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Magda
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Köln

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Insgesamt 289 Bewertungen
Bewertung vom 01.06.2025
Kuhlmann, Stefan

Umweg zum Sommer


ausgezeichnet

Umweg zum Sommer ist der zweite Roman von Stefan Kuhlmann. Bereits bei „Herr Winter taut auf“ habe ich mich köstlich amüsiert, und auch bei diesem Roman habe ich oft gelacht über die Sticheleien zwischen Onkel und Neffe.
Vorneweg möchte ich auf die wunderbare Gestaltung der Hin- und Rückseite des Umschlags hinweisen. Vorne ist Martins und Karls Route von Berlin nach Portugal aufgezeichnet, hinten finden sich kurze Charakteristika der beiden Protagonisten: Karl, 12 und Martin, 49. Das bunte Cover mit den beiden Schattenfiguren passt hervorragend zu der herzerwärmenden Geschichte.
Martin ist Musiker, sein größter Erfolg mit dem Song „You don’t know me“ liegt bereits fünfundzwanzig Jahre zurück. Sein Manager bietet ihm an, bei einem Festival in Portugal für den Bassisten einzuspringen. Dummerweise hat er sich jedoch gerade bereit erklärt, auf seinen Neffen aufzupassen, solange dessen Mutter, Martins Schwester, wegen Burnouts in einer Klinik ist.
Martin beschließt, Karl bei seiner Oma am Bodensee zu lassen und anschließend mit dem Auto nach Portugal zu fahren. Doch Karl denkt nicht daran, auf eine Reise ans Meer zu verzichten und schafft es, unbemerkt in den Kofferraum zu schlüpfen. Wohl oder übel lässt Martin sich auf die Gesellschaft seines Neffen ein. Das Verhältnis der beiden ist nicht das beste, Karl gibt gerne altkluge Bemerkungen zu Martins Verhalten ab, was diesem gewaltig auf die Nerven geht.
Der erste Stopp ist in Nizza. Da Martin nur wenig Geld hat, will er möglichst nicht in Hotels übernachten, sondern bei seinen Verflossenen, von denen einige praktischerweise auf ihrer Reiseroute wohnen. Der Besuch bei Carole verläuft nicht sehr harmonisch, besser läuft es in Roquetas de Mar.
Ich fand den Roadtrip des ungleichen Paares sehr amüsant und abenteuerlich. Sie entdecken, dass ihr Musikgeschmack nicht so sehr voneinander abweicht wie zuerst gedacht, und dass auch aus Karl ein Musiker werden könnte. Karl verliebt sich und hilft einem jungen Flüchtling aus der Patsche.
Sehr gut gefallen hat mir die Nebenhandlung mit Martins Mutter, zu der er bisher kaum Kontakt hatte. In Porto kommen sie sich wieder näher, und Martin sieht das Leben auch mal aus ihrer Perspektive – der einen allein lebenden Witwe.
Der Autor nimmt uns mit auf die Reise nach Nizza, Fréjus, Tarragona, Roquetas de Mar und Porto – ich habe mich sehr über ein Wiedersehen mit Orten gefreut, die ich entweder bereits bereist habe oder die ich gerne noch besuchen möchte.
Beim Lesen habe ich oft laut gelacht, besonders in Situationen, wenn Martin von seiner Schwester angerufen wurde, und diese nicht wissen durfte, dass er mit Karl auf dem Weg nach Portugal ist.
Sehr gern empfehle ich den amüsanten und oft tiefsinnigen Roman weiter.

