Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Quincyliest

Bewertungen

Insgesamt 100 Bewertungen
Bewertung vom 19.04.2024
James
Everett, Percival

James


ausgezeichnet

Der amerikanische Autor Percival Everett erzählt in seinem neuen Roman die Geschichte von Mark Twains Klassiker "Huckleberry Finn" neu, und zwar aus der Perspektive des Sklaven Jim.
James, der von allen nur Jim genannt wird, soll verkauft werden. Er flieht zusammen mit Huck Richtung Norden entlang des Mississippi. Es drohen überall Gefahren, Naturgewalten, Begegnungen mit Betrügern. Doch Jim ist klug, hat sich selbst das Lesen und Schreiben beigebracht, er stellt sich nur in Gegenwart der Weißen dumm. In ihrer Anwesenheit spricht er eine Art Slang, damit sie sich überlegen fühlen können.
Everett erzählt eindringlich, aber auch spannend und mit feiner Ironie. Es ist eine Abenteuergeschichte mit Tiefgang, die laufend neue Wendungen nimmt und deren Ende nicht ganz ohne Hoffnung ist. Es ist eine zeitgenössische Adaption des Klassikers, die den Abenteuercharakter bewahrt, aber einen kritischen Blick auf ein düsteres Kapitel amerikanischer Geschichte wirft. Ein Buch, das man unbedingt lesen muss.

Bewertung vom 05.04.2024
Und Großvater atmete mit den Wellen
Teige, Trude

Und Großvater atmete mit den Wellen


sehr gut

Trude Teige hat einen fesselnden Roman über das Schicksal des norwegischen Protagonisten Konrad während des 2. Weltkrieges auf Java unter der Herrschaft der Japaner geschrieben. Die Geschichte ist eine Fortsetzung ihres erfolgreichen Romans "Als Großmutter im Regen tanzte", lässt sich aber auch unabhängig davon lesen.
Die beiden Brüder Konrad und Sverre befinden sich auf einem Handelsschiff im Indischen Ozean als dieses von einem japanischen U-Boot torpediert wird. Konrad entkommt vorerst auf einem Rettungsboot, wird in ein Krankenhaus gebracht und lernt dort Sigrid kennen. Beide geraten in Gefangeschaft auf Java. In den Lagern bestimmen Hunger und Krankheiten den Alltag. Die Zustände der Gefangenschaft sind grausam und werden eindringlich geschildert.
Trude Teige hat einen berührenden Roman geschrieben, der fiktiv ist, aber sehr authentisch erzählt wird. Sie schreibt über ein dunkles Kapitel in der Geschichte, aber nicht ganz ohne Hoffnung. Ich empfehle den Roman gern weiter.

Bewertung vom 18.03.2024
Das Befinden auf dem Lande. Verortung einer Lebensart
Vedder, Björn

Das Befinden auf dem Lande. Verortung einer Lebensart


gut

Der Philosoph und Literaturwissenschaftler Björn Vedder stellt in seinem neuesten Buch gewagte und provokante Thesen auf, etwa die, dass die Provinz bzw. Gemeinschaft gemein macht. Ausgehend von persönlich erlebten und durchweg negativen Erfahrungen gelangt er zu dieser Erkenntnis bzw. Aussage. Doch kann dies stimmen? Könnte nicht auch das Gegenteil wahr sein, dass die Anonymität in den Städten, um in den Worten Vedders zu sprechen, gemein macht? Hier hätte ich mir einen aussagekräftigen Vergleich zwischen menschlichem Verhalten in Städten und auf dem Lande gewünscht.
Leider neigt der Autor ständig dazu, persönliche Erfahrungen zu objektivieren. Dieser Punkt hat mich leider sehr gestört, subjektive Wahrnehmungen bzw. Erfahrungen in einer bestimmten Region lassen sich schwer verallgemeinern.
Wirklich gute Antworten, wie das Befinden auf dem Lande nun tatsächlich ist, konnte das Buch für mich nicht liefern. Darüber helfen auch die zahlreichen Zitate berühmter Denker nicht hinweg.

