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Mel
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Schloß Holte-Stukenbrock

Bewertungen

Insgesamt 16 Bewertungen
12
Bewertung vom 04.03.2023
Ein Geist in der Kehle
Ní Ghríofa, Doireann

Ein Geist in der Kehle


gut

Poetisch erzählter und ungewöhnlicher Text

Das Buchcover des Prosatextes ‚Ein Geist in der Kehle’ wirkt auf der einen Seite recht düster, die große helle Schrift, die ins Auge sticht verleiht dem Cover aber auch eine gewisse Leucht- und Strahlkraft.
Mir persönlich gefällt es nicht so gut, die Verbindung zum Text überzeugt jedoch.

Der zunächst etwas befremdlich zu lesende Buchtitel hat mich neugierig gemacht. Auch der Zusatz: ‚Dies ist ein weiblicher Text’, hat mich beeindruckt und mein Interesse geweckt. Aufgrund der Leseprobe hätte ich mir das Buch wahrscheinlich nicht gekauft.

2012: Die Ich-Erzählerin lebt mit ihrem Mann, ihrem schulpflichtigen Sohn, einem Kleinkind und einem Baby in eher bescheidenen Verhältnissen in Irland. Mehrfach müssen sie, aufgrund von Mieterhöhungen, umziehen. Sie schildert ihren Alltag zwischen Kindern, putzen, Milch abpumpen und weiteren täglichen Aufgaben, die ihr als Mutter, die zu Hause bei den Kindern bleibt, zufallen. Sie wird ein weiteres Mal schwanger und ihr neugeborenes Mädchen schwebt kurzzeitig in Lebensgefahr. Während dieser schicksalhaften Ereignisse, kehren ihre Gedanken immer wieder zu der irischen Adeligen Eibhlin Dubh Ni Chonaill, aus dem 18. Jahrhundert, zurück. Diese adelige Schriftstellerin hatte sie bereits als Schülerin kennengelernt.
Ständig und immer wiederkehrend kreisen ihre Gedanken um diese Schriftstellerin und ihr Schicksal.

Im 18. Jahrhundert: Eibhlin Dubh Ni Chonaill verliebt sich in Art Ó Laghair aus Rathleigh und heiratet ihn gegen den Willen ihrer Eltern. Als Art nach einem langjährigen Streit erschossen wird, eilt Eibhlin zum Ort des Geschehens. Sie trinkt von seinem Blut und verfasst ein 36 Strophen umfassendes Klagelied. Das sogenannte Caoineadh überlebte in mündlichen Überlieferungen, wurde jedoch erst Jahrzehnte später schriftlich verfasst.

Im hier und jetzt: Schon fast besessen macht sich die Erzählerin auf Spurensuche, sucht und findet eine Verbindung zu Eibhlin, ihrem Schicksal und das, in Irland sehr bekannte, Klagelied. Sie stellt sie sich vor, sucht die Orte auf an denen sie gelebt hat und versucht ihr so nahe zu sein.
Ihre obsessive Suche geht soweit, dass sie ihre Familie regelrecht emotional vernachlässigt und die Verbindung zu Eibhlin scheinbar ihr einziger Halt ist, um überhaupt noch den Alltag zu überstehen. Letztlich verfasst sie eine eigene Übersetzung des Klageliedes, um Eibhlin noch enger verbunden zu sein.

Fazit:
Leider konnte ich mich als Leserin nicht in die Ich-Erzählerin hineinversetzten und der Funke ist einfach nicht übergesprungen.
Auch wenn der historische Hintergrund sehr interessant ist, konnte mich der Text nicht fesseln. Die Besessenheit der Erzählerin ist mir schon fast befremdlich.
Ein ungewöhnlicher, teilweise lyrische Text, der mir beim ersten Lesen nicht wirklich gefallen hat. Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, dass es ein Text ist, dessen Schönheit einem erst beim zweiten oder dritten Lesen gefangen nimmt.

Bewertung vom 18.11.2022
Die Sehnsucht nach Licht
Naumann, Kati

Die Sehnsucht nach Licht


gut

Ruhig erzählte, vorhersehbare Familiengeschichte

Das Buchcover besticht durch seine zurückhaltende Aufmachung und so erschließt sich einem als Betrachter erst auf dem zweiten Blick und bei genauerem Hinsehen die Schönheit der abgebildeten Landschaft.

