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Benutzername: 
Faidit
Wohnort: 
Leimen

Bewertungen

Insgesamt 25 Bewertungen
Bewertung vom 19.12.2016
Ich bin dann mal weg, 6 Audio-CDs
Kerkeling, Hape

Ich bin dann mal weg, 6 Audio-CDs


ausgezeichnet

Entspannung auf der Walz
Normalerweise bin ich ja nicht die Hörbuchfreundin. Kürzlich hatte ich mehrere hundert Autokilometer quer durch Deutschland mit seinen stark befahrenen und Baustellen belasteten Autobahnen zu machen und mich aufgrund einer Empfehlung dazu entschlossen, auf der Fahrt mal ein Hörbuch zu hören und wählte diesen abenteuerlichen Reisebericht von Hape Kerkeling.
Man soll es nicht für möglich halten, wie wunderbar mich seine plaudernde Erzählung während meines persönlichen Verkehrschaos‘ entspannt und unterhalten hat! Hapes Sprache und Stimme sind beruhigend und halten den Zuhörer dennoch von Anfang bis Ende in neugieriger Spannung auf die nächste Episode. Dabei bleibt diese Plauderei keineswegs oberflächlich. Ich habe während dieser Stunden herzlich gelacht und Tränen des Mitgefühls bei den sehr persönlichen, spirituellen Erfahrungen des Autors geweint, die dieser wie in einem vertrauensvollen Zwiegespräch mit dem Zuhörer preisgibt.
Seine sehr individuellen Erlebnisse haben mich tief berührt, wie schon lange kein Buch mehr.
Weiß jemand, wie man einen sechsten Stern verteilen kann? ;-)

Bewertung vom 19.12.2016
Hundert Jahre Einsamkeit
García Márquez, Gabriel

Hundert Jahre Einsamkeit


ausgezeichnet

Das älteste Weinen der Menschheitsgeschichte
Natürlich geht es um die Liebe unter den Menschen, um alle Formen der Liebe, die ja das einzige ist, was wir suchen und erstreben – ob zu uns selbst oder zu anderen. Die Wege, die die Menschen dafür einschlagen, sind oft wirr und führen eher zum Gegenteil, weil der Egoismus dies diktiert.
Der Roman hat etwas von einer Parabel und seine zeitliche Ansiedlung ist kaum feststellbar. Sicherlich Absicht des Autors, der im Blick auf die Darstellung der Gesellschaft anhand dieser Familiengeschichte und Dorfgemeinschaft von Macondo einen Spiegel vorhalten will. Dennoch beschreibt der Autor seine Protagonisten sowie ihre Verhaltensweisen ohne jede Beurteilung und stellt selbst Bösewichte oder traurige und brutale Begebenheiten völlig emotionslos dar, weshalb es dem Leser selbst überlassen bleibt, wie er diese empfindet – vielleicht weil wir als Außenstehende auch nicht über andere urteilen sollen…
Die Abgründe in der fiktiven Familie Buendía, die eigentlich die Abgründe und die Exaltiertheit in jeder Gesellschaft versinnbildlichen, halten die Neugierde des Lesers von Anfang bis Ende aufrecht. Wenn dann noch durch die bildhaften Beschreibungen dieses kolumbianischen Autors Südamerika beim Lesen im Fantasiestofflichen um den Leser herum wabert, bekommt das Buch auch noch eine träumerische Note.
Es ist ein modernes Märchen, eine Erzählung in wunderschöner Sprache, die das Thema der Einsamkeit von verschiedenen Warten aus beleuchtet: Die Einsamkeit des Todes, die Einsamkeit des Ruhms und der Macht, die Einsamkeit der nach Liebe Suchenden, die Einsamkeit die aus dem Nicht-Allein-Sein-Können resultiert, die Einsamkeit in einer falsch gelebten Liebesbeziehung, die Einsamkeit, die aus mangelnder Selbstliebe resultiert ...
Viel Geschichte Südamerikas und unterschwellige Kritik ist ebenfalls in dieser Parabel versteckt.
Der Liebesschmerz und die Melancholie der südamerikanischen Mentalität quillt aus jeder Seite des Buches. Vielleicht ist es auch eine Karikatur auf die Geschichte des Landes, wobei den Zeilen immer ein gewisses Phlegma der Einsamkeit innewohnt...
Mit der Betonung im Schlusssatz des Romans auf das Fehlen einer zweiten Chance auf Erden, mahnt der Autor den Leser, seine eigenen Chancen für eine hoffnungsfrohere, liebevollere Lebenseinstellung und Lebensweise nicht verstreichen zu lassen.
Während des Lesens habe ich festgestellt, dass dieses Buch nach der alten Rechtschreibregelung geschrieben wurde. Gefällt mir. Schön, mal wieder ein "daß" mit dem typisch deutschen scharfen S zu lesen.
Dieser Roman ist weder spannend noch emotionsgeladen, trotzdem legt man ihn nicht so einfach aus der Hand, wenn man einmal zu lesen angefangen hat – dies verbunden mit einer tadellos gewählten Sprache, darin liegt die Kunst des Schreibens.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.12.2016
Der Garten über dem Meer
Rodoreda, Mercè

