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Benutzername: 
Steffy
Wohnort: 
Unna

Bewertungen

Insgesamt 54 Bewertungen
Bewertung vom 20.01.2023
Die Perfektionen
Latronico, Vincenzo

Die Perfektionen


sehr gut

„Sie fürchteten zufrieden zu sein, weil sie sich zufriedengegeben hatten.“

Mit bildhaften Beschreibungen einer Wohnung, von Cafes und vielerlei Geschehen auf den Straßen, porträtiert der Autor ein Leben eines Paares in seiner Wahlheimat Berlin. Hip, modern, energetisch scheint alles was sie tun, fühlen, leben zu sein. Detailreiche Bilder werden gezeichnet, von dem perfekten Lifestyle als „Kreative“, so wie es Anna und Tom als Grafikdesigner sind. Holzdielen, Monsterapflanzen, das Emaillegeschirr, das unkonventionell und mühelos erscheinen soll, doch mit Sorgfalt gewählt wurde. Diese illustrierteLässigkeit versucht das Paar auch in ihrem Alltag zu integrieren.

Anna und Tom sind austauschbare Charaktere. Auch ohne Dialoge beschreibt der Autor ein klares Bild eines Paares, die einem in den sozialen Medien bestimmt schon mal vors Auge gekommen sind. Hier und da hört man eine leichte Skepsis gegenüber dem Verhalten des Paares heraus, doch wertend ist es nicht. Der Autor teilt Beobachtungen von Menschen, die stellvertretend für eine Generation sprechen könnten.

Was mich an dem Buch gereizt hat ist die Tatsache, dass wir endlich mal mehr Zugang zu übersetzten Werken haben, die in der Originalsprache nicht Englisch sind. In diesem Fall von einem italienischem Autor, der in Berlin lebt. Schon interessant, wie er die Gesellschaft so genau trifft, die wir durch Instagram und Co als alltäglich empfinden. Natürlich spricht dies nicht alle an, doch durch die ausgiebigen Beschreibungen hat man als Leser sofort ein Bild im Kopf, wen er in diesem kurzen Roman seziert. Dieser kurze Roman, oder auch etwas längerer Essay, über die hergerichtete Onlinepräsenz und welche Wirkungen sie auf Menschen haben, regt zum Nachdenken an.

Zwischen Kaffees aus Emailletassen und performativem Aktivismus, in den langen Nächten zwischen Kunstgalerien und Vernissagen, suchen Menschen nach Sinn und Bedeutung. Während das Onlineleben an mehr Likes gewinnt, bröckelt innerlich die Fassade. „Die Perfektionen“ beschreibt eine Sehnsucht nach Zugehörigkeit, dem Verlangen von Aufbruch aber auch Ankommen und dem Wunsch sorgloser, ehrlicher Zufriedenheit.

Bewertung vom 12.10.2022
Miss Kim weiß Bescheid
Cho, Nam-joo

Miss Kim weiß Bescheid


sehr gut

Selten habe ich eine Sammlung von Kurzgeschichten gelesen, wo man Zusammenhänge erkennt und Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Geschichten sucht. Obwohl dies hier größtenteils gelungen ist, gab es doch die ein oder andere Geschichte, die für mich flacher ausfiel. Nichts desto trotz ist es der Autorin gelungen, eine Kultur die so weit weg scheint mir so nahe zu bringen.

Als gebürtige Deutsche mit vietnamesischen Wurzeln waren mir einige Sitten und Muster der asiatischen Kultur bekannt. Auch in diesen Geschichten, die in Korea stattfinden, habe ich diese wieder erkannt. Zwischen männlicher Dominanz und Klassengesellschaften, die Unterdrückung und das herablassende Verhalten gegenüber Frauen, wurden mir auch die Alltäglichkeiten bewusst, die auch wir Frauen hierzulande widerfahren. Diese Geschichten von Frauen in Korea, jung und alt, sind real und erschreckend echt. Jede dieser Frauen gibt uns einen kleinen Einblick in den Ungerechtigkeiten und patriarchalischen Strukturen, neben denen sie leben und wie diese unüberwindbar scheinen.
Erlebnisse, die doch universeller sind als gedacht, weckten in mir Mitgefühl und vor allem Hoffnung beim Lesen. Hoffnung darauf, dass der Mut uns Frauen nie verlässt und unsere Stärke sich durch Resilienz und Tapferkeit nur vervielfältigt. Dass wir laut werden, für uns und für unseresgleichen.

