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Lu

Bewertungen

Insgesamt 21 Bewertungen
Bewertung vom 24.04.2023
Keine gute Geschichte
Roy, Lisa

Keine gute Geschichte


sehr gut

Rau und zynisch

Die Protagonistin aus "Keine gute Geschichte", Arielle, kommt aus dem armen Stadtteil Essen Katernberg. Jetzt lebt sie allerdings als Social-Media-Managerin in Düsseldorf. Der Gegensatz könnte nicht größer sein. Und genau das ist auch ihr Ziel, selbst als das Schicksal sie zurück an den Ort ihrer Kindheit führt. Ihr großes Thema ist die Abgrenzung zu den Menschen in Katernberg, vor allem zu denen, die niemals weggezogen sind. Sie hält sich für etwas besseres und begegnet alten Bekannten mit Überheblichkeit.

Doch Arielle hadert vor allem mit ihrer eigenen Kindheit. All ihre Gedanken im Roman sind an ihre verschwundene Mutter adressiert. Das wirkt oft traurig, gibt Arielle aber die Bestätigung: "Ich hatte eine Mutter.". Arielle ist tough und zynisch. Die Sprache des Romans ist oft rau. Arielle ist zwar nicht in jeder Situation sympathisch aber immer interessant.

Ein total aktueller Roman, der den Ton der Zeit trifft und mit einer gelungenen Kulisse abseits von Berlin auskommt.

Bewertung vom 15.03.2023
Dein Taxi ist da
Guns, Priya

Dein Taxi ist da


sehr gut

klar, tough und wütend

Dein Taxi ist da erzählt die Geschichte einer lesbischen Fahrerin, die pausenlos arbeitet, um sich und ihre kranke Mutter über Wasser zu halten. Dabei lernt man Damani als eine wütende, selbstbewusste Frau kennen, die sich nicht unter kriegen lässt, auch wenn die Großstadt ihre härtesten Seiten offenbart.
Als sie sich in die reiche, weiße Jolene verliebt, prallen zwei Welten aufeinander. Als Leser:in verfolgt man eine zarte Liebesgeschichte, die versucht die unterschiedlichen Lebenswelten beider Frauen zu vereinen.

Gerade die erste Hälfte des Buches liest sich dabei leider etwas zäh, weil die Geschichte hier nur langsam Fahrt aufnimmt. Die kurzen Kapitel machen es einem aber leicht, trotzdem an der Geschichte dran zu bleiben. Spätestens als sich Damani und Jolene näher kommen, nimmt die Geschichte so richtig an Fahrt auf. Der klare, knappe Erzählstil beschreibt gut Damanis Abgeklärtheit, gibt aber nur wenige Einblicke in ihr Gefühlsleben. Trotzdem schafft es die Geschichte große Fragen nach Solidarität, Gerechtigkeit und Privilegien aufzuwerfen.

Bewertung vom 31.10.2022
Alle_Zeit
Bücker, Teresa

Alle_Zeit


ausgezeichnet

Eine wichtige Stimme

Teresa Bücker hat ein Sachbuch über die Verteilung der Zeit geschrieben. Was so philosophisch klingt, ist in Wahrheit ganz praktisch und lebensnah. Es geht darum, wie wir unsere Zeit einteilen und warum wir immer zu wenig davon haben.
Sie greift dabei bekannte Konzepte des feministischen Diskurses auf und unterteilt in Lohnarbeit und Care-Arbeit. Dabei beleuchtet sie nicht nur kritisch, welche Wertschätzung der Lohnarbeit gegenüber der Care-Arbeit entgegen gebracht wird. Sie zeigt viel mehr auf, dass eine Gesellschaft, in der alle Menschen möglichst in Vollzeit arbeiten, gar nicht wünschenswert ist. Sie stellt die Frage, was passiert, wenn alle nur noch 20 Stunden in der Woche arbeiten. Und hält ein Plädoyer dafür, dass alle sich politisch einbringen sollten.

Da mir die Aufteilung in Arbeitszeit, Car-Arbeit und Freizeit als Konzept schon bekannt war, gefiel mir vor allem das Kapitel über Zeit und Kinder, in dem sie Kinder als Teil der politischen Gesellschaft begreift.