Zum Roman: In zwei Erzählsträngen wird die Familiengeschichte der Bergarbeiterfamilie Steiner erzählt.
1908: Der 9-jährige Wilhelm Steiner lebt mit seinen Eltern und seinen Geschwistern in einer Bergmannskate in Oberschlema. Der Vater Johann verdient das Geld im Erzbergbau.
Als nach dem ersten Weltkrieg das Radiumbad eröffnet wird und Oberschlema sich zu einem mondänen und europaweit bekannten Heilkurort entwickelt, profitiert auch Familie Steiner davon.

In der Gegenwart: Luisa Steiner führt am Wochenende Besucher durch das Besucherbergwerk ihres Heimatortes Bad Schlema. Auch beruflich ist sie der Bergbau-Tradition ihrer Familie treu geblieben: Sie vermisst die alten Stollen im Bergbaugebiet und dokumentiert Tagesbrüche. Ihrer Heimat, den hier lebenden Menschen und der Landschaft fühlt sie sich eng verbunden. Auch die eigene Familiengeschichte ist der jungen Frau wichtig und so ist sie seit jeher interessiert am Verbleib ihres Großonkels Rudolf, der im Jahre 1959 plötzlich spurlos verschwand. Was mit Rudolf geschah, darüber rätselt die gesamte Familie Steiner bis heute. Insbesondere Irma, Rudolfs Schwester und Luisas Großtante hadert mit dem Verlust und der Ungewissheit bis heute. Luisa entscheidet sich, dem Familiengeheimnis um das Verschwinden Großonkel Rudolfs auf die Spur zu kommen. Ist er wirklich in den Westen abgehauen oder unter Tage verschüttet worden?

Fazit:
Eine durchaus interessante Familiengeschichte, die aber für mich oberflächlich erzählt und mit wenig spannenden Ereignissen dargestellt ist. Die Geschichte ‚plätschert’ vor sich hin und die Schicksalsschläge der Familie werden so sachlich, ruhig und nüchtern dargestellt, dass man sich als Leser nur bedingt in die Protagonisten hineinfühlen kann. Luisa, Irma und Wilhelm bleiben blass und farblos. Zudem ist die Handlung Vorhersehbar und ohne Überraschungen und Höhepunkte.
Die Darstellung einer Bergarbeiterfamilie vor und nach dem ersten Weltkrieg ist gut recherchiert und nachvollziehbar dargestellt. Auch das Leben zurzeit des Nationalsozialismus, als Bad Schlema für seine heilsame Wirkung des Radons weltbekannt war, ist durchaus lesenswert. Der Roman gewährt auch interessante, mir bis dahin noch nicht bekannte, Einblicke über den Abbau von Uran im Erzgebirge während des Kalten Krieges und die Ausbeutung der Natur die damit einherging. Allerdings fehlt auch hier der Tiefgang und alles bleibt oberflächlich und mit viel Nachsicht (wie ich persönlich finde) für die DDR dargestellt.

Ein Buch für Menschen, die Interesse daran haben der Vergangenheit rund um den Bergbau im Schlematal auf die Spur zu kommen.

Bewertung vom 23.10.2022
Der Klang von Licht
Bagus, Clara Maria

Der Klang von Licht


sehr gut

Poetischer Schreibstil, intensive Geschichte

Das Buchcover ist wirklich wunderschön und wertig gestaltet. Auch passt es sehr gut zur Geschichte, in der sich die Leben von Menschen auf schicksalhafte Weise in einer einzigen Vollmondnacht miteinander verweben.