Der höfliche, distanzierte Ton, der eine gewissen Kühle mit sich bringt unterstreicht diese Geschichten. Die einfache, direkte Sprache ist hinterlässt einen intensiven Nachdruck und noch Wochen nach dem Lesen denke ich an die Frau Kims, die ich in den verschiedenen Frauen kennenlernen durfte. Eine wirklich herausragende, feine Sammlung von Geschichten.

Bewertung vom 14.08.2021
Was fehlt dir
Nunez, Sigrid

Was fehlt dir


sehr gut

Ich bin noch immer sehr unschlüssig, ob es für mich ein 3- oder 4-Sterne Buch ist. Vermutlich irgendetwas dazwischen.
Es fehlte mir einerseits der rote Faden, andererseits ein wenig mehr Nähe zur doch sehr passiven Erzählerin. Von ihr kommen viele reflektierende Gedanken und interessante Denkanstöße, weise Beobachtungen, und sie zeigt auch von viel Empathie, sich in andere Menschen reinzudenken und ihnen gegenüberzutreten, aber so ganz berührt hat sie mich mit ihrer nüchternen Distanziertheit nicht. Vor allem wirkte es im ersten Teil des Buches sehr episodenhaft und der Zusammenhang aus den einzelnen Kapiteln erschloss mir nicht ganz.
Doch schon im zweiten und auch im dritten Teil ändert sich dies. Zwischen den beurteilenden Betrachtungen gibt es auch sehr viel Mitgefühl. Ein ironischer und doch gelassener Ton, der gesellschaftliche und intellektuelle Gedanken anreizt, seziert die Autorin mit einer gewissen Leichtigkeit existentielle Themen und zwischenmenschliche Begegnungen. Klug, authentisch, prägnant über das chaotische, schmerzhafte, betäubende und doch so wahnsinnig blühende Leben und all seine Facetten.

Bewertung vom 08.07.2021
Freddy Sidebottoms absolut peinliche Welt
Patterson, Rebecca

Freddy Sidebottoms absolut peinliche Welt


sehr gut

Was für ein aufregende und lustige Sachen Freddy passiert ist. Freddy ist ein ziemlicher Tollpatsch und liebevoller Chaot. Irgendwie geht immer etwas drauf und drüber bei ihm, doch das macht ihn ja so sympathisch. Vor allem durch die Ich-Perspektive können jungen Leser da sicherlich nachempfinden, wie Freddy sich durch seine Schlamassel fühlt.
Der Schreibstil ist der empfohlenen Altersgruppe gerecht. Es liest sich einfach und verständlich. Ich würde es gegebenenfalls auch jüngeren Lesern zum Vorlesen lassen empfehlen, da die Geschichte selber, mit all ihren Missgeschicken die Freddy passiert, doch sehr nahbar ist. Mit witzigen Sprüchen und Auflockerungen durch die Perspektive von Freddy, ist das turbulente Leben umso amüsanter.
Die kleinen Illustrationen zwischendurch sind passend zu der Geschichte und für Kinder sind Zeichnungen bei Geschichten ja sowieso gerne gesehen.
Im Ganzen ein erheiterndes Buch, mit einem sehr lebendigem Protagonisten, der es trotz Missgeschicke schafft, sich aus peinlichen Situationen zu winden und damit lernt umzugehen.