Bewertung vom 25.05.2025
Buck, Vera

Der dunkle Sommer


ausgezeichnet

Der dunkle Sommer von Vera Buck ist ihr dritter Thriller und auch der dritte, den ich von ihr gelesen habe. Auch dieses Buch hat meine Erwartungen mehr als erfüllt, ich habe ihn mit angehaltenem Atem verschlungen.
Zuerst hatte ich aufgrund der vielen Charaktere und zwei Zeitebenen etwas Schwierigkeiten, in die Handlung reinzukommen, doch bereits nach wenigen Kapiteln hat mich die Handlung gepackt, und ich konnte nicht mehr mit dem Lesen aufhören.
Nach dem Tod ihres Vaters findet die Architektin Tilda auf seinem Schreibtisch einen Artikel, in dem über das Dorf Botigalli auf Sardinien berichtet wird, wo Häuser für einen Euro verkauft werden. Spontan entschließt sie sich, Deutschland zu verlassen und ein Haus in Botigalli zu kaufen, es zu renovieren und dort einzuziehen.
Enzo ist Journalist, er schreibt ein Buch über die Geschichte von Botigalli. Silvio diNardo ist einer der wenigen Überlebenden des Massakers von 1982. Er lebt nach wie vor in dem Dorf und steht an guten Tagen für Enzos Fragen zur Verfügung, an anderen lässt er ihn eiskalt abblitzen.
1982: Franca, 17, macht eines Nachts eine seltsame Beobachtung, der sie nachgehen will. Bei ihren Nachforschungen gerät sie mit den Männern des Dorfes aneinander und gerät in Lebensgefahr.
Die Kapitel sind abwechselnd aus der Perspektive von Tilda, Enzo und Franca geschrieben und enden stets mit einem Cliffhanger. Die in den Achtzigern in Sardinien angewandten Entführungspraktiken haben mir Gänsehaut beschert, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Entführungen tatsächlich stattgefunden haben und die Beschreibungen auf Befragungen von Opfern und Tätern beruhen. Unfassbar fand ich die Macht des Patriarchats, die Männer hatten die alleinige Macht über die Frauen des Dorfes, deren Daseinsberechtigung sich auf Haushalt und Kinder beschränkte.
Zum ersten Mal habe ich vom Gesetz des matrimonio riparatore, der „reparierenden Ehe“ erfahren – die Ehre einer vergewaltigten Frau wird wiederhergestellt, indem sie von ihrem Vergewaltiger geheiratet wird.
Die Auflösung und die Geschichte von Enzo und Tilda habe ich nicht vorhergesehen und an keiner Stelle vermutet. Gerne spreche ich eine Leseempfehlung für diesen spannenden Thriller mit Gänsehautfaktor aus.