Der Garten über dem Meer


ausgezeichnet

Plauderei mit dem Gärtner
Man hat das Gefühl ein gemütliches Plauderstündchen mit dem Gärtner abzuhalten, der von den Besitzern dieser Ferienvilla am Meer erzählt, deren Garten er seit Jahrzehnten pflegt. Aber es keine oberflächliche Soap, die in den wilden 20ern spielt. Man ahnt schon zu Beginn, dass der Roman mehr Tiefgang hat. Das mag an einer unterschwelligen Melancholie liegen; der Darstellung der Situationen, die nicht an typischen Merkmalen dieser Jahre festgemacht ist, sondern in jeder Zeit - auch heute - spielen könnte. Neben den Szenen, die aufzeigen, wie sich die Angehörigen der Upperclass mit allerlei Späßen die Zeit vertreiben, schimmert das Leid durch, das vor keinem, ob arm, ob reich, Halt macht. Da hilft auch nicht die Jagd nach immer dekadenteren Attraktionen, um die innere Leere derer, die alles kaufen können, was es zu kaufen gibt, zu füllen. Auch die Charakterschwächen der einzelnen lassen sich auf Dauer nicht vertuschen. Auf den ersten Blick scheint die Welt der Reichen eine heile Welt zu sein, wie sie auch die Gesellschaft um sich herum glauben machen wollen. Aber aus dem Blickwinkel des lebenserfahrenen Gärtners, der zwar weder urteilt noch die Dinge beim Namen nennt, sondern immer die respektvolle Distanz des Dienstboten wahrt, erkennt man die Flucht der Bewohner dieses Hauses vor ihrem eigenen Wesen, vor ihren Unzulänglichkeiten, vor ihren Sehnsüchten, die kein materieller Überfluss stillen kann...