Bewertung vom 08.07.2021
Nachrichten von Männern
Decker, Anika;Berlin, Katja

Nachrichten von Männern


weniger gut

Anika Deckers Humor mochte ich sowohl in ihrem Debütroman als auch ihren Drehbüchern. Auch hier ist der wieder sehr amüsant und unterhaltend. Leider war das Konzept für dieses Buch nach wenigen Kapiteln schon sehr mau und langatmig. Verschiedene Kommunikationstypen in Textnachrichten werden durch knappe Beispiele veranschaulicht und daraufhin kurz und klar analysiert, sowie durch eigenen Erfahrungen interpretiert. Viele Klischees und Stereotypen werden hier dargestellt, zudem auch sehr überspitzt, was bei dieser Art von Buch aber zu erwarten war, da es humoristisch sein soll.
Obwohl mit Witz auch auf wichtige gesellschaftskritische und feministische Themen angedeutet werden, werden diese leider nicht weiter vertieft, was das alles sehr oberflächlich und generisch macht. Im Grunde ist einem der ein oder andere Typ nicht ganz unbekannt und hier und da gab es auch ein Schmunzeln und Kopfnicken von mir, aber es ist nichts, was wirklich lange im Kopf bleibt. Ich habe mir inhaltlich einfach viel mehr erhofft als nur pure, ironische Unterhaltung, was mich zu dem Gedanken brachte, dass wenn Männer diese Art Buch über Frauen geschrieben hätten, es nur halb so gut angekommen wäre.

Bewertung vom 24.05.2021
Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?
Green, John

Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?


sehr gut

John Green schafft auch in seinem ersten Essay Band seinen außergewöhnlichen Blick auf die Welt zu umschreiben und unterstreichen, wie ich es von seinen Jugendromanen kenne, indem er die Themen die er anspricht aufbricht und diese dann bewertet.
In den Romane wirkten manche seiner Gedanken die er den Charakteren zugeschrieben hat doch sehr prätentiös, obwohl wirklich poetisch. Hier in dem Sachbuch hat es mir wiederum sehr gefallen, seine Gedanken als wirklich seine zu lesen. Seine Beobachtungen von kleinen und großen Dingen in der Welt sind tieffühlend und so hoffnungsvoll. Er lässt uns auch von den unschönen Wahrheiten wissen, appelliert in einem ruhigen Ton an unser Verhalten auf diesem Planeten den wir bewohnen und zeigt Verständnis sowie Tatendrang, dass Veränderungen langsam aber gemeinsam kommen müssen.

Die besprochenen Themen in Form von Essays sind nicht immer aktuell, aber sie haben oft einen Zusammenhang zum Anthropozän, was sie wieder relevant machen. Ich habe viel davon mitnehmen können. Aufschlussreich und informativ bringt er Themen nahe, die mich sonst nicht interessieren, aber die Erkenntnisse die er daraus zieht sind umso spannender.

Es ist aufregend zu sehen, wie observierend er die Welt wahrnimmt und wie vielen Absurditäten des Lebens wir schon begegnet sind. Es wurden viele Schriftsteller zitiert, dessen Werke ich ebenfalls bewundere. Die persönlichen Einblicke in sein Leben durch Momente und Erinnerungen sind sowohl witzig als auch traurig und gleichzeitig voller Hoffnung. Ehrlich, aufgeschlossen und kluge Reflexionen von Anekdoten und ein wenig mehr Verständnis über das Menschsein und Teil eines großen Ganzen zu sein. Gerne mehr von sachlichen Werken, Herr Green. Ich gebe diesem Buch viereinhalb Sterne.

Bewertung vom 25.04.2021
Unterwasserflimmern
Schaller, Katharina

Unterwasserflimmern


gut

Es wird sehr viel, sehr lang um Dinge herumgeredet, die letztendlich nicht wirklich relevant für den Verlauf der Geschichte sind. Obwohl es sprachlich hier und da doch sehr ansprechend ist, auf ihre Art und Weise unglaublich ausdrucksstark und ungefiltert, konnte es mich im Ganzen nicht ganz überzeugen oder etwas abgewinnen.

