechs Jahren empfohlen. Viele der kleinen Details werden ihnen wohl auch erst später auffallen – für erwachsene Vorleser*innen sind sie aber jetzt schon ein Vergnügen, wie z.B. die Filmnamen, die auf den Videokassetten des Vaters entdecken kann (Mischen impossible, Der Herr der Dinge, Titanic 2). Auch auf dem Buchumschlag wird herrlich geklugscheißert: Kleiner Tipp: Man liest ein Buch von vorne. Das hier ist hinten!
Fazit: Typischer Marc-Uwe Kling Humor, durchdachte Details, tolle Illustrationen und eine gute Länge zum Vorlesen – eine klare Leseempfehlung für die ganze Familie!

Bewertung vom 27.10.2023
Das Gemälde
Brooks, Geraldine

Das Gemälde


ausgezeichnet

Vielschichtiges Gemälde amerikanischer Kultur
„Das Gemälde“ von Geraldine Brooks ist in vielfältiger Hinsicht genau, was sein Titel verspricht: Ein Roman, der ein detailliertes Bild der amerikanischen Kultur zeichnet – viel mehr als ein einfaches Pferdebuch.
Drei Zeitebenen werden über ein Gemälde des Rennpferds Lexington geschickt miteinander verwoben. 1850 schmieden der versklavte Junge Jarret und das Fohlen Lexington ein ganz besonderes Band. Die tiefe Beziehung der Beiden ist ein zentrales Thema dieser Zeitebene, auf der uns auch der junge Künstler Thomas Scott begegnet, der Pferdeportraits malt. Sein Portrait von Lexington landet 1950 in den Händen der Galeristin Martha Jackson und ein weiteres 2019 in den Händen des nigerianisch-amerikanischer Kunsthistorikers Jess. Die großen Themen des Buches – Rassismus & Freiheit - ziehen sich durch alle Zeitebenen der Geschichte, die auf wahren Tatsachen beruht.
Beeindruckend recherchiert ist die Geschichte des amerikanischen Pferderennsports, dessen Erfolg auch auf dem gnadenlosen Umgang mit Tier und Mensch beruht. Besonders erschreckend ist hier die deutliche Parallele der Geschichte Jarrets und Lexingtons – beide im Besitz des gleichen Herrn, vollkommen abhängig von dessen Plänen.
Auf der letzten Zeitebene des Buches ist die Sklaverei abgeschafft, für Theo ist Alltagsrassismus jedoch ein allgegenwärtiges Thema. Besonders in seiner Beziehung zu Jess und den vielen, kleinen Anpassungen an einen sicheren Alltag wird offensichtlich, wie tief das Rassismus noch in den Köpfen der Menschen verankert ist.
Für mich war das Buch spannend von der ersten bis zur letzten Seite!

Bewertung vom 14.10.2023
Die graue Stadt
Kuhlmann, Torben

Die graue Stadt


ausgezeichnet

Ein ganz besonderes Plädoyer für Vielfalt
„Die graue Stadt“ ist ein ganz besonderes Buch – das zeigt schon das Cover. Dieses setzt sich durch ungewohnt Farblosigkeit von anderen Kinderbüchern ab. Einen kleinen Farbklecks sehen wir jedoch – die Protagonistin Robin, die nachdenklich aus dem Fenster schaut. Erst auf den zweiten Blick wird deutlich, dass der Titel leicht in Regenbogenfarben changiert, wenn man das Buch im richtigen Winkel betrachtet. Ein kleiner Hoffnungsschwimmer mitten im Grau.
Inhaltlich spricht mich die Geschichte sehr an - Robin fühlt sich in der grauen, trostlosen Stadt nach einem Umzug einsam und verloren. Ein Gefühl, das wohl viele Kinder nachvollziehen können (z.B. wenn sie in eine neue Schule kommen). Schnell wird auch klar, dass sie sich von den anderen Menschen in der Stadt unterscheidet und dass Farben hier nicht erwünscht sind. Ich möchte gar nicht zu viel vom Inhalt vorweggeben – nur eins: Das Buch macht auch für Kinder erlebbar, wie sehr eine Gesellschaft von Farben und Vielfalt profitiert.
Das Thema Farbe und Vielfalt ist auch gestalterisch grandios umgesetzt – gerade dadurch, dass ein Großteil des Buches in Grautönen daherkommt. Die Illustrationen von Torben Kuhlmann sind dabei unverkennbar und unglaublich detailreich. Trotz Farblosigkeit gibt es auf jeder Seite viel zu entdecken. Eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 13.10.2023
Winter und Weihnachten im kleinen Baumhotel / Wilma Walnuss Bd.3
Volk, Katharina E.

