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Vorleserin
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Berlin

Bewertungen

Insgesamt 18 Bewertungen
12
Bewertung vom 09.06.2011
Das Leben und Schlimmeres
Ringsgwandl, Georg

Das Leben und Schlimmeres


gut

Ein Oberarzt löst sich von seinem Beruf, geht auf die Kleinkunstbühne und beginnt zu schreiben : Das Ergebnis ist das Buch „Das Leben und Schlimmeres“. Es enthält eine Reihe von Geschichten, die den Alltag auf kabarettistische Weise beleuchtet.
Das Spektrum der Szenen ist breit gefächert, vom Gassi gehen mit dem Hund über die Beschreibung eines vollgestellten Badewannenrandes und den Urlaub in Dänemark bis hin zu den Themen, in denen der ehemalige Arzt so richtig fachkundig ist: Sprechstunden- und Krankheitsgeschichten.
Der Stil ist bayrisch-burschikos, die Sätze relativ kurz gestaltet, man sieht den Schriftsteller förmlich auf der Bühne stehen. Seine Gedankengänge sind oft originell und witzig, das Kleinstadtleben wird plastisch geschildert.
Diese bildhafte Beschreibung wird auch bei den medizinischen Themen eingesetzt, man ist ja immerhin Arzt, was aber dem Humor eines Nichtfachmanns etwas abträglich ist. Worüber sich Mediziner freuen, da schaut der Laie lieber weg.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieses Buch gut dafür ist, mal diese oder jene Geschichte zwischendurch zu lesen. Bei dem Versuch, das Buch einfach hintereinander zu lesen, kommt der Spaß recht schnell abhanden. Für ein volles Programm sieht man sich wohl eher direkt eine seiner Shows an.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.05.2011
Ohne. Ende. Leben.
Bray, Libba

Ohne. Ende. Leben.


sehr gut

Cameron ist ein ruhiger, zurückhaltender aber auch zynischer Teenager. Das Mädchen seiner Träume ist unerreichbar für ihn, das Verhältnis zu seinen Eltern und seiner Schwester eher lau. Die Probleme halten sich in Alltagsgrenzen, bis die Diagnose „Rinderwahnsinn“ sein ganzes Leben auf den Kopf stellt.
Im Krankenhaus zu liegen mit der Gewissheit, dass man unheilbar erkrankt ist, lässt Cameron über sein Leben nachdenken. Der Zimmernachbar Gonzo, ein kleinwüchsiger Junge, ist dabei eher ein nerviges Hindernis.
Da kommt die Punkerfee Dulcie herbeigeschwebt und lässt Cameron zusammen mit Gonzo auf eine Reise gehen, bei der die beiden die Welt retten sollen und es für Cameron sozusagen als i-Pünktchen Hoffnung auf Heilung gibt.
Es geht auf eine turbulente Reise, bei der neben viel Action vor allem die verschiedenen Varianten eines glücklichen Lebens unter die Lupe genommen werden.
Die Charaktere sind vielschichtig und wandelbar, schön auch der Fingerzeig, dass nicht jede seltsame Marotte aus einem Menschen gleich einen Giftzwerg werden lässt.
Das klingt nach einem ernsten Buch, jedoch sorgt der saloppe Schreibstil für angenehme Lockerung. Ich finde, dass genau dieser Fakt das Buch so lesenswert macht. Ein unglaublich ernstes Thema mit tiefschürfenden Gedankengängen so flüssig und unterhaltsam zu gestalten, das ist dem Verfasser hundertprozentig gelungen.
Daher sollte man sich auch nicht von den ersten Seiten, wo der umgangssprachliche Stil etwas nervig auftritt, abschrecken lassen. Das Lesen des Buches lohnt sich.
P.S. Die Eigenart des Schriftstellers, manchmal Punkte innerhalb des Satzes so wie beim Titel Ohne.Ende.Leben. zu setzen, ist eine geschickte Variante, die Bedeutung dessen hervorzuheben.