Gegen die vulgäre Sprache habe ich nichts, doch so richtig hat sie dem Buch auch keinen Mehrwert geben können. Ich mochte dennoch diese offene, direkte Art, mit der wir die Protagonistin näher kennenlernen konnten, auch wenn sie mir beim Lesen doch sehr fremd war. Ihre Gedankengänge, unerwartetes und doch sehr nachvollziehbares Verhalten waren zwar verständlich, doch es fehlte mir etwas mehr Kontext, um Sympathie für diese namenlose Figur entwickeln zu können.

Dadurch, dass sie am Ende ohne Konsequenzen und damit der Aufklärung und Auseinandersetzung zwischen ihr und den anderen Figuren entkommen konnte, bleibt für mich nur der Gedanke, dass sie wieder in ihr Muster zurückfallen wird. Ein Kreislauf des Weglaufens und Sand in den Kopf stecken, egal wie man diese Geschichte fortgeführt hätte. Dass hier eine Frau sich nicht den typischen Erwartungen der Gesellschaft biegen möchte, wie das Heiraten und Kinderbekommen finde ich als Thema spannend und sollte in der heutigen Zeit gar nicht mehr so unkonventionell sein. Die Protagonistin schafft es durch ihr Rumreisen und Wegrennen, sowie der nie wirklich ausgesprochenen Dinge die sie bedrücken aber nicht, diese Message auf den Punkt zu bringen. Stattdessen liest man von überschwinglichen Affären mit jeder dahergelaufenen Person, was völlig in Ordnung ist, aber abgesehen von der Erklärung für Bindungsängste nicht viel hergibt.

Die Sprache und der Schreibstil sind definitiv die Stärken dieses Buchs. Trotz der lapidaren und schleppenden Geschichte wird man in einen Sog mitgerissen, ein Schwimmen und Fließen über Worten die intensiv, eindringlich, bildhaft und sehr authentisch sind.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.04.2021
So wie du mich kennst
Landsteiner, Anika

So wie du mich kennst


sehr gut

"Time heals nothing by itself. [...] Der Gedanke tröstet mich. Wenn Zeit allein wirklich keine Wunden heilt, dann haben wir ja glücklicherweise genügend dann, um es zumindest auszuprobieren. Zerbrochenes mit allen, was uns guttut, aufzufüllen. All die verdammt guten Momente sammeln und von dieser allgemeinen Fabelhaftigkeit ein Bild schießen."

Obwohl die beiden Schwestern Klara und Marie nicht unterschiedlicher sein könnten, sind sie sich doch so nah. Zumindest bis zu Maries tragischem Tod, der Klara mit unendlich vielen Fragen zurücklässt.

Getrennt durch den Ozean haben Klara und Marie es trotzdem geschafft, ihre Verbundenheit als Schwestern zu pflegen. Doch in den Monaten vor Maries Tod hat sie traumatische Erlebnisse alleine durchmachen müssen, welche aus den Erzählungen in ihren Kapiteln aufgearbeitet werden und ihre Beweggründe für ihre Abwesenheit gegenüber Freunden und Familie erklärten.

In der Heimat noch betäubt von der Trauer über Maries Tod, geht Klara nach New York, um die letzten Dinge die Marie hinterlassen hat einzusammeln und stößt dabei auf etwas Verstörendes, was sie sich nicht erklären kann. In wechselnden Perspektiven erfahren wir wie Klara den Tod ihrer Schwester bewältigt und wie Maries letzten Monate und Jahre weit weg von der Familie aussahen. Voller Hilflosigkeit und Verzweiflung zieht sich in beider Leben eine schwere und bedrückende Atmosphäre.

