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SteffiKa

Bewertungen

Insgesamt 27 Bewertungen
Bewertung vom 16.08.2016
Wir sehen uns am Meer
Rabinyan, Dorit

Wir sehen uns am Meer


gut

Inhalt (übernommen)

In der Heimat hätten sie sich nie kennen gelernt, aber durch einen Zufall treffen die Tel Aviverin Liat und der Maler Chilmi aus Ramallah in New York aufeinander und verlieben sich. Liat kämpft mit sich, denn weder ihre Eltern noch ihre jüdischen New Yorker Freunde dürfen von der Beziehung erfahren, die ein klares Enddatum hat: Wenn Liat zurück nach Israel geht, ist Schluss. Doch Gefühle lassen sich nicht einfach abstellen, und die Herkunft der beiden sowie die Perspektivlosigkeit belasten ihre Gegenwart – eine Zukunft scheint unmöglich. Gibt es einen Ausweg, oder ist das private Glück vor dem Hintergrund des Konflikts der beiden Völker unmöglich?

Charaktere

Das Buch wird aus der Sicht Liat´s geschrieben, die in mir zwiespältige Gefühle hervorrief. Einerseits konnte sie mein Leserherz gewinnen, andererseits ist sie mir mit ihrer Art, wie sie Chilmi manchmal behandelt hat, auf die Nerven gegangen. Ich konnte auch nicht wirklich verstehen, warum für sie von Vornherein klar war, dass diese Liebe mit dem Datum endet, an dem sie wieder in ihre Heimat fliegt. Klar ist es schwierig, in solch äußeren Umständen gerade solch eine Liebe zu leben, aber sie leidet lieber, als dass sie dafür kämpft und sich mit ihm einen anderen Ort zum Leben sucht.
Chilmi hingegen konnte mich überzeugen: Gefühlvoll, zärtlich und ehrlich. Er hat mir oft leidgetan, wenn Liat ihn mal wieder verleugnet hat und sich dann zurückgezogen hat.
Zweierlei hatten die beiden gleich: Die Familie war immer wichtiger, als der Partner und ich hab den beiden abgenommen, dass sie sich wirklich geliebt haben.

Schreibstil

Ich muss gestehen, dass ich Schwierigkeiten hatte, ins Buch und in die Geschichte zu finden. Und anfangs habe ich immer darauf gewartet, dass endlich mal was passiert. Für mich waren es teilweise zu viel Längen und andere Szenen hätte ich gern ausführlicher gelesen, da sie für mich emotional wichtig gewesen wären. (z. B. der Abschied der Beiden, der leider – für mich – in nur einer Seite beschrieben wurde)
Der Schreibstil hatte was leicht Poetisches, Liat´s Gedanken wurden oft mit Vergleichen dargestellt und auch mit den „Zeitsprüngen“ bin ich nicht klar gekommen. Im gleichen Absatz befanden wir uns im Jetzt – dann sprangen Liats Gedanken zurück nach Tel Aviv – und im gleichen Atemzug waren wir schon wieder im Jetzt.
Im letzten Abschnitt erzählt Dorit Rabinyan dann ein paar Kapitel aus der Sicht Chilmis. Nur hier erfahren wir auch seine Sicht der Dinge, seine Gefühle, wenn auch nur recht oberflächlich.
Und auch der Schluss war mir zu poetisch, zu lang und zu wenig emotionslos.

Fazit

Eigentlich eine beeindruckende Liebesgeschichte, die leider nicht ganz überzeugen konnte.