Es gibt Bücher, die sind schon von ihrem Äußeren her eine Zierde für den Bücherschrank. So einen wunderschön farbig bedruckten Leineneinband muss man streicheln, das glatte Papier beim Umblättern fühlen, den perfekten Satz und Druck des Textes genießen...
Auch der Sprachstil des Buches ist sehr schön. Der Gärtner plaudert über seine Herrschaften und sein Leben. Er sucht manchmal nach den passenden Worten, weil er sich nicht so gebildet wie die feinen Leute auszudrücken vermag. Doch auch dies gehört zum Ausdruck des Buches und tut der Schreibe der Autorin keinen Abbruch. Nie driftet sie in das Triviale oder Derbe ab.
Die Autorin hat sich perfekt in den Gärtner versetzt. Bei der Wahl ihrer Worte hört man einen älteren Herrn sprechen, der hüstelnd und brummend zwischen seinen Beeten harkt und unter seinem Hut, hinter Büschen und Blumentöpfen dennoch neugierig – ohne indiskret zu sein – seine Arbeitgeber in ihrem Alltag belauscht; Einblicke in ihr Leben erhascht, um dann wohl für sich festzustellen, dass sie trotz ihres Geldes und Überflusses ihre Lebenslügen nicht verbergen können. Die beiden zentralen Figuren unter den Herrschaften entstammen den gleichen Verhältnissen, wie ihre Angestellten, konnten sich aber reich verheiraten. Und dies wie es scheint nicht der Liebe wegen.
Trotz all der ansonsten meist fröhlichen Erinnerungen, wie an die gespielten Streiche, haftet dem Buch auch im Allgemeinen eine gewisse Melancholie an. Dies liegt an der im Garten widergespiegelten Vergänglichkeit allen Seins, an der Erzählung an sich, die gewissermaßen ein Rückblick auf gute Zeiten ist. Denn Reichtum, Ansehen und das Leben ohne schweißtreibende Mühen konnten die Bohemiens nicht vor Verletzung ihrer Herzen durch falsch gelebte Liebe bewahren. Sie sind den Stürmen des Lebens ebenso ausgesetzt wie der Garten über dem Meer und auch der Gärtner selbst. Wie sie ihren Gefühlen wohl entkommen wollen?

Bewertung vom 19.12.2016
Peace Food - Vegano Italiano
Dahlke, Ruediger

Peace Food - Vegano Italiano


sehr gut

Ich erwartete Inspiration und Ideen für eine Umstellung meiner Küche von vegetarisch auf vegan. Ich wünschte mir, Rezepte für Speisen zu erhalten, die gut schmecken, abwechslungsreich und für mich ohne allzu großen Aufwand umsetzbar sind. Dieser Anspruch wurde zum Großteil erfüllt. 3,5 Sterne von mir.

