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Käthe

Bewertungen

Insgesamt 15 Bewertungen
12
Bewertung vom 27.06.2023
Bergleuchten
Seemayer, Karin

Bergleuchten


sehr gut

In dem Roman "Bergleuchten" führt uns die Autorin zurück in die Schweiz des 19. Jahrhunderts. Der Bau des gigantischen Eisenbahntunnels durch das Gotthard-Massiv ist das zentrale Thema um das herum sich die fiktive Liebesgeschichte von Helene, der Tochter des Fuhrhalters Franz Herger, und dem italienischem Mineur, Pierro Caretti, spinnt.
Der Roman folgt den 10 Jahren in denen der Tunnel gebaut wurde. Im Sommer 1872 begann der Tunnelbau, im Februar 1880 erfolgte der Durchlag, d.h. die beiden Röhren (von Süden und Norden kommend) trafen sich erfolgreich, sodass im Mai 1882 der Tunnel feierlich eingeweiht werden konnte.
Hier beginnt der Roman auch mit einem Prolog, um dann die Geschichte chronologisch aufzurollen.
Der Schwerpunkt des Geschehens findet auf der Nordseite des Tunnels, in dem kleinen Örtchen "Göschenen" statt. Die Beschreibungen des Tunnelbaus, die Arbeits- und Lebensverhältnisse der (vorwiegend) italienischen Bergarbeiter und die Konflikte und Probleme, die dieses Bauwerk verursacht hat, beruhen größtenteils auf gut recherchierten historischen Quellen dieser Zeit. Dies ist zugleich auch die große Stärke dieses Romans: Neben der ganz nett zu lesenden fiktiven "Liebesgeschichte" versteht es die Autorin den Bau des Gotthard-Tunnels zum einen als innovative und technologische Meisterleistung darzustellen, ohne dabei den Blick für die oft lebensbedrohliche Arbeit der Bergarbeiter zu verlieren. Die Frage nach Fluch oder Segen des Fortschritts war schon damals aktuell und ist bis heute ein zentraler Streitpunkt innerhalb aller modernen Gesellschaften geblieben.

Bewertung vom 23.05.2023
Das Licht im Rücken
Lüpkes, Sandra

Das Licht im Rücken


gut

Ich habe mich sehr auf das Buch gefreut: Fotografie und Zeitgeschichte, zwei meiner allerliebsten Themen. "Die Schule am Meer" von Sandra Lüpkes habe ich gelesen und konnte es kaum aus der Hand legen, die Erzählung hat mich echt gepackt. Der erste Blick ins Buch steigerte meine Vorfreude, im Klappeneinband Originalfotos der Firma Leitz und ausführliche Infos im Anhang. Und auch die Idee mit den Bildern als Aufschlagseite für die Kapitel im Innenteil gefällt mir total gut.
Leider hat mich der Roman an sich aber eher enttäuscht. Die Geschichte konnte mich einfach nicht packen, ich hatte nie das Gefühl immer weiter lesen zu müssen. Ich glaube, das liegt vor allem daran, dass Lüpkes immer dann einen großen zeitlichen Sprung macht, wenn die Story gerade an Fahrt aufnimmt. Wichtige Veränderungen und Einschnitte im Leben der Protagonisten werden dann erst im nächsten Kapitel - teilweise als Randbemerkung - in einer Rückblende erzählt.
Wie die Autorin im Anhang schildert, hat sie versucht die Geschichte der Familie (allen voran Elsie Leitz) anhand von Bild- und Textquellen zu rekonstruieren. Damit könnte zusammenhängen, dass eben nur diese "Abschnitte" erzählt werden und die z.T. sehr abrupten Übergänge erklären.
Gut getroffen ist hingegen die Zerissenheit der Figur der Elsie Leitz: Eine selbstbewusste, moderne Frau, die sich dennoch z.T. den Rollenerwartungen ihrer Zeit beugen muss und um die Liebe und Anerkennung ihres Vaters kämpft.

