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LizzyCurse

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Insgesamt 88 Bewertungen
Bewertung vom 05.05.2024
He Who Drowned the World (Der strahlende Kaiser II)
Parker-Chan, Shelley

He Who Drowned the World (Der strahlende Kaiser II)


ausgezeichnet

„Wie konnte er in diesem Moment noch etwas anderes als Erleichterung empfinden? Doch auf seinem Gesicht lag unverkennbar der triumphierende Ausdruck eines Mannes, der sich das Äußerste abverlangt hatte - und zwar ohne Furcht, weil er gewusst hatte, dass er stark genug war, um durchzuhalten. Um zu überleben.“

Der Abschlussband der Dilogie um den Aufstieg der Ming-Dynastie war eine Wucht. Und ich schreibe nicht von einer kleinen Silvesterknallerexplosion - nein, dieser Roman, tief verwurzelt in der chinesischen und mongolischen Geschichte, kommt über euch wie ein Tsunami, verschlingt euch mit ungeahnter Wucht und spuckt euch durchnässt und verwirrt wieder aus, ein Bündel aus Emotionen

Zhu hat nach ihrem eindrucksvollen Sieg das mongolische Herrscherhaus aus dem Süden Chinas vertrieben und herrscht nun als strahlender König. Doch sie will den Kaiserthron des Reiches Groß-Yuan. Nach dem tödlichen Verrat an Esen haben sowohl Ouyang, Esens Vertrauter, als auch sein jüngerer Bruder mit dem Tod zu kämpfen - und diese Abgründe waren für mich unglaublich fesselnd.

Je näher sie - auf unterschiedlichen Wegen - der Kaiserstadt kommen, desto tiefer, desto unergründlicher werden diese Abgründe. Die zentrale Frage ist eigentlich, wie soll man weiterleben, wenn an den Händen das Blut von Menschen klebt, die man geliebt und mit denen man sein Leben geteilt hat. Und diese Frage hat Parker-Chan wirklich minutiös in seine Einzelteile zerlegt. So tief, wie sie in diese Thematik eindringt, blieb mir das Herz stehen. Kummer, Gram, Wut, Schmerz - ich habe alles mit ihnen durchlebt. Obwohl ich ihnen nie verzeihen kann, was sie im ersten Band getan haben. Aber mein Verständnis wuchs.

Haben wir schon viele Szenen aus Ouyangs Sicht im ersten Buch erlebt, kommt nun noch die Perspektive von Wang Baoxiang hinzu - mit Abstand einer der spannendsten, widersprüchlichsten Charaktere im gesamten Buch und gleichzeitig auch ziemlich faszinierend. Welche Schläge haben ihn zu dem Menschen gemacht, der gegen seinen Bruder intrigieren kann? Sein Weg, sein Zweifel, seine Abgründe habe ich atemlos erkundet. Ich wollte ihn hassen. Es ist mir nicht gelungen. Genauso Ouyang mit seinem Hass, seinem Zwiespalt, seinem Schmerz, den er brauchte, um sich von seinem seelischen Schmerz abzulenken. Gegen diese beiden rückte Zhu beinahe ein wenig in den Hintergrund (keine Sorge, Parker-Chan stellt sie rechtzeitig wieder in den Vordergrund). Warum haben so zorn- und hassgeprägte Figuren für mich, die eigentlich den lieben Sidekicks und technikafinen Nerds ihr Herz schenkt, trotzdem so gut funktioniert. Parker-Chan schreibt sie wahrhaftig. Man kann jede ihrer grausamen Taten nachvollziehen. Ich bin jeden qualvollen Schritt mit ihnen gegangen - und das hat dieses Buch für mich zu so einem monumentalen Werk gemacht. Zudem wird in diesem Band genau wie im letzten mit der (sexuellen) Identität gespielt. Wer bin ich? Wer will ich sein und wie verhalte ich mich, dass man mich mit diesen Attributen wahrnimmt. Ein sehr spannender, gleichzeitig auch schockierender Aspekt des Romans.

Außerdem hat mich der Hauch Phantastik in diesem Roman beeindruckt - die allgegenwärtigen Geister, die die Protagonisten heimgesucht haben. Das feurige Mandat, das in ihnen schlummerte. Genau das richtige Maß für einen Roman diesen Formates.

Das Buch ist eine Studie der Abgründe der menschlichen Seele. Liebe, Hass, Schmerz, vermengt zu einer wilden Mischung, eingebettet in den Fall der mongolischen Herrschaft über China. Am Ende liegt das Urteil beim Leser - rechtfertigt das Ergebnis, das wir aus der Geschichte kennen, all die grausamen Taten?