Dass Maries Beobachtungen die Karla in Form von Fotos auf Maries Laptop wiederfindet ein Trigger für Maries eigenen Erlebnisse sind, wird dem Leser nach und nach enthüllt. Gleichzeitig erfahren wir, wie Klara neben der Trauerbewältigung mit ihren eigenen Beobachtung der Situation umgeht. Der Wechsel der Perspektiven bringt eine aufregende Spannung um die Auflösung des Geheimnisses, welches Marie niemandem anvertrauen konnte.

Auch nachdem das Geheimnis um Marie bekannt war, fand ich das Buch zum Ende hin immer noch sehr zufriedenstellend, denn die Zeit die Klara wieder nach Hause führt, sind gefüllt mit feinfühligen Momenten in der Familie, aber auch erschreckend traurigen Enthüllungen.

Die Themen von Trauer, Familie, Freundschaft, Karriere und Erwartungen und Vorstellungen fürs Leben, aber auch häusliche Gewalt und die daraus resultierenden Gefühle wie Scham, Hilflosigkeit und Ohnmacht bringen Licht in eine Realität, die Opfer von Gewalt erleben.

Der Schreibstil ist angenehm ruhig, durchzogen von Trauer und einem Schleier von Hoffnung. Ich habe es wirklich gern gelesen. Die Figuren Klara und Marie waren zugänglich porträtiert, doch fehlte es in der Entwicklung manchmal ein wenig Tiefe, da hin und wieder Details hinzukamen, die ich für die Geschichte nicht für relevant empfunden habe. Im Ganzen ist es aber eine feine, authentische Geschichte mit vielen aufwühlenden Gefühlen, die die Spannung beim Lesen aufrechthalten.

Bewertung vom 25.04.2021
Der Junge, der das Universum verschlang
Dalton, Trent

Der Junge, der das Universum verschlang


ausgezeichnet

"Schnapp dir die Zeit, bevor sie dich schnappt."

Schnell wird man als Leser in das Leben von Eli Bell eingeführt. Mit einer Stimme bei der auch blumige Erzählungen nie zu ausschweifend werden, begleitet man einen unglaublich neugierig, aufgeschlossenen, klugen und irrsinnig humorvollen Jungen beim Heranwachsen. Eine Coming-of-Age Story, die geprägt ist von häuslicher sowie auf Straßen ausgetragene Gewalt, Drogenhandel und weiteren kriminellen Machenschaften. Zeitgleich eine Story über Familie und Freundschaft, über das Vertrauen in das Gute in Menschen und seinen eigenen Fähigkeiten schwierige Zeiten zu überwinden.

Elis kecke Art sich auszudrücken hat mich immer wieder zum Lachen gebracht und sein detailreicher und farbenfroher Einprägungssinn von kleinen und großen Momenten haben mich beeindruckt, wenn auch die traurigen und nicht gerade kindgerechten Ereignisse, die er miterleben musste, sehr bedrückend waren.
Der Schreibstil ist mitreißend. Zwischen kurzen prägnanten Sätzen kommen immer wieder lange Phrasen die sich über mehrere Zeilen ziehen. Der Autor hat ein unglaublich gutes Gespür für das Aneinanderreihen von längeren Sätzen und sorgt damit immer wieder für Spannung im Verlauf der Geschichte.

Auch die Nebencharaktere habe ich schnell zu schätzen gelernt, denn Menschen wie Slim, ein verurteilter Mörder, welcher als Elis Babysitter fungiert oder Alex, ein hinter Gittern sitzender Bandenanführer, mit dem Eli eine Brieffreundschaft eingeht, haben ihm über die jungen Jahre die Hoffnung und den Mut gegeben, daran zu glauben, dass es gute Menschen gibt. Sowie sein Bruder August, der nicht spricht, doch ihn stets still und tapfer durch sein Leben begleitet.

