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m.curie

Bewertungen

Insgesamt 23 Bewertungen
Bewertung vom 23.07.2021
Julius oder die Schönheit des Spiels
Saller, Tom

Julius oder die Schönheit des Spiels


ausgezeichnet

Lesehighlight!

Eins vorneweg, ich spiele weder Tennis noch interessiere ich mich besonders dafür. Das ist aber auch keine Voraussetzung, um das Buch gut zu finden, geschweige denn, es zu lesen.

Tom Saller wechselt gekonnt zwischen zwei Ich-Erzählern und mehreren Zeitebenen. So lässt er abwechselnd einen "alten Mann" und Julius von Berg zu Wort kommen. Beide waren in den 1930-er Jahren Rivalen beim Tennis - und sowas wie Freunde.

Diese Sprünge in der Erzählperspektive bauen Spannung auf und erzeugen eine Lebendigkeit, der man sich kaum entziehen kann. Ein Übriges tun die bildhafte Sprache und der ganz eigene Erzählstil des Autors. Nur zu gut kann man sich die Partys und das wilde Leben in diesen Kreisen vorstellen und wähnt sich fast schon mittendrin. Die Schilderung des Wimbledon-Finales 1937 ist so mitreißend, dass man als Leser*in atemlos folgt und das Match vor seinem inneren Auge sieht. Die Gefühle von Bergs werden mit jedem weiteren Ballwechsel deutlicher spürbar.

Tom Saller ist es gelungen, durch Vermengung von Tatsachen und Fiktion einen atmosphärischen Roman über einen legendären Tennisspieler zu schreiben, ohne die Nazizeit übermäßig in den Vordergrund zu stellen, aber das bedrückende Klima von damals trotzdem einzufangen.

Für mich ein absolutes Lesehighlight!

Bewertung vom 21.06.2021
Im Reich der Schuhe
Wise, Spencer

Im Reich der Schuhe


sehr gut

Unterhaltung mit Anspruch
Spencer Wise lässt in seinem Debütroman "Im Reich der Schuhe" den 26-Jährigen Alex Cohen als Ich-Erzähler zu Wort kommen und von seinem Leben als Sohn eines Schuhfabrikanten in China berichten. Sein übermächtiger Vater Fedor hält nicht sonderlich viel von ihm und herrscht über ihn und alle anderen wie ein Tyrann. Fedors Wort ist Gesetz. Auch Alex darf keine eigene Meinung haben, geschweige denn selbständig handeln. Dann lernt er Ivy kennen, eine Angestellte seines Vaters, die das Massaker am Tian'anmen-Platz damals erlebt hat und ihn in eine andere Welt - das wirkliche China wie es Hunderte von Millionen Chinesen tagtäglich erleben - mitnimmt. Sie lässt ihn die Sorgen und Nöte der Menschen hautnah erfahren. Durch sie bekommt er auch eine Ahnung davon, was es bedeutet, gegen ein totalitäres System aufzubegehren.

Der Autor hat selbst schon in einer Schuhfabrik in China gearbeitet und weiß, wovon er schreibt. Manches ist unvorstellbar für unser westliches Empfinden, und ich bin froh, diese Reise in ein exotisches Land von meinem sicheren Leben aus antreten zu können.

Anfangs hatte ich etwas Schwierigkeiten in die Geschichte reinzukommen, aber dann fiel es mir schwer, das Buch zur Seite zu legen. An mancher Stelle war ich atemlos vor Spannung, an manch anderer einfach nur fassungslos ob der Lebensumstände und des geringen Werts eines Menschenlebens in China.

Spencer Wise gelingt es, gute Unterhaltung mit Anspruch zu kombinieren, ohne allzu schwere Kost zu servieren. Klare Leseempfehlung für alle, die sich für fremde Länder, die politische Situation und die Lebensumständen dort interessieren und nicht nur von einer schönen heilen Welt lesen wollen.

Bewertung vom 28.04.2021
Das Mädchen im Nordwind
Baldvinsson, Karin

Das Mädchen im Nordwind


sehr gut

Karin Baldvinsson verwebt in ihrem Roman "Das Mädchen im Nordwind" gekonnt zwei Handlungsstränge, die zu zwei unterschiedlichen Zeiten spielen, sich über zwei Orte erstrecken und schließlich in Island zusammenfinden.