Das folgende Testkochen fiel dann oft weniger glücklich aus. Wir setzten die Rezepte für die Polenta mit Peperonata und dazu noch den „Feinen Selleriesalat mit Walnüssen" in die Praxis um. Farblich war das Gericht im Teller ein Augenschmaus mit dem Maisgelb und bunten Gemüse, aber geschmacklich hat es uns nicht umgehauen, was an fehlender Würze lag. Es muss ja nicht gerade wie Schonkost schmecken, um gesund zu sein. Zumindest habe ich die ganze Zwiebel rein und nicht nur die halbe, sonst wäre es bestimmt noch fader gewesen. Außerdem halte ich dies für eine unnötige Verschwendung. Auch zum ausprobierten Nachtisch-Rezept muss ich sagen, dass das Ergebnis im Verhältnis zu den Kosten für die Zutaten nicht gerade ein Geschmackserlebnis ist, das nach mehr verlangt.
Bei fast jedem getesteten oder auch nur durchgelesenen Rezept habe ich Kritikpunkte zur Darstellung der Zubereitungsabfolge anzubringen. Oft ist der Rezeptaufbau unpraktisch, von den Garzeiten und dem Arbeitsablauf unlogisch oder verlangt schlichtweg unnötige Arbeitsschritte, die weder eine Geschmacksverbesserung noch eine Perfektionierung des erstrebten Ergebnisses bringen. Vielleicht wird dadurch so mancher die Lust am veganen Kochen verlieren: Da soll Backpapier für eine Kastenform zurechtgeschnitten werden, wo man die Backform ebenso vegan auch einfach mit Olivenöl einpinseln kann. Das Bruschetta-Brot, dem das bisschen Öl jedenfalls nicht geschadet hat, ging nach dem Backen ebenso leicht aus der Form. Dann sollen Kirschtomaten oder Auberginen geschält werden. (Im Foto zum Rezept hatten die zubereiteten Auberginen übrigens auch ihre Haut...). Für den Mandelpudding mit Agar Agar war eine Kochzeit von 10-15 Minuten anberaumt. Ich habe dafür Agartine verwandt, die nur eine Kochzeit von mindestens 2 Minuten braucht. Schließlich sollte diese Flüssigkeit, die keinerlei feste Stoffe beinhaltet, durch ein Sieb in Schälchen abgefüllt werden, was ich ebenfalls wegließ und dennoch von der Konsistenz her ein perfekt Götterspeise-ähnliches Produkt erhielt. Aber ich habe schon in anderen Gräfe + Unzer-Koch-Backbüchern festgestellt, dass da manchmal etwas Unlogisches in den Rezepten steht, wie um besonders, spektakulärer zu wirken...
Bei diesem Kochbuch fehlen mir auch Tipps, die ich in der Rezeptbesprechung zwischen den anderen teilweise schon veganen Buchtestern lesen konnte. Tipps, die dem angehenden Veganer in der Küche wirklich von Nutzen wären, wie z. B. zur eigenen, recht einfachen Herstellung der Mandelmilch, die als Fertigprodukt im Laden sehr kostspielig ist. Dem Leser von PEACE FOOD – Vegano Italiano – Das Kochbuch würde dies mehr Unabhängigkeit von der industriellen Herstellung bringen, was eigentlich auch Anliegen der Autoren beim Thema des Buches sein sollte. Stattdessen sind so Belanglosigkeiten wie das Markieren der Höhe einer Getreidemenge in der Tasse mit einem Filzstift, um die gleiche Menge Wasser zu treffen, mehrfach als Tipp zu finden. Ebenso hätte man am langatmigen, esoterischen Einleitungsteil über die Vorteile veganen Lebens sparen können. Wer ein solches Kochbuch kauft, braucht keine Erklärung mehr, warum man vegan kochen sollte, sondern sucht bereits nach praktischen Hilfen zur Änderung des gewohnten Lebensstils, die nicht immer auf gekauften Produkten basieren sollten. Selbstgemachte Nudeln gehören für mich auch zum italienischen Lebensgefühl.

Bewertung vom 19.12.2016
Und Nietzsche weinte
Yalom, Irvin D.

Und Nietzsche weinte


ausgezeichnet

Wie bewältigt man(n) Liebeskummer ...