Bewertung vom 21.07.2016
The Girls
Cline, Emma

The Girls


gut

Inhalt (übernommen)


Kalifornien, 1969. Evie Boyd ist vierzehn und sehnt sich verzweifelt danach, „gesehen zu werden“ – aber weder die frisch geschiedenen Eltern noch ihre einzige Freundin beachten sie. Doch dann, an einem der endlosen Sommertage, begegnet sie ihnen: den Girls.
Junge Frauen, die nicht von dieser Welt scheinen. Ihr lautes, freies Lachen. Das Haar lang und ungekämmt, die ausgefransten Kleider. Evie gerät in den Bann der älteren Suzanne und folgt ihr auf die Ranch tief in den Hügeln, fernab von ihrer eigenen Welt, in den Kreis um Russell – ein Typ wie Charles Manson. Weihrauch und Gitarrenklänge, Gerüchte von Sex und wilden Partys, einzelne, die von zu Hause ausgerissen sind. Evie gibt sich der Vision grenzenloser Liebe hin und merkt nicht, wie der Moment naht, der ihr Leben für immer zerstören könnte.

Charaktere


„Vor Suzanne hatte mich nie jemand angesehen, jedenfalls nicht richtig, also war sie zu meiner Definition geworden.“ (S. 341)
Dieser eine Satz beschreibt ziemlich gut, wie ich Evie wahrgenommen habe: Als ein Mädchen, das keinerlei Selbstbewusstsein besitzt, sich über alles und jeden den Kopf zerbricht und zwischen Rebellion und depressiven Gedanken schwankt. Auch als erwachsene Frau hat sich nicht viel verändert: Ich konnte keinerlei Unterschied/Entwicklung von Evie feststellen, ja teilweise war sie mir als Erwachsene schon zu resigniert und in Selbstmitleid verfallen.
Ich muss sagen, dass ich meine Schwierigkeiten hatte, mir vorzustellen, dass es Ende der 60-iger Jahre 14-Jährige gab, die solche Gedanken hatten – vielleicht lag es aber auch am Schreibstil der Autorin, dass mir diese viel zu oft zu erwachsen waren.
Schade fand ich, dass wir nicht erfahren haben, was Evie so unsicher und zweifelnd gemacht hat.

Suzanne ist der augenscheinliche Gegenpol zu Evie: Selbstsicher, positiv gestimmt und voller Lebensenergie. Leider konnte ich mich für Suzanne gar nicht erwärmen. Sie blieb mir bis zum Schluss ein Rätsel: Hat sie so gehandelt, weil sie nicht anders konnte und von Russel abhängig war, oder war sie wirklich von der Lebensart auf der Ranch überzeugt und genauso kalt und berechnend wie Russel?
Und insgeheim war sie für mich der eigentlich schwache Charakter in der Geschichte.

Insgesamt waren es Charaktere zum Nachdenken, zum Mitfühlen. Aber leider konnte mich keiner richtig überzeugen.

Schreibstil


Die Geschichte wird abwechselnd in zwei Zeitfenstern erzählt. Zuerst befinden wir uns in der Gegenwart und kehren dann immer wieder zurück zu 1969. Emma Cline hat eine wunderschöne Sprache gefunden, die mich leider nur teilweise überzeugen konnte. Anfangs habe ich es genossen, endlich wieder ein anspruchsvolleres Buch zu lesen und hab mich in den geflügelten Worten verloren. Und genau das war es, was mich gegen Ende des Buches fast schon „genervt“ hat. Es gab keine Abwechslung und viele Sätze waren zu verschachtelt, die Vergleiche („Ich fühle mich wie….“) zu rhetorisch.
Mir ist insgesamt zu wenig passiert ist, die Gedanken und Handlungen sind zu sehr abgeschweift und haben sich in Details verloren, die nicht relevant für die Geschichte waren.
Auch musste ich viel Geduld aufbringen – im Laufe des Buches wird man in der Gegenwart immer wieder mit kleinen Hinweisen aufmerksam gemacht, was vielleicht passiert sein könnte. Aber die Frage, was genau und vor allem Warum wird erst sehr spät aufgelöst.

Fazit


Ein anspruchsvolles Buch, das ich teilweise genial fand, das mich aber auch zum anderen Teil nicht ganz überzeugen konnte aufgrund der Länge, die zum Schluss aufgekommen ist und der eigentlich wunderschönen Sprache, die mir auch gegen Ende „zuviel“ war.

