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Lu

Bewertungen

Insgesamt 26 Bewertungen
Bewertung vom 08.04.2024
Die allerkürzeste Gutenachtgeschichte der Welt
Fitzgerald, Louise

Die allerkürzeste Gutenachtgeschichte der Welt


sehr gut

Gutenachtgeschichte zum Mitmachen

Diese Gutenachtgeschichte ist toll illustriert. Auf den Bildern finden sich verschiedene Tiere, die auf dem Weg ins Bett sind. Die Bilder sind liebevoll gestaltet und es finden sich immer wieder süße Details.

Wer allerdings eine echte Gute-Nacht-Geschichte sucht, ist hier falsch. Das Buch ist eher eine gemeinsame Mitmachanleitung für ein Abendritual. Es wird sich gestreckt und gemütlich eingerichtet und auf die eigentliche Geschichte hin gefiebert. Diese ist mit nur zehn Wörtern dann wirklich kurz. Die Handlungsanweisungen sind kindgerecht und machen Spaß.

Das Buch ist sicher nichts für jeden Abend und das schnelle ins Bett bringen, denn durch die vielen Handlungsanweisungen wirkt es eher aktivierend als beruhigend. Wenn man etwas Zeit hat, macht es aber viel Spaß zum Beispiel gemeinsam Kuscheltiere zu suchen oder einen Schwur zu sprechen. Das Buch nimmt dem Kind auch das Versprechen ab, dass nach der Gutenachtgeschichte geschlafen wird.

Bewertung vom 06.09.2023
Terafik
Karkhiran Khozani, Nilufar

Terafik


sehr gut

persönlich und bewegend
In ihrem Debütroman "Terafik" erzählt Nilufar Karkhiran Khozani eine bewegende Familiengeschichte zwischen Iran und Deutschland.

Die Protagonistin, welche den selben Vornamen trägt, wie die Autorin, Nilufar, ist Deutsch-Iranerin. Sie lebt in Berlin und arbeitet als Psychologin. Ihren Vater, der in Iran lebt, hat sie seit Jahren nicht mehr gesehen. Jetzt als Rentner kann er sie endlich überreden ihn in Iran zu besuchen.

Nilufar ist anfangs skeptisch. Sie spricht kaum persisch, war noch nie in Iran und kennt die meisten Familienmitglieder nur aus Erzählungen. Mit einem Koffer voller Merci und Haribo fährt sie schließlich doch.

Die Autorin beschreibt nicht nur die Beziehung zwischen Nilufar und ihrem Vater, sondern schildert auch ein eindrucksvoll die Lebensrealität in Iran. Dabei kommt nicht nur die Zerrissenheit von Nilufar zum Ausdruck, sondern auch die Zerrissenheit der Iranischen Gesellschaft.

Die Geschichte wird in zwei Zeitschichten Erzählt. Wir erfahren nicht nur Nilufars Geschichte, sondern auch die ihres Vaters in den 1970er Jahren in Deutschland: von seinem Studium und einer Firmengründung. Beide Charaktere werden dabei liebevoll gezeichnet und ihre Gedankenwelt in einer klaren Sprache offen gelegt. Empfehlenswert!

Bewertung vom 28.08.2023
Bei euch ist es immer so unheimlich still
Schröder, Alena

Bei euch ist es immer so unheimlich still


ausgezeichnet

Empfehlenswert!

Mit "Bei euch ist es immer so still" hat Alena Schröder einen großartigen Roman über eine Mutter-Tochter-Beziehung geschrieben. Dieser beschreibt die Vorgeschichte des Bestsellers "Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid" ist aber auch ohne das Wissen darum toll zu lesen und eine in sich geschlossene Geschichte.
Silvia verlässt 1989 kurz vor der Wende mit ihrer wenige Monate alten Tochter Berlin. Sie fährt zu ihrer Mutter Evelyn nach Bayern in ein kleines Dorf. Dort sehen sich beide mit ihrer gemeinsamen Vergangenheit konfrontiert und finden durch die kleine Hannah zueinander.
Das Buch ist abwechselnd aus verschiedenen Perspektiven und in unterschiedlichen Zeitschichten erzählt. Dabei wird schnell klar, dass es nicht die eine Wahrheit gibt, um die Vergangenheit zu beschreiben. Alle Charaktere sind liebevoll ausdifferenziert und nehmen die Leserin mit in ihrer Gedankenwelt. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen!

