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B. S.

Bewertungen

Insgesamt 138 Bewertungen
Bewertung vom 01.09.2024
Die Gräfin
Nelles, Irma

Die Gräfin


gut

Stimmungsvoll, aber zu stark verdichtet

Kurzweilig, durchaus stimmungs- und geheimnisvoll präsentiert sich der historische Roman "Die Gräfin" von Irma Nelles, der auf wahren Personen und Ereignissen fußt.
Erzählt aus unterschiedlichen Perspektiven und über den Zeitraum von sechs Tagen taucht man auf der Hallig Südfall in Nordfriesland in das von den Gezeiten geprägte Leben der "Hallig"-Gräfin, ihren Bediensteten und eines abgestürzten britischen Piloten zur Zeit des 2. Weltkrieges ein. Auf knapp 180 Seiten schafft die Autorin es hierbei, ein umfassendes Bild der 80-jährigen Gräfin zu erzeugen. Man erfährt, warum sie zurückgezogen auf der Hallig lebt und welche Rolle sie im Hallig-Leben spielt, das durch den Absturz des britischen Piloten John gestört wird.

Insgesamt lässt mich der Roman "Die Gräfin" leider etwas unbefriedigt und mit gemischten Gefühlen zurück.
Gut gefallen hat mir zunächst der atmosphärische Schreibstil, der zwar anfangs etwas zu beschreibend ist, aber dem es trotzdem gelingt, ein glaubhaftes Bild der Charaktere und der Lebensbedingungen auf der Hallig zu zeichnen. Dazu tragen auch Dialoge im dortigen Dialekt bei. Auch die Geschichte an sich ist interessant.
Bedingt durch das Springen zwischen verschiedenen Charakterperspektiven bekommt man eher eine Außensicht auf die verschiedenen Charaktere als eine Innenansicht. Auch werden viele Sachen nur angedeutet oder im Vorbeigehen erwähnt, sodass manche Handlungsstränge nicht wirklich ihr Potenzial entfalten können, wie z.B. die Gefahr durch Spitzel für die Gestapo, die Vergangenheit der Gräfin oder die von John. Besonders zum Ende hin passiert ziemlich viel und vieles fügte sich zu nahtlos zusammen, sodass die inhaltliche Tiefe immer mehr verloren geht.

Man streift so nur für sechs Tage das Leben der Gräfin, des Piloten und der weiteren Bewohner der Hallig, was Schade ist.
Alles in allem habe ich mir einfach mehr erwartet.

Bewertung vom 01.09.2024
Yoko
Aichner, Bernhard

Yoko


ausgezeichnet

Die Geschichte einer Mörderin - Spannung pur!

Was "Yoko" von Bernhard Aichner definitiv nicht kennt, ist Erbarmen, und zwar in zweierlei Hinsicht.
Zum einen zeigt die gleichnamige Protagonistin Yoko kein Erbarmen auf ihren Rachefeldzug und zum anderen lässt der Thriller den Lesenden keine Zeit zum Durchatmen.

Vom ersten Satz an zieht der Autor einen tief in die Handlung und die Gedanken und das Leben von Yoko. Schlag auf Schlag folgt Ereignis auf Ereignis, sodass man regelrecht nur so durch die Seiten fliegt. Dazu trägt auch der kurze und präzise Schreibstil des Autors bei. Ohne sich mit Nebensächlichkeiten, unnötigen Beschreibungen aufzuhalten, schreitet er in seiner Erzählung voran. Kurze Kapitel und neue Entwicklungen tragen ihr Teil dazu, dass die Spannung konstant auf hohem Niveau gehalten wird.
Auch der teils nur schwer zu ertragende bzw. verdauliche Inhalt hält einen nicht vom Weiterlesen ab.