Bewertung vom 25.05.2025
Labba, Elin Anna

Das Echo der Sommer


sehr gut

Das Echo der Sommer ist der atmosphärische Debütroman von Elin Anna Labba, der im Zeitraum zwischen 1942 und 1979 in Lappland spielt.
1942: Die dreizehnjährige Ingá gehört dem indigenen Volk der Samen an. Im Sommer lebt sie mit ihrer Mutter Rávdná und deren Schwester Ánne in einer Kote an einem großen See. Im Herbst ziehen sie in einer großen Gruppe mit ihren Rentieren ins Winterland.
Eines Sommers müssen sie feststellen, dass ein Staudamm gebaut wurde und ihnen kaum noch Platz zum Leben bleibt.
Die Autorin beschreibt das einfache Leben der drei samischen Frauen. Seit dem Tod von Rávdnás Mann besitzen sie keine Rentiere mehr und leben vom Fischfang und dem Verkauf von Moltebeeren und Kunsthandwerk. In dem Sommer 1942 arbeitet Ingá als Dienstmädchen bei einer Verwandten.
Rávdná hat einen Traum: Sie möchte nicht in einer Kote, sondern in einem richtigen Haus leben, mit Fenstern, einem Dielenboden und einem Ofen. Doch die Behörden verweigern ihr die Baugenehmigung, die Lappen sollen Nomaden bleiben und nicht in festen Häusern wohnen. „Der Staat hält es für das Beste, wenn die Lappen ihr ursprüngliches Leben beibehalten und weiter mit ihren Rentierherden umherziehen. Die natürlichen Eigenschaften der Lappen sind für die Sesshaftigkeit nicht geeignet.“ (S. 84)
1969: Der Staudamm wurde kontinuierlich erhöht, und ein Wasserkraftwerk ist am See errichtet worden. Ingá ist mittlerweile vierzig Jahre alt, ihre Mutter und sie trauern immer noch um Ánne, die viele Jahre zuvor gestorben ist. Ingá arbeitet als Putzkraft im Elektrizitätswerk. Die Lappen, mit Rávdná an der Spitze, protestieren gegen das Staudammprojekt.
1979: Rávdná ist über siebzig und lebt in einem Altenheim. Die Lappen haben ihren Kampf gegen das Staudammprojekt verloren, sie wurden mit lächerlich kleinen Entschädigungen abgespeist.
Es war interessant, viel über das Leben der Lappen zu erfahren. Es hat mich sehr traurig gestimmt, dass ihnen der Wohnraum genommen wurde.
Die Autorin hat mich in die wunderschöne Natur Lapplands versetzt. Das Buch ist sehr atmosphärisch, der Schreibstil poetisch, doch für meinen Geschmack oft zu ausschweifend. Es passiert nur wenig, und über allem schwebt eine traurige Grundstimmung. Die Frauen reden nicht viel, auf den 450 Seiten finden sich nur wenige Dialoge und diese sind voll mit samischen Ausdrücken, die nicht übersetzt wurden. Ein Buch für diejenigen, die sich gern in Naturbeschreibungen verlieren und Gedichte mögen, von denen einige zwischen den Kapiteln abgedruckt sind.

Bewertung vom 20.05.2025
Mommsen, Janne

Das Licht in den Wellen


ausgezeichnet

Das Licht in den Wellen von Janne Mommsen ist das erste Buch, das ich von dem Autor gelesen habe, aber ganz bestimmt nicht das letzte. Der Roman, der auf der Insel Föhr und in New York spielt, war für mich ein Highlight!
Die Rahmenhandlung spielt sich an Bord eines Kreuzfahrtschiffes auf dem Weg von Hamburg nach New York ab. Die fast hundertjährige Friesin Inge möchte noch einmal die Stadt sehen, in der sie viele Jahre ihres Lebens verbracht hatte. Urenkelin Swantje begleitet sie und nutzt die Reise für Aufzeichnungen über die aufregende und ereignisreiche Vergangenheit ihrer Uroma.
1947 ging die 24jährige Inge an Bord der „Uthlande“. Sie wollte für ein paar Monate weg aus Föhr, den Grund dafür erfahren wir erst am Ende des Buches. An Bord des Schiffes lernt sie die gleichaltrige Karolina kennen, die zu ihrer besten Freundin wird.
In New York bekommt Inge eine Anstellung im Deli des friesischen Einwanderers Gerd Jessen. In seinem Feinkostgeschäft arbeiten fast nur Friesen, die schon lange in New York leben. Neben Englisch wird Fering gesprochen, so dass Inge sich gleich heimisch fühlt.
Mehrmals schiebt sie ihre Rückreise nach Föhr auf. Dann lernt sie Hauke kennen, der ebenfalls aus Föhr stammt. Die beiden heiraten und pachten auf Long Island ein Restaurant, sie bekommen einen Sohn und schaffen es nur selten, ihre alte Heimat zu besuchen.
Inges Restaurant ist sehr erfolgreich, „Inges magic potatoe salad“ wird zum Kassenschlager, zu ihren Gästen zählen Stars und Sternchen, einmal darf sie sogar John F. Kennedy bekochen.
Die Verbindung zu Föhr reißt in den Jahren in New York nicht ab, die New Yorker Friesen feiern zusammen Silvester, gehen zur alljährlichen Steubenparade und treffen sich regelmäßig im Plattduetschen Park Restaurant. Der Föhr-Amrumer Unterstützungsverein hilft Friesen in Not.
Ende der Siebziger Jahre folgt ein Unglück dem anderen, und Inge entschließt sich zur Rückkehr nach Föhr. Doch ihr Herz hängt an New York und ihren New Yorker Freunden Karolina und Giovanni.
Ich fand es sehr spannend, Inges Leben in New York zu verfolgen, den wahr gewordenen American Dream.
Wir erfahren auch einiges über das Leben auf Föhr, mit den Gezeiten, den reetgedeckten Häusern und dem nordfriesischen Dialekt. Janne Mommsen schreibt atmosphärisch und berührend und konnte mich mit seinem New York/Föhr-Familienroman absolut begeistern.
Ich freue mich schon auf die Fortsetzung, die nächstes Jahr erscheinen soll und darauf zu erfahren, wie Inges Leben ab 1978 bis heute verlaufen ist.