Immer wiederkehrende Elemente wie die 3 Wörter Kapiteltitel, das mysteriöse rote Telefon oder August's unbegreiflichen Aussagen wie "Dein Ende ist ein toter, blauer Zaunkönig" haben das Buch für mich umso aufregender gemacht. Ein Rauschen voll Adrenalin um die Geheimnisse die August dem Universum entlocken konnte und die Eli versucht zu erklären, ein Wettrenen mit der Zeit und das Bangen, dass er es heil aus seiner eigenen Geschichte schafft. Dass das Buch zum Ende hin schon fast wie ein Thriller ist, hat mein Herz zum Rasen gebracht und mich mit Staunen aber auch mit Fragen zurückgelassen.

Dieses Buch verbindet große Erzählkunst mit unvergesslichen Charakteren und den Scharfsinn für die kleinen eher unaufälligen Momente im Leben. Gegenüber den vielen gewaltvollen Ereignissen stehen Handlungen von überragendem Mut und Beharrlichkeit, wütender Hoffnung, Verzweiflung und Frustration, die durch Authentizität und ehrlicher Sensibilität bestechen, um mit solchen Schicksalen umzugehen. Geistreich und gar witzig in manchen Situationen, zugleich herzzehrend und voller Emotionen, ist die Geschichte des Eli Bells eine, die ich voller Bewunderung und Begeisterung empfehlen kann. Ich bin so gespannt, was Trent Dalton noch für Geschichten hervorholt.

Bewertung vom 19.03.2021
Was wir scheinen
Keller, Hildegard E.

Was wir scheinen


sehr gut

Dieser Roman aus der Sicht Arendts lässt tief in die Geschichte und das Leben der Philosophin und Publizistin blicken. Von ihrer Emigration aus Deutschland din die Vereinigten Staaten und ihren Anfängen im Journalismus sowie bis zum Eichmann-Prozess werden in diesem Buch wichtige Lebensabschnitte Arendts aufgezeigt. Arendt wirkte durch die persönlichen Einblicke die ihr zugeschrieben wurden und den Gedankengängen sehr nahbar. In dieser Hinsicht hat die Autorin großartige Arbeit geleistet, denn man hatte das Gefühl, ein Gespür für diese bekannte Person zu bekommen.
Sprachlich ist es wirklich großartig, gleichzeitig aber auch sehr anspruchsvoll. Hin und wieder beeindrucken die poetischen und lyrischen Zeilen und ich finde, die Autorin hat Hanna Arendt eine wirklich lebendige Stimme verliehen. Die eingefügten Zitate und Zeilen aus Briefwechseln finde ich hervorragend in den fiktiven Kontext eingearbeitet.
Die vielen Zeitsprünge waren jedoch sehr verwirrend, weshalb ich nie wirklich mehrere Kapitel am Stück lesen konnte, da ich immer Abstand gebraucht habe, um mir über das Geschehen etwas klarer zu werden. Die vielen Persönlichkeiten, die mir zum Teil nicht bekannt waren, musste ich zunächst mit viel Nachschlagen einordnen.
Diese Art von Porträt ist der Autorin dennoch sehr gut gelungen, weshalb die Form des Romans hier doch funktioniert. Für alle, die mehr über Arendt als Person kennenlernen wollen, ist dies eine treffende Lektüre. Man muss sich dafür auf jeden Fall viel Zeit nehmen, aber die Art auf die man über Arendt erfährt ist wirklich beeindruckend. Ihre Weise zu denken und was ihr in Ihrer Arbeit wichtig ist, wird hier durch verschiedene Momente und Ereignisse dargestellt.
z.B. haben mir die Diskussionen mit Studenten während ihrer Vorträge wirklich gut gefallen. Generell gab es wirklich viele, aufschlussreiche Dialoge, die sich beim Lesen wie eine gute Filmszene anfühlten.
Der Eichmann-Prozess war immer präsent und hat eine spannende Sicht auf Eichmann gezeigt, die Arendt hatte. Leider waren die Beschreibungen um die Gerichtsprozesse sehr langatmig und gerne hätte ich lieber intensivere Einblicke erfahren.
Im Ganzen ist es ein unglaublich gut geschriebenes Buch und ein aufregendes Porträt Arendts. Persönlich, nahbar, reichhaltig an Informationen.