Bewertung vom 27.04.2011
Tod im Schärengarten / Thomas Andreasson Bd.2
Sten, Viveca

Tod im Schärengarten / Thomas Andreasson Bd.2


gut

Der Roman beginnt mit einem perfekten Mord: Genau zum Startschuss einer bedeutenden Segelregatta wird einer der Teilnehmer erschossen. Oscar Juliander, das Opfer, hatte mit seiner neuen Yacht gute Chancen, den Wettbewerb zu gewinnen.
Doch nun wird gegrübelt. Wer hatte wohl ein Interesse daran, diesen Mann so medienwirksam umzubringen? Oscar selbst ist eine schillernde Persönlichkeit, Geld, Frauen, Macht und auch Drogen spielen eine Rolle. Daher weitet sich die Schar jener, die ihn umgebracht haben könnten, aus. Leider fallen dabei die einzelnen Charaktere recht einfach gestrickt und klischeehaft aus.
Man merkt dem Buch an, dass ihn eine Chefjuristin geschrieben hat. Mit juristischen Wissen und Begriffen wird nicht gegeizt. Ansonsten plätschert die Handlung so vor sich hin, man lernt nach und nach das Umfeld von dem Opfer kennen. Irgendwann fühlt man sich so familär eingebunden, als ob man im Wohnzimmer des Kriminalbeamten Thomas Anderssons zu Hause wäre.
Es ist zwar angenehm, dass der Roman nicht von Blut trieft, allerdings ist in Sachen Spannung hier Fehlanzeige. Die Stelle, an der Thomas auf einem kleinen Boot über einen See rudert und plötzlich hinter sich einen Schatten bemerkt, der sich dann als Fischschwarm entpuppt, der freudig begrüßt wird, ist typisch für den nicht vorhandenen Schauderfaktor.
Der Charme des Buches rührt eher aus der Beschreibung des schwedischen Alltages, der Urlauber, die diese Gegenden bevorzugen, ein bisschen wehmütig an den vergangenen Sommer denken lässt.
Zum Ende kommt noch mal etwas Spannung auf und es geschehen sogar unvorhergesehene Wendungen. Wer es genauer wissen will und das Buch zum Relaxen nimmt, ist mit dem Buch gut bedient.

Bewertung vom 20.04.2011
Marina
Ruiz Zafón, Carlos

Marina


ausgezeichnet

Carlos Ruiz Zafons neuer Roman Marina spielt im Barcelona der 1980er Jahre. Neben dem neuen, hellen Barcelona gibt es da noch die verschwiegenen Orte, die halbzerfallenen Villen, die versteckten Friedhöfe.
In dieser Umgebung wächst Oscar heran. Seine Lieblingsbeschäftigung ist es, durch die vergessenen Gassen zu schlendern und sich in ein besseres Leben zu träumen. Als er einmal in eine Villa eindringt, die dann doch nicht verlassen ist, nimmt er aus Versehen eine goldene Uhr mit. Geplagt von Schuldgefühlen kehrt er nach einigen Tagen wieder dorthin zurück.
Mit diesem Schritt, der ihm viel Überwindung gekostet hat, klinkt er die Tür in eine fremde, ehemals glamouröse Welt auf. Zusammen mit Marina kommt er Geheimnissen auf die Spur, die man lieber nicht erfahren hätte. Schwarze Schmetterlinge sind nicht immer willkommen.
Zafon setzt auch in seinem neuen Roman auf die Schönheit der Sprache. Damit hebt er sich angenehm von dem Trend ab, möglichst cool und schnodderig schreiben zu müssen. Allein des Stiles wegen lohnt es sich, das Buch zu lesen.
Wie gewohnt schürft der Schriftsteller in den Tiefen der Seelen. Wie verkraftet man Niederlagen und Enttäuschungen? Wie verändert Krankheit einen Menschen? Kann man den Tod überlisten? Seine Figuren sind zart ziseliert und niemals nur gut oder böse.
Bei den Beschreibungen von Barcelona möchte man sofort seinen Koffer packen und den nächsten Flieger nehmen, um die verwunschenen Orte der Stadt aufzustöbern. Dieser Wunsch ist dabei so intensiv, dass man den einen Besuch von Spaniens Hauptstadt in nächster Zeit einfach planen muss.
So träumt man sich durch das Buch, fiebert mit Oscar und Marina mit, einzig die manchmal recht unappetitlichen Vorstellungen stehen im Gegensatz zu der schönen Sprache. Würde das Werk verfilmt werden, entstünde ein ziemlich packender Thriller mit Sequenzen, bei denen man lieber wegschaut.
Doch dadurch hat es auch seinen speziellen Reiz und versprüht den geheimnisvollen Aufforderungs-Zauber „Lies mich“.