Denn was Yoko passiert und die Folgen haben es in sich.
Yokos Leben könnte so perfekt sein, sie verdient Geld mit ihrer Manufaktur, in der sie Glückskekse herstellt und auch in Sachen Liebe läuft es gut. Bis sie bei einer Auslieferung ihrer Glückskekse einen Hund vor seinen Peinigern retten will. Was danach folgt, lässt ihre Welt aus den Fugen geraten. Sie wird zur Mörderin, die keine Gnade kennt und es dabei auch mit der chinesischen Mafia aufnimmt.

Zartbesaitet sollte man nicht gerade sein, denn Gewalt und Grausamkeiten kommen nicht zu kurz. Wenn die Manufaktur wieder zur Metzgerei wird, wird es auch makaber.

Neben der glaubhaft konstruierten Handlung ist besonders die Charakterisierung von Yoko gelungen. Es ist spannend zu lesen, wie sie sich zur Mörderin entwickelt und fiebert mit ihr mit, wenn sie auf der Spur ihres nächsten Opfers ist oder wenn sie vor der Polizei flieht. Aichner schafft es nämlich, Yokos Beweggründe so glaubwürdig darzustellen, sodass man ein Herz für eine Mörderin entwickelt.

"Yoko" war mein erstes Buch von Bernhard Aichner und wird sicherlich nicht mein Letztes bleiben!

Bewertung vom 01.09.2024
Sobald wir angekommen sind
Lewinsky, Micha

Sobald wir angekommen sind


sehr gut

Kurzweilig erzähltes Nachdenken über das Leben

3,5 von 5

"Sobald wir angekommen sind" von Micha Lewinsky ist ein kurzweilig und lebendig geschriebener Roman, in dem der Autor es zwar schafft, humorvolle Unterhaltung sowie inhaltliche, schwere und tiefgründige Themen miteinander zu verbinden, dabei jedoch handlungs- und figurentechnisch nicht komplett überzeugen kann.

Inhaltlich hat der Roman zunächst einiges zu bieten und kann mit dem 50-jährigen Juden Ben Oppenheim aus Zürich auch mit einem durchaus sympathischen Protagonisten punkten.
Ben ist von zahlreichen Sorgen und Ängsten, persönlicher wie gesellschaftlicher Natur, geprägt. Gesundheitlich hat er so seinen Wehwehchen, finanziell sieht es nicht so gut aus und beziehungstechnisch läuft auch nicht alles rund und dann ist da ja noch die Gefahr eines 3. Weltkrieges. Um all dem zu entkommen, begibt er sich auf die Flucht nach Brasilien, begleitet von seiner Ex-Frau Marina und den beiden Kindern. Er lässt dabei den Leser an seinen Gedanken über sein Leben, das Leben als Jude und Stefan Zweig, der genauso wie er auch nach Brasilien ins Exil gegangen ist, teilhaben.

Rasant schreitet die Handlung voran, die unterbrochen von Bens Gedankengängen, sich stellenweise wie ein Fiebertraum liest. So ist man in einem Moment noch in Zürich und im nächsten schon in Brasilien.
Manchmal ging es mir etwas zu schnell, wodurch auch die inhaltliche Entwicklung und die Ausarbeitung besonders der Nebencharaktere leidet. Denn im Gegensatz zu Ben bleiben diese eher blass. Da man Bens Gedanken folgt, lernt man ihn gut als Person kennen und auch trotz seiner Eigenheiten und Schwächen durchaus zu lieben.

Einerseits geht die Geschichte inhaltlich in die Tiefe und besitzt starke sowie überzeugende Dialoge, ausgestattet mit einer Prise Humor, verbleibt aber teilweise zu sehr an der Oberfläche. Ein paar Seiten mehr hätten sicherlich gutgetan, sodass der Roman sein ganzes Potenzial hätte ausschöpfen können.

Sprachlich toll, inhaltlich leider jedoch mit ein paar Schwächen, so präsentiert sich "Sobald wir angekommen sind" insgesamt.
Dennoch ein unterhaltsamer, kluger und tiefgründiger Roman, der sich gut als literarische Auszeit für zwischendurch eignet.