Bewertung vom 12.05.2025
Nikolai, Maria

Der Duft der Neuen Welt / Little Germany Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Little Germany, der Duft der Neuen Welt von Maria Nikolai ist der Auftakt einer New York-Dilogie und spielt Anfang des 20. Jahrhunderts. Von der Autorin habe ich bereits die Bodensee-Saga sehr gern gelesen, auch mit ihrem neuen Roman konnte sie mich begeistern.
Stuttgart, 1901: Lissi arbeitet als Dienstmädchen bei der Industriellenfamilie Wagner. Sie gibt den Avancen des jüngsten Sohnes nach und wird schwanger, woraufhin seine Mutter ihr fristlos kündigt. Lissi ergattert eine Schiffspassage nach New York.
Bereits in Bremerhaven vor der Einschiffung lernt sie Julia kennen. Diese möchte ein neues Leben ohne ihren Ehemann Frederick von Varell beginnen. Sie fühlt sich gefangen in ihrer arrangierten Ehe.
Der Schiffsarzt Tobias Frey betreut Lissi vor und nach der Geburt ihrer kleinen Tochter Aurelia. Toby sucht in Amerika das Abenteuer, er möchte das Land bereisen und Land und Leute erleben.
Die beiden jungen Frau freunden sich an und finden in New York bald eine Anstellung in einer Bäckerei. Schon bald werden ihre schwäbischen Brezeln auch außerhalb von „Little Germany“, dem von Deutschstämmigen bewohnten Viertel auf der Lower East Side, berühmt.
Zu den Nebencharakteren zählen der junge Italiener Giovanni und sein spanischer Freund Bernardo. Die beiden arbeiten für Nonna Antonella, die mit kleinen Gaunereien ihr Einkommen aus einem Lebensmittelgeschäft aufbessert.
Das Buch endet mit einer Katastrophe: Dem Untergang des Raddampfers General Slocum auf dem East River am 15. Juni 1904. An Bord waren mehr als tausend Mitglieder der deutsch-amerikanischen Gemeinde, die meisten sind umgekommen, da die Schwimmwesten nicht funktionstüchtig, die Rettungsboote mit dem Schiffsrumpf verklebt waren, und die Menschen in Panik ins Wasser gesprungen und ertrunken sind. Der Untergang der General Slocum gilt als das größte zivile Schiffsunglück in den USA und die schwerste Katastrophe in der Geschichte New Yorks vor 9/11.
Der Roman enthält ein knapp fünfzigseitiges Nachwort mit einem Personenverzeichnis, unterteilt nach fiktiven und realen Personen, den historischen Hintergründen, einem Glossar und last but not least mehreren Rezepten. So können Laugen- und Zuckerbrezeln und die Torte della Nonna Antonella nachgebacken werden.
Die Autorin hat es geschafft, Wahrheit und Fiktion meisterhaft miteinander zu verknüpfen. Sie hat mich ins New York des beginnenden 20. Jahrhunderts versetzt, wo ich mit Lissi und Julia gebacken, geliebt und geweint habe. Es gibt sehr viele Nebencharaktere, die authentisch und sympathisch sind - bis auf die Kriminellen rund um Paul Kelly, einem der ersten Unterweltbosse in New York. Es passiert so viel, dass trotz des stattlichen Umfangs von 580 Seiten keine Langeweile aufkommt. Ich freue mich schon auf Band 2 und ein Wiedersehen mit New York und seinen Bewohner*innen, die ich ins Herz geschlossen habe.