Bewertung vom 05.05.2024
A Tempest of Tea / Blood and Tea Bd.1
Faizal, Hafsah

A Tempest of Tea / Blood and Tea Bd.1


gut

„Warum die Welt retten, wenn man auch einfach Tee trinken kann?“

Das war ein rasanter Auftakt, der mir a) Lust auf guten Tee gemacht hat (und das sage ich als überzeugter Kaffeejunkie) und der b) coole Diebes- und Six of Crows Vibes enthielt. Konnte er mich gänzlich überzeugen - nein, nicht wirklich. Ich bin Arthie und Jin trotzdem gern durch die Gassen von White Roaring gefolgt und habe mit ihnen in ihrem Teehaus Tee und Kokoswasser geschlürft (Blut überlasse ich den Vampiren) - denn genau darin verwandelt sich Arthies luxuriöses Teehaus bei Nacht - in ein Bluthaus für Vampire. Als ihr Etablissement bedroht wird, lässt sie sich auf einen gefährlichen Handel ein. Sie soll ein Buch aus der verführerischen Unterwelt Ettenias stehlen - dafür ist natürlich eine Crew vonnöten.

Der Mischung konnte ich einfach nicht widerstehen, wirklich. Es hörte sich so sehr nach dem „Genau meins“ Stempel an, dass ich ihn schon mal vorgekramt habe. Einige Elemente haben mir wirklich gut gefallen. Nehmen wir uns zuerst mal Arthies Teehaus vor. Das hat mich fasziniert und ich hätte so gern noch viel mehr Zeit dort verbracht. Ich kann Arthie und Jin verstehen, wenn sie das Etablissement als zuhause bezeichnen - immer wieder.
Arthie selbst ist die unnahbare eiskalte Eigentümerin des Teehauses. Das wird auch über weite Bereiche des Buches so bleiben. Verletzlich und offen zeigt sie sich nur in den Rückblenden oder hin und wieder Jin gegenüber. Die Beziehung zwischen den beiden war für mich auch die stärkste Beziehung im Buch, wenngleich durchtränkt von Geheimnissen. Wenn auch nicht im Blute, verbindet die beiden ein so starkes geschwisterliches Band, dessen Charakter sich erst im Verlauf des Buches offenbart. Die Dialoge und die Stagetime der beiden habe ich wirklich gern gelesen. Ganz anders waren die Szenen von Jin und der Fälscherin Flick, einem Mädchen aus guten Hause, das sich auf die Dokumentenfälschung spezialisiert hat. Die Autorin wollte hier die starke Anziehung zwischen den beiden darstellen. Aber diese Teetasse hätte man genauso gut im Schrank lassen können, denn ich habe die Anziehung in der ersten Hälfte des Buches so gar nicht gespürt. Allenfalls war Flick in manchen Absätzen wirklich naiv Jin gegenüber. Die beiden haben mich ganz schön viel Nerven gekostet - in der zweiten Hälfte des Romans zog dann das Tempo an und sie fanden einfach nicht mehr die Zeit zum Flirten.

Der Diebesplot war spannend und blutig, der hat mir wirklich gut gefallen, selbst wenn er an schon bekannte Geschichten des selben Genres erinnert. Die Vampire fügten sich ebenso gut in die Stadt mit ein - ich mochte die Spitzzähne eigentlich echt gerne, vor allen Dingen, da sie nicht nur gefürchtet, sondern auch verachtet werden. Spannende Mischung.

Im Hintergrund spielt auch der Kolonialismus eine tragende Rolle. Ich bin gespannt, ob er im nächsten und abschließenden Band noch eine größere Rolle spielen wird.

Warum konnte mich das Buch nun nicht gänzlich für mich einnehmen? Es hat an manchen Ecken und Enden etwas gefehlt, um ehrlich zu sein. Manche Passagen musste ich zwei Mal lesen, weil sie mich verloren haben. Hinzukommt die Liebesgeschichte, die mich einiges an Leselaune gekostet hat.

Ich vergebe 3,5 Sterne - kann es aber für jeden empfehlen, der Ganovengeschichten mit einem Foundfamily Trope und spitzen Eckzähnen mag.

Bewertung vom 05.03.2024
Demon Copperhead
Kingsolver, Barbara

Demon Copperhead


ausgezeichnet

Demon Copperhead kommt mit einer Glückshaube zur Welt - das Meer wird der einzige Ort sein, an dem ihm nichts geschehen kann. Doch dem Jungen, der zum Jugendlichen und zum Mann heranwächst, widerfährt so viel schreckliches, dass einem der Atem stockt und man den Kopf schüttelt ob der Grausamkeit. Demon kommt in einem Trailer in der sprichwörtlichen Pampa zur Welt - ein junge mit einer großen Klappe, einem zähen Überlebenswillen und kupferrotem Haar - der dem Leser ein Freund wird.