Zum Roman: Eine Frau gibt ihr neugeborenes Kind, das während einer Liaison entstanden ist, in die Obhut zweier Schwestern, die es wiederum an ein Ehepaar vermitteln. Doch die junge, verheiratete Frau bereut ihre unbedachte und vorschnelle Tat und schwört sich, ihr Kind eines Tages wiederzufinden. –
Ein achtjähriges Mädchen (Juliette) muss hautnah den Suizid der eigenen Mutter mit ansehen. Von da an ist nichts mehr wie es einmal war und Juliette verliert die Orientierung im Leben. Als erwachsene junge Frau spürt sie nur noch Leere in ihrem Herzen und sieht keinen anderen Ausweg mehr, als ihr Leben zu beenden. –
In einer Vollmondnacht wird eine junge Frau, deren Leben am Seidenen faden hängt, in die Notaufnahme eingeliefert und vom jungen Notfallchirurgen Jean-Pierre versorgt. Dieser erleidet jedoch einen Zusammenbruch, den er sich selber nicht erklären kann und flüchtet aus der Klinik. Für den erfolgsverwöhnten, gutaussehenden Jean-Pierre ist dieses der Wendepunkt in seinem Leben.

Auf ungewöhnliche Weise verwebt Clara Maria Bagus in ihrem neuen Roman die Schicksale von Menschen, die sich in den unterschiedlichen Erzählsträngen darstellen. Poetisch und mit mystischen Worten beschreibt sie die Lebensbahnen der Protagonisten.

Fazit:
Erst zum Ende der Geschichte werden einem als Leser alle Zusammenhänge klar und das Gesamtbild erschließt sich zu einem versöhnlichen Ende. Ein besonderes Buch, welches alleine durch seine poetischen Sätze den Leser berührt.
Dennoch bin ich nicht der Meinung, dass das Buch eine ‚heilende Wirkung’ hat. Hier wird meiner Ansicht nach dem Buch zu viel Bedeutung zuteil. Zitat: ...bleibt zuversichtlich: Manchmal fällt ein Stern vom Himmel und bringt alles ins Reine.
Ja, vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.
Im wahren Leben nimmt das Schicksal nicht immer eine gute Wendung, heilen nicht alle Narben und klären sich nicht alle Verstrickungen, Fehlentscheidungen und Schicksalsschläge. Im wahren Leben lösen sich traumatische Erlebnisse nicht einfach auf, warten Menschen nicht voller Zuversicht auf die eine Begegnung, die ihr Leben verändern wird und manchmal bleiben Narben und Verletzungen ein Leben lang.
Der Klang von Licht bleibt daher einfach nur ein intensiv schöner Roman. Mehr aber auch nicht.

Bewertung vom 19.09.2022
Kerl aus Koks
Brandner, Michael

Kerl aus Koks


gut

Lebensgeschichte mal unterhaltsam, mal langweilig

Zur Geschichte: Der kleine Paul, der zunächst in Heimen und in Pflegefamilien aufwächst, landet schließlich mit vier Jahren bei seiner Tante und seinem Onkel in einem kleinen bayrischen Dorf, in dem er wohlbehütet und liebevoll umsorgt leben darf. Schließlich wird er von jetzt auf gleich von seiner Mutter, die ihm bis dahin fremd war abgeholt, um von nun an bei ihr und dem Stiefvater in Dortmund aufzuwachsen. Doch obwohl das Ruhrgebiet ihm fremd ist und die eigene Mutter lieblos und streng mit ihm umgeht, gewöhnt er sich schnell ein. Der liebevollen, sorglosen und zwanglosen Art seines Stiefvaters ist es zu verdanken, dass er eine glückliche Kindheit erleben darf. Eine Kindheit im Ruhrpott der Nachkriegsjahre.

Fazit:
Nach der tollen Leseprobe bin ich nun leider etwas enttäuscht. Eine Geschichte, die wunderbar und vielversprechend anfängt, die dann aber leider an Schwung und Dynamik verliert. Das erste Drittel des Buches gibt tolle Einblicke in das Leben der Nachkriegsjahre im Ruhrgebiet. Paul ist ein wunderbarer Junge, der trotz aller Widrigkeiten und Rückschläge sein Leben meistert und genießt. Michael Brandner beschreibt glückliche Kindheitstage, die er mit leichter und humorvoller Art zu Papier bringt.
Von da an, wo Paul den Kindheitstagen entwachsen ist, hatte ich das Gefühl, nur noch eine Aneinanderreihung von Lebensstationen zu lesen. Ich bin mit den Namen von Freunden und Bekannten, den wechselnden Wohnsituationen und Liebschaften irgendwann nicht mehr hinterhergekommen. Die Geschichte hat mich dann leider nicht weiter gefesselt und ich musste mich ein wenig durchkämpfen.
Das Buch kann ich all denen empfehlen, die gerne autobiografische Romane lesen und die auch über langweiligere Lebensabschnitte hinwegsehen können.

