Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Verena

Bewertungen

Insgesamt 135 Bewertungen
Bewertung vom 25.03.2024
Das andere Tal
Howard, Scott Alexander

Das andere Tal


ausgezeichnet

Außergewöhnliches Debüt!

Was für ein grandioses Debüt. Zart und kraftvoll zugleich. Ein philosophisches Gedankenexperiment in poetischer Sprache; es inspiriert, es fordert, es ist voller Hoffnung und hoffnungslos, es ist eine ganz andere Welt und doch wirkt sie so nah.
Die Verbindung wird geschaffen durch Odile, die Protagonistin. Zunächst lernen wir sie als 16jährige kennen, sie ist in der Schule, eine Außenseiterin, sie ist zum ersten Mal verliebt, sie und ihre Mitschüler:innen stehen vor der Entscheidung, welche Berufe sie ergreifen werden. So weit, so „normal“. Dann erkennt sie in vermummten Gestalten die Eltern ihres Freundes Edme. Sie weiß, was das bedeutet: Edme wird sterben.
Denn seine Eltern sind Besuchende aus dem Tal östlich von Odiles Tal. Ein identisches Tal, allerdings 20 Jahre in der Zukunft. Sie sind gekommen, um ihren Sohn noch einmal zu sehen. Auch im Westen gibt es das Tal, 20 Jahre in der Vergangenheit. Über die Berge kann man jeweils dorthin gelangen, doch die Grenzen sind bewacht, man darf nicht alleine reisen. Entscheidungen im jeweiligen Tal, auch die, wer ein anderes Tal besuchen darf, trifft das Conseil.
Natürlich bereitet es Kopfzerbrechen, wenn man anfängt zu überlegen, wie genau das Reisen in die anderen Täler funktioniert, wie viele Versionen es jeweils östlich und westlich gibt. Doch Autor Scott Alexander Howard macht es seinen Leser:innen zumindest dahingehend leicht, dass er immer bei Odile bleibt. Sie ist sozusagen die Verbindung zwischen den Tälern.
Viele Themen werden behandelt: Liebe, Verlust und Trauer, Freiheit, Macht, Schicksal, …
Das Wissen über Edmes Zukunft wirkt sich schicksalhaft auf Odiles Leben aus. Gleichzeitig ist da, angedeutet, immer die Möglichkeit Einfluss zu nehmen und den Zeitstrahl zu ändern und damit nicht nur Edmes Schicksal, sondern auch Odiles.
„Das andere Tal“ ist ein außergewöhnliches Erstlingswerk, dass mich immer wieder an Kazuo Ishiguro erinnerte, aber doch ganz individuell ist.

Bewertung vom 10.03.2024
Mühlensommer
Bogdahn, Martina

Mühlensommer


sehr gut

Ausflug nach Hause

Protagonistin Maria lebt in München, arbeitet in der Werbebranche und ist alleinerziehende Mutter zweier Töchter. Als ihr Vater einen Unfall hat kehrt sie zurück auf den Einödhof, auf dem sie aufgewachsen ist; eine alte Mühle, in der noch die Eltern und ihr Bruder mit seiner Familie leben. Allerdings sind die familiären Bande nicht mehr so eng wie einst, weshalb Maria mit gemischten Gefühlen heimkehrt.

Kindheitserinnerungen, geprägt von auf dem ersten Blick idyllischem Landleben, treffen auf die aktuelle Situation: zerstrittene Geschwister, unklare Hofübergabe, pflegebedürftige Angehörige, Zukunftsvisionen, Sehnsucht nach Heimat, der ständige gegeneinander Ausspielen des Landlebens und des Lebens in der Stadt – viel wird angesprochen in „Mühlensommer“. Zwischen den beiden Zeitebenen klafft eine große Lücke, die erzählerisch leider nicht ganz geschlossen wird: wann/wo/wie bogen die Geschwister falsch ab, sodass sie nicht mehr richtig miteinander reden können? Das wäre meines Erachtens nötig gewesen, so wirkt die Lösung der vielen Probleme, die im Kern auf den Streit zurückgehen, letztlich ein bisschen zu abrupt.

