Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Sonja
Wohnort: 
Kassel

Bewertungen

Insgesamt 42 Bewertungen
Bewertung vom 22.02.2024
Leuchtfeuer
Shapiro, Dani

Leuchtfeuer


sehr gut

Zwei Familien, Nachbarn, weit voneinander entfernt und doch eng miteinander verbunden - das Buch "Leuchtfeuer" geht bewegend auf diese besondere Konstellation ein. Ausgangspunkt ist ein Unfall, ausgelöst von den Kindern des Arztes, bei dem ein Mädchen ums Leben kommt - das Ereignis wird in der Familie nicht mehr thematisiert, ist aber immer präsent. Jahre später bringt der Arzt den Sohn der Nachbarfamilie auf die Welt - und ist später der einzige Mensch, der unbefangen einen Zugang zu dem besonderen Jungen entwickelt. Diese Grundkonstellation wird von Dani Shapiro aus den verschiedenen Perspektiven aller Personen durchgespielt: Immer sehr nah an den Emotionen der Figuren, immer liebevoll und dennoch mit einem genauen Blick für die jeweiligen Verfehlungen. Am Ende werden sich die Familien näher gekommen sein - viel mehr passiert auch nicht wirklich, dennoch ist das Buch bis zum Schluss spannend und sehr berührend zu lesen.
Einzig dass das Unfallopfer und ihre Mutter in dem Buch eine Randerscheinung bleiben, ist ein wenig schade. So bleibt der Verlust eines Menschen sehr abstrakt und nur ein Katalysator für die Handlungen der weiteren Figuren.

Bewertung vom 15.10.2023
Eigentum
Haas, Wolf

Eigentum


gut

Ein Buch über den Tod der eigenen Mutter? Der Einstieg in das Buch "Eigentum" von Wolf Haas ist gleichzeitig liebevoll und skurill. Dabei verschweigt er keineswegs die Probleme, die er zeitlebens mit seiner Mutter hatte, sondern lässt sie zetern über den schlechten Umgang mit ihrem Vater, über die Leute, über die Welt. Im weiteren Verlauf übernimmt seine Mutter immer wieder die Erzählstimme und berichtet insbesondere von den Zeiten nach dem Krieg, dem Versuch aufzusteigen und sich eine eigene Wohnung zu leisten. Kontrastiert wird dies durch den Abschied ihres Sohnes, seine Überlegungen über das Leben seiner Mutter und seine Kindheit. Das ist dann irgendwann nicht mehr so ganz skurril, sondern mehr ein Zeitzeugnis. Und immer wieder taucht der "rhetorische Trias" auf: "Arbeit, Arbeit, Arbeit", "Waschen, Kochen, Putzen", "Schreiben, Schreiben, Schreiben".
Leider ist aber der Spannungsbogen des Buches so wenig ausgeprägt, die Wiederholungen so häufig, dass mehrere Menschen aus meinem Bekanntenkreis die Lektüre wieder abgebrochen haben. So besonders der Schreibstil ist, er nutzt sich dann irgendwann doch ab. Schade, denn eigentlich ist die Geschichte der Mutter ein guter Einblick in die Nachkriegszeit und die Perspektive ihres Sohnes ein liebevoller Abschied.

Bewertung vom 03.10.2023
Prophet
Blaché, Sin;Macdonald, Helen

Prophet


gut

Bereits der Einsteig in das Buch mutet erstmal schräg an: da taucht plötzlich ein Fastfoodrestaurant auf einem Militärgelände auf, andere Dinge erscheinen, ein Soldat stirbt im Feuer. Der eine Ermittler, Rao, wird aus dem Knast geholt, der andere, Adam, ist offensichtlich auch ein schwieriger Charakter. Und dennoch scheinen die Beiden - aus früheren Zeiten - ein gutes Verhältnis miteinander zu haben und frotzeln sich gegenseitig an. Im Laufe der Geschichte rückt vieles an seinen Platz: die Vorgeschichte zwischen den beiden Ermittlern wird nach und nach eingeführt, auch das Erscheinen der merkwürdigen Gegenstände erklärt sich: Die Substanz "Prophet" führt dazu, dass die nostalgischen Wünsche der Menschen vergegenständlicht werden. Dass das keineswegs wünschenswert ist, zeigt sich im Laufe der Geschichte sehr deutlich.
Die Sprache des Buches ist eher einfach und zügig zu lesen. Die HIntergrundgeschichte ist mir hingegen teilweise zu esoterisch-eigenwillig, insbesondere mit Blick auf die beiden Protagonisten. Bei aller Spannung, die sich gerade gegen Ende des Buches entwickelt, bleiben mir manche Wendungen zu rätselhaft, die Bilder zu gruselig. Hier wäre teilweise weniger mehr gewesen...