Bewertung vom 31.08.2024
Leichenstarr an der Bar
Jensen, Joost

Leichenstarr an der Bar


gut

Kurzweiliger Krimi mit Prozenten, aber ohne Tiefe

Es geht zum dritten Mal nach Ostfriesland zur Friesenbrauerin Gesine, die in ihrer Kneipe ihr Tüddelbräu ausschenkt und nebenbei mehr oder weniger zur Freude ihrer Tochter zur Ermittlerin wird.
Und diesmal wird es persönlich, denn Enno Prester stirbt in ihren Armen, ein geschätzter Sünnumer und Kneipenbesucher. Enno Prester war Umweltaktivist und so gerät schnell die Friesenklima AG von Mareke Renke und Ungereimtheiten in deren Umfeld in den Mittelpunkt der Ermittlungen der Polizei und der Hobbyermittlerin Gesine. Auch das Geld einiger Bewohner von Sünnum steht auf dem Spiel, wollen sie doch an den Renditen von der geplanten klimaneutralen Ferienanlage der Friesenklima AG profitieren.

Und so beginnt eine kurzweilige und leicht verdauliche Tätersuche in Ostfriesland. Besonders viel Tiefe und Glaubwürdigkeit sollte man jedoch nicht erwarten.
Geradlinig erzählt und dank des anschaulichen Schreibstils schnell gelesen, wird einem hier leichte Unterhaltung geboten. Kurze Kapitel, die aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt werden, sorgen für den ein oder anderen Spannungsmoment. Lange hält der Autor sich nicht bei einzelnen Handlungsmomenten auf, auf größere Schwierigkeiten stößt auch Gesine bei ihren Ermittlungen nicht und so ist der Fall auch schnell gelöst, sodass die Kneipenbesucher wieder in Ruhe ihre Liebe zu ihrem Tüddelbräu und ihren Heringsfischchen frönen können.

Für Fans der Reihe rund um die Friesenbrauerin.

Bewertung vom 31.08.2024
Mit kaltem Kalkül / Die Sabine Yao-Reihe Bd.2
Tsokos, Michael

Mit kaltem Kalkül / Die Sabine Yao-Reihe Bd.2


sehr gut

Packend und realistisch geschrieben - gelungene Fortsetzung!

Auch der 2. Band der Reihe rund um Dr. Sabine Yao, Fachärztin für Rechtsmedizin in Berlin, von Michael Tsokos weiß wie gewohnt zu fesseln und wartet mit interessanten Einblicken in die Welt der Rechtsmedizin auf.
In "Mit kaltem Kalkül" verbinden sich eine gut durchdachte Handlung und rechtsmedizinisches Fachwissen zu einem spannenden Thriller.

Neben Yao und alten Bekannten aus dem 1. Band mischt diesmal auch der ehemaliger Geheimdienstler Khalaf und die LKA-Ermittlerin Monica Monti mit.
Anfangs begibt man sich mit Khalaf auf die Suche nach dem achtjährigen Yasser, der spurlos verschwunden ist. Während Yao es mit seltsam ausgestellten Leichen zu tun bekommt. Beide ermitteln getrennt voneinander und doch schneiden sich ihrer beiden Wege zum Ende hin, aber anders als man vielleicht denken mag.

Erzählt in kurzen Kapiteln und aus wechselnden Perspektiven, ist für einen zügigen und packenden Lesefluss von Anfang bis Ende gesorgt. Besonders zum Ende hin, fällt es schwer, mit dem Lesen aufzuhören.

Star der Handlung ist auch, wie schon im Vorgängerband, wieder die Rechtsmedizin. Man merkt der Handlung deutlich an, dass jemand vom Fach schreibt und allein deswegen lohnt sich der Thriller.
Aber auch die Handlung drumherum und die handelnden Charaktere sind gut entwickelt bzw. werden weiterentwickelt. Besonders interessant fande ich die Einführung von Khalaf in die Geschichte und seiner Art der Ermittlungsarbeit.
Einzig der manchmal etwas zu beschreibende Schreibstil störte etwas den Lesefluss. Der Spannung tut dies jedoch keinen wirklichen Abbruch.