Autorin Martina Bogdahn wuchs selbst auf einem Einödhof in Mittelfranken auf, lebt als Fotografin in München; die Mühle ihrer Familie ist mittlerweile bekannt für traditionell gebackenes Holzofenbrot.

Vieles, wovon der Roman (mit autobiografischen Zügen?) handelt, kam mir bekannt vor: aufwachsen auf dem Bauernhof; viele Jahre in verschiedenen Großstädten; Rückkehr aufs Land; Hofübergabe; das ständige Zwischen-den-Stühlen-stehen, wenn v.a. Menschen, die weder auf dem Land bzw. weder in der Stadt gelebt haben, mit einer ganzen Ladung Vorurteilen auf die jeweils anderen Lebensentwürfe ankommen. Einige der zumeist kurzweiligen Erzählepisoden sind geprägt von Längen, aber vor allem die Anekdoten aus der Kindheit sind unterhaltsam und meist sehr dynamisch erzählt. Auch die Authentizität der Erzählung ist durchgehend zu spüren. Eine Leseempfehlung für alle, die gerne einen buchigen Ausflug aufs Land unternehmen.

Bewertung vom 05.03.2024
Demon Copperhead
Kingsolver, Barbara

Demon Copperhead


sehr gut

Dickens in den Südstaaten

Barbara Kingsolvers „Demon Copperhead” hat viele renommierte Auszeichnungen gewonnen, u.a. den Pulitzer Prize. Der Roman ist ein Coming-of-Age Roman und wird aus der Perspektive von Damon Fields, Spitzname Demon Copperhead, erzählt. Der Sohn einer alleinerziehenden Teenie-Mom wächst in einem Trailerpark in den Appalachen in Virginia auf. Die kleine Familie lebt zwar in Armut, aber doch liebevoll zusammen mit gutem Draht zu den Nachbarn. Als die Mom heiratet, ändert sich alles. Nach ihrem frühen Tod wird er von Pflegestelle zu Pflegestelle gereicht. Zu Armut gesellen sich Gewalt und Drogen. Aber immer ist da, wenn auch phasenweise unterdrückt, Demons Kreativität, mit der er das Schlimme, das ihm widerfährt, verarbeitet.
Wer beim Namen des Titelhelden noch nicht stutzig wurde, wird es vielleicht beim Klappentext: der Inhalt des Romans ist stark an Charles Dickens‘ „David Copperfield“ angelegt.
David Copperfield ist einer meiner Lieblingsklassiker, deshalb war Demon Copperhead ein Must-Read. Kingsolver hat sich einiges vorgenommen und das zum Großteil umsetzen können. Die Figuren, die Art und Weise, wie sie an die viktorianischen Vorbilder angelegt sind, ihre Geschichten und Handlungsstränge in die amerikanischen Südstaaten Ende unserer heutigen Zeit verlegt wurden, ist super akribisch und gelungen. Allerdings fehlte mir die Leichtigkeit, die Dickens trotz der schweren Themen, die er in seinem Bildungsroman aufarbeitet, mit eingewoben hat. Die typische Skurrilität und Liebenswürdigkeit der dickensischen Figuren kann Kingsolver nicht erschaffen. Humor blitzt zwar auch bei Demon immer wieder durch, aber er wirkt ob der schlimmen Gesamtsituation sehr schwarz. Man fühlt sich irgendwie gefangen in einem Strudel voller Ungerechtigkeiten; Hoffnung, so typisch für Dickens, kommt bei Kingsolver selten durch. Deshalb kann ich gut verstehen, dass viele dem Roman „poverty porn“ unterstellen.
Der Sprecher des Hörbuchs, der Schauspieler Fabian Busch, konnte mich leider auch nicht zu 100% überzeugen, wirkte er doch meist emotionslos.
Kingsolver hatte sich viel vorgenommen, heftige Themen präsentiert, aber nicht ganz das Herz des Originals erreicht. 3,5 Sterne.