Luise, eine junge Jüdin, lernt 1936 in ihrer Heimatstadt Lüneburg den Isländer Jónas kennen, der in Deutschland studiert. Die beiden verlieben sich ineinander und planen über alle Hindernisse hinweg eine gemeinsame Zukunft und ihre Flucht nach Island. 2019 findet Sofie Luises Tagebuch als sie ein Haus in Island restauriert.

Der Klappentext hat mich sofort angesprochen. Als großer Islandfan habe ich mich gefreut, auf eine Reise dorthin mitgenommen zu werden. Der Autorin ist es sehr gut gelungen, die isländische Lebensart und das Lebensgefühl zu vermitteln. Sie schafft mit Sofies Geschichte einen schönen Rahmen für Luises Erlebnisse, der einen erfreulichen Kontrast zum ernsten Thema Judenverfolgung im Dritten Reich bildet.

Die Handlung ist teilweise etwas vorhersehbar, dies macht das Buch aber trotzdem nicht langweilig. Durch die abwechselnd in der Vergangenheit und Gegenwart handelnden Kapitel, die an der richtigen Stelle enden, baut sich eine Spannung auf, die es mir schwer machte, das Buch zur Seite zu legen. Alles in allem ein rundum gelungener Roman, den ich gerne weiterempfehle!

Bewertung vom 14.04.2021
Das Einstein-Mädchen
Sington, Philip

Das Einstein-Mädchen


gut

Ich bin sofort in das Buch "Das Einstein-Mädchen" von Phillip Sington eingetaucht. Der Erzählstil ist flüssig und leicht zu lesen.

Die Geschichte spielt in Berlin im Jahr 1932. Hauptschauplatz ist die psychiatrische Abteilung der Charité. Dr. Martin Kirsch, der dort als Psychiater tätig ist, ist verschwunden. Seine Verlobte macht sich auf die Suche nach ihm. In einer Rückblende wird seine Geschichte erzählt. Er wird behandelnder Arzt einer Frau, die in der Nähe von Albert Einsteins Sommerhaus fast nackt gefunden wurde. Sie leidet unter Amnesie und hatte nur einen Zettel mit einer Ankündigung eines Vortrags von A. Einstein dabei. Deshalb wird sie das Einstein-Mädchen genannt.

Es wird eine ganze Menge über psychische Krankheiten, Vererbung, Rasse, usw. erzählt. Für meinen Geschmack etwas zu viel. Die darüber hinausgehende politische Situation wird nur soweit angesprochen, wie nötig, um die Atmosphäre zu beschreiben. Das gefällt mir sehr gut, es gibt schon genügend Bücher die sich mit Nazideutschland beschäftigen.

Wie der Titel des Buches schon vermuten lässt, wird auch auf die physikalischen Theorien von A. Einstein eingegangen, allerdings nur sehr kurz und oberflächlich, genau richtig, um dem Roman das nötige Flair zu geben.

Der Erzählstil zeichnet sich durch deutliche Sprünge zwischen den Erzählsträngen aus. Dies erzeugt Tempo und Spannung. Allerdings werden nicht alle zu Ende gebracht. Dadurch entsteht der Eindruck, dass die ganze Geschichte nicht völlig durchdacht ist.

Mein Fazit: Das Buch ist spannend und unterhaltsam. Reale Personen (Einstein, von Laue) und reale Begebenheiten werden mit Fiktion verknüpft. Dies macht die Geschichte lebendig, aber nicht zu anspruchsvoll. Als Lektüre zur Entspannung zu empfehlen!

Bewertung vom 14.04.2021
Goldstein / Kommissar Gereon Rath Bd.3
Kutscher, Volker

Goldstein / Kommissar Gereon Rath Bd.3


ausgezeichnet

Wie bei den ersten beiden Fällen von Gereon Rath, gelingt es Volker Kutscher auch dieses Mal wieder, einen sehr spannenden und atmosphärischen Krimi zu schreiben. Ich wurde sofort ins Berlin der 30er Jahre eingesogen und sah förmlich die Leute entsprechend der damaligen Mode gekleidet vor mir, genauso wie die Häuserfasaden und Automobile. Ich hatte sogar den Eindruck, die Gerüche und Geräusche wahrzunehmen. Das Buch hat mich vom ersten Wort an gefesselt.