Nicht nur für Fans der Reihe und der anderen Bücher von Tsokos werden Gefallen am 2. Band und der Reihe um Dr. Sabine Yao finden.
Vor allem Liebhaber packend und realistisch erzählter Thriller werden auf ihre Kosten kommen.
Das eher offen gehaltene Ende lassen zudem auf eine baldige Fortsetzung hoffen!

Bewertung vom 16.07.2024
Die Legenden der Albae - Dunkles Erbe
Heitz, Markus

Die Legenden der Albae - Dunkles Erbe


sehr gut

Spannende Reise in Welt der zwielichtigen Dunkelelben

"Die Legenden der Albae - Dunkles Erbe" von Markus Heitz ist die packende Fortsetzung seiner Dark-Fantasy-Reihe um die finsteren Albae werden, bei der seine Fans definitiv auf ihre Kosten kommen werden.

Man folgt dem Elb und Spion Telìnâs, der seine eigenen Ziele verfolgt. In Brandenwall wird man Zeuge der Machtspiele von Zwergen und Albae, in denen auch die junge Albin Sajùtoria hineingeworfen wird. Dann ist da noch der Künstler Amânoras, der sich den Ruinen des untergegangenen Dsôn Khamateion nur der Kunst und der Poesie widmen will, aber durch Zwerge gestört wird.

Gewohnt fesselnd und atmosphärisch düster geschrieben, taucht man von Beginn an in die bildhaft und stimmungsvoll zum Leben erwachten Welt der Albae und Unterirdischen ein. Man lernt zwielichtige Albae und Zwerge kennen, die nur auf ihre eigenen Vorteile bedacht sind und diese auch durchaus blutig verfolgen. Aber auch Hexen, Menschen und andere Fantasiegestalten finden Eingang in die spannende und voller Wendungen gespickte Handlung. Interessante und moralisch zwielichtige Charaktere, die vielschichtig gezeichnet sind, erhöhen den Reiz für die Geschichte zusätzlich.

Nach kurzer Eingewöhnungsphase mit der Handlungsumgebung und der Sprache, fällt es mit zunehmender Seitenzahl immer schwerer, das Buch aus der Hand zu legen. Kapitelabschnitte aus Sicht verschiedener handelnder Personen und wechselnde Handlungsorte zusammen mit überraschenden Handlungsentwicklungen halten die Spannung beim Lesen konstant hoch.

Heitz bietet feinste Fantasyunterhaltung, humorvoll, düster und magisch.
Genau, wie man es von ihm gewohnt ist!

Bewertung vom 16.07.2024
Don't kiss Tommy. Eine Liebe in der Stunde Null
Graw, Theresia

Don't kiss Tommy. Eine Liebe in der Stunde Null


gut

Kurzweilig geschriebener und gut recherchierter Historienroman

"Don't kiss Tommy" ist ein kurzweiliger historischer Roman, der gekonnt historische Fakten und Ereignisse mit einer stimmungsvoll und bewegend erzählten Liebesgeschichten, die Einblick in das Leben in der Nachkriegszeit unter britischer Besatzung in Deutschland geben, verbindet.

Nach Kriegsende wird der Kurort Bad Oeynhausen zum Hauptquartier der britischen Rheinarmee.
Für Anne, ihre Mutter und Schwester sowie für ihre ehemalige Freundin Rosalie beginnt eine neue Zeitrechnung. Waren Anne und ihre Familie noch bis Kriegsende stolze Hotelbesitzer, so müssen sie jetzt in einer Baracke leben und sehen, wie sie überleben unter der britischen Besatzung. Besonders ein gewisser Colonel Hunter macht es Anne nicht leicht und sorgt zunehmend für Gefühlschaos bei ihr.
Auch für Rosalie ändert sich mit Kriegsende einiges und scheinbar erstmal einiges zum Besseren, findet sie die doch Anstellung bei den Briten.
Beide versuchen auf ihre Art und Weise, sich mit der neuen Lebenssituation zu arrangieren und das Beste daraus zu machen, Schicksalsschläge lassen immer wieder ihrer beider Wege kreuzen.

