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jentis4711
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K.

Bewertungen

Insgesamt 28 Bewertungen
Bewertung vom 28.03.2023
Melody
Suter, Martin

Melody


gut

Der neue Roman von Martin Suter beginnt stark - Tom, der Juraabsolvent wird (zufällig) als Nachlassordner eines reichen Schweizers eingestellt. Es gibt viel guten Alkohol, viel gutes Essen, teure Anzüge und lange Kamingespräche. Ein sehr ästhetisches Leseerlebnis mit interessant angelegten Figuren und eine Geschichte, auf deren Auflösung man gespannt wartet. Doch bald ermüdet dieser ständige, gegebene Luxus, der einer permanenten Selbstdarstellung ähnelt - nirgendwo gibt es für Tom Herausforderungen. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, er läuft einfach mit, lässt sich verköstigen und einkleiden, sortiert ein paar Akten und hört sich Geschichten an. Es gibt überhaupt nichts, an dem er wachsen kann oder gar muss. Auch zum Ende des Romans, als eine Reise ansteht, hat er genug Geld und eine Begleitung und muss sich um nichts Sorgen machen oder kümmern. Am Ende des Romans ist niemand ein anderer als vorher, niemand hat sich (weiter)entwickelt, weder Figuren noch Leser. Ich hätte von einem so erfahrenen Schriftsteller weit mehr Tiefe in Figuren und Story erwartet.

Bewertung vom 07.03.2023
Männer sterben bei uns nicht
Reich, Annika

Männer sterben bei uns nicht


sehr gut

Der neue Roman von Annika Reich ist wirklich wunderbar geschrieben, die Sprache hat mich von Beginn an in und durch die Geschichte gezogen. Die einzelnen Kapitel (die abwechselnd in der Gegenwart und der Vergangenheit spielen) sind absolut großartig montiert, kleine Fährten werden gelegt und zum richtigen Zeitpunkt wieder aufgegriffen. Insgesamt habe ich allerdings einen dramaturgischen Höhepunkt vermisst, das irgendetwas, worauf die Geschichte hinausläuft, einen größeren Sinn. Insbesondere die erzählende Figur blieb doch etwas blass und macht in meinen Augen keine Entwicklung durch. Sie erzählt, doch sie löst für sich nichts, hat vielleicht zwischendurch ein paar Erkenntnisse, aber ob das nun etwas ändert, erfahren wir nicht. Insgesamt eine sehr gut geschriebene Familiengeschichte, die keine größeren Erkenntnisse bereithält. Trotzdem eine Leseempfehlung für alle, für die die literarischen Aspekte im Vordergrund stehen.

Bewertung vom 22.02.2023
Gleißendes Licht
Sinan, Marc

Gleißendes Licht


ausgezeichnet

Der Debütroman von Marc Sinan hat mich wirklich umgehauen. Sprachlich wunderbar und besonders, bildhafte Szenen und nahbare Figuren (die trotzdem allesamt ihr Geheimnis behalten). Die inneren Kämpfe des Protagonisten werden schleichend spürbar, ohne konkret benannt werden zu müssen, und die Verbindung zur Geschichte seiner Familie (insbesondere der Großeltern) wird Schritt für Schritt deutlicher. Die Kapitel spielen zu verschiedenen Zeiten, drehen sich zwischendurch um andere Figuren, doch alles ist sehr schlüssig und verständlich montiert. Nur zum Schluss wusste ich nicht mehr sicher, was gerade passiert. Träumt der Protagonist? Dreht er wirklich durch? Hat er Wahnvorstellungen? Ich nehme an, das Ende war genauso verworren gemeint, wie ich es gelesen habe, doch ich hätte mir ein bisschen mehr Durchblick gewünscht (damit meine ich nicht ein klares Ende, sondern mehr Klarheit in den einzelnen Szenen). So habe ich das Gefühl, eine entscheidende Verbindung zwischen all den Kapiteln letztlich nicht gefunden zu haben. Doch vielleicht ist es genau das, was den Roman und die Geschichte ausmacht.

