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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2090 Bewertungen
Bewertung vom 26.05.2025
Kult. Warum die Zukunft des Christentums uns alle betrifft
Marx, Reinhard

Kult. Warum die Zukunft des Christentums uns alle betrifft


sehr gut

Habent sua fata libelli

Kardinal Reinhard Marx arbeitet sein Essay gründlich aus und setzt gekonnt Zitate, wie z.B. Peter Sloterdjik und/oder nimmt Bezug auf andere Persönlichkeiten, wie z.B. oft auf Jürgen Habermas
Auch von Franziskus ist öfter die Rede.

Marx benennt die globalen Herausforderungen, die auch die Kirche betreffen.
Er bleibt aber auch oft Optimist, der an das Christentum als Religion der Zukunft und er kommt auf seine Vision, dem „Kult“ und die Eucharistie zu sprechen.
Ehrlich gesagt, ich war da teilweise raus.

Interessanterweise plädiert Marx für eine Globale Soziale Marktwirtschaft, doch die aktuelle Weltlage ist eine andere.
Marx selbst sagt ja: „Und ich bin sehr besorgt über die europaweiten und weltweiten Entwicklungen hin zu Rechtspopulismus, Nationalismus und rückwärtsgewandter Abgrenzung.“
Die Zukunft des Christentums hängt somit von vielen Faktoren ab.
Unabhängig davon hat Reinhard Marx mit seinen sprachlichen Mitteln gekonnt sein Essay gestaltet.

Bewertung vom 24.05.2025
Merz
Lau, Mariam

Merz


ausgezeichnet

Mariam Lau ist Zeit-Korrespondentin und Buchautorin. Sie hat schon über Angela Merkel und Harald Schmidt geschrieben.
Das hier vorliegende Buch ist jedoch keine Biografie im eigentlich Sinne, sondern beleuchtet die politischen Vorgänge der letzten Zeit, vordergründig im Zusammenhang mit Friedrich Merz Wahlkampf und Kanzlerschaft. Der Untertitel ist treffend gewählt.

Über Friedrich Merz wurden in letzter Zeit schon ein paar Bücher veröffentlicht, die hohe Qualität haben, aber Mariam Laus Buch ist das erste, nachdem Merz wirklich Kanzler geworden ist. Sie hat es mit spürbarer guter Schreiblaune gemacht und man wird von ihr kenntnisreich durch die Ereignisse der letzten Monate gewirbelt.
Dabei ist die Frage der politischen Position, die die neue Regierung und vorrangig Merz suchen, wichtig. Und das innen- wie außenpolitisch.

Immer wieder gibt es auch bemerkenswerte Rückblicke und man liest im Zusammenhang auch von anderen Politikern.

Mariam Lau spart nichts aus, bleibt aber fair.
Das Buch bietet pure Lesefreude und vielleicht ist Laus Merz-Buch daher das bisher beste.

Bewertung vom 18.05.2025
Der Kaiser der Freude
Vuong, Ocean

Der Kaiser der Freude


ausgezeichnet

Noch einmal kurz grandios

Nach „Auf Erden waren wir kurz grandios“ kommt Ocean Voungs zweites Prosawerk. Wieder ein Werk von Niveau.

Ocean Vuong zeichnet ein raues Amerika-Bild und schon mit wenigen Sätzen entstehen starke Bilder im Kopf des Lesers. Es beginnt schon mit der Passage, als der junge Hai auf der Brücke in East Gladness steht und überlegt zu springen. Doch dann hält ihn eine ältere Frau davon ab. Sie lässt ihn bei sich wohnen, dafür soll er sich um sie kümmern und sie leidet an Demenz.Die beiden sind dennoch ein gutes Team.
Hai findet schließlich einen Job in einem Schnellimbiß, lernt einige Leute kennen, die auch am Rande leben und wird so gewissermaßen ein Teil einer Gesellschaft, auch wenn es schwer bleibt.
Es gibt in der Mitte ein paar Längen, doch das Buch führt den Leser gut durch die Jahreszeiten und viele Passagen gehen unter die Haut.