Von Beginn an schafft die Autorin es, ein atmosphärisches und glaubhaftes Bild der Situation nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland einzufangen. Man merkt der Handlung an, dass die Autorin gut recherchiert hat. Die Autorin schafft es hierbei, ein gutes Gleichgewicht zwischen spannender fiktiver Handlung und glaubwürdiger Beschreibung der damaligen Gegebenheiten zu wahren ohne dabei in Kitsch oder Stereotype zu verfallen.

Erzählt in verschiedenen Teilen und aus den Perspektiven von Anne und Rosalie, lernt man beide gut kennen und es wird ein vielschichtiges Bild von ihren beiden neuen Leben gezeichnet, auch wenn ich anfangs erstmal nicht so richtig warm mit Rosalie und ihrer Persönlichkeit geworden bin.

Der Schreibstil ist bildhaft, manchmal jedoch etwas zu beschreibend, sodass der Roman teils langatmige Passagen aufweist.
Auch braucht der Roman etwas, um an Fahrt aufzunehmen

Wer gut recherchierte historische Romane verbunden mit bewegenden Liebesgeschichten und dramatischen Momenten mag, wird Gefallen an dem Roman finden.

Bewertung vom 16.07.2024
Alte Eltern
Kitz, Volker

Alte Eltern


ausgezeichnet

Empathischer Blick auf das Älterwerden

Das Älterwerden der eigenen Eltern wird irgendwann jeden mit Eltern treffen.
War man plötzlich noch Kind und kümmerten sich die Eltern um einen, so verschieben sich die Rollen. Man muss sich jetzt um die Eltern kümmern und nicht andersherum.

Mit viel Empathie beschreibt Volker Kitz, wie sich sein Leben verändert, als sein Vater an Demenz erkrankt, immer mehr auf Hilfe angewiesen ist und zu vergessen beginnt.

Das Buch ist sehr persönlich und berührend, von der ersten Seite an. Man bekommt zum einen schonungslos offenen und ehrlichen Einblick in Kitzs Gedanken und Gefühle und lernt so auch seinen Vater als Person näher kennen. Dabei entsteht ein sehr respektvolles und liebevolles Porträt des Vaters. Auf wenigen Seiten schafft Kitz seinen verstorbenen Vater wieder zum Leben zu erwecken und einem selbst zum Nachdenken über die eigenen Eltern und ihr Älterwerden nachzudenken.

Neben Schilderungen von gemeinsamen Vater-Sohn-Momenten, Einblicken in die gemeinsame Vergangenheit und dem Verlauf der Krankheit bis zum Tod, wirft der Autor auch philosophische Gedanken und Zitate über das Erinnern an sich ein.

"Alte Eltern" ist ein Buch, das einen dank seines berührend bildhaften Schreibstils von Beginn an einen in seinen Bann zieht, trotz des schweren
Themas. Es ist ein wichtiges Buch, es betrifft doch irgendwie jeden. Das eigene Älterwerden oder das der Eltern sind ein Thema, mit dem man sich nicht gerne beschäftigt. Deswegen ist das Buch so wichtig und äußerst lesenswert!

Bewertung vom 16.07.2024
Das erste Licht des Sommers
Raimondi, Daniela

Das erste Licht des Sommers


sehr gut

Dicht erzählte Familiengeschichte

"Das erste Licht des Sommers" von Daniele Raimondi ist ein kurzweiliger und berührender Familienroman, dem es leider etwas an inhaltlicher Tiefe fehlt.

Im Mittelpunkt der über mehrere Jahrzehnte erzählten Geschichte steht das Leben von Norma und die Sicht ihrer Tochter auf Norma als Mutter im gegenwärtigen Erzählstrang. Erzäht aus unterschiedlichen Perspektiven, hauptsächlich jedoch die von Norma in der Vergangenheit und ihrer Tochter in der Gegenwart, die sich um die todkranke Norma kümmert und über sie als Mutter nachdenkt. Man folgt Norma, wie sie in ihren 20er-Jahren nach London geht und sie wieder auf ihre große Liebe Elia aus Kindheitstagen trifft. Gleichzeitig muss sie auch mit dem Tod ihrer besten Freundin Donata klarkommen. Auch ihre Liebe zu Elia steht unter keinem guten Stern.