Die Handlung besteht aus zwei Strängen. Gereon Rath wird auf Goldstein, einen amerikanischen Gangster, der in Berlin zu Besuch ist, angesetzt, um ihm die Möglichkeit zu nehmen, ein Verbrechen zu verüben. Alexandra ist an einem Einbruch ins KaDeWe beteiligt, bei dem ihr Komplize Benny stirbt. Beim Versuch das Diebesgut zu verkaufen, nimmt das Geschehen seinen Lauf. Kutscher gelingt es vortrefflich, diese beiden Handlungen spannend aufzubauen und natürlich Letztenendes zu einer fesselnden Geschichte zu verweben. Dabei kommen auch Einblicke in das Privatleben von Gereon Rath nicht zu kurz. Den Rahmen des Ganzen bildet die sehr gut recherchierte Darstellung der Zu- und Umstände der Nazizeit in Deutschland, in die der Fall gekonnt eingebettet ist.

Ich kann das Buch nur empfehlen!

Bewertung vom 14.04.2021
Der Wolkentempel (eBook, ePUB)
Woodhead, Patrick

Der Wolkentempel (eBook, ePUB)


gut

Der Wolkentempel von Patrick Woodhead handelt von zwei britischen Extrembergsteigern, die ihren Versuch, einen Achttausender zu erklimmen abbrechen müssen. Dabei machen sie aber eine Entdeckung, die nicht zuletzt Grund dafür ist, dass sie sich erneut ins unwirtliche Tibet begeben. Ihnen fällt dort eher zufällig die Aufgabe zu, ein Kloster und den Vertreter des Dalai Lama vor den Chinesen zu beschützen und zu retten.

Patrick Woodhead beschreibt die Bergsteigerszenen sehr plastisch und eindringlich. Man fühlt sich fast mit in die Seilschaft an den Berg versetzt. Auch die einzelnen Personen sind gut herausgearbeitet. Aber irgendwie fehlt das gewisse Etwas, das den Roman zu etwas ganz besonderem gemacht hätte. Vielleicht liegt es daran, dass man zu wenig von Tibet und den Lebensumständen der Tibeter unter chinesischer Willkürherrschaft erfährt. Schade! Trotzdem hat es Spaß gemacht, das Buch zu lesen. Es ist sehr flüssig geschrieben und als Bettlektüre gut geeignet.

Bewertung vom 14.04.2021
Birne sucht Helene
Henn, Carsten Sebastian

Birne sucht Helene


weniger gut

Das Buch "Birne sucht Helene" von Carsten Henn handelt von Eli und Paul, die sich auf der Kfz-Zulassungsstelle kennenlernen. Beide sind Single und auf der Suche nach dem Traumpartner. Paul ist sofort begeistert von ihr, sie denkt aber, er wäre schwul.
Eigentlich wollte ich nur mal kurz einen Blick in das Buch werfen... und schwups hatte ich es gelesen. Das lag wohl daran, dass ich neugierig war, was Carsten Henn für Eli und Paul auf dem Weg zueinander alles vorgesehen hatte. Es gab natürlich für beide - einzeln, aber auch gemeinsam - einige Hürden zu überwinden. Für Paul war das z.B. kochen zu lernen und auch für Eli hat ein Koch eine große Bedeutung.
Das Buch ist ganz unterhaltsam geschrieben und sehr leicht und flüssig zu lesen. Allerdings fand ich es stellenweise extrem übertrieben. So naiv wie Eli, Paul und ihre Freunde beschrieben werden, kann man nicht sein! Und ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand jemals in Situationen kommt, wie sie teilweise im Buch beschrieben werden. Davon abgesehen ist es vielleicht aber doch auch ein bisschen aus dem Leben gegriffen.
Man darf sich keine tiefschürfende Geschichte erwarten. Es ist alles sehr vorhersehbar, aber als Strandlektüre ganz nett.