Bewertung vom 02.10.2023
Nichts in den Pflanzen
Haddada, Nora

Nichts in den Pflanzen


gut

Das Buch "Nichts in den Pflanzen" beginnt eindrücklich: Leila ist Drehbuchautorin mit einem exklusiven Vorab-Vertrag, verliebt sich in Leon und schafft es, sich ihm zu nähern, mit ihm ein Paar zu werden. Bereits im Oktober muss seine teure Zuchtkatze dran glauben, von ihr ersäuft im Regenfass. Was ist in der Zwischenzeit passiert? Die Geschichte aus Leilas Perspektive springt in der Zeit vor und zurück. Die Sprache ist direkt, jugendlich, rauh, die Bilder teilweise neu - der Einsteig in das Buch ist sehr vielversprechend. Mit zunehmenden Fortgang der Geschichte wird immer unklarer, was Leila eigentlich treibt, antreibt, wohin ihr Weg geht. Das Schreiben geht nicht voran, die Menschen um sie herum sind mit ihren eigenen Fragen beschäftigt, sie selbst bleibt immer distanziert. Leider habe ich mich auf diesem Weg irgendwann nicht mehr mitgenommen gefühlt - Leilas Entscheidungen, ihr Verhalten bleiben mir rätselhaft und wirken auf mich zunehmend ermüdend. Auch wenn dies der eigentliche Kern der Geschichte ist und Leilas Situation "wie im echten Leben" mit allen Kanten und Wirrungen beschrieben ist, habe ich irgendwann keine Freude mehr am Lesen gehabt.

Bewertung vom 13.08.2023
Paradise Garden
Fischer, Elena

Paradise Garden


ausgezeichnet

Billie und ihre Mutter führen ein Leben ohne viel Geld - aber mit viel Phantasie und Ideen. Nur wenn es um Billies Vater geht, wird die Mutter schweigsam, von ihrer Familie weiß sie nicht viel. Der Besuch der Oma aus Ungarn bringt das gemeinsame Leben aus der Reihe - und plötzlich ist die Mutter tot.
Elena Fischer beschreibt sehr einfühlsam, wie es ist, mitten im Aufwachsen die einzige Bezugsperson zu verlieren - immer aus der Perspektive von Billie, mit allen Gedanken, Gefühlen, Ungereimtheiten, die es in diesem Alter gibt. Billie begibt sich auf die Suche. Und man kann mitfühlen, dass Trauer nicht weggeht, aber sich verändert - mit jeder Begegnung die kommt, mit jeder Erinnerung an und jedem Ärger über die geliebte Mutter. Am Ende bleiben dennoch einige Fragen offen - auch Billie wird sie wahrscheinlich nicht mehr lösen.

"Paradise Garden" erinnert in seiner Direktheit ein wenig an "Tschick" - und lässt sich genauso von Erwachsenen wie auch Jugendlichen lesen.