Der Schreibstil der Autorin ist flüssig und von einer bildhaften Sprache geprägt. Von der ersten Seite an schafft sie es dadurch, die handelnden Personen mit ihren Gedanken und Gefühlen zum Leben zu erwecken. Kurze Kapitel bzw. Kapitelabschnitte tragen zusätzlich dazu bei, dass man nur so durch die Seiten fliegt.

Bedingt durch die Fülle von Ereignissen, Personen und Lebensjahren, die im Roman behandelt werden, fehlt es der Geschichte im Ganzen etwas an Tiefe. So verbleiben besonders die Nebencharaktere in ihrer Charakterisierung etwas blass. Auch inhaltlich wird vieles nur gestreift. Mehr Seiten hätten dem Roman sicher gutgetan.

Wer schon Gefallen an "An den Ufern von Stellata" gefunden hat, wird auch vom neusten Werk der Autorin nicht enttäuscht sein. Denn sprachlich ist es einfach eine wunderschön, atmosphärisch und bewegend erzählte Familiengeschichte, nur inhaltlich nicht so stark wie ihr anderes Werk.

Bewertung vom 16.07.2024
Hast du Zeit?
Winkelmann, Andreas

Hast du Zeit?


sehr gut

Keine Zeitverschwendung

"Hast du Zeit?" ist die letzte Frage, die der Mörder seine Opfer fragt, bevor er sie entführt und sie später tötet.
Der ehemalige Polizist der Polizei des Bundestages Lars Erik Grotheer wird von seiner Tochter Michelle um Hilfe gebeten, denn deren Freundin Conny fühlt sich seit längerer Zeit verfolgt. Jedoch kann er Connys Tod nicht verhindern. Grotheer lässt die Sache nicht los und fängt an, Nachforschungen anzustellen. Eine Sanduhr, die an die Familie der Vermissten geschickt wird, bringt Grotheer auf die Spur eines Serienmörders. Zeitgleich macht sich auch die Fotografin Lilly auf die Suche nach ihrer vermissten Partnerin Felicitas. Als dann noch Michelle verschwindet, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.

Kurze Kapitelabschnitte erzählt aus verschiedenen Perspektiven, darunter auch die des Mörders, und dessen Opfer sorgen für ein hohes Erzähltempo und halten die Spannung konstant hoch. Der flüssige und schwungvolle Schreibstil des Autors sorgen ebenfalls dafür, dass man von Beginn regelrecht durch die Seiten fliegt und man beim Lesen nicht merkt, wie einem die Zeit durch die Finger rinnt.
Auch die Handlung kann mit gut gezeichneten Charakteren und einer düsteren und bedrohlichen Grundstimmung überzeugen.

Leider fehlte der Handlung an manchen Stellen an inhaltlicher Tiefe und besonders zum Ende hin ging es mir etwas zu schnell. So fügten sich manche Entwicklungen zu problemlos und nahtlos zusammen, wodurch die Handlung etwas an Glaubwürdigkeit verlor.
Es steht eindeutig der Schockeffekt und das Erzählen einer actionreichen Thrillerstory im Vordergrund und weniger das glaubhafte Aufdecken der Taten eines psychopathischen Serienmörders.

Wer Gefallen an rasant geschriebene Thriller mit verstörender Handlung findet, der kommt mit "Hast du Zeit?" definitiv auf seine Kosten. Nur in Bezug auf das Motiv des Serienmörders sollte man nicht zu zartbesaitet sein und einiges abkönnen. Denn die Beweggründe hinter seinen Taten sind wirklich verstörend und gruselig.
Nicht nur für Fans von Andreas Winkelmann lesenswert!