Bewertung vom 10.05.2025
Höflich, Sarah

Maikäferjahre


ausgezeichnet

Maikäferjahre ist mein erstes Buch von Sarah Höflich. Der historische Roman hat mich begeistert und tief berührt.
Dresden, 1944: Anni lebt mit ihrer neugeborenen Tochter Clara bei ihren Eltern. Ihr Vater Gottlieb ist Violinist bei der Sächsischen Staatskapelle, der älteste Sohn Siegfried ist gefallen, Annis Zwillingsbruder Tristan und ihr Mann Fritz kämpfen beide an der Front.
Gottlieb versteckt unter Einsatz seines Lebens den jungen halbjüdischen Geiger Adam Loewe. Im Februar 1945, als Dresden in einer Nacht fast vollständig zerbombt wird, schafft Anni es mit Adams Hilfe, dem Inferno zu entkommen. Mit der neun Monate alten Clara und Gottliebs Geige, einer Guarneri, brechen die Drei zu einer Odyssee durch das zerstörte Europa auf. „Amerikaner, Deutsche, Tschechen, Russen – sie alle verfolgten ihre eigenen Ziele. Und dazwischen mäanderten Millionen von Flüchtlingen unterschiedlichster Herkunft.“ (S. 165)
Währenddessen stürzt Tristan mit seinem Flugzeug in England ab. Im Krankenhaus in Portsmouth verliebt er sich in die Krankenschwester Rosalie. Ihre Liebe stößt von allen Seiten auf Widerstand. Die Situation eskaliert, als Rosalies Bruder verwundet aus dem Krieg heimkehrt, er duldet keinen „kraut“ in seiner Familie. Doch Rosalie kämpft um ihre Liebe. Ihr Vater beschafft Tristan eine Anstellung auf der Isle of Wight, wo sich die beiden regelmäßig treffen können.
Die Kapitel erzählen abwechselnd von Annis und Adams Reise von Dresden über Karlsbad, Bayreuth und München bis nach Tirol und Tristans Leben in Portsmouth und auf der Isle of Wight. Anni muss sich mehrfach sexueller Übergriffe erwehren, Adam wird mit Antisemitismus konfrontiert. Tristans Leben in England ist direkt nach Kriegsende von Deutschfeindlichkeit geprägt, was nicht verwunderlich ist. Es gibt nur wenige, die Tristan unterstützen, so wie Reverend Thomas: „Nur die Sieger, die fähig sind, ihre einstigen Feinde zu umarmen, haben ihren Sieg wirklich verdient.“ (S. 230)
Maikäferjahre hat mich berührt und gefesselt, voller Spannung habe ich Annis und Adams und Tristans und Rosalies Geschichte verfolgt. Das Buch endet in Tirol mit einem überraschenden Twist, der nach einer Fortsetzung schreit. Von mir eine große Leseempfehlung für alle, nicht nur für Leser*innen von historischen Romanen.