Winter und Weihnachten im kleinen Baumhotel / Wilma Walnuss Bd.3


ausgezeichnet

Kuschelige, gemütliche Geschichten für die Vorweihnachtszeit
Wilma Walnuss – Winter- und Weihnachten im kleinen Baumhotel ist genau das richtige Buch für kuschelige (Vor-)Lesestunden in der Vorweihnachtszeit.
Die beiden Vorgängerbände rund um Wilma Walnuss waren uns bisher nicht bekannt, aber das ist absolut kein Muss. Das niedliche Baumhaus und die Bewohner haben uns schnell in ihren Bann gezogen. Ich habe das Buch mit meinen beiden Kindern (3 und 6 Jahre) gelesen und kann es für dieses Alter empfehlen. Die Figuren sind alle absolut toll gestaltet, mit viel Liebe zum Detail. Insgesamt treten im Buch zwar sehr viele Charaktere auf, allerdings tragen diese auch entscheidend zu den einzelnen Geschichten bei und sind wirklich sehr liebevoll illustriert. Eine Übersicht am Anfang des Buches hilft dabei den Überblick nicht zu verlieren. Das Buch enthält 14 Geschichten, die es wunderbar schaffen, Weihnachtsvorfreude und die besondere Atmosphäre der Vorweihnachtszeit zu transportieren. Sehr schön finde ich, dass diese alle auch eine kleine, aber wichtige Botschaft enthalten, wie zum Beispiel neuen Bekanntschaften offen und unvoreingenommen zu begegnen. Dies gelingt ohne belehrenden Ton, einfach durch den Lauf der Geschichte. Insgesamt hat das Buch eine richtige "feel good" Stimmung - schöne Atmosphäre, nicht zur aufregend, ruhig und gemütlich. Also sehr schön als Gute Nacht Buch.
Die Kapitellänge ist für uns genau richtig und auch die teilweise etwas längeren Sätze waren für uns vollkommen im Rahmen. Wir als Gutenachtgeschichte immer ein Kapitel pro Abend gelesen, dies war auch für den Dreijährigen gut machbar. Hier finde ich positiv, dass es so viele Illustrationen gibt und somit eigentlich auf jeder Seite etwas zu sehen. So lässt sich das Buch gut mit beiden Kindern lesen.
Sehr schön finde ich die Kapitelübersicht im Buchumschlag. Mir gefällt, dass alles wie ein kleiner Weg gestaltet ist und sich überall kleine passende Details entdecken lassen. Für jedes gelesene Kapitel kann man ein kleines Bild einkleben. Diese findet man zum Ausschneiden (oder alternativ als Download zum Drucken) am Ende des Buches. Meine Kinder hätten sich hier allerdings die Sticker gewünscht, die wir schon aus der Vorlesen Reihe kennen. Ich finde das gerade abends im Bett beim Vorlesen auch einfacher, wenn man einfach einen Sticker kleben kann, als wenn man noch mit einem Klebestick hantieren muss. Die Möglichkeit die Bildchen zu downloaden und auch mehrfach auszudrucken, finde ich allerdings super und auch, dass alle unterschiedlich sind!
Die Aufmachung des Buches finde ich insgesamt sehr gut gelungen, ich mag es, dass die Schneeflocken auf dem Cover "glitzern" und auch das Lesebändchen ist für mich für Vorlesebücher ein absolutes Plus. Die Innenseiten hätten für mich auch matt sein dürfen, das finde ich immer etwas ansprechender, allerdings finde ich es für den Preis des Buches auch absolut ok. Für mich also insgesamt eine klare Vorleseempfehlung für die Vorweihnachtszeit.

