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Benutzername: 
natimaus
Wohnort: 
Solingen

Bewertungen

Insgesamt 14 Bewertungen
12
Bewertung vom 24.10.2022
Der Traum beginnt / Die Wintergarten-Saga Bd.1
Roth, Charlotte

Der Traum beginnt / Die Wintergarten-Saga Bd.1


sehr gut

Die wilden 20er
Nina, 20 Jahre alt, wird von ihrem Zwillingsbruder Carlo aus der provinziellen Uckermark ins bewegte Berlin geschickt, damit sie sich ihren Traum, Intendantin am Theater zu werden, erfüllen kann. Absolut kein leichtes Unterfangen in den wilden 20er Jahren, die von Männern dominiert sind, in denen sich die Schere von Arm und Reich immer weiter öffnet und die von Unruhen, Umstürzen und Vorahnungen geprägt sind. Nina ist zudem eine junge Frau, die ihren Weg ganz alleine gehen will, ohne Protektion, ohne Fremdbestimmung. Im Alltag eine blasse, unscheinbare Person, erwacht Nina zu Leben, wenn es um Theater geht. Nach einer Vorstellung in Varieté Wintergarten weiß sie, dass das Varieté ihr Metier ist. Ihr feines Gespür für das künstlerische Können ihrer Mitmenschen lässt sie ihr Ensemble für den Wintergarten überall rekrutieren: im Theater, auf der Straße, in der Kneipe. Nina ist eine Rattenfängerin, die es vermag, einem Kriegskrüppel ohne Arme Boxhandschuhe zu verkaufen (S. 171). Die um sie gescharten Frauen und Männer gehen für Nina durch dick und dünn und umgekehrt, auch dann, wenn Ninas, in meinen Augen, Verbohrtheit nach Selbstständigkeit und Selbstbestimmung in den Ruin zu führen scheint.
Nina ist zwar die Protagonistin, aber es werden ansatzweise die Lebensgeschichten vieler Personen aus vielen Nationalitäten erzählt. Neben den Aspekten Selbstbestimmung, Zeitgeschichte kommt auch die Liebe nicht zu kurz. Die Sprache der Autorin ist frisch und geradeheraus und macht das Lesen zu einem Vergnügen.

Bewertung vom 14.10.2022
Café Leben
Leevers, Jo

Café Leben


ausgezeichnet

Gescheiterte Leben - erfolgreiche Leben

Vom Cover blickt uns die gescheiterte Bibliothekarin Henrietta an, wie sie einsam abwartend und aufmerksam zugleich im Café Leben sitzt und den Lebensgeschichten krebskranker Patienten lauscht, die sie aufschreibt, um sie anschließend drucken zu lassen und an Angehörige und Freunde zu verteilen. Im Café Leben, dem Café des Krebszentrums Rosendale, trifft sie Annie, eine alte Dame, die nur noch wenige Wochen zu leben hat. Annie erzählt zunächst widerstrebend aus ihrem Leben und lässt brisante Teile bewusst aus, wie z.B. den frühen Tod ihrer Schwester Kath. Als Annie merkt, dass das Erzählen sie erleichtert, nimmt sie sowohl Kaths Tod in ihre Erzählungen auf als auch den Unfalltod ihres ungeliebten Ehemanns. Henrietta kommen Zweifel an Kaths Tod, beginnt zu recherchieren und läuft dabei häufig gegen Wände. Je mehr Henrietta recherchiert und je mehr Annie erzählt, desto mehr Türen öffnen sich und die ehemals geradlinig verlaufenden Erzählstränge verwickeln sich und erzeugen Spannung. Man ist hin und hergerissen in seinem Emotionen und Zweifeln. Sowohl Annie als auch Henrietta sind im Leben gescheitert, machen aber eine deutliche, glaubhafte Entwicklung durch, die sie authentisch wirken lässt. Das Ende, das sich nach vielen Drehungen und Wendungen offenbart, ist überraschend, macht sprachlos, aber man nimmt es gerne an.

