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Benutzername: 
Magda
Wohnort: 
Köln

Bewertungen

Insgesamt 211 Bewertungen
Bewertung vom 29.10.2024
Die Familienangelegenheiten der Johanne Johansen
Heldt, Dora

Die Familienangelegenheiten der Johanne Johansen


ausgezeichnet

Auf das neue Buch von Dora Heldt habe ich mich schon sehr gefreut. Ich habe einige ihrer Bücher gelesen, zuletzt die „Haus am See“-Reihe um die drei Freundinnen Alexandra, Friederike und Jule.
Auch in ihrem neuen Buch geht es um Frauenschicksale: Die titelgebende Johanne Johansen, ihre Cousine Luise Gehrke, deren Tochter Emma sowie Edda, Johannes langjährige Haushälterin mit Tochter Paula und Enkelin Frieda. Die Reederei Johansen steht im Mittelpunkt des Romans. Sie wurde bis zu seiner Pensionierung von Luises Vater Friedrich geführt. Seit einigen Jahren leitet Luises Mann Thilo-Alexander mit Henner, seinem Sohn aus erster Ehe, die Reederei.
Johanne und Luise könnten unterschiedlicher nicht sein. Als junge Frau hatte Johanne ihre große Liebe bei einem Schiffsunglück verloren, seitdem lebt sie allein und arbeitet als Sekretärin in der Reederei. Die zehn Jahre jüngere Luise hingegen war nie berufstätig, sie verbringt ihr Leben als Ehefrau und Mutter einer Tochter. Ihre Zeit verbringt sie mit Shoppen, bei der Kosmetikerin, Maniküre, beim Friseur oder Cocktails Trinken mit anderen begüterten Hanseatinnen.
Zwei große Ereignisse stehen an: Luises und Thilo-Alexanders Silberhochzeit und Johannes Pensionierung. Die Silberhochzeit soll mit vielen Gästen prunkvoll gefeiert werden, ihre Pensionierung hingegen will Johanne ohne viel Brimborium durchziehen. Überhaupt macht Johanne nie viel Aufhebens um ihre Person und will nur in Ruhe gelassen werden, im Gegensatz zu Luise, die bewundert und beneidet werden möchte – um ihren Reichtum, ihre glückliche Ehe und ihre wohlgeratene Tochter. Dabei ist alles mehr Schein als Sein: Die Reederei steht kurz vor der Insolvenz, Thilo-Alexander hat eine Geliebte, und Emma interessiert sich für alles andere, nur nicht für ihr Studium.
Als Luise vor den Trümmern ihres Lebens steht, wendet sie sich an Johanne und bittet sie um Hilfe bei der Rettung des Familienunternehmens. Mit Hilfe von Edda, Paula, Frieda und Emma leiteten sie etliche Soforthilfemaßnahmen ein, um Arbeitsplätze zu retten und die Schiffe der Reederei Johansen wieder konkurrenzfähig zu machen.
Ich mag die Bücher der Autorin sehr und auch „Die Familienangelegenheiten der Johanne Johansen“ habe ich gern gelesen. Ich fand es interessant und spannend, die Entwicklung der Protagonistinnen mit zu verfolgen und zu erleben, wie aus zwei so unterschiedlichen Persönlichkeiten Freundinnen wurden. Auch die Enthüllung des langgehüteten Familiengeheimnisses hat mich überrascht. Dora Heldt hat einen emotionalen, flüssigen Schreibstil, so dass ich das Buch an wenigen Tagen durchgelesen habe, einen großen Teil habe ich über meinen Hörbuchanbieter gehört, wunderbar eingelesen von Vera Teltz. Von mir eine Leseempfehlung für alle Leser*Innen von Frauenromanen, Dora Heldts Romane sind Bücher, die einfach gut unterhalten, ohne den Leser*Innen viel an Konzentration oder Grübelei abzuverlangen.

Bewertung vom 29.10.2024
Alte Taten, neuer Zorn / Kriminalinspektor Carl Bruns Bd.2
Völler, Eva