Bewertung vom 29.02.2024
Krummes Holz
Linhof, Julja

Krummes Holz


sehr gut

Erinnerungsstrudel

Knapp 20 Jahre alt ist Jirka, als er nach fünf Jahren Internat an einem glühend heißen Sommertag auf den Hof der Familie zurückkehrt. Dieser wurde in den letzten Jahren vom Vater und der älteren Schwester Malene bewirtschaftet. Ebenfalls da sind Oma Agnes, mittlerweile dement, und Leander, der Sohn des ehemaligen Hofverwalters. Gemischte Gefühle wäre eine Untertreibung für das, was Jirka bei der Heimkehr empfindet. Der Ort ist so eng verbunden mit Erinnerungen an die ersten 14 Jahre seines Lebens. Und genau in diese Erinnerungen und deren Band zur Gegenwart taucht Julja Linhofs Erzählung ein. Jirkas Aufwachsen ist einerseits geprägt von typischen Landkindheitserinnerungen, die mir selbst sehr bekannt vorkamen. Andererseits ist da aber auch viel Gewalt – verbal, emotional, körperlich – die die Figuren einander antun. Hinzu kommt eine Sprachlosigkeit, durch die es beinahe unmöglich scheint, den Kreislauf der Dinge zu durchbrechen.
Mit atmosphärischem, durchdringendem Stil lässt Linhof die Leser:innen teilhaben daran, wie Jirka zurück auf dem Hof mit all den Gefühlen und Erinnerungen, die er versuchte zu verdrängen, konfrontiert wird. Sprachlich so intensiv, dass man manchmal vergisst, dass es sich bei „Krummes Holz“ um einen Debütroman handelt.
Mein einziger Kritikpunkt ist, dass die Geschichte, vor allem gegen Ende, ein bisschen überladen wirkt, wodurch einzelne Stränge (zum Beispiel eine genauere Betrachtung der Beziehung der beiden Geschwister zu einander) ein wenig untergehen. Nichtsdestotrotz eine absolute Empfehlung.

Bewertung vom 20.02.2024
Yellowface
Kuang, R. F.

Yellowface


gut

Geschichte mit Sogwirkung, aber auch Luft nach oben

Man kann R. F. Kuang nicht mehr aus dem Weg gehen, selbst wenn man möchte. Nach "Babel" ist "Yellowface" überall. Und das Cover mit den markanten Augen auf leuchtend gelbem Hintergrund ist natürlich sehr prägnant.

Athena Liu, junge literarische Sensation, stirbt vor June Haywards Augen. June, die auch gerne so erfolgreich wäre wie ihre einstige Kommilitonin, entdeckt bei Athena ein unveröffentlichtes Manuskript, nimmt es mit, bearbeitet es und gibt es als ihr eigenes Werk aus.

Diversität, Rassismus, kulturelle Aneignung sind zentrale Themen von „Yellowface“, denn die geklaute Geschichte beschäftigt sich mit chinesischen Arbeitern in der britischen Armee während des 1. Weltkriegs – eher weniger Junes literarisches Zuhause. Das Pseudonym "Juniper Song" tut sein Übriges. Die Shitstorms in den Sozialen Medien sind vorprogrammiert und wirken sehr authentisch.

„Yellowface“ ist äußerst dynamisch; wie June als Ich-Erzählerin sich immer tiefer und tiefer in ihre Lügen verstrickt und wie letztendlich das ganze Lügenkonstrukt zusammenbrechen zu droht, hat eine regelrechte Sogwirkung. Was mir gut gefallen hat, war die Zeichnung der beiden Protagonistinnen. Sowohl June als auch Athena sind so köstlich unsympathisch (ganz grandios ist übrigens die Performance der Sprecherin des englischen Hörbuchs, die beide Charaktere wunderbar darstellt).

Dennoch kann ich nicht mehr als 3 Sterne geben, denn irgendwas fehlte mir. Kuang beschreibt, was tatsächlich in der (kulturellen) Welt immer und immer wieder passiert. Das ist es auch schon. Sie beschreibt es, aber es kommt wenig Neues dazu. Zudem hilft die überspitzte satirische Darstellung manchmal nicht wirklich; dadurch geht Authentizität verloren, die an anderen Stellen des Romans gut durchscheint.