Bewertung vom 11.10.2023
Nie gut genug
Curran, Thomas

Nie gut genug


sehr gut

Nie gut genug – Augenöffner
Nie gut genug – ein Gefühl das in unserer Gesellschaft wohl so präsent ist, wie nie zuvor. Thomas Curran erklärt in seinem Buch, woran das liegt. Dabei ist ihm meiner Meinung nach sehr gut gelungen, über „die fatalen Folgen des Perfektionismus“ aufzuklären (erster Teil des Untertitels), allerdings weniger gut, „wie wir uns vom Selbstoptimierungsdruck befreien können“ (zweiter Teil des Untertitels). Ich finde den zweiten Teil des Untertitels etwas irreführend, denn es handelt sich keineswegs um einen klassischen Ratgeber oder ein Selbsthilfebuch. Es ist auch der Natur des Themas geschuldet, dass sich keine einfache Lösung der Problematik finden lässt. Das Cover mit dem etwas verrutschtem Punkt auf dem i finde ich sehr ansprechend. Schlicht, modern, aber trotzdem ein augenzwinkernder Hinweis auf das Thema.
Curran forscht zum Thema Perfektionismus und zeigt im ersten Teil des Buches auf, warum wir uns von dem verklärten Blick auf unsere Lieblingsschwäche verabschieden sollten. Das Perfektionismusstreben verschärft sich, auch kulturell bedingt, und Studien weisen inzwischen nach, dass Perfektionismus mit vielen negativen psychischen Auswirkungen (Depressionen, Selbstzweifel) in Verbindung gebracht wird. Currans wissenschaftlicher Hintergrund wird auch durch seinen Schreibstil deutlich, der sich von Selbsthilfebüchern absetzt. Kritisch sehe ich hier allerdings die nicht immer ganz saubere Trennung zwischen wissenschaftlichen Fakten und persönlicher Meinung und Anekdoten.
Insgesamt gelingt es Curran hier aber zu überzeugen und er bringt (zumindest mich) auch zum Umdenken rund um das Thema Perfektionismus. Nach seinen Ausführungen ist allerdings auch klar, dass Perfektionismus so tief in unserer Kultur verwurzelt ist, dass es keine simple Auflösung des Problems geben kann. Diese Erkenntnis ist ernüchternd, aber logisch. Für mich ist das Buch trotzdem eine klare Leseempfehlung mit vier statt fünf Punkten, aufgrund der genannten Kritikpunkte.

Bewertung vom 11.09.2023
Ent-Eltert euch!
Teml, Sandra;Wall, Martin

Ent-Eltert euch!


sehr gut

Einladung, die eigene Kindheit zu reflektieren
Das Buch „Ent-Eltert euch!“ von Sandra Teml und Martin Wall lädt dazu ein, die eigene Kindheit zu reflektieren und ungesunde emotionale Abhängigkeiten von den Eltern zu lösen. Auf 240 Seiten wird dieses komplexe Thema kompakt und zielgerichtet dargestellt.
Die Autor:innen arbeiten dabei mit vielen Beispielen von konkreten Eltern-Kind-Beziehungen, die sich von Problemanalyse bis Lösung durch das Buch ziehen. So werden Themen anschaulich und der Lesefluss aufgelockert. Insgesamt ist der Stil verständlich und sachlich gehalten. Die persönliche Ansprache der Leser:innen passt zu dem sehr intimen Thema.
Gleich zu Beginn wird deutlich, dass es sich bei „Ent-Eltert euch!“ um ein Buch handelt, dass eine gewisse Mitarbeit erfordert, um einen Nutzen zu haben. Verschiedene Übungen laden zur Reflexion der eigenen Eltern-Kind-Beziehung ein. An mehreren Stellen wird auch darauf hingewiesen, dass komplexe Kindheitstraumata und eingerostete Beziehungsmuster auf jeden Fall weitergehende und tiefergehende Behandlung und/oder Therapiesitzungen benötigen, um gelöst zu werden. Das Buch kann also jedoch dabei helfen, diese Muster zunächst erst einmal aufzuspüren.
Laut den Autor:innen ist der Zeitpunkt im Leben, an dem man selbst zu Eltern wird, oft ein Punkt, an dem man noch einmal mit Themen aus der eigenen Kindheit konfrontiert wird und beginnt, sich mit der Beziehung zu den eigenen Eltern auseinander zu setzen. Aus diesem Grund hat mich das Buch angesprochen. Eine deutliche Schieflage in der Beziehung oder emotionale Abhängigkeit, wie in den Beispielen beschrieben, konnte ich in der Beziehung zu meinen Eltern nicht entdecken. Das Buch fokussiert sich jedoch, gerade im Lösungsteil, sehr auf diese Muster. Die Entwicklung als eigenständige, erwachsene Person, losgelöst von den Eltern ist das zentrale Ziel.
Gerne hätte ich mehr darüber gelesen, wie Prägungen aus der Kindheit das eigene Handeln auch losgelöst von der (aktuellen) Eltern-Kind-Beziehung bestimmen. Denn auch wenn die Kommunikation und die Beziehung mit den Eltern inzwischen wertschätzend und dem Alter angemessen verläuft, haben Themen wie Perfektionismus und Leistungsdruck ihren Ursprung in der Kindheit. Insgesamt hätte ich mir hier weitere Einsichten und Lösungsmethoden gewünscht.
Insgesamt finde ich das Buch empfehlenswert für alle, die aktuelle Konflikte mit ihren Eltern angehen wollen und sich einen kompakten Einstieg in dieses komplexe Thema wünschen. Zudem ist das Buch auch aus der Perspektive als Eltern spannend zu lesen und regt zu einem achtsameren und reflektierten Umgang mit den eigenen Kindern ein.