Alte Taten, neuer Zorn / Kriminalinspektor Carl Bruns Bd.2


ausgezeichnet

Alte Taten, neuer Zorn ist der zweite Band einer neuen Kriminalreihe von Eva Völler. Letztes Jahr habe ich Band 1 „Helle Tage, dunkle Schuld“ gelesen und mich sehr auf das Wiedersehen mit Kriminalinspektor Carl Bruns, seiner Verlobten Anna und deren Schwester Frieda gefreut.
Essen, 1949: Carl muss herausfinden, wer Richter Vahrendonk vergiftet hatte. Verdächtige gibt es sehr viele, da Vahrendonk ein sogenannter Blutrichter war, der während der NS-Diktatur Juden und Regimegegner für Nichtigkeiten schuldig gesprochen und zu Tode verurteilt hatte.
Carl erhält mehrere Anklageschriften, in denen Vahrendonk angeklagt wird „zur Begehung des Mordes an … wissentlich Hilfe geleistet zu haben“. So hat er bei einer 14jährigen Epileptikerin die Zwangssterilisation angeordnet, und eine ganze Familie bei der SS denunziert.
Carls Ermittlungen konzentrieren sich auf die Angehörigen der Opfer des Blutrichters. Unerwartete Hilfe bekommt er von einem zwielichtigen Reporter.
Doch auch Vahrendonks junger Frau und ihrem Geliebten, Staatsanwalt Albrecht, kommt der Tod des Richters alles andere als ungelegen.
Eine große Rolle spielt in dem Buch Carls Privatleben. Er freut sich auf seine baldige Hochzeit mit Anna und muss dafür auch mit ihrer Schwester Frieda zurechtkommen. Carls junger Kollege Harry verliebt sich in Frieda, was Carl wenig begeistert zur Kenntnis nimmt, da er Friedas Geheimnis kennt.
Ich habe mich sehr über das Wiedersehen mit Carl, Anna, Frieda, der kleinen Bärbel, Carls Ex-Frau Magda und ihrem Mann Engelbert gefreut. Sie alle erleben Schönes und Furchtbares. Es war spannend mit zu verfolgen, wie die Protagonist*Innen die Hindernisse überwinden, die ihnen das Leben gestellt hatte.
Eva Völler stellt das Leben in der Nachkriegszeit im Ruhrpott sehr authentisch dar. Sie macht uns bewusst, wie wenig erfolgreich die Entnazifizierung im Westen war „Wer nicht gerade SS-Mitglied oder aktenkundig verbrecherischer Funktionär einer Naziorganisation gewesen war, konnte sich im Einspruchsverfahren berechtigte Hoffnung auf einen Persilschein machen und mit weißer Weste von vorn anfangen. Die Behörden waren verzweifelt auf erfahrene Mitarbeiter angewiesen. Nach dem Krieg musste das deutsche Amtswesen in Justiz und Verwaltung wieder ans Laufen gebracht werden, sonst wäre Anarchie ausgebrochen.“ Im Nachwort geht die Autorin detailliert darauf ein. Ich empfehle den Roman Leser*Innen von Kriminal- und historischen Romanen.

Bewertung vom 23.10.2024
Hormon-Balance ab 40
Kieß, Rabea

Hormon-Balance ab 40


ausgezeichnet

Das ist das erste Buch zum Thema Wechseljahre, das ich gelesen habe, in dem nicht eine Hormonersatztherapie empfohlen wird. Stattdessen finden sich darin Empfehlungen, wie Wechseljahressymptome mit Hilfe von Sport und Ernährung gelindert werden können. Ob und wann eine Frau Wechseljahressymptome hat, ist genetisch bedingt, deren Verlauf kann jedoch durch den Lebensstil und die Ernährung beeinflusst werden.
Rabea Kieß geht auf die einzelnen Symptome ein, die bei vielen Frauen in etwa ab dem 40. Lebensjahr auftreten: Hitzewallungen, Herzrasen, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, Gewichtszunahme, Stimmungsschwankungen. Sie erklärt die biologischen Vorgänge im Körper, die zum Ungleichgewicht von Östrogen und Progesteron führen und verweist darauf, dass der Hormonhaushalt in direkter Interaktion mit dem Nerven-, Immun-, Herz-Kreislauf- und Verdauungssystem steht.
Der Hauptteil des Ratgebers ist der Bekämpfung der Symptome gewidmet, in den einzelnen Kapiteln wird explizit auf jedes Symptom eingegangen.
Die Autorin ist eine große Befürworterin von Yoga, da es körperliche Übungen mit Atemtechniken, Meditation und Entspannungstechniken kombiniert. Die im Buch vorgestellten bebilderten Yoga- und Atemübungen kann jede Frau problemlos in ihren Alltag integrieren.
Sie gibt sehr viele Tipps zur Ernährung und erklärt die Wirkung von Koffein, Zucker und Kuhmilch. Das Beste sind die dreißig Rezepte, die schon von der Optik her ein Augenschmaus sind. Zwei habe ich bereits ausprobiert und kann Overnight-Oats mit Schokolade und Kirschen und den grünen Smoothie mit Leinsamen sehr empfehlen!
Die Optik und Haptik des Buches gefällt mir sehr gut, sowohl für die Texte als auch für die Abbildungen, ganzseitige Selbsttests, Tabellen und Graphiken wurden angenehme grün/gelbe Schattierungen gewählt.
Ich habe durch diesen Ratgeber sehr viele Tipps und Informationen bekommen und möchte ihn sehr gern an interessierte und betroffene Frauen weiterempfehlen.