Bewertung vom 07.05.2025
Lehmann, Astrid

Nur ein kurzer Sommer


ausgezeichnet

Nur ein kurzer Sommer von Astrid Lehmann ist ein historischer Roman, der die Geschichte der deutsch-bretonischen Familie der Autorin nacherzählt. Ich habe das 270 Seiten starke Buch sehr gern gelesen, es ist spannend und kurzweilig.
1940: Die Bretagne ist von den Deutschen besetzt, wird jedoch weitgehend vom Krieg verschont. Der junge Arzt Helmut arbeitet in einem von Nonnen geführten Krankenhaus in Vannes. Neben verwundeten Soldaten werden auch viele Einheimische behandelt. Helmut verliebt sich in die ledige Mutter Anne-Marie. Die beiden erleben einen wunderschönen bretonischen Sommer, bevor Helmut an die Ostfront versetzt wird.
Helmuts Eltern und sein Bruder Emil leben auf einem Bauernhof im Schwarzwald. Emil ist ein Nachzügler, fast zwanzig Jahre jünger als Helmut. Er wird 1940 eingeschult, statt Lesen und Schreiben will der Lehrer seinen Schülern den Kampf fürs Vaterland beibringen. Emils Vater ist nach einer Verletzung im Krieg erblindet, so dass die Mutter die Arbeit auf dem Bauernhof alleine stemmen muss. Als der Familie Kriegsgefangene zugewiesen werden, muss der 6jährige Emil sie morgens abholen und abends wieder ins Lager zurückbringen – ein fünf Kilometer langer Weg durch den Wald.
Fast zwanzig Jahre später findet Emil Helmuts Briefe an Anne-Marie und beschließt, sie in Vannes zu suchen, und ihr die Briefe zu geben. Er spürt tatsächlich Anne-Maries Tochter Marie-France auf. Es ist Liebe auf den ersten Blick – Emil zieht in die Bretagne, wo er mit seiner Frau eine Crêperie eröffnet.
Neben der berührenden Liebesgeschichte zwischen einem Deutschen und einer Bretonin wird das Leben in der Bretagne und im Schwarzwald während des Krieges sehr anschaulich beschrieben: Die Arbeit in einem Krankenhaus, das Leben auf einem Bauernhof, in einem Waisenhaus und die tiefe Trauer nach dem Verlust geliebter Familienmitglieder. Am Ende des Buches steht ein Rezept für eine bretonische Spezialität: die Galette (Buchweizenpfannkuchen).
Die Geschichte von Helmut und Anne-Marie, Emil und Marie-France hat mich sehr berührt. Das Buch empfehle ich allen, die wie ich die Bretagne lieben und gern bereisen, und Leser*innen von historischen Romanen.

Bewertung vom 06.05.2025
Suter, Martin

Wut und Liebe


ausgezeichnet

Wut und Liebe ist ein typisches Suter-Buch, das ich sehr gern gelesen habe. Hervorheben möchte ich die wunderschöne Ausstattung mit Leineneinband und Lesebändchen, das handliche Format und das hochwertige Papier.
Noah ist ein vom Publikum noch nicht entdeckter Kunstmaler. Er lebt in einer glücklichen Beziehung mit Camilla. Doch eines Tages stellt Camilla fest: Sie liebt ihn, aber nicht das Leben mit ihm. Sie will nicht weiterhin diejenige sein, die für Noahs Unterhalt aufkommt und will sich von ihm trennen.
Noah ist am Boden zerstört und will nur noch seinen Kummer in Alkohol ertränken. In der „Blauen Tulpe“ lernt er Betty kennen. Auch sie hat Kummer, denn sie trauert um ihren verstorbenen Mann Pat. Ihrer Meinung nach ist Pats Geschäftspartner Pete schuld an seinem Herzinfarkt, da er ihn jahrzehntelang ausgenutzt und ausgebeutet habe. Sie schlägt Noah einen Deal vor: Sie schenkt ihm eine Million, wenn er Pete beseitigt.
Noah überlegt sehr lange, er versucht, seine Bilder an den Mann zu bringen, er hofft, dass Camilla zu ihm zurückkehrt und einsieht, dass sie ein Leben ohne die Liebe und ohne Noah nicht führen möchte. Doch Bettys Angebot ist verlockend. Die beiden freunden sich an, sie treffen sich oft in der Tulpe oder bei Betty zu Hause und sprechen über Pat, Pete, die gemeinsame Firma der beiden, Bettys und Pats Ehe und natürlich über Camilla und die Liebe.
Suter hat mit Wut und Liebe ein großartiges Buch über die Liebe und ihre Facetten geschrieben. Er hat Noah, Camilla und Betty meisterhaft charakterisiert, so dass ich mich in alle drei gut hineinversetzen, und ihre Gedankengänge nachvollziehen konnte. Wenn die Zubereitung von leckeren Speisen beschrieben wurde, lief mir das Wasser im Mund zusammen. Vom Ende war ich – wie so oft bei Suters Büchern – sehr überrascht, nichts war wie es schien, die Ereignisse von damals und heute waren keineswegs vorhersehbar. Ich vergebe fünf Sterne und eine große Leseempfehlung.