Bewertung vom 06.03.2024
Familien-Naturführer
Hedder, Katharina

Familien-Naturführer


ausgezeichnet

Der Familien - Naturführer von Katharina Hedder ist wirklich so viel mehr als ein reines Bestimmungsbuch. Der Naturführer lädt ein, Flora und Fauna zu entdecken und erkunden. Es werden die wichtigsten und weit verbreitetsten heimischen Tierarten und Pflanzen vorgestellt. Kurze Steckbriefe liefern relevante Eckdaten, erläuternde Texte bieten weitere Informationen. Die Fotos sind aussagekräftig.
Das Besondere an diesem Buch sind die zahlreichen Mitmachideen zum Basteln, Werkeln und Ausprobieren. Die Spielideen, Experimente und Rezepte bereiten allen Familienmitgliedern Spaß. Auch kann man mit Hilfe einer App Tierstimmen anhören.
Gut gefallen hat mir auch die gesamte Aufmachung des Buches. Das Cover sieht modern gestaltet und einladend aus.
Der Autorin ist es gelungen, mit dem Buch nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch die Freude im Umgang mit der Natur spürbar werden zu lassen.
Der Naturführer ist ein rundum gelungenes Buch - für Kinder und Erwachsene.

Bewertung vom 28.02.2024
Einfach gärtnern! Naturnah und nachhaltig
Mager, Horst

Einfach gärtnern! Naturnah und nachhaltig


ausgezeichnet

Der Biologe und passionierte Gärtner Horst Mager - bekannt aus Fernsehen und Internet - hat ein unterhaltsames und informatives Gartenbuch geschrieben.
Am Anfang erzählt er, wie er selbst zum Gärtnern kam. Ein Jahr lang beobachtet er seinen kleinen Schrebergarten, bevor er aktiv eingreift. Seine Gartenphilosophie mit der Natur zu gärtnern und nicht gegen sie finde ich zeitgemäß und überzeugend. Auch der Gedanke, den eigenen Garten als Lebensraum für Pflanzen und Tiere zu begreifen, klingt sympathisch.
Das Gartenbuch hat einen unterhaltsamen Stil und enthält viele persönliche Erfahrungen. Es ist gut strukturiert und umfassend, man findet Wissenswertes zur Planung, Pflanzenauswahl, Gestaltung und Pflege. Anfänger, aber auch erfahrene Hobbygärtner finden hier nützliche Tipps und Ideen. Interessant ist auch das Kapitel über die Bewässerung, richtiges Gießen wird in Zeiten zunehmend trockener Sommer immer wichtiger.
Insgesamt ist dies ein wirklich gelungenes Buch zum Nachschlagen oder Inspirieren lassen.

Bewertung vom 30.01.2024
Demon Copperhead
Kingsolver, Barbara

Demon Copperhead


ausgezeichnet

Barbara Kingsolver hat mit "Demon Copperhead" den Pulitzer - Preis für Belletristik gewonnen. Der brillant erzählte Roman ist eine Adaption an Dickens "David Copperfield". Auch Kingsolver zeichnet ein Bild einer Gesellschaft, in der noch immer Kinder in Armut aufwachsen müssen.
Demon Copperhead ist Protagonist und zugleich Erzähler seiner eigenen Lebensgeschichte. Er kommt unter denkbar schwierigen Verhältnissen auf die Welt, die Mutter ein Teenager und medikamentenabhängig, der Vater tot. Demon lebt in verschiedenen Pflegefamilien. Hunger Armut prägen seinen Alltag. Er muss als Kind bereits Jobs annehmen. Doch Demon ist intelligent, talentiert und vor allem ein Kämpfer, voller Kraft und Lebendigkeit. Er lässt sich von den widrigen Umständen nicht unterkriegen. Demon ist ein sympathischer Junge, man fühlt mit ihm.
Der Roman ist großartige Literatur, er entfaltet von Anbeginn eine starke Sogwirkung. Auch wenn traurige Dinge erzählt werden und subtil Gesellschaftskritik geübt wird, liest die Geschichte sich leicht.
Ich bin mir sicher, es wird eines der besten Bücher des Jahres sein, wenn nicht sogar das beste. Ganz große Leseempfehlung!

Bewertung vom 25.10.2023
Das NABU-Vogelbuch
Mullen, Peter;Karwinkel, Fabian

Das NABU-Vogelbuch


ausgezeichnet

Der NABU und der Kosmosverlag haben ein sehr gelungenes Vogelbestimmungsbuch herausgebracht. Bereits das wunderschön gestaltete Cover sticht sofort ins Auge, die erstklassigen Fotos setzen sich im Buch fort, es macht einfach Spaß, sie anzuschauen und nebenbei lernt man eine Menge.
Das Bestimmungsbuch enthält zusätzliche Fakten zum Vogelzug, zur Vogelfütterung und auch Hinweise darüber, wie häufig eine bestimmte Vogelart vorkommt. Auch gibt es zahlreiche Tipps für die Gestaltung eines naturnahen und vogelfreundlichen Gartens.
Das Buch ist übersichtlich aufgeteilt und gut strukturiert, es eignet sich für Erwachsene und interessierte Kinder gleichermaßen.
Es ist das ideale Buch für jeden Natur- und Vogelfreund und vielmehr als nur ein Bestimmungsbuch, es lädt zum Nachschlagen, Entdecken und Schmökern ein. Große Empfehlung!