Friedrich Nietzsche, als Philosoph seiner Zeit zu weit voraus, kann sich jedoch von seinem gebrochenen Herzen nicht selbst heilen. – Der zur selben Ära lebende Arzt Dr. Breuer unternimmt unter dem Einfluss des mit ihm bekannten Sigmund Freud erste Schritte in der Psychoanalyse, während er ebenfalls mitten in einer Lebenskrise steckt. – Dies ist die tatsächliche Ausgangssituation, aus welcher der Autor eine fiktive Geschichte bastelt, die die beiden Männer am Ende in tiefer Freundschaft verbindet. Einer Freundschaft, die man dem von Seelenleid und körperlichen Gebrechen geplagten Nietzsche nur hätte wünschen können. Möglicherweise hätte diese „Redekur“, die Breuer im Roman bei Nietzsche anwendet, dem einsamen Denker in der Realität wahrhaft geholfen und ihn vor seinem traurigen Ende bewahrt. Möglicherweise hätte der Autor, selbst Psychiater, dies auch dem Arzt Breuer gerne angedeihen lassen …
Der Großteil des Romans besteht aus nachdenklichen Zwiegesprächen mit psychologischen Aspekten. Mitunter könnte dies langatmig sein, doch die wunderschöne, zu der Zeit dieser Handlung passende Sprache und die Einblicke in die Männerseelen der Protagonisten, welche beide über eine unerfüllte Liebe ihren Lebenssinn verloren haben, machen den Roman auf anregende Weise spannend. Die Menschen Nietzsche und Breuer werden sehr menschlich dargestellt, da sie sich trotz ihres immensen Wissens nicht selbst helfen können und über eigene charakterliche Schwächen, verquere Sicht des weiblichen Geschlechts und die üblichen Lebensängste stolpern. Erst die gegenseitige Unterstützung bei der Bloßlegung ihrer Seelen und Offenbarung ihrer eigenen egoistisch geprägten Haltungen bringt die Heilung. Das Wagnis des absoluten Vertrauens in das Gegenüber lässt die Freundschaft wachsen, die auch dann noch Bestand hat, als jeder dem andern seine letzten Unwahrheiten eingesteht. Dieses Beispiel wäre in der Anwendung auf das andere Geschlecht auch die Lösung ihrer Beziehungsprobleme, aber diese Erkenntnis muss der Leser selbst finden, der im Beobachten der inneren Kämpfe dieser großen Männer zur Selbstreflektion animiert wird. Dennoch ist dieser Roman kein Handbuch der Psychologie, da er nur an der Oberfläche zu kratzen vermag. In der kurzen Zeit von Nietzsches Kuraufenthalt wird in der Realität auch bei niemandem eine Heilung eintreten. Es ist eben nur ein Roman…
Am Ende habe ich mitgeweint, mit diesem Nietzsche, der sich selbst alles versagte und doch die Suche nach Freiheit und Wahrheit und somit letztendlich Freude predigte.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.12.2016
Maria
Isaacs, Jorge

Maria


gut

Eine kolumbianische Tragödie
"Wer noch nie vor Glück geweint hat, sollte es aus Verzweiflung über die vergangene Jugend tun. So wie in jungen Jahren kann man nie wieder lieben. Die erste Liebe! Der edle Stolz unsere Liebe zu fühlen, die Hingabe, mit der man auf alles verzichtet zugunsten der geliebten Frau! Die Glückseligkeit eines Tages bedeutet mehr als die Tränen eines ganzen Lebens. Durch die Liebe bekommen wir ein Geschenk Gottes, das uns durch jede Sekunde bis zum Tod begleitet..." - Eine der wenigen Textstellen, die nicht unter der schlechten Übersetzung und dem fehlerhaften Lektorat gelitten haben.

Die Sätze sind zu kurz oder verdreht. Beschreibungen falsch formuliert. Der Inhalt wird dadurch oft abgehackt, weshalb der Text keine Melodie erhält und in der Seele nichts zum Klingen bringt. Dann gibt es wieder ganz gelungene Textpassagen, die Gefühle transportieren. Wenn der Roman einst ein Bestseller in ganz Südamerika war und, wie mein kolumbianischer Brieffreund mir versicherte, jeden noch heute zu Tränen rührt, vermute ich mal, dass dies in der Originalsprache anders sein muss. Schade, dass man als Deutsche nicht daran teilhaben kann…

Trotzdem kann man sich ein grobes Bild von Mentalität und Gesellschaft dieses Landes in jener Zeit machen, weshalb ich drei Sterne vergebe.

Bewertung vom 19.12.2016
Escobar-Paradise Lost (Blu-ray)

Escobar-Paradise Lost (Blu-ray)


