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takabayashi

Bewertungen

Insgesamt 49 Bewertungen
Bewertung vom 16.03.2018
Die Morde von Pye Hall
Horowitz, Anthony

Die Morde von Pye Hall


sehr gut

Krimi im Krimi
Die Cheflektorin des kleinen Verlages Cloverleaf Books richtet sich auf ein gemütliches Wochenende mit Krimi auf der Couch ein - zugleich Arbeit und Vergnügen! Es geht um den neusten Roman aus der Atticus Pünd-Reihe von Alan Conway, dem Star-Autor des Verlages.
Dieses Werk wird auch 1:1 abgedruckt, es handelt sich um einen typisch englischen Landhauskrimi im Jahre 1955 in einem kleinen englischen Dorf. Dorthin eilt als aufklärender Retter der aus Nazideutschland entflohene Privatdetektiv Atticus Pünd, der im Stile eines Hercule Poirot auf die Lösung des Falles hinarbeitet. Nur leider fehlen die abschließenden Kapitel des Romans! Was soll das? Susan ist mehr als frustriert. Auch im Verlag sind die fehlenden Seiten nicht auffindbar. Susan beginnt nun selbst Detektiv zu spielen, denn Alan Conway ist an just diesem Wochenende aufgrund einer unheilbaren Krankheit aus dem Leben geschieden. Oder war es doch kein Selbstmord?
Besonders gefallen hat mir, dass der fiktive Krimi genauso aufgemacht ist, wie ein echtes Buch mit Informationen zum Autor und vielen lobenden Pressezitaten. Dem Autor ist es gelungen, diese zwei Krimis geschickt miteinander zu verbinden. Beide Krimis sind spannend, aber den "tatsächlichen" Krimi fand ich noch spannender als den fiktiven. Beide Krimis hängen eng miteinander zusammen, denn der Autor Alan Conway hat sehr viele Personen aus seinem Umfeld als Vorlage für seine Romanfiguren benutzt, so dass Susan durch die Lektüre immer wieder wichtige Hinweise bekommt.
Dieser Krimi mit Witz und Ironie ist auch eine Abrechnung mit Buchhandel und Verlagswesen, die Horowitz hier kritisch unter die Lupe nimmt. Sein Krimiautor fühlt sich eigentlich zu Höherem berufen, Krimis zu schreiben war nicht sein Lenbensziel. Ob das Herrn Horowitz auch so geht? Hoffentlich nicht, so dass er uns noch mit vielen weiteren Krimis Lesevergnügen bereitet.
Ein spannender und gleichzeitig amüsanter Krimi, der zum Ende hin geradezu "unputdownable" wird. Für Liebhaber klassischer Krimis á la Agatha Christie oder Sherlock Holmes ein absolutes Muss!

Bewertung vom 07.03.2018
Die Affäre Carambol (Goethe und Schiller ermitteln)
Lehnberg, Stefan

Die Affäre Carambol (Goethe und Schiller ermitteln)


sehr gut

Schillers und Goethes kurzweilige Abenteuer in Franckfurth
Ein netter Einfall! Die deutschen Dichterfürsten werden bei ihrem Franckfurth-Besuch gebeten, dem Stadtrat bei der Aufklärung von 2 Todesfällen zu helfen, die im Zusammenhang mit dem angespannten Verhältnis zwischen der Stadt und Napoleon Bonaparte stehen - viel diplomatisches Geschick ist vonnöten, um den Ausbruch eines Krieges zu verhindern. Nach anfänglichem Widerstreben stürzen sich die beiden recht draufgängerisch in die Ermittlungen und geraten immer wieder in große Gefahr dabei. Krimi, Mantel- und Degen-Roman, Spionage-Thriller - von allem ein bisschen. Schiller verkörpert die Rolle des schreibenden Dr. Watson, Goethe die des genialischen Sherlock.
Einband und Schriftbild sind betont altertümlich gehalten, aber nur in einem Maße, das den Lesefluss nicht stört; nur für die Überschriften wird ein historisierender, verschnörkelter Schrifttyp benutzt, die Schreibweise der Wörter ist auch ein wenig der Goethezeit angepasst, aber in einer Weise (statt "ei"steht häufig "ey", statt "k" einige "c"s und "ck"s), an die man sich schnell gewöhnt und die das Verständnis nicht beeinträchtigt.
Die Schilderung der Abenteuer ist sehr witzig und humorvoll (einige Eigenheiten und Eitelkeiten der beiden Dichter offenbaren sich) und vor allem wirklich spannend. Ein unterhaltsames und kurzweiliges Lesevergnügen. Die bibliophile Aufmachung des Leinenbändchens mit Goldprägung macht es zu einem idealen Geschenkbuch!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.03.2018
Wenn Martha tanzt
Saller, Tom