Mir jedenfalls. Ich hatte beständig das Gefühl, Demon hat sich als Fremder zu mir an den Tisch des Dinners auf abgewetzte Lederbezüge geschoben und mir bei einem Kaffe - oder dreien - seine Lebensgeschichte erzählt - eine Geschichte über Armut und Pflegefamilie, unermesslichen Verlust und große Liebe, über die Freundschaft und die Kraft der Menschen, die nicht aufgeben. Wir haben uns als Freunde verabschiedet, Demon und ich.

Die gesamte Geschichte wird aus Demons Perspektive erzählt - wen wunderts, schließlich erzählt er mir zwischen zwei Schlucken Kaffee seine Geschichte! Von seiner Geburt bis in seine Zwanziger - und ich hatte das Gefühl, dass er die sieben Höllenkreise alle durchquert hat. Und dafür musste er den Weg in die Hölle nicht einmal finden, er war schon Mitten drin. Und trotzdem hat das Buch seine Lichtmomente bewahrt. Momente, in denen Demon frei und glücklich sein konnte, auf seiner Reise von dem Trailer seiner Geburt, über Missbrauch und Pflegefamilien und Drogensucht. Es gab ein paar Dinge, die beständig waren - zum einen seine Comics, die er zeichnete. Zum anderen seine Liebe zum Meer, und zum letzten seine Liebe zu bestimmten Menschen - und diese Dinge machen ihn liebenswert - er nahm mich bei der Hand und führte mich durch den tiefsten Molloch seiner Seele.

Barbara Kingsolver hat eine eindringliche Art zu schreiben. Sie zog mich mit ihren Worten in ihren Bann, gleichzeitig hatte ich aber das Gefühl, sie kämen von Demon - dem Demon, der er retrospektiv in seinen späteren Lebensjahren als 10-jähriger war, dem Demon, der Fehler als Heranwachsender beginn, der sich rettungslos verliebte und dem alles genommen wurde. Besonders zu Beginn fiel mir auf, dass die Geschichte durch eine Art Filter erzählt wurde - so wie ein Kind eine Kindheit in systemischer Armut wahrnehmen muss.

Kingsolver spricht viele schwere Themen an, allen voran die institutionelle Armut - insbesondere die verheerenden Folgen für Kinder in den USA. Das Gesundheits- und Pflegesystem, die Spirale von Sucht und Entzug und vieles mehr - doch ich nahm alles durch Demons Augen wahr - und das machte es für mich nur noch wahrhaftiger und um Längen schrecklicher.

Was zudem heraussticht sind die Figuren, die Demon auf seinem Weg begleiten - vom besten Freund in Kindertagen, über seine Schwester im Geiste, über denjenigen, der ihm zeigt, was er kann, aber auch über jene, die ihn ausnutzen und in den Abgrund führen.

Das Buch hat mich berührt, es ist hart und wichtig - und ich sehe Demon noch lange nach, vor mir eine Tasse Kaffee, die kalt geworden ist.

Bewertung vom 05.03.2024
Die Burg
Poznanski, Ursula

Die Burg


sehr gut

Was braucht man, um mein Leserherz höher schlagen zu lassen? Natürlich - ein cooles Setting, tolle Charaktere und eine spannende Mischung aus Mystery und Crime und Sarkasmus. Das hat mir Poznanski alles mit einer hübschen Schleife drum auf einen Silbertablett serviert.

Burg Greifenau wurde nicht nur wieder in Stand gesetzt, sondern mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz und modernster Technik in ein riesiges Escape-Game verwandelt. Nevio hat dafür Milliarden investiert - und eine Hand voll Menschen dürfen dieses Escape-Game exklusiv testen, bevor es der Weltöffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Die Burg mit verwunschen und fantastischen Elementen war ganz genau mein Setting. Poznanski trifft damit Mittelalter-Nerds wie mich direkt ins Herz. Und mit Maxim hat sie mir einen Protagonisten vor die Nase gesetzt, dem ich gern in die Tiefen des Kellergewölbes unter Burg Greifenau gefolgt bin. Natürlich hat jede Figur aus der kleinen Gruppe ein Geheimnis - was der Geschichte zusätzlich Würze verleiht.