Bewertung vom 20.11.2022
Unsre verschwundenen Herzen
Ng, Celeste

Unsre verschwundenen Herzen


ausgezeichnet

Celeste Ng führt uns in ihren neuen Roman in eine nahe Zukunft und kreiert ein dystopisches Szenario (das sich leider gar nicht mal so weit hergeholt anfühlt), in dem Asian Americans als Wurzel allen Übels gesehen und ausgegrenzt werden und zunehmender Gewalt ausgesetzt sind. Im Zentrum steht ein 12-jähriger Junge, der sich auf die Suche nach seiner Mutter macht. Diese Hauptfigur ist mir sehr schnell ans Herz gewachsen. Die beklemmende Welt aus der Perspektive eines Kindes erzählt zu bekommen, macht sie einerseits leichter verdaulich, andererseits noch emotionaler und purer greifbar. Die Szenerie, die Figuren, die Stimmungen sind wunderbar und so bildreich geschrieben. Ebenfalls großartig: die Entwicklung der Gesellschaft (von einem auslösenden Ereignis bis zu dem Chaos und Hass der Gegenwart des Romans) ist so plausibel beschrieben, so schleichend geschehen, dass einem Angst und Bange wird. Ein sehr wichtiger und großartiger Roman, mit trotz allem sehr viel Wärme und Herz.

Bewertung vom 21.09.2022
Ich verliebe mich so leicht
Le Tellier, Hervé

Ich verliebe mich so leicht


gut

Ich war sehr gespannt auf den neuen Roman von Hervé Le Tellier und die Leseprobe hatte mich gleich gepackt - er hat ein großartiges Gespür für die alltäglichen, kleinen Abgründe im Menschen, für die ganz persönlichen Schwächen seiner Figuren und er schreibt unglaublich scharfsinnig, witzig, überraschend und auf den Punkt. Nach der Leseprobe hatte große Erwartungen an die weitere Geschichte, die tatsächlich nach 45 min ausgelesen war (sehr wenige Seiten mit noch weniger Text darauf), und am Ende hat sich doch gefühlt nichts getan. In meinen Augen macht die Figur an sich keine Entwicklung durch. Gedanken und Ängste wiederholen sich, bis es weinerlich wird (was natürlich der Figur entspricht, doch irgendwann war mir das zu einseitig). Hervé Le Tellier hat mit großartiger Sprache ein Klischee unserer Gesellschaft ausgearbeitet, doch gefühlt ist es für mich leider ein Klischee geblieben.

Bewertung vom 08.09.2022
Die Kriegerin
Bukowski, Helene

Die Kriegerin


ausgezeichnet

Der neue Roman von Helene Bukowski hat mich wirklich umgehauen. Ich bin überzeugt, dass sie einmal eine sehr große Autorin sein wird.
Wie schon in ihrem ersten Roman kreiert sie eine Geschichte, die sich zugleich nach Traum anfühlt und doch so real ist. Sie benutzt kaum Adjektive, schreibt meist kurze Sätze, doch gerade dadurch entsteht ein unverwechselbarer Ton und ein Sog. Die Figuren gehen einem nah, obwohl sie zugleich mysteriös bleiben, wiederkehrende Motive sind mit Feingefühl und Klugheit durch den Text gewebt, und die wichtigen Themen, die dieser Roman anspricht, tauchen beiläufig auf, ohne plakativ zu wirken, und hallen dadurch noch lange nach. Der Roman ist von einer sanft auf- und abklingenden Intensität, mit Figuren voller Schwächen, denen Bukoswki liebevoll und doch auch fordernd begegnet. Für mich unvergleichbar und eine absolute Leseempfehlung.

Bewertung vom 01.09.2022
Sanfte Einführung ins Chaos
Orriols, Marta

Sanfte Einführung ins Chaos


gut

In Marta Orriols neuem Roman geht es um Marta und Dani, die seit zwei Jahren zusammen sind (sie lieben sich, wohnen zusammen, haben jedoch nie konkret über gemeinsame Zukunft gesprochen). Eines Abends eröffnet Marta Dani, dass sie schwanger ist und das Kind nicht behalten möchte. Nun erfahren wir in diversen Kapiteln, was in jedem der beiden vor sich geht, in den wenigen Tagen bis zum Abbruchtermin.
Die ersten drei Seiten des Romans haben mich vom Stil her wirklich umgehauen - leider war es die einzige Seite in dem Stil (der Rest ist auch gut geschrieben, nur nicht so besonders). Die Geschichte fand ich wirklich vielversprechend, die ersten Kapitel aus Danis Sicht habe ich sehr gern gelesen, man liest doch selten aus der Sicht eines werdenden Vaters, wie es für ihn ist, wenn die Partnerin abtreiben möchte. Doch irgendwann haben sich die Gedanken wiederholt und ich habe einige Seiten wirklich überflogen. Erst ganz am Ende erfahren wir auf viel weniger Seiten, wie es Marta mit der Situation geht. Wir erleben die beiden streiten, doch nie wirklich miteinander reden. Was das alles letztlich mit ihrer Beziehung macht, erfahren wir kaum.
Aus meiner Sicht ist es ein (sehr) gut geschriebener Roman, der sich zwar intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hat, dabei aber nicht das volle Potenzial ausgeschöpft hat.