Bewertung vom 14.02.2024
Somebody to Love - Northern-Hearts-Reihe, Band 1
Weiler, Rebekka

Somebody to Love - Northern-Hearts-Reihe, Band 1


sehr gut

Berührende Geschichte für New Adult Fans

Ich bin nicht als große New Adult Leserin bekannt, kenne die Autorin aber schon seit vielen Jahren, weshalb logischerweise auch ihr neuster Roman ein Must-Read war.

Was mich bei NA Romanen mit am Meisten stört, ist etwas wirklich sehr Genrespezifisches, stört aber die tatsächliche Zielgruppe nicht, deshalb ignoriere ich es in meiner Bewertung^^
Was mich auch meist stört, ist die Sprache. Hier sind Rebekka Weilers Romane eine große Ausnahme, denn sie heben sich vom sprachlichen Niveau schon deutlich ab von anderen New Adult Werken. (Ganz toll fand ich persönlich es, dass kaum das allseits beliebte Wörtchen „verdammt“ vorkam^^)

Dass Rebekka Trauer äußerst realistisch darstellen kann, weiß man, wenn man ihre anderen Romane gelesen hat. Auch hier ist das wieder eine der großen Stärken der Geschichte. Freyas Freund Hendrik wurde bei einem Einbruch in einem Schweinemassenbetrieb von einem Wachmann, den er angeblich angegriffen hatte, erschossen. Monate später finden Freya und Hendriks Drillingsbruder Emil Hinweise, dass damals doch nicht alles so ablief, wie die Polizei vermutete. Der Alltag beider ist geprägt vom Versuch, eine Balance zwischen Normalität und Trauer zu finden. In diese „neue Normalität“ kommen nun auch noch Gefühle, die Freya und Emil füreinander entwickeln und zunächst natürlich überhaupt nicht wahrhaben wollen. Die gemeinsame Trauer, das Aufkeimen neuer Liebe, der eigene Struggle und auch die Reaktionen anderer Figuren auf die neue Beziehung sind alle für sich gut dargestellt, aber mir war der Übergang zu knapp dargestellt. Ich hätte es toll gefunden, wenn die Geschichte an dieser Stelle mehr in die Tiefe gegangen wäre. Gleichzeitig mochte ich nicht alle Nebenhandlungen, da sie wenig Mehrwert hatten und die Dynamik von Freyas und Emils Geschichte stellenweise unterbrachen.

Allerdings glaube ich, dass New Adult Fans hier wirklich auf ihre Kosten kommen werden und kann ihnen den Roman nur empfehlen.

Bewertung vom 29.01.2024
Die Hexen von Cleftwater
Meyer, Margaret

Die Hexen von Cleftwater


sehr gut

Erschreckend aktuell

Im Jahr 1645 lebt im kleinen Ort Cleftwater im heutigen England Martha, eine einfache Frau, die seit Jahrzehnten der gleichen Familie dient. Ihr Leben ändert sich schlagartig, als gewaltsam Männer ins Haus dringen und Küchenhilfe Prissy mitnehmen. Sie wird der Hexerei beschuldigt und plötzlich ist für Martha und ganz Cleftwater nichts mehr wie zuvor. Niemand ist sicher vor Hexenjäger Makepeace, vor allem nicht die Frauen. Martha, die sich als Hebamme mit Frauenkörpern auskennt, soll helfen bei der Suche nach „Beweisen“. Die inhaftierten Frauen werden allen nur denkbaren Foltermethoden unterzogen; ihre Körper abgesucht nach „Teufelszeichen“.

Es ist gruselig, wie die patriarchalischen Machtstrukturen, der religiöse Fanatismus (vor dem nicht mal der Priester sicher ist!) und die omnipräsente Misogynie zwar Teil einer Geschichte sind, die vor fast 400 Jahren spielt, aber alles dennoch erschreckend aktuell wirkt. Die Willkür und die Brutalität, mit der gegen die Frauen vorgegangen wird, ist eindringlich dargestellt. Egal, was die Frauen sagen: ihnen wird nicht zugehört, kein Glauben geschenkt, Fakten werden ins Absurde verdreht, ihre Aussagen gegen sie verwendet. Grandios daher die Entscheidung, die weibliche Protagonistin stumm sein zu lassen. Hilft es Martha zunächst sogar, dass sie nicht sprechen kann? Frauen haben schließlich in der portraitierten Gesellschaft nichts zu sagen. Aber natürlich versucht Martha zu kommunizieren, versucht den Frauen zu helfen, was schwierig ist, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen; versucht mit einer Wachspuppe, einem Atzmanns, irgendwie Einfluss auf das Geschehen zu nehmen. Was aus damaliger Sicht wohl als Hexerei eingestuft worden wäre, wirkt heute hilflos und verzweifelt und letztendlich scheint nur eine Naturgewalt den Menschen helfen zu können.