sehr gut

Jedes noch so wunderschöne Paradies hat seine Schlange und je atemberaubender die Landschaft und je reicher die Natur ist, desto giftiger ist das Getier, das sich in der Dunkelheit versteckt…
Der Drogenhändler Pablo Escobar war so eine Giftschlange für das Paradies Kolumbien, das so viel anderes zu bieten hat als Kokain. Seine gespaltene Persönlichkeit zwischen liebevollem Familienvater, Medienliebling und grausamsten Verbrecher aller Zeiten wurde im Film relativ gut durch die fiktive Liebesgeschichte der beiden unbedarften jungen Menschen dargestellt, die von dem Bösen in ihrer allernächsten Umgebung nichts ahnen und sich wie in der Wirklichkeit auch die meisten Kolumbianer damals vom äußeren Schein des ach so liebevollen, fürsorglichen und großherzigen Multimillionärs täuschen lassen, der mit seinem Geld sehr spendabel sein konnte und, da wo die Politiker aus der ehemals kolonialen Herrenkaste versagten, soziale Projekte in seinem Land ins Leben rief. Hinter dieser Fassade regierte jedoch die Egozentrik dieses machtbesessenen Mannes, der das Ansehen unter seinen Mitmenschen und auch anderen Berühmtheiten dieser Welt sehr genoss, die nicht danach fragten, woher sein übermäßiger Reichtum kam und wie schmutzig und blutig dieses Geld in Wahrheit war. Denn Escobar, mit Benicio Del Toro hervorragend besetzt, verdiente sein Geld mit dem Tod. Sein Hunger nach Reichtum und Macht war unermesslich, seine Handlungsweise skrupellos und kaltblütig. Selbst ihm nahestehende Personen, die er wie allernächste Verwandte vertrauensvoll zu behandeln schien, sind eigentlich nur Statisten seines Images, die jederzeit ihre Schuldigkeit getan haben können. Jedes Wort, das Benicio Del Toro in seiner Rolle als Escobar spricht, hat psychologische Wirkung auf sein Gegenüber sowie einen doppelten Boden, und es wird klar, dass der echte Escobar über große Menschenkenntnis verfügt haben muss, um sich derart an die Spitze der High Society der 80er und 90er zu bringen. Sein von unmerklichem Wahnsinn regiertes Ego, das von der moralischen Richtigkeit seines Tuns überzeugt ist, zeigt sich gegen Ende im Film, wo er glaubt, selbst Gott kontrollieren und befehlen zu können..
So wird aus der anfangs noch sehr romantischen Liebesgeschichte zwischen dem Kanadier Nick und Maria, der Nichte des kolumbianischen Drogenbarons, bald ein mit Angst besetzter Thriller, wodurch die Person des Escobar, als Hauptthema des Films gut herausgearbeitet ist.
Gut fand ich, dass im Gegensatz zu den üblichen reißerischen Thrillern die Gewaltszenen nicht zu Effekt heischend mit langen Kameraeinstellungen auf die Leichen gedreht wurden. Die sich steigernde Angst der Filmfiguren, übrigens sehr gut gespielt durch Josh Hutcherson, war für den allerdings nur bedingt mitfiebernden Zuschauer überschaubar, da zu Beginn des Films schon zu viele Schlussszenen angerissen wurden. Damit ging etwas Spannung verloren. Sehr gut hat mir das Ende gefallen, das weder schmalzig noch reißerisch ist, sondern einfach und trotz allem überraschend.
Gefehlt hat mir der krasse Gegensatz von Gewalt gegenüber der Schönheit des Paradieses Kolumbien, denn der Strand und die Landschaftsszenen im Film lassen nur selten den Vergleich mit einem Paradies zu, obwohl es auch Titelthema ist. Schade, dass der Film nicht am Schauplatz der Geschichte gedreht oder wenigstens Landschaftsaufnahmen von Kolumbien eingespielt wurden, um dieses tatsächlich paradiesische Land zu zeigen.
Fazit: Durchaus sehenswerter, weil auch nicht Gewalt verherrlichender Thriller, der dem Zuschauer begreiflich macht, wie schnell ein Paradies verloren gehen kann…