Bewertung vom 17.05.2025
Für uns gibt es keinen Namen
Manzini, Gaia

Für uns gibt es keinen Namen


sehr gut

Adas Weg

Für uns gibt es keinen Namen ist ein Roman über eine Frau im zeitgenössischen Italien. Ada arbeitet in Mailand in einer Werbeagentur und ist ziemlich verschlossen. Sie ist noch jung, erst 26, aber hat schon eine neunjährige Tochter. Von der erzählt sie in Mailand nicht. Die Tochter lebt bei Adas Eltern.
Es wird ein langer Weg für Ada, sich zu ihrer Tochter zu bekennen, von der sie anfangs mal sagte, sie sei ihre Schwester.
Das Thema des Buches ist Beziehungen. Zu ihrer Tochter und den Eltern und zu Alessio, mit dem sie zusammenarbeitet und teilweise sogar mit ihm lebt.
Gaia Manzini schreibt in einem ruhigen, verhaltenen Ton, in einer durchaus ansprechenden Sprache. So kann sie ein ehrliches Porträt einer Frau zeichnen, die ihren Weg finden muss.

Bewertung vom 10.05.2025
Himmlischer Frieden
Wen, Lai

Himmlischer Frieden


sehr gut

China in den Achtziger Jahren

Das Buch von Lai Wei ist fiktiv, aber stark autobiografisch gefärbt und zeigt ein Leben in China der Achtziger Jahre. Es wird aus der Perspektive der Erzählerin erzählt, daher ist man relativ nah bei der Figur.
Stilistisch ist es relativ einfach gehalten.
Das Buch ist anfangs weniger politisch als erwartet, obwohl das natürlichs chon eine große Rolle spielt. Zunächst sehen wir aber einen Text über familien- und Machtstrukturen.
Eine ganz starke Nebenfigur ist Lais Großmutter, eine starke persönlichkeit und sie standen sich sehr nahe, bis die Demenz Lai diese Frau stück und stück raubt.
Hinzu kommen Szenen mit ihrem Freudn Gen. Das zusammen ergibt auch ein Coming-of-Age. Schließlich folgen die Jahre auf der Universität. Da verbindet sie mit der unkonventionellen Anna eine innige Freundschaft. Schließlich wird sie Teil der Protestbewegeung.
Ich denke, es sind ca. 15 Jahre, die gezeigt werden.

Insgesamt fand ich das Buch mittel bis gut. Es gibt viele emotionale Passagen und man fühlt für Lai. Aber viele wichtige Details, die ich erwartet hatte, wurden zu wenig ausgearbeitet.
Dennoch ist es natürlich ein lesenswerter Roman.

Bewertung vom 10.05.2025
Roberto und ich
Fröhlich, Anna Katharina

Roberto und ich


sehr gut

Ein Buch, durchtränkt von Literatur

Anna Katharina Fröhlich hat ein Buch über ihren Freund Roberto Calasso, italienischer Verleger und die Literaturwelt gemacht.
Es ist ein bewunderndes Buch, das Calassos Bedeutung als Kulturschaffender heraustreicht. Sie hatten sich 1995 auf einer Buchmesse kennen gelernt und schließlich verliebt. Sie reisten auch zusammen. Es gibt einige bemerkenswerte Passagen über Orte in Italien, streckenweise sind sie auf den Spuren von Joseph Brodsky, mit dem Calasso befreundet war und der 1996 starb.

Man spürt, wie die Autorin Kultur und bedeutende Literatur mit einem Mann in Verbindung bringt.
Anna Katharina Fröhlich hat ein Talent für Details, wenn auch leicht überfrachtet eingesetzt und es dürfte interessant sein, auch ihre Romane zu lesen.

Bewertung vom 28.04.2025
Der alte Mann vom Main
Meining, Alexander

Der alte Mann vom Main


ausgezeichnet

Die Schlacht um Würzburg

Das Buch zeigt die Zeit zu Kriegsende in Würzburg.
Im Mittelpunkt ein 75jähriger Mann namens Walter Gänslein, der durch die zerstörte Stadt irrt. Durch Zufall lernte er die 69jährige Henrietta kennen. Eine späte Liebe.
Es gibt aber auch noch viel Fanatismus selbst im Anblick der Niederlage. Daher ist Gänslein sogar froh, in Kriegsgefangenschaft zu kommen. Interessant hier die Gespräche zwischen ihm und den deutschstämmingen US-Sergeant Roseman sowie Colonel Schmidt, mit dem es eine große Überraschung gibt. Diesen Handlungsverlauf habe ich nicht unbedingt erwartet, finde es aber originell.