Auch wenn sich in der zweiten Hälfte die von wahren Begebenheiten inspirierten Ereignisse ein wenig überschlagen, ist der Roman unglaublich spannend, ein wahrer Pageturner und unbedingt zu empfehlen.

Bewertung vom 16.01.2024
Du hast mir nie erzählt
Wharton, Wiz

Du hast mir nie erzählt


ausgezeichnet

Grandioses Debüt!
Pageturner, Generationenroman, zwei spannende Frauenfiguren – ein bewegendes, wahrlich gelungenes Debüt! Wiz Wharton erzählt die Geschichte von Lilly und Sook-Yin. Lilly erhält 1997 in London die Nachricht über ein mysteriöses Erbe von einem ihr unbekannten chinesischen Mann. Um das Erbe zu erhalten, soll sie nach Honkong reisen. Hongkong verlassen musste ihre Mutter Sook-Yin im Jahr 1966 um im fernen England eine Ausbildung zur Krankenschwester zu machen. Richtig gekannt hat Lily ihre Mutter nie, denn Sook-Yin starb, als ihre Tochter 5 Jahre alt war. In alternierenden Kapiteln wird aus den Perspektiven der beiden Frauen erzählt.
„Ghost Girl, Banana“ ist der Originaltitel von „Du hast mir nie erzählt“. Sehr unterschiedliche Titel und nachdem im Text Ghost Girl und Banana auftauchten, dachte ich, wie perfekt der englische Titel doch passt und wie wenig der deutsche damit zu tun hat. Doch auch dieser wortwörtlich auf, allerdings erst sehr viel später und passt genauso wunderbar. Die Titel spielen auf 2 der zentralen Themen im Roman an. Das ihr viel aus ihrer Vergangenheit und vor allem der Vergangenheit ihrer Eltern nie erzählt wurde, lernt Lily im Laufe der Geschichte; ebenso, was es mit Familien machen kann, wenn nicht miteinander gesprochen wird, selbst dann, wenn man eine Person durch Schweigen vor schwierigen Situationen schützen möchte. Ghost Girl und Banana beziehen sich auf das Thema Identität, Herkunft, Zugehörigkeit. Nicht weiß genug, nicht asiatisch genug – sowohl Mutter als auch Tochter stehen in ihren jeweiligen Zeitebenen zwischen den Welten. Wharton zeigt den Alltagsrassismus und die Diskriminierung auf, dem beide Frauen ausgesetzt sind, ohne sich dabei in kulturwissenschaftliche Exkurse zu verlieren. Manchmal schonungslos brutal, dann wieder mit zaghafter Hoffnung, erzählt sie die Geschichte ihrer Protagonistinnen. Mir tat es fast ein bisschen Leid, dass ich mich am Ende von ihnen verabschieden musste. Große Leseempfehlung.