Das Buch ist gut recherchiert und mit zahlreichen Quellen belegt, welche zum Weiterlesen anregen.

Bewertung vom 18.10.2022
Miss Kim weiß Bescheid
Cho, Nam-joo

Miss Kim weiß Bescheid


ausgezeichnet

einfühlsam und nahbar

Mit ihrem neuen Buch "Miss Kim weiß Bescheid" knüpft die koreanische Autorin Cho Nam-Joo an ihren ersten Roman "Kim Jiyoung, geboren 1982" an und erzählt vom Alltag koreanischer Frauen. Dieses Mal jedoch nicht in Romanform sondern in verschiedenen Kurzgeschichten.
Mit einer präzisen Beobachtungsgabe und einer einfühlsamen Schreibweise beschreibt Cho Nam-Joo die kleinen und großen Probleme im Leben einer (koreanischen) Frau. Dabei sind die Lebenswelten und Themen der jeweiligen Protagonistinnen vielfältig. Mal geht es um das Altern, das Abschiednehmen oder den Neuanfang. Auch ihre eigene Erfahrung als Autorin findet in diesem Buch ihren Platz.
Ein berührendes Buch, das ohne große Gesten und Schnörkel auskommt. Nicht nur interessant für Menschen, die sich für die gesellschaftlichen Verhältnisse in Korea interessieren.
Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 09.10.2022
Der Tag, an dem Tiffany das Wasser aus der Wanne geschaukelt hat
Kling, Marc-Uwe

Der Tag, an dem Tiffany das Wasser aus der Wanne geschaukelt hat


ausgezeichnet

fantasievolle Wasserschlacht

Marc-Uwe Kling erzählt eine Alltagsgeschichte mit viel Witz und Humor auch für Erwachsene. Tiffany will ein Bad nehmen und setzt dabei das ganze Badezimmer unter Wasser, beim Trockenwischen und sauber machen geht einiges schief und alles endet schließlich in einer Schaumschlacht.
Auf spielerische Weise taucht man in Tiffanys Alltag mit ihrem Bruder, Vater und Opa ein. Dabei erklärt Marc-Uwe Kling kindgerecht und beinahe nebenbei die Gedankenwelt von Erwachsenen und Jugendlichen. Dabei wird es kurz sogar politisch, als es um Angela Merkel geht und die Frage, ob auch Männer Bundeskanzlerin werden können.
Die Illustrationen von Astrid Henn passen wunderbar zu der kurzweiligen Geschichte und lassen viel Raum für kindliche Fantasie. Besonders die vielen unterschiedlichen Gesichtsausdrücke machen es leicht in die Emotionswelt der Figuren einzutauchen.

Bewertung vom 20.09.2022
Lass es raus, Knotenklaus
Regett, Julia

Lass es raus, Knotenklaus


sehr gut

witzige Unterwasserwesen

Schon der Titel des Buches ist originell und witzig. Knotenklaus hat seinen Liebglingsarm verknotet und kann deshalb keine Marmeladengläser mehr öffnen.
Klaus ist eher ein ruhiger und ängstlicher Charakter. Das schöne an der Geschichte ist, dass er es bis zum Ende bleiben darf. Es gibt keine abgedroschene Message alla "Nur gemeinsam sind wir stark" oder "Du musst dich nur trauen und mutig genug sein.". Es geht viel mehr darum, auf sich selber zu hören, seine Gefühle ernst zu nehmen und auch zeigen zu dürfen.

Mir gefallen die unterschiedlichen Charaktere der Geschichte, die durch kleine Details und den graphischen Stil klar von einander abgegrenzt werden und die Geschichte somit vielfältiger machen.
An manchen Stellen hätten die Zeichnungen noch etwas verspielter oder Detail verliebter sein können.

Insgesamt ein schönes Buch mit einer schönen Story für Kinder: Es ist ok so wie du bist, und du darfst all deine Emotionen ruhig rauslassen.

Bewertung vom 16.09.2022
Carrie Soto is Back
Reid, Taylor Jenkins

Carrie Soto is Back


ausgezeichnet

Nicht nur für Tennisfans!