Im letzten Romandrittel kommen noch detaillierte Beschreibungen der letzten Kämpfe in den Ruinen der Stadt. Das wirkt sehr glaubwürdig.

Alexander Meining schafft es, einen Eindruck von dieser Zeit zu vermitteln. Wie von Gmeiner Büchern gewohnt, ist ein gutes Niveau vorhanden. Zu loben ist außerdem die dichte Atmosphäre, die das Buch zu etwas Besonderen macht.

Bewertung vom 28.04.2025
Und dann springen wir
Lange, Gianna

Und dann springen wir


ausgezeichnet

Das Leuchten der Mandarinen

Ein leiser, melancholischer Roman

Nach dem Tod ihrer Mutter reist die Studentin Rosa nach Bosnien und Herzegowina, wo sie als Kind auch mit ihrer Mutter war. Erinnerungen der früheren Reise wechseln mit der aktuellen. Außerdem wird die Familiengeschichte bis zur Großmutter thematisiert. Es zieht sich das Fehlen der Väter durch.

Eine weitere wichtige Person im Roman ist Rosas Freundin Emma, die als Kind Waise in Bosnien wurde und nach Deutschland adoptiert wurde. Jetzt als Erwachsene denkt sie daran, sich auf die Suche nach überlebender Familie zu machen.

Beide junge Frauen hoffen auf ihren Reisen auf Heilung von Trauer und Verlust.

Die Autorin schafft es, eine Stimmung zu transportieren. Das ist sehr gekonnt.

Bewertung vom 25.04.2025
Haus Waldesruh
Krems, David

Haus Waldesruh


weniger gut

Das Treffen

Eine Gruppe von Freunden trifft sich nach langer Zeit in einem Jagdhaus. Lange hatten sie keinen Kontakt mehr. Einer nach dem anderen trifft ein. Anna, Marco, Ferdinand und Lea. Nur einer fehlt. Max, der Selbstmord begangen hat.

Das Buch ist anfangs nicht gerade irre spannend, aber man liest doch interessiert. Die Figuren sind weder besonders sympathisch noch habe ich Probleme mit ihnen. Eigentlich wirken sie ganz realistisch.

Schließlich stellt sich heraus, dass es für das Treffen noch einen bestimmten Grund gibt. Jemand aus der Gruppe will Gerechtigkeit für Max.

Das Buch entwickelt Atmosphäre, nicht ganz so düster wie erwartet, aber ernst.
Der Autor David Krems schafft es, das Buch kurz zu halten. So wird die Handlung prägnant erzählt. Es bleibt aber das Gefühl, man hätte auch mehr daraus machen können.
Die Spannung war nur so Mittel wie auch der Roman Durchschnitt bleibt.

Bewertung vom 25.04.2025
Ein unvorhersehbares Ereignis
Hardegger, Urs

Ein unvorhersehbares Ereignis


ausgezeichnet

Buch mit Niveau

Ein unvorhersehbares Ereignis des Schweizer Schriftstellers Urs Hardenegger ist ein Buch mit Niveau. Geschickt wählt der Autor zwei Erzählsträge, wobei sich der eine auf den anderen betieht.
Der Lektor Steiger liest ein Manuskript des Ingenieurs Hilfinger, der 1965 beteiligt war, als ein herabrutschender Gletscher ein Bergdorf unter sich begrub. 88 Tote, darunter auch sein guter Freund Mario.
Hilfinger ist nicht direkt verantwortlich, dennoch lässt ihn dieses Ereignis sein Leben lang nicht los.

Bevor das Unglück geschieht erfährt man einiges vom Leben Mitte der sechziger Jahre in den Bergen. Neben seinem Job ist Hilfinger auch die Beziehung zu Seraina. Das ist intensiv, aber auch schwierig.
Immer wieder auch sind Sätze im Dialekt eingestreut, deren Bedeutung am Ende in einem Glossar erläutert werden.

Insgesamt vermittelt sich mir hier ein Lebensgefühl in einer bestimmten Zeit.