Bewertung vom 10.01.2024
Lichtungen
Wolff, Iris

Lichtungen


gut

Rückwärts in den Lichtungen von Levs Leben

Ich habe nur schwer in die Geschichte gefunden und wurde leider nie richtig warm damit. Sowohl mit den zentralen Figuren, Lev und Kato, als auch mit der Erzählweise. Es wird rückwärts erzählt. Eigentlich fand ich die Idee gar nicht schlecht; immer wieder fragte ich mich dann aber, ob es mir geholfen hätte, einfach verkehrt herum zu lesen, also mit dem letzten Kapitel (Kapitel 1) loszulegen, statt mit Kapitel 9, dem ersten Kapitel. So war mir leider oft nicht ganz klar, wo in der Timeline die Figuren grade waren, wie alt sie sind, welches Jahr war. Vielleicht hilft es auch, wenn man grundsätzlich mit der Geschichte Rumäniens etwas bewanderter ist als ich.
Am schwersten tat ich mich mit der „umgekehrten Erzählweise“ aber, wenn ich an Stellen kam, als ich dachte, jetzt habe ich endlich Zugang zu Lev gefunden und mich darauf freute, gleich mehr über ihn zu erfahren, sein Handeln, seine Gefühle in bestimmten Situationen, einfach, wie es mit ihm weitergeht – nur um dann im nächsten Kapitel gleich wieder einen Zeitsprung in die Vergangenheit zu machen. Die zentrale Freundschaft zwischen Lev und Kato wirkte manchmal unauthentisch, was für mich hauptsächlich an der Darstellung Katos lag. Als Figur war sie mir viel zu blass und beinahe klischeehaft, ein schwaches Gegengewicht zu Lev.

Dadurch habe ich auch relativ lang für ein eher kurzes Buch gebraucht. Das macht es aber nicht per se schlecht, es war einfach nicht meins bzw. ich vielleicht habe ich es sogar nur zum falschen Zeitpunkt gelesen. Die Sprache ist poetisch, die Auswahl der Themen (meist) interessant, Lev ist ein vielversprechender Protagonist, das Cover ist wunderschön und passt genau wie der Titel hervorragend zur Geschichte und den darin enthaltenen sprachlichen Bildern. Allerdings sollte man sich wirklich auf die Erzählweise einlassen können, die einzelnen Kapitel als „Lichtungen“ annehmen, um die Lektüre vollumfänglich genießen zu können. 3,5 Sterne

Bewertung vom 20.11.2023
Book Lovers - Die Liebe steckt zwischen den Zeilen
Henry, Emily

Book Lovers - Die Liebe steckt zwischen den Zeilen


sehr gut

Ein Buch für Book Lovers

„Book Lovers“ ist ein wunderbares Buch für, nun ja, Bücherliebhaber:innen ;) Emily Henry enttäuscht so gut wie nie (Happy Place, husthust), allerdings hätte ich mir fast noch mehr versteckte (bzw. nicht so sehr versteckte) Hinweise auf andere Bücher und Literatur gewünscht. Was ich mir außerdem noch gewünscht hätte: viel mehr Charlie!! Er ist ein so toller Protagonist! Überhaupt wirken Emily Henrys Figuren meist sehr real, vor allem auch ihre männlichen Figuren werden nicht nur oberflächlich angekratzt um dann recht stereotypisch zu bleiben, wie es in dem Genre leider oft der Fall ist. Mit Nora konnte ich mich zwar nicht so sehr identifizieren wie mit den Charakteren anderer Emily Henry Bücher, aber ich mochte sie dennoch sehr. Genervt hat mich tatsächlich Libby, sie hätte gerne weniger Platz einnehmen dürfen in der Geschichte. Natürlich war sie sehr wichtig für die Backstory, aber sie war mir zu übergriffig und entschied vieles, was direkten Einfluss auf Noras Leben haben würde, hinter ihrem Rücken. Wie schon gesagt: ich hätte mir viel mehr Charlie gewünscht, fast sogar auch seine Perspektive (und eigentlich bin ich kein allzu großer Fan von mehreren POVs, weil es beinahe inflationär benutzt wird mittlerweile und meist keinen Sinn macht). Er und Nora waren zwei wirklich großartige Protagonisten und die Chemie zwischen den beiden ist auch ganz großartig. Das Örtchen Sunshine Falls hat mich manchmal ein bisschen (zu sehr) an Stars Hollow aus Gilmore Girls erinnert, da hätte ich mir etwas mehr eine realistische Darstellung eines ländlich gelegenen Kleinstädtchens gewünscht, aber (ohne zu spoilern) das Ende des Romans war dann diesbezüglich wieder versöhnlich für mich. In jedem Fall ist auch „Book Lovers“ ein weiterer gelungener Roman von Emily Henry, den ich sehr gerne gelesen habe und unbedingt weiterempfehlen kann. Freue mich schon auf ihr nächstes Buch!