Bewertung vom 06.05.2025
Strohmeyer, Anette

Die Frau und der Fjord


ausgezeichnet

Die Frau und der Fjord von Anette Strohmeyer ist ein atmosphärischer und berührender Roman über die Natur in der Arktis, Trauerverarbeitung und den Neubeginn nach einem tragischen Verlust.
Gro hat ein einsam gelegenes Häuschen an einem Fjord auf den Lofoten erworben. Sie hat nur wenig aus ihrem früheren Leben in Stavanger mitgenommen, am wichtigsten ist ihr die Urne mit der Asche ihres verstorbenen Mannes Nicklas. Nach seinem Unfalltod hat sie ihren hochdotierten Job als Geologin auf Ölplattformen gekündigt, sie möchte in der Einsamkeit des Fjords wieder zu sich selbst finden und ihren Verlust verarbeiten. Sie hat weder Handy noch andere elektronische Geräte mitgenommen.
Der nächste Ort ist mit dem Boot erreichbar, alle paar Wochen fährt sie hin, um einzukaufen und ihre Post abzuholen. Ihre Adresse hat sie nur wenigen Menschen gegeben, unter anderem ihrer Schwiegermutter, die die Asche ihres Sohnes an seinem Heimatort begraben will und Gro deswegen permanent mit Vorwürfen konfrontiert.
Gro erkundet den Fjord und genießt die Nähe zur Flora und Fauna der Lofoten. Aus Kräutern stellt sie Tee, Likör und Leckereien her und legt Vorräte für den Winter an.
Eines Nachts stürmt es heftig, und Gro rettet einen Schiffsbrüchigen. Ihr wird ihr bewusst, wie sehr ihr der Austausch mit anderen Menschen, Umarmungen und körperliche Nähe gefehlt haben.
Kurze Zeit später steht ihr früherer Kollege Derek vor ihrer Tür. Derek und Arne sind im Auftrag ihrer Firma auf der Suche nach Erdöl. Gro hatte bereits eine Ölquelle gefunden, was sie den beiden jedoch verheimlicht. Mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln kämpft sie dafür, die unberührte und wilde Natur der Lofoten zu erhalten.
Ich habe Die Frau und der Fjord sehr gern gelesen. Die Autorin hat mich auf die Lofoten versetzt, wo ich einen Wasserfall, den von Gro „Abgebrochener Zuckerhut“ genannten Berg, die Robbe Nicky und den Polar-Birkenzeisig Mats beobachtet habe. Ich habe Gros tiefe Trauer gespürt und mich über ihre Gefühle für Jens gefreut.
Im Nachwort erklärt die Autorin, dass Gros Geschichte auf wahren Begebenheiten beruht. Vor einigen Jahren wurde tatsächlich beabsichtigt, auf den Lofoten eine Ölplattform zu errichten. Glücklicherweise wurden diese Pläne nicht umgesetzt, und die Natur in der Arktis bleibt unberührt.
Ich lege diesen Roman denjenigen ans Herz, die sich für die Natur der Lofoten interessieren, und allen, die einen berührenden Roman über das Leben mit und nach dem Verlust eines geliebten Menschen lesen möchten. Ich vergebe fünf Sterne und eine große Leseempfehlung.