Bewertung vom 31.07.2023
Schönwald
Oehmke, Philipp

Schönwald


gut

Familienportrait

In seinem Debütroman schreibt der Autor und Journalist Philipp Oehmke über die Familie Schönwald. Was dabei entsteht ist ein über 500 Seiten langer Gesellschaftsroman, der die Geschichte einer Familie aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet.
Da geht es um die Tochter Karolin, die in Berlin einen "kwieren" Buchladen eröffnen will (wie die Mutter das Wort "Queer" erst versteht). Oder um den älteren Bruder Chris, der als Literaturprofessor in die USA gekommen ist, um dort die politischen Lager zu wechseln und in Trumps Wahlkampfteam einsteigt. Und es geht um den jüngsten Bruder Benni, der reich heiratet und versucht den Ansprüchen seiner Frau gerecht zu werden.
Oehmke baut damit ein komplexes und vielschichtiges Portrait einer Familie. Doch er versucht auch zu viele popkulturelle und politische Themen unserer Zeit in einem Roman zu verarbeiten. So werden viele Interessante Geschichten aufgemacht aber nicht alle zu Ende erzählt. Etwas mehr Knackigkeit hätte dem Buch gut getan, denn es hat auch viele tolle Passagen, die gut erzählt sind.

Bewertung vom 01.06.2023
Zwischen Himmel und Erde
Rodrigues Fowler, Yara

Zwischen Himmel und Erde


sehr gut

Atmosphärisch!

Mit dem Titel "Zwischen Himmel und Erde" hat die Autorin Yara Rodrigues Fowler ein Buch über Freundschaft, Identität und Mut geschrieben. Im Mittelpunkt steht dabei nicht nur zeitgeschichtlich das Jahr 2016 (vor allem in Brasilien und England), sondern auch die Lebensgeschichte zweier Frauen, welche in diesem Jahr in eine gemeinsame Wohnung ziehen. Beide haben brasilianische Wurzeln doch ihre Geschichten sind sehr unterschiedlich. Man begleitet die beiden Protagonistinnen Melissa und Catarina durch ihren Alltag und wie beide durch ihre Verbundenheit zu Brasilien immer mehr zusammenwachsen.
Der Schreibstil ist sehr poetisch: mit Liedern, Gedichten und Texten auch immer wieder auf Portugiesisch. Das macht den Schreibstil insgesamt eher anspruchsvoll, da man sich als Leserin konzentrieren muss, um bei der Geschichte zu bleiben. Das Buch richtet sich daher vor allem an Menschen, die Interesse an zeitpolitischem Geschehen und der Geschichte Brasiliens/Englands haben. Dann wird man hiermit sicher viel Freude haben!

Bewertung vom 24.04.2023
Keine gute Geschichte
Roy, Lisa

Keine gute Geschichte


sehr gut

Rau und zynisch

Die Protagonistin aus "Keine gute Geschichte", Arielle, kommt aus dem armen Stadtteil Essen Katernberg. Jetzt lebt sie allerdings als Social-Media-Managerin in Düsseldorf. Der Gegensatz könnte nicht größer sein. Und genau das ist auch ihr Ziel, selbst als das Schicksal sie zurück an den Ort ihrer Kindheit führt. Ihr großes Thema ist die Abgrenzung zu den Menschen in Katernberg, vor allem zu denen, die niemals weggezogen sind. Sie hält sich für etwas besseres und begegnet alten Bekannten mit Überheblichkeit.

Doch Arielle hadert vor allem mit ihrer eigenen Kindheit. All ihre Gedanken im Roman sind an ihre verschwundene Mutter adressiert. Das wirkt oft traurig, gibt Arielle aber die Bestätigung: "Ich hatte eine Mutter.". Arielle ist tough und zynisch. Die Sprache des Romans ist oft rau. Arielle ist zwar nicht in jeder Situation sympathisch aber immer interessant.

Ein total aktueller Roman, der den Ton der Zeit trifft und mit einer gelungenen Kulisse abseits von Berlin auskommt.

Bewertung vom 15.03.2023
Dein Taxi ist da
Guns, Priya

Dein Taxi ist da


sehr gut

klar, tough und wütend

Dein Taxi ist da erzählt die Geschichte einer lesbischen Fahrerin, die pausenlos arbeitet, um sich und ihre kranke Mutter über Wasser zu halten. Dabei lernt man Damani als eine wütende, selbstbewusste Frau kennen, die sich nicht unter kriegen lässt, auch wenn die Großstadt ihre härtesten Seiten offenbart.
Als sie sich in die reiche, weiße Jolene verliebt, prallen zwei Welten aufeinander. Als Leser:in verfolgt man eine zarte Liebesgeschichte, die versucht die unterschiedlichen Lebenswelten beider Frauen zu vereinen.