Doch eigentlich geht es um die KI - die künstliche Intelligenz und um die Frage, wie weit die Wissenschaft den Weg noch gehen kann, ehe die KI zur Gefahr wird, und nicht mehr bloße Unterstützung sein kann. Denn in der Burg entwickelt „Kismet“ ein gefährliches Eigenleben und schwingt sich zum Richter über Gut und Böse auf. Poznanski schreibt eigentlich immer über brandaktuelle Themen. Auch dieses Buch bewegt sich nahe am Puls der Zeit und lässt den Leser mit einem schalen Geschmack im Mund zurück. Wenn der Spaß am Spiel in einen Kampf um Leben und Tod mündet, ist das bitterer Ernst. Wie tief darf KI zu unseren sensiblen Daten Zugriff haben? Wie weit darf sie gehen, um unser Leben leichter oder besser zu machen, bevor die Situation kippt? Das sind Fragen, die die Autorin hier auf die Spitze treibt.

Die Thrillerelemente setzt sie zudem noch gekonnt ein. Mein Puls hat sich des öfteren beschleunigt, wenn ich mit Maxim durch dunkle Gänge gekrochen bin oder die täuschend echten Illusionen gedroht und diskutiert haben. Wie weit kann eine solche Illusion reichen, ehe die Psyche angegriffen wird? Diese einzelnen Stufen des Wahnsinns bin ich mit Maxim gegangen.

Kritisch kann man nur das Ende sehen. Ich wusste relativ früh, worauf es letztendlich hinausläuft - den Nervenkitzel hat es mir trotzdem nicht genommen. Ich mochte das Buch sehr mit all seinen Rätseln, mit dem Nerd-Touch und dem mittelalterlichen Setting, das Poznanski mit einem gehörigen Augenzwinkern aufgepeppt hat.

Bewertung vom 21.02.2024
Im Schatten des Blitzes
McClellan, Brian

Im Schatten des Blitzes


sehr gut

Demir Grappo muss aus seinem selbstgewählten Exil zurückkehren, nachdem seine Mutter ermordet wurde. Nun ist es an ihm, die Geschicke der mächtigen Familie Grappo zu lenken und den Mord an seiner Mutter aufzuklären. Unversehens findet er sich zwischen einem zu Neige gehenden Vorrat an Götterglas und einem aufziehendem Krieg wieder und er muss seine gesamte Genialität als Offizier nutzen, um die Menschen, die er liebt zu schützen.

Ein neuer Roman von Brian McClellan! Ich kenne seine Powder Mage Trilogie und war deshalb sehr gespannt auf den Auftakt seiner neuen Reihe. (Die PowderMage-Reihe rund um Thaniel Zweischuss habe ich mit seinen militärischen Strukturen und seiner Urbanität sehr gemocht.)

In diesem Buch folgen wir zunächst Demir Grappo, einem jungen genialen Offizier, der auf den ersten Seiten eine herbe Niederlage erlebt und das Exil wählt. Demir ist ein toller Hauptcharakter, dem ich gerne gefolgt bin. Man stellt gleich auf den ersten Seiten eine Verbindung zu ihm her, die man später braucht. Man versteht seine Gefühle und seine Handlungen - und seine tiefe Verbundenheit zu seinen Leuten, auch nach der mehrjährigen Abwesenheit, nach der er in die Hauptstadt zurückkehrt und die Fäden der Familie aufnimmt.
Auch seinen besten Freund - Baby Montego - mochte ich gerne. Montego stellt man sich lieber nicht entgegen, wenn man nicht der selben Meinung ist. Er wird als gefährlich beschrieben und ist ein Berg von einem Mann (und Meister der Knüppler, einer beliebten Sportart in dieser Welt). Montego ist ambivalent angelegt, aber er hat das Herz am rechten Fleck. Thessa, eine Quarzschmiedin, der Soldat Idrian und Kizzy, die in Demirs Auftrag im Mordfall seiner Mutter ermittelt, ergänzen die Truppe.

Ich mochte das Magiesystem total, das auf Göttergläsern, die unterschiedlich geschliffen und verwendet werden, wirklich sehr gerne. Ich habe gespürt, wie viele Gedanken sich der Autor über das System und wie es in die Welt passt, gemacht hat. Gerade deshalb mochte ich auch das erste Drittel des Buches so gerne. Thessa - eine Quarzschmiedin - nimmt uns mit in die Glashütte und führt uns in die Schmiedekunst ein, während Demir sich gerade wieder in der Stadt zurechtfindet, alles im Schatten des aufkommenden Krieges. Ihr wisst, dass ich solche Anfänge immer sehr genieße und neue Welten gerne entdecke. Alles ist noch spannend und ich hätte am liebsten jedes Instrument und jedes Glas berührt.