Bewertung vom 04.07.2016
Der kalte Saphir
Düblin, Michael

Der kalte Saphir


ausgezeichnet

Inhalt (übernommen)

Nach Jahrzehnten des Schweigens gibt Sebastian Winter, einst Tontechniker der legendären Band "Klarstein" erstmals ein Interview. Die gefeierte Journalisten Jule Sommer hat die einmalige Chance, zu erfahren, was sich damals in der "Kommune des Schreckens" tatsächlich abgespielt hat. Im Berlin der späten 1970er Jahre war die Band um den charismatischen Sänger Jerome kometenhaft aufgestiegen. Nichts schien Klarstein aufzuhalten. Bis zu jener Nacht, in der Jerome erschossen im Tonstudio lag.
Sebastian Winter will reden. Doch was hat er zu erzählen - und was bezweckt er damit? Je weiter er die Reporterin in die Vergangenheit mitnimmt, desto beklemmender empfindet diese das Gespräch: Führt sie ein Interview oder nimmt sie eine Beichte ab? Ist Winter ein Zeuge oder gar ein Mörder?

Charaktere

Die Hauptcharakter machen Winter und Sommer aus (ist die Namensgebung Zufall? Will der Autor die Gegensätze der beiden unterstreichen?)
Jule Sommer überzeugt mit ihrem richtigen Riecher, ihrem Selbstbewusstsein und sie verlässt sich auf ihr Bauchgefühl. Eine durchaus sympathische Journalistin mit dem richtigen Biss, die aber auch Gefühl zeigen kann.
Sebastian Winter - der einstige Tontechniker entwickelt sich vom Jugendlichen, der die Welt erobern will, der manchmal etwas naiv seinen Weg geht und 34 Jahre später lernen wir ihn stark, einsam und gleichzeitig schwach kennen.
Die restlichen Mitglieder der Band, Jerome, Herb, Zed und Sven, spiegeln die Klischees einer Rockband wider: Jerome, der das Sagen hat, der von den weiblichen Fans angehimmelt wird. Herb, der Vernünftige, Zed, das einzige weibliche Mitglied der Band, die immer wieder zwischen den Männern vermitteln muss und auf der Suche nach der großen Liebe ist, und Sven der kaputte Alkohol- und Drogenabhängige.

Schreibstil

Michael Düblin gelingt es durch schnelle Perspektiven- und Ortswechsel, dass das Buch zu keiner Zeit langweilig wird. Man kommt trotzdem gut mit und kann der Geschichte/Chronologie folgen. Auch die Sprache konnte mich überzeugen. Genau die richtige Mischung aus Erzählen und direkten Gesprächen. Viele symbolträchtige rote Fäden ziehen sich durch die Geschichte, die den Leser zum Interpretieren und Nach- bzw. Mitdenken einladen. Und auch der ungewöhnliche Schluss rundet das Buch genau richtig ab.

Fazit

Hier hat alles gepasst: Plot, Charaktere, Sprache. Das Buch hat sich als Juwel entpuppt - mein bisheriges Lesehighlight in diesem Jahr.

Bewertung vom 17.04.2016
Liebe in Sommergrün
Wanner, Heike

Liebe in Sommergrün


gut

!!Achtung: enthält Spoiler!!

Inhalt (übernomen)

Sommer 1990: Die 22-jährige Kathrin Bahrenbeck versucht, die Gurkenfabrik ihres Vaters nach der Wende wieder zu einem Familienbetrieb zu machen. Ihr zuständiger Bankberater ist der 25-jährige Julian Albrecht, der aus Köln für den "Aufbau Ost" nach Lübbenau im Spreewald gekommen ist. Kathrin kann den vermeintlich arroganten Schnösel nicht leiden und mach sich widerwillig daran, mit seiner Hilfe einen Businessplan zu erstellen. Bis sie herausfindet, dass sich hinter der attraktiven, aber selbstgefälligen Fassade ein wirklich netter Mensch verbirgt.
Gerade als beiden klar wird, dass sie sich rettungslos ineinander verlieibt haben, reißt sie ein Schicksalsschlag auseinander.
Sommer 2015: 25 Jahre später treffen sich Kathrin und Julian zufällig bei einer Abendveranstaltung in Berlin. Kathrin hat das Erbe ihres Vaters angetreten und die Leitung der Gurkenfabrik übernommen. Julian lebt in Köln. Beide haben Familien gegründet, ein eigenes Leben aufgebaut - und beide trifft das plötzliche Wiedersehen wie ein Blitz...