Bewertung vom 19.12.2016
Killing Pablo
Bowden, Mark

Killing Pablo


sehr gut

Der Zweck heiligt nicht die Mittel

Durch die detaillierte Beschreibung des Autors Mark Bowden in seinem Bericht über die Jagd auf den Drogenbaron Pablo Escobar wird neben dem genauen chronologischen Ablauf der Geschehnisse und den daran beteiligten Politikern, kolumbianischen Staatsorganen, Militärs und amerikanischen Geheimdiensten, Sonderkommandos und Spezialeinheiten auch Pablo Escobar selbst als Person recht gut skizziert. Trotz seiner nicht sehr hohen Schulbildung wird einem bald klar, dass der Boss des Drogenkartells von Medellín über eine ausgebuffte Intelligenz und große Menschenkenntnis verfügt haben muss, indem er die Psyche seiner Gegner und Mittäter, ihre Schwächen und Handlungsweisen genau berechnen konnte, und sie entsprechend antriggerte, um sie in der Hand zu haben. Obwohl er ihre Schwächen sicher nur deshalb so gut erkannte, weil er auf sich, auf die Ängste seines Egos reflektiert hat, war Escobar von der moralischen Richtigkeit seines Tuns überzeugt und es gab genügend Leute, die ihn darin bestätigten, indem sie ihn in den 80er und 90er Jahren an der Spitze der High Society begrüßten.
Killing Pablo ist, obwohl Mark Bowden als u.s.-amerikanischer Journalist etwas voreingenommen, ein einigermaßen objektiv gelungener Bericht, der hier und da natürlich einen leicht überheblichen Beigeschmack hat. Dennoch werden die Kolumbianer am Ende nicht als unfähig dargestellt und auch die menschlichen Schwächen der u.s.-amerikanischen Spezialisten vorgeführt, die während und am Finale der Menschenjagd den Leichnam Escobars quasi am liebsten als Trophäe ausgestopft und in ihren Wohnzimmern an die Wand gehängt hätten. Ihr Töten und Morden – auch wenn sie dabei teilweise nur als Informanten mit sachdienlichen Hinweisen fungiert haben – wurde und wird weder von der Gesellschaft noch vom Gesetz jemals angeklagt. Nur dem einen oder anderen scheint bewusst zu werden, dass sie als Menschen nicht besser als der Gejagte waren. Auch sie töteten für Geld und in der Überzeugung recht zu handeln…
Auf unterschwellige Art und Weise und wahrscheinlich unbeabsichtigt zeichnet Mark Bowden in Killing Pablo auf, wie Politik und Gesellschaft funktioniert haben, noch immer funktionieren und auch in Zukunft funktionieren werden. Man erschrickt während des Lesens über die Kaltblütigkeit und stellt sich viele Fragen, die offen bleiben müssen, weil das Buch nur ein Bericht ist, der keine Antworten gibt. Was für eine Lehre könnten wir aus der Geschichte dieses Landes ziehen, die wiederum nur ein Beispiel für viele – vergangene und leider auch zukünftige – ist, weil wir Menschen nicht dazu zu lernen scheinen? Wie konnte ein Escobar so mächtig werden?
Schreib- oder übersetzungstechnisch gibt es im Buch ein paar kleine Mängel. Oft genug ist man verleitet, auf die Kolumbianer hinabzusehen. Von den Einflüssen aller Geschehnisse auf die Bevölkerung wird nur wenig berichtet, was eine Erklärung liefern könnte, weshalb die Menschen Pablo z. B. auch zugejubelt haben oder noch heute sein Grab liebevoll gepflegt wird. Der Autor beruft sich auf eine Vielzahl von Quellen, die im Anhang aufgeführt sind, aber mitunter ist der Bericht etwas langatmig und schweift bei den Beschreibungen der organisatorischen Zusammenhänge der Jäger oft so weit ab, dass mir als Leser bisweilen der Überblick verloren ging, wer denn jetzt genau den Drogenboss jagt und mit welcher Ambition. Möglicherweise ist dies jedoch Absicht, weil auch in der Politik vieles im Dunkeln liegt, denn gibt es nicht auch da in weißen Westen genügend leitende Köpfe, die Kokain oder Ähnliches konsumieren?