Bewertung vom 25.07.2022
Susanna
Capus, Alex

Susanna


sehr gut

Alex Capus neuer Roman ist großartig - allerdings eine andere Story, als ich nach dem Klappentext erwartet hatte. Ich hatte erwartet, es gehe hauptsächlich um die Zeit, die Susanna mit Sitting Bull verbracht hat. Tatsächlich arbeitet der ganze Roman nur auf diese Begegnung hin und endet dort. Am Anfang war ich verwirrt und etwas ungeduldig, weil ständig die Geschichten anderer Menschen aus Susannas Leben erzählt wurden - letztlich hat es jedoch dazu geführt, ihr Leben und die Epoche als Ganzes zu verstehen, voller wechselseitiger Einflüsse und Bedingungen, und das ist schon ein gelungenes Kunstwerk. Capus Sprache ist dazu unglaublich bildhaft, ich hatte die Szenen und Figuren stets so leibhaftig vor Augen, wie es selten gelingt. Schwierig fand ich die Anlage des Erzählers: Er erzählt aus der heutigen Zeit rückblickend die Geschichte von Susanna, die er, wie er betont, leider nicht kannte. An manchen Stellen spricht er nur Vermutungen und Vorstellungen über ihr damaliges Leben aus, dann wiederum ist er ein allwissender Erzähler voller Detailwissen. Und trotzdem lässt sich Susannas Leben nach eigener Recherche oft ganz anders nachlesen. Unter dem Aspekt, dass es eine wahre Geschichte ist/sein soll, bleibe ich etwas ratlos zurück - als Roman jedoch ist es ein tolles Leseerlebnis!

Bewertung vom 25.07.2022
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Bervoets, Hanna

Dieser Beitrag wurde entfernt


ausgezeichnet

Dieser Roman ist so dünn, dass ich ihn in zwei Stunden gelesen habe, doch zwischen den Seiten steckt so viel, was mich nachhaltig beschäftigt. Da stecken soziologische und psychologische Phänomene drin, die alltäglich geworden sind und für die es doch noch keinen einheitlichen Umgang gibt. Es geht um die zunehmende Verschiebung unserer Hemmschwellen und Grenzen durch Social Media (und die sich ständig ändernde Bewertung und Begründung dieser Grenzen) und es geht auch um die eigene Machtlosigkeit, wenn nahstehende Menschen sich plötzlich zu Verschwörungstheorien hingezogen fühlen. Hanna Bervoets ist ein grandioser Balanceakt gelungen, über starke Triggerthemen zu schreiben, ohne dass es zu viel wird (obwohl es manchmal nah dran ist). Wer sich die Zeit nehmen kann, sollte das Buch in einem Rutsch lesen, damit die ganzen, fast unmerklichen Verschiebungen im Verlauf ihre Wirkung richtig entfalten können.

Bewertung vom 18.07.2022
Violeta
Allende, Isabel

Violeta


sehr gut

Gegen den neuesten Roman von Isabel Allende lässt sich nichts sagen. Die Hauptfigur Violeta, die zugleich Erzählerin ist, schreibt ihr Leben für ihren, wie einen Sohn geliebten Enkel auf. Wir verfolgen ihr Leben von ihrer Geburt bis zum Tod (100 Jahre wird sie alt) und erfahren neben den bestimmenden Wendepunkten aus ihrem Leben auch viel über die politischen und wirtschaftlichen Ereignisse des Landes (das übrigens nie klar benannt wird) während dieser Zeit. Wir lesen von einer Frau, die sich stets selbstbestimmt behauptet und ihr Leben gestaltet hat, doch sich im Angesicht unerfüllter Liebe stets schwach gefühlt und verhalten hat. Wir lesen von den schwierigen Verhältnissen zu ihren eigenen Kindern, von Schicksalsschlägen und lange bestehenden Freundschaften. Der Roman ist ein sauber gearbeitetes, umfassendes Werk voller wichtiger Inhalte, doch gerade das hat mich teilweise etwas gestört. Für mich gab es keine Ecken und Kanten, nichts was mich wirklich berührt hat, und die Hauptfigur erschien mir trotz der 100 Jahre erzählter Zeit innerlich immer gleich alt zu sein. Ich habe mich am Ende des Romans nicht anders gefühlt als vorher.