Wenn Martha tanzt


sehr gut

Ein Leben im 20. Jahrhundert
Ein junger Mann fliegt im Jahr 2001 nach New York, um das höchst wertvolle Notizbuch seiner Urgroßmutter (Martha) bei Sotheby's versteigern zu lassen. Denn darin befinden sich neben Marthas Notizen bislang unbekannte Skizzen und Zeichnungen von Feininger, Klee, Kandinsky und anderen Bauhaus-Künstlern. Der junge Mann will mehr über seine Urgroßmutter erfahren, nachdem er zufällig dieses Notizbuch entdeckt hatte. Er hat viel recherchiert, aber über ihre Kindheit weiß er so wenig, dass er die Lücken mit Hilfe seiner Fantasie füllen muss.
Die Geschichte ist durch wechselnde Zeitebenen spanned aufgebaut. In Rückblenden lernen wir Marthas Familie kennen, erleben ihre Kindheit, die Zeit ihrer Ausbildung am Bauhaus, in der sie den Ausdruckstanz für sich entdeckt, ihr Leben mit ihrer Tochter Hedi zu Hause in Pommern, nahe der polnischen Grenze, denn Beginn der Nazi-Zeit, Krieg und Flucht. Dazwischen immer wieder der Urenkel in New York. Das Notizbuch wird für eine extrem hohe Summe versteigert und anschließend erhält er eine Einladung von der anonym bleibenden alten Dame, die das Notizbuch ersteigert hat.
Das Buch bietet ein spannendes Kaleidoskop des 20. Jahrhunderts am Beispiel eines Einzelschicksals. Das Geschehen am Bauhaus wird sehr lebendig geschildert. die allmähliche Ausbreitung der deutschnationalen Gesinnung und schließlich der 2. Weltkrieg und tragische Flüchtlingsschicksale. Die Geschichte nimmt mehrere unerwartete, ja wirklich überraschende, Wendungen und vermag durchgehend zu fesseln. Nur, dass der Autor auch noch den 9. September ins Spiel bringen musste, fand ich etwas zu viel des Guten! Allerdings passt es in gewisser Weise ganz gut, sozusagen als Abschiedsfanfare für das scheidende 20. Jahrhundert ...
Mit der Figur der Martha ist ein sehr interessanter Charakter entstanden, eine Frau, die ihrer Zeit voraus war. Ich fand den Roman sehr unterhaltsam, interessant und spannend.

Bewertung vom 27.02.2018
Aisha / Kommissar Steen Bd.4
Stein, Jesper

Aisha / Kommissar Steen Bd.4


gut

Brutale Rache
Die titelgebende Aisha steht zwar irgendwie schon im Zentrum des Geschehens, taucht aber erst nach ca. zwei Dritteln im Roman auf.
Dies ist der vierte Band einer Serie, die anderen Bände kenne ich nicht, das stört aber nicht weiter, denn man erfährt hier auch eine Menge zu Kommissar Axel Steens Vorgeschichte - ein wahrhaft vom Schicksal gebeutelter Mann, der sich in den letzten eineinhalb Jahren von einer schweren Schussverletzung erholt hat, die er sich während eines traumatischen Falles zugezogen hat; er hat ein Alkohol- und Cannabis-Problem, eine geschiedene Frau, die er immer noch liebt (oder doch nicht mehr?) und eine kleine Tochter, die sich permanent Sorgen um ihn macht. Das mit dem Alkohoproblem hat er zu Beginn des Romans einigermaßen im Griff und eine neue Liebe zu Kollegin Henriette spendet etwas Trost. Allerdings arbeitet sie für PET, den dänischen Geheimdienst, und ihr Chef Jens ist Axels Rivale und Nachfolger bei seiner Ehefrau, jedoch ist er mittlerweile auch von ihr getrennt. Bei Axels erstem Fall nach seiner Rekonvaleszenz geht es um den Mord an einem ehemaligen PET-Mann, der zuletzt als Sicherheitschef einer Firma arbeitete. Und natürlich kommen Polizei und PET sich in die Quere, die PET-Leute mit ihrer ewigen Geheimniskrämerei behindern Axel ständig bei der Arbeit, was auch zu Konflikten mit Henriette führt. Offensichtlich besteht eine Verbindung zu einer Aktion des PET vor 4 Jahren, bei der es um die Verhinderung eines islamistischen Terror-Anschlags ging. Und es gab eine eher illegale Zusammenarbeit des PET mit der CIA. Während Axel dieses Knäuel zu entwirren sucht, wird ein weiterer Toter gefunden, auch ein ehemaliger PET-Mitarbeiter, der mit dem damaligen Fall zu tun hatte.
Spannend, aber doch etwas zu ausufernd, das zog sich manchmal ganz schön in die Länge, erst im klimaktischen Finale wird die Spannung noch einmal angezogen. Nicht schlecht, flüssig geschrieben unter Verarbeitung vieler aktueller Themen, konnte mich aber dennoch nicht ganz überzeugen - ich habe diese skandinavischen Problem-Cops einfach etwas über!