Charaktere

Die beiden Hauptprotagonisten sind Kathrin und Julian. Kathrin lernen wir als junges Mädchen kennen, das sich nach der Wende auf ein glückliches Leben freut. Sie ist frech, unbeschwert, neugierig und hat einen Hang zu Liebesgedichten. Jahre später ist aus dem Mädchen eine starke Frau geworden: Sie hat ihre Ziele (fast) erreicht und lebt mit drei Töchtern und einer Enkelin auf dem ehemaligen Gutshof der Familie. Jedoch kann sie mich leider nicht erreichen. Sie ist mir zu "gut", immer noch zu vernünftig und manchmal etwas zu pubertär in ihrer Reaktion gegenüber Julian.

Julian - ein vor Selbstbewusstsein strotzender 25-Jährige - hat mit seiner Reaktion auf den Schicksalsschlag seine vermeintliche selbstgefällige Fassade verloren. Er hat mir manchmal leid getan, so in seiner Entscheidung verwurzelt zu sein müssen. Er hat sein Leben für andere gelebt, was ich ihm hoch anrechne.

Johanna, die älteste Tochter Kathrins und Felix, der Sohn Julians sind die beiden Nebenprotagonisten: Die beiden konnten mich in ihrer Handlung, ihrer Denkweise überzeugen. Leider ging mir auch hier alles zu glatt und war für mich vorhersehbar.

Schreibstil

"Liebe in Sommergrün" ist ein locker-leichter Roman, trotz seiner anfänglichen Schicksalsschläge. Eine tolle Liebesgeschichte, wobei ich nicht immer das Gefühl hatte, dass am Ende von zwei fast 50-Jährigen erzählt wurde. Die beiden waren mir nicht erwachsen genug. Die Geschichte und die Erzählweise überzeugte mich im ersten Teil - der Zweite war mir persönlich zu gerade, zu glatt gelaufen...
Auch hatte ich die Erwartung, dass die Gefühle, die Hoffnung zur Zeit nach der Wende besser in die Geschichte eingearbeitet wurden - leider überwiegt der Teil in der Gegenwart mehr. Außerdem fehlt mir komplett der Teil dazwischen. Wir hören 1990 auf und machen 2015 direkt weiter.
Positiv möchte ich die aktive Erzählweise erwähnen: Es wurde nicht nur erzählt, der Leser war bei den wichtigen Entscheidungen immer "im Gespräch" dabei.

Fazit

Ein locker-leichte Liebesgeschichte, die mich leider nicht ganz überzeugen konnte.

Bewertung vom 15.04.2016
Die Prinzessin von Arborio
Balàka, Bettina

Die Prinzessin von Arborio


ausgezeichnet

Inhalt (übernommen)

Elisabetta Zorzi kann sich eigentlich nicht beklagen. Sie gilt als beliebt, charmant, gutaussehend, und mit ihrem Restaurant, der Cantinetta Zorzi, feiert sie große Erfolge. Nur mit den Männern läuft es nicht so, wie sie es sich vorstellt: Die Verehrer sind zwar zahlreich, doch irgendwann stellt sich jeder von ihnen als Enttäuschung heraus. Und weil Zorzi keine Lust auf Beziehungskrisen und komplizierte Trennungen hat, zieht sie es vor, ihren jeweiligen Partner radikal aus ihrem Leben zu entfernen: drei missglückte Beziehungen, drei tote Männer.