In der zweiten Hälfte hat mich Brian leider ein bisschen verloren, muss ich sagen. Es gab einige Entwicklungen, die für mich arg konstruiert wirkten, nur um zusätzliches Zündmaterial zu schaffen. Das hätte es nicht gebraucht. Zudem war das „Military“ in „Military Fantasy“ für mich ein bisschen zu stark in den Vordergrund gestellt. Natürlich gibt es in einer entwickelten Welt wie dem Ossanischen Reich eine akribisch strukturierte Armee. Ich hatte aber immer das Gefühl, dass sich Brian in die Beschreibung des militärischen Alltags flüchtet und darüber seine Charakterentwicklungen von statten gehen lässt, als sich mit den Figuren selbst zu beschäftigen. Versteht ihr, was ich meine? Das hat mich neben der Konstruktion am meisten gestört und mir zum Ende hin die Seiten lang werden lassen, obwohl Demir mit seiner Genialität und Bodenständigkeit natürlich geglänzt hat.

Alles in allem war „Im Schatten des Blitzes“ ein guter Auftakt mit einem tollen Magiesystem, Ränkespielen bis in die höchsten Ränge und reichlich Schlachtengetümmel. Mich lässt der Band neugierig auf den zweiten zurück.

Bewertung vom 15.01.2024
Red Rising: Zeitalter des Lichts
Brown, Pierce

Red Rising: Zeitalter des Lichts


sehr gut

Darrow hat beinahe alles verloren. Auf dem Merkur kämpft er mit seiner Crew darum, dass Schiff wieder flugtauglich zu machen um Richtung Mars zu fliegen. Lysander au Lune spielt ein gefährliches Spiel mit der Diktatorin der Weltengesellschaft Atlantia und Mustang, Oberhaupt der Sonnenrepublik und Darrows Ehefrau, kämpft einen verzweifelten Kampf auf dem Mars.

Was soll ich sagen? Wie dieses actiongeladene Feuerwerk beschreiben? Pierce Brown spielt die Asse, die er in der Hand hält, sehr klug aus. Er kann einfach actiongeladene Kämpfe schreiben, bei denen ich an den Seiten klebe. Warum? Weil er die Figuren, die ich so liebe wie Virginia oder Sevro nie aus den Augen verliert, trotz oder gerade wegen den unglaublichen Materialschlachten. Ich bin bei den ultimativen Raumschlachten dabei, wenn sie sich durch Dreck und Fäkalien kämpfen müssen oder wenn einer dem anderen das werte Hinterteil rettet. Diese Verbundenheit beschreibt Brown einfach unglaublich glaubhaft und gehaltvoll.

Man erlebt die verzweifelte Freundschaft zwischen Darrow und Sevro mit, die einem fast das Herz bricht. Man erlebt die Liebe mit, die Darrow für Virginia empfindet und trotzdem in der Vergangenheit zweifelhafte Entscheidungen getroffen hat. Ich konnte sogar Lysander verstehen, der unerfahren intrigiert, aber eigentlich immer nur das beste für die Republik möchte. Sie alle kämpfen, lieben, verzweifeln und herrschen, nur aus einem Grund: und das ist Hoffnung, die man wie ein schwach schlagendes Herz das ganze Buch hindurch spürt.

Mir persönlich hat das Figurenverzeichnis am Anfang des Buches sehr geholfen. Es ist schon etwas her, seit dem ich den letzten Band gelesen hatte, und ich konnte mich nur noch nebulös an einige Charaktere erinnern. Manchmal hätte ich mir auch ein paar detaillierte Informationen gewünscht, die meiner Erinnerung auf die Sprünge geholfen hätten. So konnte ich manchmal nur aus den Dialogen erraten, welcher Charakter wen mit seinem Razor bedroht hat und wer wem eine Narbe verpasst hat. Aber seis drum, ich hatte mit oder ohne den Informationen meine helle Freude an dem Buch - ich brauchte das Hintergrundwissen nicht, um mich den Figuren verbunden zu fühlen. Dafür lag der Fokus zu sehr auf Action und den schon erwähnten Kernbeziehungen, die ich natürlich noch präsent hatte.

Der Band „Light Bringer“ ist im CrossCultverlag in zwei Teilen erschienen. Der zweite Teil erscheint Anfang diesen Jahres - am besten ihr lest die Bücher hintereinander weg, Den ersten Teil habe ich inhaliert, obwohl die Teilung nicht so ins Gewicht fällt wie bei anderen Büchern. Der erste Teil hatte zwei bombastische Höhepunkte für sich. Um mangelnde Spannung braucht sich keiner zu sorgen.