Bewertung vom 16.02.2018
Der Mann, der nicht mitspielt / Hardy Engel Bd.1
Weigold, Christof

Der Mann, der nicht mitspielt / Hardy Engel Bd.1


ausgezeichnet

Atmosphärischer und spannender Krimi aus dem Hollywood der 20er Jahre
Ein dicker Schinken, aber keine Sekunde langweilig!
Hardy Engel, ein deutscher Einwanderer aus Mannheim, versucht im Jahr 1921 in Hollywood sein Glück als Schauspieler. Aber außer kleineren Statistenrollen hat er noch nichts an Land ziehen können. Der Ex-Polizist und Kriegsveteran braucht dringend eine Einnahmequelle und bietet daher seine Dienste als Privatdetektiv an.
Ein hübscher Rotschopf namens Pepper heuert ihn an, um ihre verschwundene Mitbewohnerin Virginia zu suchen. Und schon steckt Hardy ganz tief drin im Hollywood-Sumpf - nichts ist wie es scheint, es wird gelogen, vertuscht, gehurt, gesoffen (trotz oder gerade wegen der Prohibition), gekokst, vergewaltigt und gemordet ... Harvey Weinsteins Vorläufer waren auch nicht besser!
In der damaligen, noch relativ jungen, Filmindustrie wimmelt es von Einwanderern, viele Deutsche, aber noch mehr Osteuropäer dominieren die Szene.
Der sympathische Protagonist Hardy findet die junge Frau, die er suchen soll, kurz darauf ist sie jedoch tot. Außerdem gibt es im Umfeld des Falles drei weitere Tote. Hardy verbeißt sich in den Fall, bekommt Ärger mit den Vertretern einiger Filmstudios, lässt sich von einem tollen Job als Sicherheitschef bei Universal ködern, um schlussendlich festzustellen, dass Korruption ihm einfach nicht liegt und sein Bedürfnis, die Wahrheit aufzudecken, größer ist als sein Wunsch nach einem komfortablen Leben.
Spannend geschrieben und gut recherchiert, zeichnet der Autor ein authenthisch wirkendes Bild der damaligen Zeit. Als bekennende Cineastin hatte ich viele Aha-Erlebnisse und habe mich bestens unterhalten gefühlt, denn dieser Krimi ist ganz großes Kino. Ich habe ihn ziemlich schnell verschlungen und freue mich auf den zweiten Band!

Bewertung vom 23.01.2018
Das Lied der toten Mädchen / Jan Römer Bd.3
Geschke, Linus