Gerade die erste Hälfte des Buches liest sich dabei leider etwas zäh, weil die Geschichte hier nur langsam Fahrt aufnimmt. Die kurzen Kapitel machen es einem aber leicht, trotzdem an der Geschichte dran zu bleiben. Spätestens als sich Damani und Jolene näher kommen, nimmt die Geschichte so richtig an Fahrt auf. Der klare, knappe Erzählstil beschreibt gut Damanis Abgeklärtheit, gibt aber nur wenige Einblicke in ihr Gefühlsleben. Trotzdem schafft es die Geschichte große Fragen nach Solidarität, Gerechtigkeit und Privilegien aufzuwerfen.

Bewertung vom 31.10.2022
Alle_Zeit
Bücker, Teresa

Alle_Zeit


ausgezeichnet

Eine wichtige Stimme

Teresa Bücker hat ein Sachbuch über die Verteilung der Zeit geschrieben. Was so philosophisch klingt, ist in Wahrheit ganz praktisch und lebensnah. Es geht darum, wie wir unsere Zeit einteilen und warum wir immer zu wenig davon haben.
Sie greift dabei bekannte Konzepte des feministischen Diskurses auf und unterteilt in Lohnarbeit und Care-Arbeit. Dabei beleuchtet sie nicht nur kritisch, welche Wertschätzung der Lohnarbeit gegenüber der Care-Arbeit entgegen gebracht wird. Sie zeigt viel mehr auf, dass eine Gesellschaft, in der alle Menschen möglichst in Vollzeit arbeiten, gar nicht wünschenswert ist. Sie stellt die Frage, was passiert, wenn alle nur noch 20 Stunden in der Woche arbeiten. Und hält ein Plädoyer dafür, dass alle sich politisch einbringen sollten.

Da mir die Aufteilung in Arbeitszeit, Car-Arbeit und Freizeit als Konzept schon bekannt war, gefiel mir vor allem das Kapitel über Zeit und Kinder, in dem sie Kinder als Teil der politischen Gesellschaft begreift.

Das Buch ist gut recherchiert und mit zahlreichen Quellen belegt, welche zum Weiterlesen anregen.

Bewertung vom 18.10.2022
Miss Kim weiß Bescheid
Cho, Nam-joo

Miss Kim weiß Bescheid


ausgezeichnet

einfühlsam und nahbar

Mit ihrem neuen Buch "Miss Kim weiß Bescheid" knüpft die koreanische Autorin Cho Nam-Joo an ihren ersten Roman "Kim Jiyoung, geboren 1982" an und erzählt vom Alltag koreanischer Frauen. Dieses Mal jedoch nicht in Romanform sondern in verschiedenen Kurzgeschichten.
Mit einer präzisen Beobachtungsgabe und einer einfühlsamen Schreibweise beschreibt Cho Nam-Joo die kleinen und großen Probleme im Leben einer (koreanischen) Frau. Dabei sind die Lebenswelten und Themen der jeweiligen Protagonistinnen vielfältig. Mal geht es um das Altern, das Abschiednehmen oder den Neuanfang. Auch ihre eigene Erfahrung als Autorin findet in diesem Buch ihren Platz.
Ein berührendes Buch, das ohne große Gesten und Schnörkel auskommt. Nicht nur interessant für Menschen, die sich für die gesellschaftlichen Verhältnisse in Korea interessieren.
Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 09.10.2022
Der Tag, an dem Tiffany das Wasser aus der Wanne geschaukelt hat
Kling, Marc-Uwe

Der Tag, an dem Tiffany das Wasser aus der Wanne geschaukelt hat


ausgezeichnet

fantasievolle Wasserschlacht

Marc-Uwe Kling erzählt eine Alltagsgeschichte mit viel Witz und Humor auch für Erwachsene. Tiffany will ein Bad nehmen und setzt dabei das ganze Badezimmer unter Wasser, beim Trockenwischen und sauber machen geht einiges schief und alles endet schließlich in einer Schaumschlacht.
Auf spielerische Weise taucht man in Tiffanys Alltag mit ihrem Bruder, Vater und Opa ein. Dabei erklärt Marc-Uwe Kling kindgerecht und beinahe nebenbei die Gedankenwelt von Erwachsenen und Jugendlichen. Dabei wird es kurz sogar politisch, als es um Angela Merkel geht und die Frage, ob auch Männer Bundeskanzlerin werden können.
Die Illustrationen von Astrid Henn passen wunderbar zu der kurzweiligen Geschichte und lassen viel Raum für kindliche Fantasie. Besonders die vielen unterschiedlichen Gesichtsausdrücke machen es leicht in die Emotionswelt der Figuren einzutauchen.