Doch dann kommt der Kriminalpsychologe Arnold Körber Zorzi auf die Spur. Als Fachmann ist der fasziniert von Zorzis Verbrechen - und als Mann noch viel mehr von dieser außergewöhnlichen Frau. Nach vielen Vernehmungen muss er sich schließlich eingestehen: Er ist ihrem Reiz erlegen. Die Serienmörderin und der Profiler - ob diese Liaison ein gutes Ende nehmen kann?

Charaktere

Alles in allem kann man sagen, dass das Buch aus zwei Protagonisten besteht: Zorzi und Arnold Körber.
Zorzi wiederum übernimmt den Löwenanteil der Geschichte. Sie wird ausführlich gezeichnet - selten eine solch höfliche, zierliche und intelligente Mörderin erlebt. Man kann sich sofort in sie hineinversetzen, versteht ihre "Argumentation", ihr Handeln. Ja man denkt schon fast, die Männer haben es nicht anders verdient.
Auch Körber ist nicht so, wie man sich einen Profiler im eigentlichen Sinne vorstellt: Männlich, tätowiert, unkonventionell, mit lockeren Beziehungen.

Schreibstil

Bettina Balàka hat eine außergewöhnliche Sprache: mit viel Charme, Ironie und Witz schafft sie es, dass man das Buch kaum noch aus der Hand legen will. Der Schreibstil spiegelt herrlich Zorzi als Person wider: höflich, intelligent und lässt daneben auch genügend Raum, um selber nachzudenken, zu reflektieren: Ist Zorzi krank? Oder plant sie ihre Taten mit vollem Bewusstsein? Hat ihre Kindheit etwas damit zu tun? Und wieso findet sie ausgerechnet Körber attraktiv? Spielt sie mit ihm?
Fragen über Fragen, die am Schluss teilweise beantwortet wurden, teilweise nicht - was aber nicht wirklich schlimm war. So bleibt noch mehr Raum zum Nachdenken!

Fazit

Ein Buch, das man gelesen haben muss!

Bewertung vom 28.10.2015
Ein Koffer voller Hoffnung
Værøyvik, Sissel

Ein Koffer voller Hoffnung


sehr gut

(10)




"Meine liebe Rakel,

ich hoffe, dass dies seinen Weg zu dir findet, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, wo und wann auch immer das sein mag. Bewahre die Geschichte, die Deine Geschichte ist, unsere Geschichte, im Guten wie im Schlechten...."

Inhalt (übernommen)

Rakel ist noch ein Kind, als sie ihr gesamtes bisheriges Leben in Bratislava zurücklassen muss. Gemeinsam mit ihrem Bruder flieht sie vor den Nationalsozialisten quer durch Europa bis ins norwegische Bergen. Sie wird ihre Eltern nie wieder sehen. Von nun an ist sie ganz auf sich gestellt. Aber Rakel gibt nicht auf und kämpft für ihr Glück, für die Liebe und das Leben.
Viele Jahrzehnte später trifft sie in Norwegen Ella, eine junge Frau, die gerade ihre Eltern verloren hat. Rakel und Ella stehen sich näher, als beide anfangs ahnen. Nach und nach öffnet Rakel sich der jüngeren Frau, und zwischen den beiden entwickelt sich eine ganz besondere Freundschaft.

Charaktere

Es gibt zwei Hauptcharaktere: Rakel und Ella. Rakel lernen wir im hohen Alter als eine bestimmende und manchmal auch etwas resolute Frau kennen. Den Grund hierfür erfahren wir im Laufe des Buches: Als 6-jähriges Mädchen musste sie vor den Nazis flüchten und ihr blieb im Laufe ihres Lebens nichts anderes übrig, als entweder das Leben so zu akzeptieren, oder daran zu Grunde zu gehen. Früh schon musste sie Verantwortung auch für den etwas kränklichen älteren Bruder tragen und hatte immer wieder mit neuen Abschieden zu kämpfen. Alles in allem ein überzeugender und emotionaler Charakter, wobei sie mir als Kind manchesmal zu "erwachsen" war.