Bewertung vom 12.04.2021
Hauskonzert
Levit, Igor;Zinnecker, Florian

Hauskonzert


gut

Igor Levit war mir bisher nicht bekannt, aufgrund des Klappentextes und der Leseprobe war ich aber total gespannt darauf, Einblick in sein Leben zu bekommen. Es beeindruckt mich sehr, wenn Menschen mit großer Begabung - wofür auch immer - etwas daraus machen. Levit wird als "Jahrhundertpianist" gehandelt, nutzt seine Berühmtheit aber auch für sein politisches Engagement.
Der rasante Erzählstil macht mich schon beim Lesen fast atemlos. Wie muss es erst Levit gehen, der dieses Leben auf der Überholspur führt? Eins ist klar, er macht nichts halbherzig. Seien es die Hauskonzerte, die er pandemiebedingt nicht im Konzertsaal vor Publikum spielen kann oder sein politischer Einsatz. Nichts überlässt er dem Zufall, bei allem ist Perfektionismus im Spiel.
Als gebürtiger Russe mit jüdischen Wurzeln erlebt er Rassismus und Antisemitismus. Er lässt sich aber davon nicht ruhigstellen. Vielmehr hat er es sich zur Aufgabe gemacht, keiner Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen, sondern aktiv für eine bessere Welt zu kämpfen. Igor Levit ist eine beeindruckende Persönlichkeit!

Bewertung vom 12.04.2021
Enriettas Vermächtnis
Madsack, Sylvia

Enriettas Vermächtnis


sehr gut

Der Zürcher Notar Andreas Leuthard wurde von der sehr erfolgreichen Schriftstellerin Enrietta da Silva zu ihrem Testamentsvollstrecker ernannt. Zunächst scheint die Situation klar zu sein, die Schauspielerin Jana und der Schönheitschirurg Emilio sollen zu gleichen Teilen erben. Dann taucht Enriettas unehelicher Sohn Armando auf und die Lage stellt sich nun völlig verändert dar. Laut Schweizer Recht stehen ihm Dreiviertel des Erbes als Pflichtteil zu.
Der Autorin gelingt es, eine bis zum Schluss fesselnde Geschichte zu erzählen, die immer wieder überraschende Wendungen bringt.
Die Sprache und die Beschreibung der Charaktere, Orte und Begebenheiten sind nüchtern und klar. Trotzdem oder gerade deswegen habe ich sehr schnell eine Vorstellung und Bilder vor Augen. Der Erzählstil passt sehr gut zur Handlung, die an manchen Stellen fast etwas unglaubwürdig erscheint. Dies tut dem Lesespaß aber keinen Abbruch. Es fiel mir schwer, das spannende Buch zur Seite zu legen, dementsprechend habe ich es in zwei Tagen gelesen und kann eine klare Leseempfehlung aussprechen!

Bewertung vom 14.03.2021
Als wir uns die Welt versprachen
Casagrande, Romina

Als wir uns die Welt versprachen


gut

Edna wurde als Kind von ihren Eltern, in großer Armut lebende Südtiroler Bergbauern, nach Ravensburg verkauft, wo sie und weitere "Schwabenkindern" auf einem Bauernhof wie Leibeigene ausgebeutet wurden. Zusammen mit Jacob flüchtet sie, wird aber von ihm getrennt. Nur der Papagei Emil ist ihr Gefährte. Viele, viele Jahre später entdeckt sie durch Zufall ein Bild von Jacob in einer Zeitschrift. Er liegt schwer verletzt in Ravensburg im Krankenhaus. Sie beschließt, zu ihm zu reisen und macht sich - wieder mit Emil als ihrem einzigen Begleiter - auf der gleichen Route, die sie schon vor fast 80 Jahren genommen hatte, auf den Weg. Dabei lässt sie uns an ihren Gedanken und ihrer Erinnerung an früher, an die Zeit als Schwabenkind und an Jacob teilhaben.

Die Autorin beschreibt die fast neunzigjährige Edna als willensstarke, wunderliche und fast schon etwas einfältige Frau mit kindlichem Gemüt, die ihr Ziel verfolgt, egal was passiert. Selbst als sie ihren Umhang und ihre sich darin befindliche Geldbörse verliert, macht sie sich keine großen Sorgen wie es weitergehen soll, sondern setzt ihre zusehends beschwerlicher werdende Reise unbeirrt fort. Dabei trifft sie auf Menschen, die - ähnlich wie sie - nicht den üblichen Normen entsprechen und ihr unvoreingenommen begegnen und helfen.

Edna ist nicht nur auf dem Weg zu Jakob, sondern auch auf der Suche nach sich selbst. Ich wurde sofort zu Ednas begeisterter Reisebegleiterin, habe mich auf dem Weg aber immer mehr von ihr entfernt und musste mich fast schon dazu zwingen, ihn bis zum Ende mitzugehen, da diese Reise sehr langatmig erzählt ist. Schade, ich hatte mir mehr versprochen.