Bewertung vom 12.03.2023
Gleißendes Licht
Sinan, Marc

Gleißendes Licht


sehr gut

Der Roman "gleißendes Licht" von Marc Sinan startet mit der Jugend von Kaan, einem Jungen, der in Deutschland aufgewachsen ist, aber armenisch-türkische Wurzeln hat. Und dieser Einstieg ist sehr lebensnah: eine Jugend, die von Feiern, Freunden, Musik und dem ersten Verliebtsein durchzogen ist, in einer klaren, erzähfreudigen, bildreichen Sprache. Marc Sinan ist - wie sein Protagonist - Komponist und das merkt man auch an der Sprache: einerseits ist er ein guter Erzähler, andererseits hat die Sprache auch schönen, poetischen Rhythmus.
In dem "Familienepos" kommen nach einem vergleichsweise fröhlichen Einstieg auch deutlich schwierigere, traurige Abschnitte: Zurück in der Türkei nimmt die Geschichte seiner teils türkischen, teils armenischen Familie und die aktuelle türkische Politik Kaan sehr gefangen. Immer mehr verstrickt er sich vor Ort, phantasiert sich in Rachegedanken. Beim Lesen ist man sich teils nicht sicher, ob es sich um die Realität oder um Träume handelt. Teils skurille Geschehenisse aus der Geschichte der Familie wechseln sich mit aktuellen Abschnitten ab. Und es wird immer deutlicher, dass der Völkermord an den Armeniern sich bis heute auf die türkische Gesellschaft auswirkt.

Bewertung vom 11.03.2023
Vogel entdeckt - Herz verloren
Coenen, Antonia;Juranek, Philipp

Vogel entdeckt - Herz verloren


sehr gut

In dem Buch "Vogel entdeckt - Herz verloren" werden insgesamt 14 Vogelarten in ausführlichen Kapiteln vorgestellt: mit schönen Fotos, Texten, Zeichnungen und Hinweisen auf mögliche eigene Aktivitäten zum Schutz der jeweiligen Art. Den Auftakt macht der Ortolan, eine Vogelart, die mir selbst bisher noch nicht bekannt war. Danach kommen aber durchaus bekannte Arten wie Spatzen, Nachtigall, Distelfink, Feldlerche. Die persönliche Beziehung der Autoren zu der jeweiligen Vogelart steht im Vordergrund, anhand von Recherchen und biologischen Hintergründen wird die Entwicklung der Art aufgezeigt - im Falle des Ortolan die nahezu Ausrottung, da die Art in Frankreich als Delikatesse galt. Die Texte sind eine Mischung aus Sachbuch, Erlebnisbericht, Liebeserklärung an die Vogelwelt und vogelbegeisterte Menschen. Ein eindrücklicher Aufruf zum Artenschutz!

Das Buch ist insgesamt sehr schön gestaltet, die einzelnen Kapitel farblich abgesetzt. Schade ist allerdings, dass die Schrift sehr klein und damit das Lesen etwas mühselig ist.

Bewertung vom 23.12.2022
Reißende Flut / Panda Kingdom Bd.1
Hunter, Erin

Reißende Flut / Panda Kingdom Bd.1


gut

Ich, 13 Jahre, hatte nach der Leseprobe sehr hohe Erwartungen an das Buch, nur leider sind diese nicht ganz erfüllt worden. Das Buch ist nicht schlecht, allerdings wird die Spannung erst ab der Hälfte aufgebaut, was schade ist, da das Buch ab der Hälfte echt Potential hat und man gar nicht mehr aufhören will, es zu lesen. Die Charaktere sind auch cool, aber mir ist erst nach der Hälfte klar geworden, dass diese gar nicht in Verbindung zueinander stehen (wenn man die Karte, die im Buch enthalten ist, genauer angeguckt hätte, wäre einem das früher aufgefallen). Ich finde, dass sollte man noch deutlicher erfahren.
Zum Schluss hin wird das Buch sehr spannend, nur leider ist ein sehr extremer Cliffhanger eingebaut (ich finde Cliffhanger ansich nicht schlimm, aber der ist ziemlich blöd). Wegen diesem Cliffhanger würde ich empfehlen, das Buch erst zu lesen, wenn der zweite Teil auch draußen ist, damit man direkt weiterlesen kann. Die Gestaltung, der Schreibstil und die Charaktere sind wie auch in den anderen Erin Hunter Büchern schön und kreativ. Ich finde auch gut, dass sich der Schreibstil zwar ähnelt, aber es wirklich eine volkommen neue Geschichte ist, die in keinster Weise sich mit anderen Werken wie Warrior Cats ähnelt.
Alles in allem ist das Buch sehr schön und auf jeden Fall gut leserlich. Wie gesagt, würde ich empfehlen, das Buch erst zu lesen, wenn der zweite Teil draußen ist. Außerdem würde ich das Buch nur denjenigen empfehlen, die auch damit zurechtkommen, wenn in dem Buch mal einfach nur vor sich hin gelebt wird und die Spannung nicht so hoch ist.