Ella kommt nach dem tragischen Verlust ihrer Eltern wieder zurück in die alte Heimat nach Bergen. Sie ist von einer kalten Atmosphäre nach New York geflüchtet und will die Formalitäten so schnell wie möglich hinter sich bringen. Ella ist eine sympathische 30-Jährige, die auf der Such nach sich selbst ist und endlich mit der Vergangenheit abschließen möchte. Ich hab sie gemocht - vor allem, wie sie sich unter dem Einfluss von Rakel zum Positiven verändert hat: Sie wurde emotionaler, offener und wurde dafür belohnt.

Auch die Nebencharaktere wie Ellas Tante Agnete, ihre beste Freundin Lili, als auch die Pflegefamilie von Rakel und ihre Freundinnen sind sehr liebevoll und detailreich gezeichnet.

Schreibstil

Der Roman spielt auf 2 Zeitebenen von 1938 bis 1974 (die Lebensgeschichte von Rakel) und in Bergen im Jahr 2009, wobei die Geschichte von Rakel den Hauptteil spielt. Die Geschichte von Rakel verfolgen wir als Beobachter in der Dritten Person und Ella´s Geschichte wird in Ich-Form erzählt. Diese Abwechslung hat mir gut gefallen.
Der Autorin ist ein angenehmer Schreibstil gelungen, der sich flüssig lesen lässt. Sie hat es verstanden, die Spannung zu halten. Ich wollte immer wissen, wie es weiter geht.
Auch der Schluss hat sich super in die Geschichte einfügt und hat gepasst.


Fazit

Ein toller Roman, der eine berührende Geschichte erzählt, die es - leider - zu Tausenden in der Zeit des 2. Weltkrieges gegeben hat. Trotzdem spielt hier die Geschichte die Hauptrolle und nicht der Krieg.

Bewertung vom 03.09.2015
Worte in meiner Hand
Glasfurd, Guinevere

Worte in meiner Hand


ausgezeichnet

!!Achtung enthält Spoiler!!

Inhalt (übernommen)

Hollands Goldenes Zeitalter, Amsterdam und seine wohlhabenden Bürger ziehen Künstler und Intellektuelle an. Auch das Haus, in dem die junge Helena als Magd beschäftigt ist, hat einen neuen Gast. Helena ist angewiesen, ihn nur "Monsieur" zu nennen. Es ist ein noch unbekannter Philosoph aus Frankreich, sein Name ist René Descartes. Von nun an ist das Haus erfüllt von der inspirierenden Präsenz des schreibenden Fremden. Er weckt in Helena einen Wissensdurst, der anderen bislang verborgen war, und er ist begeistert von ihrer Auffassungsgabe und ihrem Talent zu schreiben. Sie wiederum ist betört von seiner sanften Art und seiner oft überraschenden Sicht auf die Dinge.
Sie verlieben sich, was unmöglich ist.

Charaktere

Die Geschichte wird aus der Sicht von Helena erzählt: Eine junges 17-jähriges Mädchen, die von zu Hause weggeschickt wird und als Magd bei Mr. Sergeant eine Anstellung findet.
Wir dürfen sie acht Jahre lang auf ihrem Weg begleiten. Dieser ist voll von Arbeit und Zweifel, aber auch - als sie Descartes kennen lernt - voll von Gefühl und Wissensdurst. Helena entwickelt sich zu einer starken, selbstbewussten Frau, die weiß was sie will und auch mal gegen den Strom schwimmt.

René Descartes lernen wir als ruhelosen Wissenschaftler kennen, der sehr zurückgezogen mit seinem Limousin - seinem Diener - lebt. Erst als er Helena trifft, bekommt er eine andere Sicht auf manche Dinge , ja teilweise lernt er von ihr sogar alltägliche Dinge. Er setzt sich für sie ein, besorgt ihr Papier und Tinte und übt und vertieft mit ihr das Schreiben, das Helena von ihrem Bruder Thomas gelernt hat.
Als Helena schwanger wird, schickt er sie weg, kümmert sich aber darum, dass sie und ihr Kind trotzdem finanziell versorgt sind. Auch später, als die beiden dann versteckt an Rande des Meeres leben, glaube ich, dass es für Descartes das Maximum war, das er den beiden geben konnte, und dass er Helena wirklich geliebt hat - eben auf seine Art.