Das Lied der toten Mädchen / Jan Römer Bd.3


sehr gut

Spannende Spurensuche in einem zwanzig Jahre alten unaufgeklärten Fall
Das Buch ist der dritte Band einer Serie, lässt sich aber auch ohne Kenntnis der ersten Bände gut und ohne Verständnisprobleme lesen.
Der Journalist Jan Römer ist ein sympathischer Protagonist, der mit privaten Problemen zu kämpfen hat (Ex-Frau, Sorgerecht für den elfjährigrn Sohn) und sich beruflich mit unaufgeklärten Kriminalfällen beschäftigt. Seine Kollegin "Mütze" hat einen interessanten 20 Jahre alten Fall ausgegraben, den sich die beiden genauer vornehmen wollen. Eine Neunzehnjährige in einem roten Kleid war 1997 in einem abgelegenen Waldstück im Sauerland tot aufgefunden worden und eine neben ihr liegende Spieluhr spielte "Hush, Little Baby". Der Täter konnte nie gefunden werden.
Die beiden Journalisten beginnen ihre Recherchen im Umfeld der Toten, sprechen unter anderem mit der Mutter, einem Lehrer, dem Exfreund und 2 Freundinnen der Toten und stoßen auf einen erstaunlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit des Verfassungsschutzes. Und am Ende gelingt es ihnen tatsächlich, diesen "cold case" aufzuklären.
Sehr spannend und sehr überzeugend, wie die beiden sich Schritt für Schritt an die Auflösung heranarbeiten und auch immer wieder falsche Schlüsse ziehen. Man lässt sich auch als Leser immer wieder auf falsche Fährten locken, der Ausgang ist nicht vorhersehbar und kam für mich völlig überraschend. Ein ungewöhnlicher Krimi, der die Spannung bis zum Ende aufrechterhalten kann.

Bewertung vom 09.01.2018
Olga
Schlink, Bernhard

Olga


gut

Konnte nicht durchgehend fesseln!
Ein Buch, das in drei - recht unterschiedliche - Teile geteilt ist. Im ersten Teil lernen wir die Titelfigur Olga als Kind kennen. Zeit: Irgendwann in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts. Sie kommt aus einer armen Familie und wächst zunächst in Breslau, später dann, nach dem frühen Tod der Eltern, bei ihrer Großmutter in Pommern auf. Dort verbindet sie bald eine Freundschaft mit Herbert und Viktoria, den Kindern des wohlhabendsten Mannes des Ortes. Olga und Herbert werden beide ausführlich beschrieben, aber auf eine irgendwie distanzierte Weise. Olga ist extrem lernbegierig und wissensdurstig, Herbert liebt die Weite des Landes, er geht nie, er rennt immer. Die beiden verlieben sich ineinander, aber Herberts Eltern, die Olga in Kindheitstagen als Spielkameradin geduldet hatten, könnten sie nie als Herberts Ehefrau akzeptieren. Außerdem ist Olga sehr beschäftigt damit, ihre Ausbildung zur Lehrerin abzuschließen und Herbert gibt seinem Bewegungsdrang nach und unternimmt Reisen und Expeditionen in unterschiedliche Teile der Welt. Trotzdem verbindet die beiden eine innige Beziehung und sie verbringen so viel Zeit wie möglich miteinander.
Am Ende des ersten Teils wird klar, wer der Erzähler ist, nämlich ein Mann, in dessen Familie Olga später als Näherin gearbeitet hat. Damit beginnt der zweite Teil, in dem der Mann - damals noch ein Kind - über seine Beziehung zu Olga (für ihn zuerst noch "Fräulein Rinke") bis zu ihrem Tod als Neunzigjährige berichtet. Er weiß viel über Olga, aber es bleiben doch Geheimnisse, die ihm keine Ruhe lassen. Dann, im dritten Teil, gelingt es ihm, alte Briefe von Olga an Herbert zu finden und nun hören wir endlich Olga selbst sprechen. Dieser Teil ist erheblich emotionaler und die Puzzleteile fügen sich für den Leser zusammen.
Natürlich kann Bernhard Schlink gut schreiben, keine Frage. Aber obwohl es sich um durchaus interessante Lebensgeschichten vor dem Hintergrund von fast 100 Jahren deutscher Geschichte handelt, kamen die Figuren mir nicht nahe. Dies ist kein Buch, das ich nicht aus der Hand legen konnte, im Gegenteil, beim Mittelteil habe ich irgendwann eine Pause eingelegt und zwischendurch einen Krimi gelesen ... Erst im letzten Teil des Romans wurde ich emotional involviert, da hat mich das Buch gepackt, und ich konnte Anteil nehmen am Schicksal dieser Frau. Der Roman ist nicht schlecht, aber insgesamt doch etwas unbefriedigend.