Bewertung vom 22.10.2024
Im Nordlicht / Nordwind-Saga Bd.2
Georg, Miriam

Im Nordlicht / Nordwind-Saga Bd.2


ausgezeichnet

Im Nordlicht von Miriam Georg ist der zweite Band der neuen Hamburg-Dilogie der Autorin. Diese konnte mich genauso begeistern wie die beiden Vorgänger Reihen Elbstürme/Elbleuchten und Das Tor zur Welt.
Ich empfehle, zuerst Band 1 „Im Nordwind“ zu lesen, da Band 2 direkt daran anschließt, und die Handlung ohne Unterbrechung weitergeht.
Hamburg, 1914: Alice arbeitet als Dienstmädchen bei Familie Reeven. Die Stelle bekam sie über Johns Schwester Blanche. Der Haushalt besteht aus Großvater Eugen, seiner Tochter Gesa und ihren erwachsenen Söhnen John und Julius. John ist mit Evelyn verlobt, die nach dem Tod ihrer Eltern bei den Reevens wohnt, Julius ist mit Marlies verheiratet. Gesas Ehemann Theodor lebt mit anderen Leprakranken in einem Pflegeheim in Ostpreußen.
Alice und John suchen in ganz Hamburg nach Alice‘ fünfjähriger Tochter Rosa. Henk, Alice‘ gewalttätiger Mann, von dem sie sich scheiden lassen will, hat Rosa vor ihrer Mutter versteckt und die gemeinsame Tochter in einem Waisenhaus untergebracht.
Wir erfahren die ganze Wahrheit über Alice‘ trauriges Schicksal, nachdem ihre Eltern sie der Frau des Pastors als Dienstmädchen überlassen hatten. In einem Dorf in der Nordmarsch wurde sie ausgebeutet und missbraucht. Im Alter von dreizehn Jahren wurde sie weggeschickt, um ihr Kind zu gebären. Den kleinen Otto musste sie zur Adoption freigeben. Das Schicksal schlug bei ihr noch weitere Male zu, und weder ihre Schönheit noch ihr künstlerisches Talent konnten sie davor bewahren.
Auch heute noch haben es alleinerziehende Mütter nicht leicht, doch vor über hundert Jahren war es für eine Frau ohne einen Mann an ihrer Seite so gut wie unmöglich, den Unterhalt zu bestreiten und ein menschenwürdiges Leben zu führen.
Auch Familie Reeven wird von Schicksalsschlägen getroffen – eine Person wird zum Pflegefall, eine andere wählt den Freitod. Und dann bricht der Krieg aus.
Ich hätte Alice und den Reevens mehr Glück gewünscht, sie waren sehr vom Schicksal gebeutelt. Noch nicht einmal Hund und Katze durften eines natürlichen Todes sterben. Die Autorin hat gut recherchiert und die damaligen Verhältnisse und Lebensumstände authentisch dargestellt. Das Leben war damals für Frauen kein Zuckerschlecken, vor Gericht waren stets Männer die Gewinner, Kinder wurden ins Waisenhaus gesteckt, wenn ihre Eltern kein Geld hatten, um sie zu ernähren.
Miriam Georg schreibt authentisch und berührend, ich liebe ihre Bücher und vergebe gerne auch für Band 2 ihrer neuen Dilogie fünf von fünf Sternen.