Schreibstil

Das Buch überzeugt mit einer tollen Sprache, die nicht zu "alt" (manchmal merkt man nicht einmal, dass man sich im Jahr 1632 ff befindet) und voller Poesie, tollen Wörtern und Sätzen ist. Ein feiner Humor hat mich manchmal schmunzeln lassen.
Auch holländische und französische Begriffe wurden manchmal benutzt: Die holländischen haben sich gut in das Erzählte eingefügt, allerdings waren mir die französischen zu viel: Ich musste öfters nachschlagen und war so aus dem Geschehen rausgerissen.

Fazit

Ein besonderes Buch mit einer besonderen Liebesgeschichte aus der Sicht Helena´s erzählt: Zugreifen!
Wer sich allerdings erhofft hat, Descartes näher oder besser kennen zu lernen, könnte vielleicht hier enttäuscht sein.

Bewertung vom 19.08.2015
Wintergäste / Familie Boysen Bd.1
Volks, Sybil

Wintergäste / Familie Boysen Bd.1


sehr gut

All das schwindelerregende Kommen und Gehen in unserer Familie begann mit einem angekündigten Tod und einem unangekündigten Sturm. Mond und Flut, Schnee und Sturm, Bruder und Schwestern, Geliebte und ungeborene Kinder trafen ohne Vorwarnung aufeinander. Über Nacht verwandelte sich unser Haus in eine Insel im Eismeer und unsere nichtsahnende Sippe in eine Gemeinschaft Schiffbrüchiger.“

Die Hauptprotagonisten spielen die vier Geschwister Enno, Gesa, Boy und Birte, die unterschiedlicher nicht sein können: Enno der ewig Vernünftige und Älteste der Vier, der sich für alle verantwortlich fühlt. Gesa, die erfolgreiche Gynäkologin, die ein Kind von ihrem Geliebten Matteo erwartet. Boy, der Wildfang, der sich von Niemanden was sagen lässt und seine Träume lebt. Und zuletzt Birte, die auf der Suche nach sich selber ist.
Toll ergänzt werden die Charaktere durch Kerrin, Enno´s Frau, die Haus und Familie zusammenhält und Jochen, Gesa´s Mann, der nichts weiter will, als seine Frau zurückzugewinnen. Toll fand ich auch Inka, die adoptierte Tochter von Enno und Kerrin: Eine pubertierende Jugendliche, die endlich erwachsen werden will.
Inge – die Mutter der Vieren und „von den Toten auferwacht“, spürt, dass ihr Tod doch näher ist, als sie möchte und will noch ihren letzten Willen und ihr Erbe klären.

Schreibstil
Sybil Volks überzeugte mit einem flüssig zu lesenden Schreibstil, der auf einer bildhafte Sprache basiert. Leider waren mir die Bilder und Vergleiche manchmal zu bildhaft.
Toll fand ich allerdings, dass es nicht den einen Hauptcharakter gab, der in Ich-Form erzählt hat, sondern dass man abwechselnd den Gedankengängen der vier Geschwister, sowie deren Ehepartnern und Inka folgen konnte. So wurde auch ab und zu die gleiche Szene aus zwei verschiedenen Blickwinkeln erzählt und die Erzählstränge haben gut ineinander gegriffen. Leider sind aber für mich am Schluss zwei kleine Fragen offen geblieben, auf die ich gerne eine Antwort gehabt hätte.

Fazit
„Wintergäste“ ist ein Roman, der die verschiedenen Facetten einer ganz normalen Familie mit deren Problemen beschreibt. Jedes Familienmitglied ist ein Individuum und wenn man sich die Mühe macht, den anderen verstehen zu wollen beziehungsweise mehr miteinander reden würde, stellt sich der Zusammenhalt wieder ganz von allein ein.