Bewertung vom 26.03.2023
Der Kuss des Kaisers
Neumeyer, Christine

Der Kuss des Kaisers


gut

Ein Kriminalfall im Wien um die Jahrhundertwende. Polizeiagent Pospischil ermittelt in einem Fall, der ihm (neben seinem Rückenleiden) auch noch Kopfschmerzen bereitet: Es gibt eine Leiche, aber der Kopf ist nirgends zu finden. Gleichzeitig laufen in der Nähe des Fundorts der Leiche, der Modernen Galerie des Schlosses Belvedere, die Vorbereitungen zur Präsentation eines neuen Gemäldes von Gustav Klimt. Pospischil und sein Mitarbeiter Frisch stehen vor Schwierigkeiten, denn das Schloss Belvedere ist die Residenz des Thronfolgers Franz Ferdinand und arrogante Staatsbeamte machen die schwierigen Ermittlungen nicht einfacher.
Immer wieder "wienern" die Protagonisten und ingesamt wird ein gutes Porträt der Menschen und dieser Zeit gezeichnet.
Insgesamt bleibt der "Fall" allerdings jedoch seltsam unspannend und die Charaktere sind mir an vielen Stellen zu oberflächlich ausgearbeitet. Deshalb ist mir das Buch als Krimi doch etwas zu langweilig und als Roman zu unausgereift.

Bewertung vom 27.02.2023
Wovon wir leben
Birnbacher, Birgit

Wovon wir leben


sehr gut

Julia lebt in einer Großstadt, mit all den Möglichkeiten, Ablenkungen und Freizügigkeiten, aber auch mit der Einsamkeit, der Hektik, dem Stress und den Unverbindlichkeiten. Ein kleiner Fehler katapultiert sie aus ihrem Job als Krankenschwester. Aber ist dieser Fehler vielleicht doch eher das Resultat eines "falschen" Lebens? Eine Lungenkrankheit, die ihr den Job und das Leben schwer macht, eine Affäre mit einem Arzt, die nur oberflächlich bleibt. Glücklich wirkt Julia nicht in diesem Leben.
Sie kehrt zurück in das kleine Dorf, in dem sie aufgewachsen ist, der Vater holt sie mit seinem alten Auto am Krankenhaus ab. Zurück im Dorf habe ich mich mehrfach gefragt, in welcher Zeit die Szenen spielen. Die Zeit scheint dort 50 Jahre still gestanden zu haben. Und doch ist es oft genau das, was man vielerorts noch in dörflichen Gegenden beobachten kann: Alte hierarchische Strukturen zwischen Mann und Frau, die "Weggezogenen" werden als eitel und eingebildet betrachtet, Akademiker sind sowieso suspekt. Andererseits findet Julia hier das, was ihr in ihrem städtischen Umfeld gefehlt hat: Eine Aufgabe, Liebe, frische Luft und die Stille der Natur.
Aber kann sie ihr Glück hier dauerhaft finden und festigen? Will sie so leben?
Ein gutes Buch, das zum Nachdenken anregt. Wie wollen wir leben? Was brauchen wir, was ist überflüssig? Einfach: Wovon wir leben

Bewertung vom 22.12.2022
Ginsterhöhe
Caspari, Anna-Maria

Ginsterhöhe


sehr gut

Das Buch "Ginsterhöhe" lässt sich gut an zwei langen Nachmittagen durchschmökern. Man begibt sich auf eine Zeitreise in das heute nicht mehr vorhandene Dorf "Wollseifen" inmitten des Nationalparks Nordeifel. Zusammen mit den Dorfbewohnern, allen voran Bauer Albert Lintermann, erlebt man die schwierigen Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg bis zu der Zeit der alliierten Besetzung Deutschlands.
Was mir sehr gut gefällt, ist die Beschreibung der Szenerie und der dörflichen Lebensweise zu dieser Zeit. Insgesamt entwirft die Autorin ein Zeitbild, das ich als sehr stimmig empfinde, wenngleich die Charakatere z.T. etwas platt und unausgereift erscheinen. Oft bleibt es bei einem "Gut-Böse / Schwarz-Weiß - Schema", vor allem zum Ende hin fehlt es der Geschichte und den Personen an Tiefe. Das ist sehr schade, denn der reale Ort, Wollseifen mit der NS-Ordensburg in unmittelbarer Nähe, bieten so viele Ansatzpunkte für eine genauere Annäherung mit der Thematik "Schuld und Verantwortung im Nationalsozialismus". Die NS-Ordensburg Vogelsang ist in dem Roman aber eigentlich nur ein Nebenschauplatz, die Rekrutierung und Indoktrination junger Männer wird hier nur kurz angerissen.
Trotzdem habe ich das Buch gerne gelesen, als Kind der Eifel freue ich mich über die vielen bekannten Orte, Redewendungen und Worte im Dialekt. Den nächsten Band werde ich auch auf jeden Fall lesen.

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