Bewertung vom 23.12.2022
Lektionen
McEwan, Ian

Lektionen


sehr gut

Ian McEwan kannte ich bisher nur mit eher kurzen, pointierten Büchern - Lektionen ist mit seinen über 700, eng bedruckten Seiten ein ganz anders Kaliber. Es erzählt die Geschichte von Roland Baines, aus seiner Perspektive, und führt mit diversen Zeitsprüngen von dessen Kindheit bis hin ins hohe Alter.
Roland Baines kommt als Junge in ein Internat in England, dort bekommt er Klavierunterricht von seiner Lehrerin - schon bald konzentriert diese sich jedoch nicht nur auf den Unterricht, sondern zeigt auch körperliches Interesse an dem Jungen, der sich geschmeichelt fühlt und gleichzeitig überhaupt noch nicht reif genug für eine sexuelle Beziehung ist, die von einem deutlichen Machtgefälle geprägt wird. Der Mißbrauch durch die Lehrerin wird ihn sein ganzes Leben nicht mehr loslassen und hemmt in Folge seine berufliche Entwicklung.
Eine weitere, prägende Frau in seinem Leben ist die Mutter von seinem Sohn, die beide verlässt, um erfolgreich Schriftstellerin zu werden. Auch dieser Situation ist Roland Baines ausgeliefert, er versucht sein Leben lang, das Verhalten seiner damaligen Partnerin zu verstehen und zu akzeptieren, richtig gelingen mag es ihm nicht.
Man muss sich auf diese Lebensgeschichte einlassen, Roland Baines ist häufig wenig greifbar in seinen Entscheidungen, sein Leben plätschert vor sich hin, auch wenn er innerlich oft zerissen ist. Und wie im richtigen Leben, gibt es auch im Buch zahlreiche Nebenstränge, seien es die eigene Familie, die seiner Partnerin, seine spätere Frau, sein Sohn, die Tagespolitik. Ein wirklicher Spannungsbogen entsteht hierdurch nicht, aber wenn man sich darauf einlässt, kann Roland Baines ein guter Begleiter werden, der einem zeigt, wie man am Ende seine Würde behalten kann, auch wenn es das Leben nicht immer gut mit einem meint.

Bewertung vom 24.10.2022
Verbrenn all meine Briefe
Schulman, Alex

Verbrenn all meine Briefe


ausgezeichnet

Mutig arbeitet Alex Schulmann in seinem Buch "Verbrenn all meine Briefe" die weitgehend wahre Geschichte seiner Familie und insbesondere seiner Großeltern auf. Ausgehend von der Wut, die er selber in sich trägt, fängt er an zu forschen und versucht zu verstehen, was zwei Generationen vor ihm in der Familie geschah.
Auf drei Zeitebenen - heute, in den 80ern als Enkelkind bei seinen Großeltern und im Sommer 1932 entwirrt er das Geschehen zwischen seinen beiden Großeltern, Sven und Karin Stolpe und Olof Lagercrantz, mit dem Karin Stolpe eine Liebesbeziehung beginnt. Der narzistische Sven Stolpe ist ein charismatischer Schriftsteller, der seine Frau Karin ob vermeintlicher Fehltritte quält und ihr mit seinen Wutattacken keinen Spielraum für eine eigene Entwicklung erlaubt. Mit Olof Lagercrantz scheint für Karin Stolpe jedoch eine romantische und gleichberechtigte Beziehung möglich, wäre da nicht die grenzenlose Wut ihres Ehemanns.
Die Geschichte entwickelt sich so dramatisch, dass sie fiktional erscheint. Und obwohl man von Beginn an aufgrund der verschiedenen Zeitebenen weiß, wie sie ausgehen wird, hält Schulmann die Spannung spielend bis zum Schluß.
Wie bereits in seinem Buch "die Überlebenden" haben die Ereignisse große Auswirkungen auf den weiteren Fortgang des Lebens der Protagonisten und derer Familien. Aber in beiden Büchern prägt der Charakter der Protagonisten deutlich den Verlauf des Geschehens - durch die Ereignisse verdichten sich die charakterlichen Eigenschaften der Akteure, für die es hier wie dort kein Entrinnen gibt.