Bewertung vom 16.04.2011
Clockers
Price, Richard

Clockers


sehr gut

Der Roman CLOCKERS von Richard Price spielt im Dealer-Umfeld einer amerikanischen Großstadt, Strike, ein junger Dealer, sitzt jeden Abend auf den Bänken einer Hochhaussiedlung und verkauft ampullenweise Rauschgift. In seinen Träumen sieht er sich abwechselnd ins große Geschäft einsteigen oder ganz weit weg in einem Leben ohne Heroin.
Auf der anderen Seite gibt es die Drogenpolizei, die einen nahezu aussichtslosen Kampf gegen die Dealerei führt. Regelmäßig sucht sie die Umschlagsplätze auf, man kennt sich, die Durchsuchungen laufen nahezu rituell ab, Alltag eben.
Alles ändert sich, als Strikes Drogenboss Rodney ihn auffordert, einen anderen Dealer zu erledigen. Dabei wird Strike die Aussicht angeboten, selbst in das große Geschäft einzusteigen. Wird Strike einen Mord begehen?
Die Romanfiguren werden sehr detailliert beschrieben, man kann sich leicht in ihre Gedankenwelt einfühlen. Interessant ist auch die Einsicht in das Leben der Cops, ihre unterschiedliche Herangehensweise und Ausnutzung des Jobs,
Mit dem Buch lernt man anschaulich das Leben in den minderbemittelten Teilen der Stadt kennen. Es wird auch klar, warum es so schwierig ist, wieder aus dem Drogengeschäft auszusteigen, wenn man einmal Fuß gefasst hat.
Das Lesen des Buches erfordert etwas Geduld und viel Muße, die Handlung plätschert so vor sich hin. Aber dafür erhält man einen einmaligen Einblick in das Leben der Dealer, der Cops und all derer, die mit ihnen leben müssen – und das ist die Zeit schon wert.

Bewertung vom 23.03.2011
Blaue Augen
Harris, Joanne

Blaue Augen


sehr gut

Joanne Harris wurde mit ihren Werken „Chocolat“ und „Himmliche Wunder“ als Autorin schöner, tiefsinniger Literatur bekannt, deren Bücher eine gewisse Magie verströmten.

Mit ihrem neuen Werk „Blaue Augen“ schlägt sie ganz andere Saiten an: Blauauge, einer von drei Söhnen einer hoffnungslos zerstrittenen Familie, wohnt mit 42 Jahren noch zu Hause.. Nach außen führt er ein unauffälliges Leben, das den Wünschen seiner Mutter angepasst ist. Doch seine wahre Obsession ist der Internetblog. Mit Hilfe dieses Mediums beschreibt es seine Lust am Töten und welchen Anteil er am Tod seiner Brüder und manch einer ungeliebten Person hat.

Gerade rechtzeitig, wenn man als Leser genug Mordbeschreibungen gelesen hat, geht die Geschichte in die Tiefe. Seine Vergangenheit kommt Stück für Stück ans Licht, besondere Begabungen haben großen Einfluss auf den Werdegang.

Ist Blauauge wirklich der Mörder oder denkt er sich die Geschichte nur aus? Welche Rolle hat Albertine in seinem Leben gespielt? Wer ist Jenny Tricks?
Für diese Fragen hat die Autorin dem Leser einige Überraschungen bereit gelegt. Was Fiktion und was die wahre Geschichte von Blauauge ist, muss der Leser selbst herausfinden, dabei wird er seine Erkenntnisse im Laufe des Buches einige Male aktualisieren.

Ein ungewöhnliches Buch, das einem in den Bann zieht und nachdenklich werden lässt. Der flüssige Schreibstil und die immer tiefer gehenden Enthüllungen sorgen dafür, dass einem die knapp 500 Seiten nicht langweilig werden. Dieses Buch ist absolut empfehlenswert, solang man nicht die Joanne Harris früherer Werke vor sich hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.03.2011
Curia
Caplan, Oscar

Curia


sehr gut

Ja, was schreibt man zu einem so einem umfassenden Werk, das Religion, Wissenschaft, Esoterik und nicht zuletzt die eigenen Abgründe zusammenfasst und in einem Thriller verpackt.