Bewertung vom 29.08.2023
Verlogen / Mörderisches Island Bd.2
Ægisdóttir, Eva Björg

Verlogen / Mörderisches Island Bd.2


sehr gut

Solider, ruhiger Kriminalfall mit psychologischer Tiefe

Verlogen war das erste Buch, das ich von Eva Björg Ægisdóttir gelesen habe – und sicher nicht das letzte. Obwohl es sich bei dem Buch um den zweiten Band einer Reihe rund um die Kommissarin Elma handelt, war die Geschichte auch ohne Vorkenntnisse aus Band eins gut lesbar und in sich geschlossen. Das ruhige, düstere Cover und der Titel passen perfekt zum Inhalt und der rauen, einsamen Landschaft Islands.

Inhaltlich wird auf zwei Zeitebenen erzählt – in der Gegenwart beschäftigt sich Elma mit dem Fall rund um die gerade gefundene Leiche der alleinerziehenden Mutter Marianna, die vor sieben Monaten spurlos verschwand. Während damals alle von einem Selbstmord ausgingen, wird nun deutlich, dass es sich zweifelsfrei um Mord handelt und die Ermittlungen neu aufgerollt werden müssen. Die zweite Zeitebene springt 15 Jahre zurück – eine junge Mutter verzweifelt an ihrer neuen Rolle – und schafft es nicht eine Verbindung zu ihrem Kind aufzubauen.
Eva Björg Ægisdóttir zeichnet in Verlogen feinfühlig verschiedenste Beziehungen zwischen Frauen, sei es Mutter-Tochter-Beziehung in der Vergangenheit, als auch die Beziehung zwischen Elma zu ihrer eigenen Mutter (und Schwester) oder die von Mariannas Tochter Hekla zu ihren Teenie-Freundinnen. Dabei entstehen komplexe, nicht immer einfache Beziehungsgeflechte, die dieses Buch spannend machen. Mir hat sehr gefallen, einen ruhigen Kriminalfall zu lesen, ohne blutrünstige Serienmörder und dramatische Verfolgungsjagden, dafür mit vielen leisen Zwischentönen im Ungesagten und überraschenden Twists.

Die Ermittler*innen Elma und Saevar sind ganz normale Personen, nicht die typischen exzentrischen Einzelgänger, die in so vielen Thrillern inzwischen gefühlt um die ungewöhnlichste Eigenschaft wetteifern. Für mich ein Pluspunkt, da die Handlung so meiner Meinung nach auch viel realistischer und nahbarer wirkt. Gleichzeitig ist gerade dieses Duo für mich auch eine kleine Schwachstelle des Krimis, da ihre Gefühle für mich an vielen Stellen etwas zu flach blieben. Gerade Elma, die durch den Verlust ihres Partners David und die schwierige Beziehung zu ihrer Schwester eigentlich viel Potential bietet, blieb für mich oft etwas blass und schwer zu greifen. Daher vergebe ich hier 4 statt 5 Sternen.

Insgesamt ist „Verlogen“ für mich aber ganz klar eine Leseempfehlung und einfach ein gut gemachter, solider Krimi. Die Neuerscheinungen von Eva Björg Ægisdóttir werde ich sicher im Auge behalten.