Bewertung vom 21.09.2022
Die Kunstschätzerin
Byrd, Sandra

Die Kunstschätzerin


ausgezeichnet

Eleanor ist Kunstschätzerin im viktorianischen England und hat von dem verstorbenen Lord Lydney die Aufgabe zugewiesen bekommen, zu entscheiden, ob sein, in seinen Augen, missratener Sohn Harry die Kunstsammlung erbt oder ein Londoner Museum. Eine schwere Entscheidung für Eleanor, die seit ihrer Jugend mit Harry befreundet ist und hofft, dass er sie eines Tages heiraten wird. Jedoch hat Harry Eleanor schon mehrmals enttäuscht, sodass sie nicht nur das Gute in ihm sieht, was die Entscheidung bezüglich der Kunstsammlung noch zusätzlich erschwert.
Es entwickelt sich über das gesamte Buch hinweg ein amüsantes und spannendes Verwirrspiel, das unglaublich geschickt eingefädelt ist, so dass man allen Drehungen und Wendungen glaubt und in die Irre geführt wird. Ist nicht Harry der Wolf im Schafspelz, sondern sein Vater? Welche Rolle spielen Mr. Clarkson, Eleanors Angestellter und Lord Audrey, Harrys ehemaliger Freund, oder der verschwundene Kammerdiener des verstorbenen Lord Lydney oder der Pförtner? Auch Eleanor gerät in Verdacht, an Kunstdiebstählen und Veruntreuungen beteiligt zu sein, sodass selbst die vermeintlich Bösen an ihrer Aufrichtigkeit und Ehre zu zweifeln beginnen.
Nebenbei lernt man so einiges über Echtheitsprüfungen und Schätzungen von Kunstwerken im 19.Jh.
Das Buch ist flüssig geschrieben und man möchte immer nur weiterlesen.
Rundherum klasse!

Bewertung vom 06.08.2022
Matrix
Groff, Lauren

Matrix


ausgezeichnet

Mittelalterliche Frauenpower
72 Jahre ist sie alt geworden, die Äbtissin Marie, die im Mittelalter als 17jähriges Mädchen aus Frankreich nach England kam, um dort in einem abgelegenen, halb verfallenen, kalten Kloster mit hungernden Nonnen Priorin zu werden. Geschickt wird sie von Eleonore, Königin von Aquitanien und Maries Halbschwester, weil Marie aufgrund ihrer äußeren unschönen Erscheinung und ihrem linkischem Verhalten als nicht verheiratbar gilt.
Marie liebt ihre Königin über alles und ist der festen Überzeugung, dass sie bald nach Frankreich zurückkehren darf. Mitnichten! Mit Trotz, starkem Willen und einer gehörigen Portion Wut im Bauch beginnt Marie das Klosterleben umzugestalten. Nonnen werden gemäß ihrer Fähigkeiten zur Arbeit im Kloster eingeteilt, Feld- und Gartenarbeiten werden umorganisiert, weitere Einkunftsquellen für das Kloster erschlossen. Marie zieht sich den Zorn etlicher Nonnen zu, die es jedoch nicht wagen, sich gegen Marie aufzulehnen. Marie wird zu einer klugen Strategin, egal, ob es sich um das Leben im Kloster handelt, um das Leben der klösterlichen Pächter oder um Kirchenpolitik. Sie wird eine umsichtige und weitsichtige Leiterin der klösterlichen Geschicke - wenngleich auch mit Ketzerin oder Hexe verglichen - und es gelingt ihr, dem Kloster enormen Wohlstand und den Nonnen Wärme, Sicherheit und innere Stärke zu vermitteln. Mit Mut, List und einer Portion Bauernschläue nehmen Marie und ihre Mitschwestern den Kampf gegen die Widrigkeiten des Lebens auf. Frauenpower pur!
Das Buch ist nicht leicht zu lesen (ich musste es des Öfteren eine Lesepause einlegen), da es sich häufig in mystischen, entrückten Ebenen bewegt. Das Buch ist durchweg im Präsens geschrieben, was den/die Leser*in sofort in die Handlung einbezieht, aber die nur in indirekter Rede gehaltenen Dialoge schaffen Distanz.
Maries erste Lebenshälfte wird kurz und knapp, hauptsächlich ergebnisorientiert geschildert. Ihre zweite Lebenshälfte ist erzählerischer, mit wesentlich mehr Details und das Erzähltempo verlangsamt sich, sodass mir das Lesen ab hier mehr Spaß gemacht.

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