Bewertung vom 13.11.2017
Dunkel Land / Carl von Wuthenow und Verena Hofer Bd.1
Hill, Roxann

Dunkel Land / Carl von Wuthenow und Verena Hofer Bd.1


gut

Ungewöhnliches Ermittlerteam in nicht ganz stilsicherem Krimi
Das ist doch einmal ein ungewöhnliches (und zuerst eher unfreiwilliges) Ermittlerteam: Der aus adliger Familie stammende Profiler, der aufgrund einer Schussverletzung Probleme mit seinem Kurzzeitgedächtnis hat und die junge Literaturwissenschaftlerin in Geldnöten, die gerade Adoptivmutter für die Tochter ihrer verstorbenen Schwester geworden ist, von ihrem Partner verlassen wurde, ihren Unijob verloren hat und als "Kindermädchen" für den Adelsspross eingestellt wurde. Wobei sie Kindermädchen wörtlich verstanden hatte und nicht darauf gefasst war, einen Erwachsenen zu betreuen. Und auch nicht darauf, mit ihm einen gräßlichen Mordfall aufzuklären ...
Der Prolog hätte mich warnen sollen - ich hasse die in letzter Zeit bei zahlreichen Autoren immer populärer werdende Angewohnheit, den Täter selbst sprechen zu lassen! Außerdem handelt es sich um extrem grausame Morde im Berliner Strichermilieu. Ansonsten kommt der Krimi allerdings eher cosymäßig daher, ja hat sogar eine Tendenz zur Liebesschmonzette. Verena Hofer ist hin und weg, als sie zum ersten Mal in Carl von Wuthenows violette (!) Augen schaut.
Ich hatte gemischte Gefühle bei der Lektüre, die anfängliche Begeisterung legte sich allmählich. Das Setting (Gut Wuthenow in Brandenburg) und die Ausgangslage fand ich ganz spannend, auch die übrigen Protagonisten (die Angestellten in Wuthenow, Kommissar und Staatsanwältin) ganz interessant, die Verbrechen waren mir für einen Cosy-Krimi zu grausam (perverse Serienmörder versuche ich zu meiden), die Interaktion der Protagonisten untereinander hatte etwas zu wenig Konflikte und die Verdächtigen kamen aus der Klischeekiste. Alles in allem bin ich hin und hergerissen, werde aber dem sympathischen Ermittlerduo noch eine zweite Chance geben, wenn (falls?) die Serie fortgesetzt wird.

Bewertung vom 12.11.2017
Kreuzschnitt / Bogart Bull Bd.1
Borge, Øistein

Kreuzschnitt / Bogart Bull Bd.1


sehr gut

Der Kommissar, der mit Vornamen Bogart heißt
Bogart Bull, Ermittler bei der Kripo Oslo, hat eine schwere Zeit hinter sich - seine Frau und seine Tochter sind von einem jungen Vergewaltiger aus steinreicher Familie, den Bull überführt und ins Gefängnis gebracht hatte, vorsätzlich angefahren und getötet worden. Daraufhin hatte er sich in den Alkohol geflüchtet, hatte sich dann aber von den vereinten Kräften seines Vaters und seiner Chefin zu einer Entziehungskur überreden lassen. Nun verordnet ihm seine Chefin ein neues Betätigungsfeld: er soll bei einem Projekt von Europol mitarbeiten, bei dem es darum geht, die örtliche Polizei zu unterstützen, wenn es um Mordfälle an Ausländern geht.
Mittlerweile ist in Südfrankreich der außerordentlich vermögende norwegische Geschäftsmann Axel Krogh in seiner Villa ermordet und geschändet aufgefunden worden. Außer einem unsignierten Bild von Edvard Munch scheint nichts zu fehlen, die anwesenden Freunde und Familienmitglieder haben alle ein Alibi.
In Rückblenden in das Jahr 1943, in denen es um deutsche Besatzer und Mitglieder der französischen Résistance geht, erschließt sich dem Leser allmählich, dass es einen Zusammenhang zwischen dem heutigen Verbrechen und den damaligen Geschehnissen geben muss.
Eine noch weiter zurückliegende Erzählebene erklärt die Entstehung und Geschichte des Munch-Bildes, das während eines Sommeraufenthaltes - heute würde man sagen Workshop - von Matisse, Munch und 5 anderen Malern gemalt wurde.
Kommissar Bull uns sein französischer Partner werden relativ schnell miteinander warm und arbeiten sehr gut zusammen, doch letztendlich ist es Bull, der die entscheidenden Erkenntnisse hat.
Sehr locker und gut geschriebener, und, auch wenn der Ermittler ein eher tragisches Schicksal hat, tendenziell amüsanter Krimi aus Norwegen, nicht so düster und schwerblütig wie skandinavische Krimis sonst oft sind. Gute, knappe Charakterisierungen der auftretenden Personen, die größtenteils sympathisch wirken. Sehr spannende Geschichte, deren Auflösung bis zum Ende nicht vorhersehbar ist. Falls Kommissar Bull noch weitere Fälle aufklären sollte, werde ich ihn mit Sicherheit dabei begleiten.