Doch beginnen wir von vorn: Das Cover des Buches suggeriert einen blutrünstigen und spannenden Roman im Stile der Verschwörungstheorien. Die Handlung beginnt auch passend damit, dass ein Kardinal in den Geheimarchiven etwas entdeckt hat, was die Bibel in wichtigen Teilen in Frage stellt. Doch bevor er den Papst davon berichten kann, wird er auch schon zum Schweigen gebracht. Sein engster Vertrauter überlebt ihn nur um einige Tage. Sein Bruder will sich an der Kirche rächen, indem er das Geheimnis lüften und somit dem Katholizismus nachhaltig schaden will.

Nachdem man so in die Geschichte eingeweiht wurde, beginnt der theoretische Teil. Die nächsten hundert Seiten werden Bibelstellen ausgewertet und die Pharaonen ausführlich dargestellt. In der Phase habe ich die angehängte Danksagung (nicht das Ende, wirklich nur das Nachwort) gelesen. Darin bedankt sich der Autor bei seinem Lektor, dass er seinen Roman von allen überflüssigen Elementen befreit hat. Dem Dank schließen wir uns herzlichst an, denn mehr Fachwissen hätte dem Buch wirklich geschadet.

Doch wer sich durch den etwas spröden Bereich, der bösartiger Weise auch noch versucht, den Leser zu verwirren, vorgearbeitet hat, wird reichlich belohnt.

Die Handlung nimmt an Fahrt auf, das aufgenommene Fachwissen lässt die Aktionen der Personen schlüssig erscheinen und man erfährt neben Religion und Geschichte viel darüber, wie die Weltwirtschaft funktioniert.

Schaut man auf die Biografie des Autors - Chemiestudium, Investmentbanker und kaufmännischer Geschäftsführer einer internationalen Unternehmensgruppe - so ist klar, dass die Beschreibungen nicht aus der Luft gegriffen sind. Ich konnte trotzdem nicht der Versuchung widerstehen, ab und zu im Internet seine Aussagen zu überprüfen. Es war teilweise beunruhigend, wie recht er hat.

Aber neben dem großen Weltgeschehen geht es genauso um die eigenen Träume und Wünsche sowie um den Rucksack, den man durchs Leben schleppt.

Wer ein Buch sucht, in dem eine Sekte von einem gewalttätigen Mord zum anderen huscht, wird hier nicht bedient. Wer aber ein bisschen über die Welt, die Religion und sich selbst nachdenken möchte und vor Wissenszufluss nicht zurückschreckt, wird dieses Werk lieben und im kommenden Sommer die Sterne am Himmel mit anderen Augen sehen.

Bewertung vom 10.02.2011
Jacob beschließt zu lieben
Florescu, Catalin Dorian

Jacob beschließt zu lieben


ausgezeichnet

Ein gefährliches Buch – nimmt man es einmal in die Hand, ist es sehr schwer, das Werk loszulassen.
Erzählt wird die Geschichte der Familie Obertin aus der Sicht des Sohnes Jacob. Sie spielt vor allem in der Zeit von 1920-1950, aber mittels Rückblenden kommen auch die Großväter und Urgroßväter zu Wort. Das Leben im Dorf wird immer wieder harten Wendungen unterworfen, nichts kommt leichtfüßig daher.
Der Roman ist unglaublich spannend geschrieben, es lässt einem einfach nicht los. Dazu kommt, dass das Leben der Deutsch-Rumänen in Rumänien selbst zu jeder Zeit seine Tücken hatte, was einem bisher gar nicht so bewusst war. Auch die Akzeptanz bzw. Nichtakzeptanz der Zigeuner sowie das Verständnis der verschiedenen Nationalitäten spielt eine wichtige Rolle und ist gerade in der heutigen Zeit ein aktuelles Thema.
Alle Personen haben ausgeprägte Charaktere, deren Wandel im Einklang mit der Geschichte steht. Die Geschehnisse sind nie vorhersehbar, so dass man bis zum Ende mit dem Helden mit fiebert. Der Schluss selbst ist, ohne zu viel verraten zu wollen, einfach perfekt gesetzt.
Dieses Buch ist ein Lesegenuss und aufgrund seines anspruchsvollen Inhaltes ein Werk, das für die Schulliteratur empfohlen werden sollte.

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

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