Bewertung vom 30.08.2022
People Person
Carty-Williams, Candice

People Person


sehr gut

Ein Roman, der noch lange nachklingen wird

Es gibt Geschichten, die uns in eine andere Welt entführen, Geschichten, die uns mitreißen und es gibt jene Geschichten, die anders sind. Candice Carty-Williams hat einen modernen Familienroman geschrieben, der eben anders ist. So wie auch das hervorragend zum Buch gestaltete Cover: Intensiv, aber nicht aufdringlich. Zurückhaltend aber dennoch klar.

Zur Geschichte: Cyril Pennington ist Vater von fünf Kindern, die er mit vier verschiedenen Frauen hat. Er ist das, was man früher als ‚Lebemann’ bezeichnet hätte. Ein geselliger, gutgelaunter Mensch, der andere Menschen für sich einnehmen kann. Extrovertiert und kontaktfreudig lebt er sein Single-Leben, kümmert sich jedoch so gut wie gar nicht um seine Kinder.
Diese erwachsenen Kinder, die unterschiedlicher nicht sein könnten, müssen sich durch ein unvorhersehbares Ereignis ihren Geschwistern und somit auch ihrer familiären Verantwortung stellen.
Fazit:
Eine wunderbare Geschichte über Verbindungen im Leben, die vielleicht nicht freiwillig sind, die uns dennoch zu dem machen was wir sind. Eine Geschichte über Verantwortung und Liebe, die noch lange bei mir nachklingen wird.

Bewertung vom 15.08.2022
Die Passage nach Maskat
Rademacher, Cay

Die Passage nach Maskat


sehr gut

Reise in die aufregende und exzentrische Welt der 20er Jahre

Schon das wunderbare Cover lädt den Leser und die Leserin ein, sich auf eine wunderbare Schiffsreise Richtung Orient zu begeben, die in die Welt der 20er Jahre führt.

Zur Geschichte: Der Fotoreporter Theodor Jung begibt sich für eine Fotoreportage zusammen mit seiner Frau Dora auf einen eleganten Ozeanliner Richtung Suezkanal. Auch Doras reiche Kaufmannsfamilie aus Hamburg ist mit an Bord, um sich einen neuen Markt mit Gewürzen zu erschließen. Doch Doras Familie macht kein Geheimnis daraus, dass der kriegstraumatisierte Theodor ein unangemessener Ehemann ist und straft ihn mit Verachtung und Ablehnung.
Theodor hofft jedoch, die angeschlagene Beziehung zu seiner Frau während der Reise wieder intensivieren zu können. Doch plötzlich verschwindet Dora spurlos und niemand will sie je auf dem Ozeanliner Champollion gesehen haben. Ist Theodor durch sein Kriegstrauma und die damit verbundene Abhängigkeit von einem Beruhigungs- und Schlafmittel dem Wahnsinn nahe, und er hat sich Doras Anwesenheit nur eingebildet? Doch Theodor behält einen külen Kopf, macht sich auf die Suche nach seiner Frau und findet in der Stewardess Fanny seine einzige Verbündete.

Mit großem erzählerischen Geschick, entführt uns Cay Rademacher in die Welt der 20er Jahre. Als Leser findet man sich an Bord eines Luxusliners wieder und begegnet einer extravaganten und überdrehten Nackttänzerin nebst Begleiter aus Berlin ebenso wie einem Schläger aus der Unterwelt, der in der dritten Klasse mitreist. Die Charaktere sind in ihrer Verschiedenheit ebenso wunderbar dargestellt wie die prächtigen Schauplätze der Reise. Der Protagonist Theodor wächst einem schnell ans Herz und man betrachtet die verschiedenen Orte und Stationen der Reise von Marseille nach Maskat ebenso wie er, durch die Linse seiner Kamera.
Das Ende hätte ich mir etwas anders vorgestellt und gewünscht, dennoch mein Fazit: Ein gelungener Kriminalroman, den ich uneingeschränkt empfehlen kann.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

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