Bewertung vom 06.11.2017
Ein Gentleman in Moskau
Towles, Amor

Ein Gentleman in Moskau


ausgezeichnet

Wunderbar!
Graf Alexander Iljitsch Rostov, der Verfasser des Gedichts "Wo ist es jetzt", wäre wohl als Angehöriger der adligen Klasse standrechtlich erschossen worden, wenn er nicht als Urheber jenes Gedichts von einigen hohen Funktionären als Held der vorrevolutionären Zeit geschätzt würde, so dass das Notstandskomitee des Volkskommissariats ihn stattdessen zu lebenslangem Hausarrest im Hotel Metropol verurteilt. Allerdings muss er seine bisher bewohnte Suite verlassen, in ein winziges Dachkämmerchen umsiedeln und muss sich aus Platzmangel von diversen Besitztümern verabschieden. Gleichwohl nimmt dieser russische Gentleman die Veränderungen seiner Situation gelassen hin und feiert sein Überleben mit einigen Hotelangestellten und seinen letzten zwei Flaschen Cognac in seinem schäbigen Kämmerchen. Immerhin hat er einen Attachékoffer mit 52 Gläsern retten können.
Erst am nächsten Morgen wird ihm vollends bewusst, wie eingeschränkt sein Lebensraum in Zukunft sein wird.
»Mein Roman erzählt von Gefangenschaft und Widerstand, von Bildung, Höflichkeit und Integrität. Und von der Bestimmung, die jeder für sich finden muss.« beschreibt der Autor Amor Towles sein Werk.
Der Graf versteht es, ohne Murren sein Schicksal anzunehmen und mit einigem Erfindungsreichtum das beste daraus zu machen. Er darf das Hotel nicht mehr verlassen, doch die Welt kommt zu ihm. Späterhin beginnt er als Kellner im eleganten Hotelrestaurant zu arbeiten und bildet mit Emile dem Chefkoch und Andrei dem Maitre d'hotel ein einflussreiches Triumvirat, die Seele des Restaurants. Die beiden so wie auch Marina die Näherin werden ihm zu guten Freunden.
Zu Beginn des Romans 1922 ist Alexander Anfang 30, am Ende 1954 ist er Mitte 60.
Die Nutzung des Hotels und die Besucher des Restaurants spiegeln den Verlauf der jüngeren russischen Geschichte. Ein alter Freund sagt einmal zu Alexander, dass er wohl der glücklichste Mensch in ganz Russland sei. Und tatsächlich hat er trotz der Einschränkungen ein erfülltes Leben geführt. Zwei kleine Mädchen haben viel Raum in seinem Leben eingenommen: erst Nina, die mutterlos mit ihrem Vater im Hotel lebt und Alexander in die Welt hinter den Kulissen des Hotels einführt. Nina wächst heran und verschwindet wieder, kommt aber eines Tages zurück und vertraut ihm ihre Tochter an, die er dann wie seine eigene Tochter aufzieht.
Towles erzählt diese Geschichte mit leiser Ironie und feinem Humor ohne durchgehenden Handlungsfaden, in vielen liebevoll geschilderten Episoden voller Atmosphäre. Der Graf ist mir ans Herz gewachsen, eine rundum sympathische Figur, dessen Jahre im Hotel Metropol ich mit großem Lesevergnügen verfolgt habe. Am Ende des Romans erwartet den Leser noch ein Paukenschlag, der ihn beglückt und zufrieden zurücklässt - und mit leichtem Bedauern darüber, dass das Buch schon zu Ende ist. Für mich einer der schönsten Romane seit langem!