Bewertung vom 23.10.2023
Die Wahrheiten meiner Mutter
Hjorth, Vigdis

Die Wahrheiten meiner Mutter


ausgezeichnet

Vigdis Hjorth ist eine der bekanntesten norwegischen Gegenwartsautorinnen. In ihrem neuen Roman erzählt sie die bewegende Geschichte über ein schwieriges bzw. zerrüttetes Mutter - Tocher - Verhältnis.
Die Künstlerin Johanna kehrt nach Jahrzehnten im Ausland in ihr Heimatland Norwegen zurück. Der Vater ist bereits verstorben. Johanna sucht intensiv den Kontakt zu ihrer Mutter, mit der sie sich aussprechen und vielleicht auch aussöhnen möchte. Doch ist die Mutter auch dazu bereit? Die gegenseitig zugefügten Verletzungen sitzen sehr tief. Schuldfragen stellen sich. Die Mutter signalisiert kein Interesse an einem Treffen, doch Johanna gibt nicht auf, ihr Leben ist beherrscht von dem Wunsch, mit der Mutter sprechen zu können.
Das Ende der Geschichte soll hier nicht vorweggenommen werden, es ist auf jeden Fall anders als ich erwartet hatte.
Mich konnte der Roman von Anfang bis Ende fesseln. Die Charaktere wurden realistisch gezeichnet. V. Hjorth hat einen berührenden und intensiven Roman geschrieben, den ich gern weiterempfehle.

Bewertung vom 28.09.2023
Eigentum
Haas, Wolf

Eigentum


ausgezeichnet

Wolf Haas hat ein bewegendes und emotionales Buch über seine Mutter geschrieben. Das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn war kein einfaches, das Buch ist eine Rückblende und auch ein Versuch der Aufarbeitung.
Die demente Mutter liegt im Sterben, wartend auf den Tod. Viele Gedanken gehen dem Sohn durch den Kopf. Die eigene Perspektive wechselt ständig mit der der Mutter. Die Erinnerungen der Mutter sind im österreichischen Dialekt eingefärbt. Das zentrale Thema bei ihr: der nicht geglückte Versuch, Eigentum zu erwerben. Hart hat sie dafür gearbeitet, gespart, doch Krieg und Inflation durchkreuzen ihre Pläne. Eigentum blieb ihr großer Traum.
Die Mutter wird als resolute Frau dargestellt, unnahbar und nicht bei allen beliebt. Haas schreibt authentisch, ungeschönt, respektvoll und mit einer Prise Humor, mit dem er der ernsthaften Thematik die Schwere nimmt. Es sind versöhnliche Klänge, die er anschlägt. Er hat ein berührendes und feinsinniges Buch geschrieben, das ich gern empfehle.

Bewertung vom 19.09.2023
60 Kilo Kinnhaken
Helgason, Hallgrímur

60 Kilo Kinnhaken


ausgezeichnet

Hallgrimur Helgason hat einen eindrucksvollen Roman geschrieben, der die Geschichte des jungen Gestur im Kontext der wirtschaftlichen Entwicklung Islands erzählt. Wir schreiben das Jahr 1906. Es ist eine Zeit des Aufbruchs und des Wandels. Die Moderne hält Einzug. Wohlhabende Norweger lassen Heringsfabriken errichten. Die Bevölkerung wächst. Häuser werden gebaut. Die Fischerei spielt bei dem wirtschaftlichen Aufschwung eine entscheidende Rolle.
Sprachgewaltig und wortgewandt erzählt Helgason von den wirtschaftlichen Veränderungen, den historischen Ereignissen und dem bunten Treiben und Leben der Leute am Fjord.
Gestur entwickelt sich zu einem jungen Mann, dessen Gedanken immer wieder um die große Liebe kreisen. Phantasievoll und oft mit einem Augenzwinkern berichtet der Autor von der Verliebtheit Gesturs, doch das Leben hält einen gewaltigen Kinnhaken für ihn bereit....
Der opulent erzählte Roman erfordert etwas Geduld, aber man wird reichlich belohnt dafür. Es ist ein grandioses Leseabenteuer mit viel isländischem Charme. Große Empfehlung!