Red Rising besteht übrigens aus zwei Hauptreihen. Band 1 - 3 gehören zusammen, Band 4 - 6 (wobei 5 & 6 geteilt worden sind) spielen 10 Jahre später) und weisen eine andere für mich interessantere Erzählstruktur auf.

Für wen ist die Reihe empfehlenswert? Pierce Browns Romanzyklus ist keine SciFi, die wirklich nur auf Technik ausgelegt ist. Es sind die Charaktere, die faszinieren, und die mich durch den Zyklus getragen haben. Die Bücher sind voller Schuld und Sühne, Ehre und Rebellion, Freundschaft und Verrat und atemraubender Action. Ich mag die Tonalität der Reihe sehr, wenngleich ich sie irgendwann noch mal am Stück lesen muss, um auch die feinen Facetten zu erfassen. Auf was wartet ihr noch? Schnappt euch euren Razor und auf in den Kampf.

Bewertung vom 22.11.2023
Die Bibliothek im Nebel
Meyer, Kai

Die Bibliothek im Nebel


ausgezeichnet

„Bücher muss man fühlen, nicht katalogisieren. Dann bleiben sie ein Leben lang bei einem, selbst wenn man sie nicht mehr besitzt. Wie Erinnerungen, die dann und wann wieder auftauchen, zurückgerufen durch einen Geruch, einen Geschmack oder ein ganz besonderes Wort.“

Es gibt Bücher, die leben von ihrer ganz speziellen, ganz eigenen Atmosphäre. Und „Die Bibliothek im Nebel“ zähle ich definitiv dazu. Aus den Seiten dringt eine düstere Aura, fast beklemmend. Mystisch und geschichtsträchtig, geheimnisvoll, aber auch durchsetzt vom Klirren dünnwandiger Champagnergläser und dem fatalistischen Gelächter der UpperClass kurz vor Ausbruch des Krieges. Das vermischt mit dem Geruch aberhunderter alter Bücher und dem Wispern, dass Schreckliches getan und gesühnt wurde. Das ist für mich die Quintessenz dieses Buches. Ich wurde bei der Lektüre immer begleitet von diesem Wispern, davon, dass ich auf der Acht sein sollte, vor dem was im Schatten lauert.

Kai Meyer schafft in meinem Kopf eindrucksvolle Bilder, voller Kraft und Ausdrucksstärke. Diese sprachlichen Bilder, ganz gleich, ob sie von Partys oder Flucht, von der Cote d’Azur oder von den engen Gassen Leipzigs erzählen, erwecken für mich die Wörter zum Leben.

Das Buch spielt auf drei Zeitebenen: 1917 - der Bibliothekar Artur flieht vor der Revolution in Russland nach Deutschland, ein Manuskript im Gepäck. Artur ist einer der tragenden Charaktere in dem Buch - und man liebt und hasst mit ihm, man schließt mit ihm Freundschaften und irgendwann wird er zu einem Gefährten, den man nicht mehr missen möchte. Denn er sorgt sich um seine Freunde, Ofelya, Gregori, und all jene, die er in seinem Leben noch kennenlernt. Dabei hegt er einen großen Traum, den er stets im Herzen bewahrt. 1928 entdeckt das Mädchen Linette beim Spielen auf dem Dachboden eines Hotels vergessene Reisekisten während der Revolution ermordeter Familien. Darin befindet sich ein gut gesichertes Buch …
1958 beauftragt die erwachsene Linette den ehemaligen Reporter Thomas Jansen, mehr über die vormalige Besitzerin des Buches herauszufinden. Mara - eine Russin, die vor der Revolution nach Leipzig kam.
Mara war für mich der spannendste Charakter. Ich musste ihr Respekt zollen, gleichzeitig wollte ich die Personen, die mit ihr interagierten, schütteln und rufen „Tut das nicht!“ - Ich konnte ihre Handlungsweisen in gewissem Sinne nachvollziehen, auch wenn sie nahe am berechneten Wahnsinn taumelten. Kai hat in diesem Buch mit Mara eine sehr vielschichtige Person geschaffen (mal ganz abgesehen davon, dass Gregori aus „Die Bücher, der Junge und die Nacht“ auch seinen wohlverdienten Auftritt hatte). Das Buch hat durch den bunten Strauß an Figuren geatmet.

Die Spannung hielt sich im Hintergrund. Sie war immer da, ich habe sie immer gespürt, aber den Siedepunkt erreichte sie nur an ein oder zwei Stellen. Hat es mich gestört? Nein, nicht wirklich. Der Fokus des Buches lag auf anderen Faktoren. Der Bücherliebe beispielsweise, und das Aufeinandertreffen der Figuren auf der anderen Seite. Kai hat einen mystischen Familienroman mit Krimielementen geschrieben, durchdrungen von dem Duft nach Druckerschwärze, den ich unglaublich gerne mochte. Vielen Dank für die schönen Lesestunden.