"Carrie Soto is back" ist ein mitreißender Roman über eine ehrgeizige Frau und welche Kosten es hat, alles der Karriere unterzuordnen. Carrie war ein großer Tennisstar. Jetzt mit Ende 30 will sie auf den Platz zurück, da sie nicht zu lassen will, dass eine andere ihre Rekorde bricht.
Schon diese Idee beschreibt wie ehrgeizig Carrie danach strebt die beste Tennisspielerin der Welt zu sein. Sie ordnet in ihrem Leben alles dem Tennis unter und gefährdet zeitweise sogar die Beziehung zu ihrem Vater, um die Nr. 1 im Tennis zu sein.

Beim Lesen des Romans vergisst man zeitweise, dass es sich um Fiktion handelt, weil es die Autorin so brillant schafft die Geschehnisse zu berichten und mit Zeitungsartikeln zu unterfüttern. Es macht großen Spaß in die Welt des Profisports einzutauchen. Es wird schnell deutlich, wie knallhart dieses Business ist. Besonders für ehrgeizige Frauen.

Taylor Jenkins Reid schafft es in glänzender Weise die Tennisspiele zu beschreiben, ohne dass Längen entstehen. Man fiebert mit Carrie um jedes Spiel, sogar um jeden Punkt. So kommt Spannung auf, die sich bis zur letzten Seite hält.

Bewertung vom 31.08.2022
Ich verliebe mich so leicht
Le Tellier, Hervé

Ich verliebe mich so leicht


sehr gut

Schwer verliebt

Eine kurze Geschichte über einen schwer verliebten Mann in den 50ern, der zu einer 20 Jahre jüngeren Frau nach Schottland fliegt, von der nicht klar ist, ob sie ihn überhaupt sehen will.
Auf etwas über 100 Seiten taucht man in das irrationale Gefühlsleben des namenlosen Helden ein. Der Erzähler macht von Anfang an deutlich, dass er das Unterfangen des Helden für aussichtslos hält. Auch wenn der Held das selbstverständlich ganz anders sieht. Und genau darin besteht der Reiz dieser kurzen Geschichte. Man taucht ein in die irrationale Gefühlswelt einer Person, die sich zu schnell verliebt hat, die nach jedem noch so kleinen Zeichen der Gegenliebe sucht, die die Unsicherheit der Situation nicht erträgt.
So werden die Dialoge unwichtig und fast gänzlich ausgespart, denn es geht viel mehr um die Bewertung des Helden und seine Gefühlswelt. Auf höchst unterhaltsame Weise kommentiert der Erzähler die emotionalen Entscheidungen und Ansichten des Helden.
So entsteht eine kurzweilige Geschichte mit viel Humor, die allerdings keinen all zu großen Spannungsbogen aufbauen kann.

Bewertung vom 20.08.2022
Auf See
Enzensberger, Theresia

Auf See


ausgezeichnet

Bedrückende Zeitreise

Der Retro-Look des Buchcovers hat mich gleich angesprochen und auch, die Science-Fiction Geschichte, die sich dahinter verbirgt, ist großartig.
Das erste Kapitel liest sich erstmal anstrengend, da es voll ist von Erklärungen und Rückblenden. Aber kein Wunder, es braucht ein paar Seiten, um in die dystopische (gar nicht mal so weit entfernte) Zukunft einzutauchen.
Sobald man den Wissenstand der Protagonistin Yada erreicht hat, liest sich die Geschichte spannungsvoll und zügig. Der Schreibstil ist nüchtern und sachlich, in zügigen Schritten schreitet man durch die Geschichte, ohne, dass sich unnötige Längen auftun. Ich mag auch, dass die Geschichte in zwei Perspektiven erzählt wird. Wie die beiden Protagonistinnen zusammenfinden und die Geschichten verwoben sind, ist ein spannungsvolles Moment.

Ich freue mich über diese Geschichte mit weiblichen Hauptpersonen, in der klar wird, dass Männer zur Weltrettung wohl nicht gemacht sind. Gescheiterte Utopien treffen auf die harte Realität.

Endlich eine Dystopie, die das weibliche Erleben in den Mittelpunkt stellt und ohne überhöhende Technisierungs- und Digitalisierungskritik auskommt. Stattdessen stehen Neoliberalismus, Kapitalismus und die verehrende Umweltzerstörung im Zentrum dieses Romans.