Bewertung vom 02.05.2025
Murrin, Alan

Coast Road


ausgezeichnet

Coast Road ist der Debütroman des irischen Autors Alan Murrin. Der Schreibstil hat mich an Graham Norton erinnert, dessen Bücher ich sehr gerne lese. Vorneweg möchte ich auf die wunderschöne Optik und Haptik des Buches hinweisen. Unter dem Schutzumschlag kommt ein wahres Schmuckstück zutage.
Ardglas, County Donegal: Oktober 1994 bis März 1995: Die Dichterin Colette Crowley hatte einige Monate zuvor ihren Mann und ihre drei Söhne verlassen, um mit einem anderen Mann in Dublin zu leben. Ein Skandal in dem kleinen Ort im konservativen, erzkatholischen Irland. Colette mietet ein Cottage von Donal und Dolores Mullen. Das Cottage liegt an der Coast Road oberhalb des Hauses der Mullens und ist von dort aus über einen kleinen Pfad erreichbar.
Ihr Mann verwehrt Colette jeglichen Kontakt zu ihren Kindern, worunter sie sehr leidet. Da kommt ihr die Idee, sich mit Hilfe von Izzy, der Mutter eines Schulfreundes ihres Sohnes Barry, mit Barry zu treffen. Izzy sträubt sich zunächst, sieht jedoch ein, dass eine Mutter Sehnsucht nach ihren Kindern hat und organisiert Ausflüge in einen Freizeitpark und ein Shoppingcenter, wo sich Colette mit Barry trifft. Der Elfjährige vermisst seine Mutter genauso wie sie ihn.
Izzy ist mit einem Lokalpolitiker verheiratet, die beiden haben Eheprobleme und sprechen manchmal wochenlang nicht miteinander. Um ihrem Zuhause zu entkommen, nimmt sie an verschiedenen Abendkursen teil. Als Colette einen Schreibworkshop anbietet, ist Izzy dabei. Die beiden Frauen freunden sich an. Izzy bewundert und bemitleidet die schöne, selbstständige Colette, die von den anderen Dorfbewohnern geächtet wird.
Neben Colette und Izzy ist Dolores Mullen ein wichtiger Nebencharakter. Dolores hat sehr jung geheiratet, nachdem Donal sie geschwängert hatte. Mittlerweile ist sie mit dem vierten Kind schwanger und unglücklich. Donal betrügt sie, worüber das ganze Dorf Bescheid weiß.
Alle drei Frauen führen unglückliche Ehen, doch eine Scheidung kommt nicht in Frage, sie ist gesetzlich verboten. Izzy beobachtet, wie sehr Colette unter der Trennung von ihren Kindern leidet und zerbricht sich den Kopf, ob eine Trennung von ihrem Mann sie glücklicher machen würde.
Erstaunlich, dass der Roman von einem Mann geschrieben wurde, da die Männer durchweg negativ dargestellt werden. Donal ist ein notorischer Fremdgeher, Shaun verbietet seiner Frau den Kontakt zu ihren Kindern, die erwachsenen Söhne lehnen ihre Mutter ab, James interessiert sich nur für seine Karriere und verbringt kaum Zeit mit der Familie. Einzig der Dorfpfarrer, der früher Polizist war, hat vernünftige Ansichten.
Ich habe das Buch sehr gern gelesen und bin in das irische Dorfleben in den 1990er Jahren eingetaucht. Mein Lieblingscharakter ist der Pfarrer mit seiner fortschrittlichen Sicht auf seine Mitmenschen und die Kirche. Über die Auflösung des Verbrechens habe ich mich sehr gefreut, da ich Bedenken hatte, dass der Mörder davonkommt. Der Roman hat mich berührt und betroffen gemacht, wie gut, dass sich die Gesetzeslage geändert hatte, und die Frauen seit November 1995 frei entscheiden können, ob sie in einer unglücklichen Beziehung verbleiben oder sich zur Scheidung entschließen. Ich freue mich auf weitere Bücher von Alan Murrin.