Bewertung vom 12.11.2023
Murtagh - Eine dunkle Bedrohung
Paolini, Christopher

Murtagh - Eine dunkle Bedrohung


ausgezeichnet

„Seht, das Land Alagaesia, weit und grün. Voller Geheimnisse.“

So muss High-Fantasy für mich sein. So muss sie sich für mich anfühlen. Atemraubend, figurenbezogen, actionreich, düster und absolut magisch, aber mit Magie von der klugen Sorte.

Ich habe meine Reise vor 20 Jahren mit Eragon, einem mutigen Jungen im Palancartal begonnen und sitze nun hier, ein Buch über Murtagh und seinen Drachen Dorn auf dem Schoß, um mir bewusst zu werden, dass ich gerade Paolinis bestes Buch beendet habe.

Ihr merkt, ich bin begeistert. Ich mache auch kein Geheimnis daraus, dass Murtagh von Band eins mein Lieblingscharakter war, düster, mit einer Vergangenheit und irgendwo gebrochen. Die ersten vier Bände handelten jedoch von Eragon und erzählten die klassische Heldengeschichte. Ein Junge wird durch viele Erlebnisse und Schicksalsschläge und Kämpfe zum Helden. Mit Murtaghs Geschichte verhält es sich anders. Murtaghs Geschichte ist eine Geschichte, die nach dem Krieg um Alagaesia spielt, sie ist eine Geschichte um Ungerechtigkeit, widerstreitender Gefühle und multiplen Traumata, die auch ein Jahr nach den Ereignissen um den Sturz des tyrannischen Galbatorix noch in Murtagh gären. Murtagh und Dorn, sein Drache, ziehen durch das Reich, halten sich versteckt - und haben so ein starkes Band geknüpft, das ich oftmals schlucken musste. Das Band zwischen einem Reiter kann viele Spielarten haben. Zart, ruppig, streitbar, witzig, verschmust, ängstlich, zurückhaltend, vertrauensvoll. Paolini ist es gelungen, die Beziehung zwischen Dorn und Murtagh so zu schreiben, dass sie den Leser direkt ins Herz trifft. Sie ist die Basis dieses Buches. Die beiden Figuren unterstützen sich gegenseitig so sehr, wissen um ihre mentalen und körperlichen Wunden und suchen immer wieder Trost in der Nähe des anderen. Mein Herz hat es auf jeden Fall gebrochen und wieder zusammen gesetzt. Vor allen Dingen Dorns Witz in manchen Situationen war einfach nur grandios und hat selbst seinen grüblerischen Menschen ein Lachen entlockt. Die Beziehung zwischen ihnen beleuchtet wie ein strahlend heller Strang den Weg in die Dunkelheit, dem die beiden hoch in den Norden folgen. Murtagh ist kein heller Charakter, und darüber war ich unglaublich froh. Er strauchelt, hat seine Fehler und ist mit dem Schwert schnell bei der Hand, wenn es notwendig wird. Er hatte ein hartes Leben und das spiegelt sich in seinem Charakter wieder. Und doch ist ihnen beiden eines bewusst:

„Keiner lebt für sich allein. Wir sind alle verbunden.“

Drache und Reiter folgen zunächst einer wagen Spur, dünn, wie ein Angelfaden und müssen dabei viele Gefahren bestehen. Diese questartigen Aufgaben haben mich aber nie gestört, da ich den Mörtel sah, in dendie Fundamente für spätere Abschnitte oder Bücher (ja, er will noch mehr schreiben!) gelegt werden und sie zusätzlich für Action gesorgt haben. Wenn Murtagh mit Zarroc durch die Reihen der Feinde fährt, fiebert man automatisch mit.

Ich konnte mich zurücklehnen, in einen weichen Sessel, und mich einfach von Paolinis Art Dinge und Situationen zu beschreiben, davon tragen lassen. Sein Stil, den ich nun schon über viele Jahre kenne, hat sich zu einem großartigen Blockbusterformat weiterentwickelt, das mich einfach zwischen die Seiten hat schlüpfen lassen. Ich war bei Murtagh und Dorn, habe die kargen Flächen, hohen Berge und schmalen Täler von weit oben gesehen, während ich Murtaghs Grübeleien gelauscht habe.

Im Gegensatz zu den Eragonbüchern haben wir hier ein vielschichtigeres Buch vor uns, mit Figuren die sich erst (neu) finden, sich ihren Ängsten und Schwächen stellen müssen und entweder daran wachsen oder zugrunde gehen. Gerade diese Frage hat mich förmlich durch dieses Buch getrieben, atemlos, den Tränen nahe und mit aufgestellten Nackenhaaren.

Murtagh ist ein großes Highlight in diesem Jahr für mich und genau so, wie epische High-Fantasy für mich sein soll. Ich will ein Drachenreiter sein!

Sattelt euren Drachen. Das ist eine große Empfehlung.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.10.2023
Royal Blue
McQuiston, Casey

Royal Blue


ausgezeichnet

Es gibt Geschichten, die sich für mich wie die perfekte Tasse Kaffee anfühlen, die ich in beiden Händen halte. Heiß, voller Aroma und Glückshormone, einfach nur süchtig machend. Ich will so schnell wie möglich das vollmundige Aroma wieder im Mund schmecken, das schwer beschreibbare Gefühl möglichst schnell wieder spüren, wenn man die letzte Seite umgeschlagen hat oder den Boden der Tasse einem traurig entgegen blickt.

So war für mich auch das Wiedersehen mit Alex und Henry in Royal Blue, dem charmanten Präsidentinnensohn, der seiner Mum sicher ein paar gut verborgene graue Haare beschert hat, und dem britischen Prinzen. Ich hatte das Buch vor Jahren schon einmal gelesen, und es wuchs von einem Roman, an den ich keinerlei Erwartungen hatte, damals zu einem Highlight heran. Spoiler Alert - es hat sich beim ReRead zu einem Herzensbuch gemausert, gespickt mit PostIt‘s und ganz viel Liebe, Lachern, Flüchen und Gackern.

Ihr wollt Eckdaten? Könnt ihr haben - ein Tortenfiassko auf der royalen Hochzeitsparty von Henrys Bruder führt zu einigen gefakten PR-Besuchen zwischen Alex und Henry, um die Öffentlichkeit von ihrer tiefen Freundschaft zu überzeugen. Perfekt geplant - doch aus der Freundschaft wird mehr - und irgendwann ist es ein Versteck- und Liebesspiel, das irgendwann auffliegen muss. Eigentlich hat das Buch alles um eine nette Lektüre für zwischendurch zu werden. Eigentlich.

Ihr wollt wissen was mich so weggebombt hat?

Punkt eins: Alex und Henry. Die aus Alex‘ Perspektive erzählte Geschichte fühlt sich einfach so echt an. Alex fühlt sich echt an. Ich will Henry pausenlos knuddeln. Ich konnte langsam hinter ihren ersten Schein blicken. Jeder hat düstere Eckken, auch die zwei. Und doch wirkte es kein einziges Mal melodramatisch oder schmachtend, die beiden haben keine schockierenden Enthüllungen im Gepäck. Die beiden waren so echt, dass man die Seiten anstechen hätte können und Blut herausgelaufen wäre.

Punkt zwei: die Freunde und Familie - oh mein Gott, ohne die zwischen den Seiten würde mir das Buch nur halb so viel Spaß machen! June und Nora und Ellen und all die anderen machen die Geschichte lebendig und bunt und versorgen die Liebenden mit Wein, Musik, einer Schulter und unglaublich viel Unterstützung. Ich liebe sie. Und ein dicker fetter Applaus geht an Zarah, die Stabscheffin des Weißen Haus für ihren unglaublichen trockenen Humor (ob sie manche Dinge wohl ernst meinte? Ich habe auf jeden Fall gelegen vor Lachen!). Ich kann gar keinen Liebling küren, weil alle so fantastisch sind.

Punkt drei: Die Geschichte, in der die Lovestory ihr kuschliges Zuhause gefunden hat. Ellen, Alex‘ Mutter stellt sich zur Wiederwahl um das Präsidentenamt, und ehe man es sich versieht, schwenkt man blaue Wimpel, flucht über die Steine, die den Demokraten in den Weg geworfen werden, und kämpft um jede Stimme in Texas. Ich stehe wahrlich nicht tief in der US-Amerikanischen Politik drin, aber die Autorin gibt einem das Gefühl, dass Alex weiß, was er tun kann für seine Mum. Und das imponiert mir.

Punkt vier: einige Szenen, einige Dialoge werden auf Ewig in meinem Herzen bleiben. Ihr wollt, dass ich euch sage, welche ich meine? Dann habt ihr Pech gehabt - ich lasse euch die Buchempfehlung und PostIts da - findet selbst eure liebsten Szenen, liebsten Dialoge und Momente in Royal Blue.

PS: Die Zusatzszene in der neuen Ausgabe ist einfach nur Zucker!