Bewertung vom 22.10.2024
Im Takt der Freiheit
Caspian, Hanna

Im Takt der Freiheit


ausgezeichnet

Die Schloss Liebenberg-Trilogie der Autorin habe ich sehr gern gelesen, deswegen habe ich mich schon sehr auf ihren neuen Roman gefreut. Auch mit ihrem Buch konnte sie mich begeistern.
Berlin, 1888: Die 19jährige Felicitas lebt mit ihrem Vater Egidius und ihrer jüngeren Schwester Tessa in einer hochherrschaftlichen Villa. Egidius ist erfolgreicher Unternehmer, er träumt davon, ins Eisenbahngeschäft im Osmanischen Reich einzusteigen und will in das Projekt Anatolische Eisenbahn investieren. Interne Informationen erhofft er sich vom Grafen von Brück-Bürgen. Dieser ist hochverschuldet und lässt sich auf das Geschäft mit Egidius ein. Die beiden beschließen, ihre Kinder miteinander zu verheiraten – der Graf und sein Sohn bekommen Felicitas‘ Mitgift, und Egidius erhält im Gegenzug Informationen.
Felicitas lernt bei einem Spaziergang im Park Lorenz Schwerdtfeger kennen. Dieser ist mit dem Fahrrad unterwegs. Lorenz ist Student, sein Vater ist Kutschenfabrikant aus Coburg, in Egidius‘ Augen kommt er als zukünftiger Schwiegersohn nicht in Frage.
Lorenz erregt als Fahrradfahrer viel Aufsehen, da alle anderen mit Pferdekutschen oder auf einem Pferd unterwegs sind. Er träumt davon, Fahrräder in großen Mengen zu produzieren und sie für jedermann zugänglich zu machen. Lorenz bringt Felicitas das Fahrradfahren bei, und die beiden verlieben sich ineinander.
Egidius plant, Felicitas Verlobung mit dem Grafensohn auf einem Ball zu verkünden. Es soll ein Ball werden, der alle anderen Bälle an Pracht übertrifft. Doch Felicitas sorgt dafür, dass auf dem Ball nichts so abläuft wie geplant. Dafür nimmt sie Kontakt mit ihrer Tante Apollonia auf, mit der Egidius seit Jahren zerstritten ist.
Sehr interessant fand ich den Charakter der Zofe Minna. Minna kam als Kind aus Afrika nach Berlin und kann sich kaum noch an ihre Kindheit erinnern. Der Schneidergehilfe Menkam ist der einzige Schwarze, den sie in Berlin kennt. Menkam träumt davon, nach Amerika auszuwandern. Von Menkam erfährt Minna einiges über die Kolonialisierung.
Der Roman hat mir die Geschichte des Fahrrads, der Eisenbahn und des Automobils nahegebracht. Bitte lest unbedingt das Nachwort. Darin verrät die Autorin einiges über die Geschichte der Transportmittel, die Pferde und Kutschen ersetzt haben.
In dem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass das Nachwort im Hörbuch leider nicht enthalten ist, was ich sehr schade finde, da wir darin erfahren, wie die Geschehnisse im Buch mit historischen Begebenheiten verknüpft sind.
Hanna Caspian hat es geschafft, mich für einige Stunden ins Kaiserreich zu katapultieren. Ich habe Im Takt der Freiheit sehr gern gelesen und mich gefreut, so viel Spannendes über die Geschichte des Fahrrads und das Leben der Reichen in Berlin des 19. Jahrhunderts zu erfahren. Den Roman empfehle ich sehr gern weiter und vergebe fünf von fünf Sternen.

Bewertung vom 22.10.2024
Die Nacht der Schildkröten
Olivo, Greta

Die Nacht der Schildkröten


gut

An dem Buch Die Nacht der Schildkröten von Greta Olivo hat mich alles gereizt: der Titel, Livias Geschichte, das wunderschöne Cover und die begeisterten Leseeindrücke, die ich zu dem Buch gelesen habe. Leider kann ich mich diesen nicht anschließen.
Greta Olivo erzählt Livias Geschichte im Alter zwischen elf und fünfzehn Jahren.
Ich fange mit dem Titel an. Schildkröten kamen nur in einer Szene vor, als die elfjährige Livia im Ferienlager ist und mit anderen Jugendlichen eines Nachts Schildkröten am Strand beobachtet. Sie ist zu eitel, um ihre Brille mit den dicken Gläsern zu tragen und trägt Kontaktlinsen, die sie der Mutter ihrer Freundin entwendet hat. Ich weiß, wie schwer es ist, Kontaktlinsen einzusetzen und Livia schafft es auf Anhieb? Sie vergisst, sie vor dem Einschlafen herauszunehmen und am nächsten Morgen sind ihre Augen zusammengeklebt. Die Betreuerin aus dem Jugendlager bringt sie in die Notaufnahme der Augenklinik.
Livia hat eine Augenerkrankung, die zur Erblindung führt, bei ihr schreitet die Krankheit sehr schnell voran. Sie schämt sich für die dicke Brille, die sie tragen muss. Kontaktlinsen darf sie täglich nur fünf Stunden tragen, sie trägt sie viel länger. Mehrmals in der Woche besucht sie eine Einrichtung für Blinde, in der ihr beigebracht wird, ein Leben als Blinde zu bewältigen: Im Dunkeln zu kochen, die Kaffeemaschine zu füllen, die Kleidung für den nächsten Tag herauszusuchen, sich zu schminken, ohne zu schauen Enthaarungswachs und Hygieneartikel zu benutzen. „Das sind wichtige Dinge, es geht schließlich darum, eine Frau zu bleiben.“ (S. 141) Sie lernt auch, die Braille-Schrift zu lesen.
Livia weist alle, die sich ihr nähern wollen, brüsk zurück: Daniele, der ihr täglich die Hausaufgaben bringt und ihr immer, wenn sie aufgrund ihrer schwindenden Sehkraft, Hilfe braucht, diese anbietet, Schulfreundinnen und eine Lehrerin und sogar ihren Tutor Emilio in der Einrichtung für Blinde.
„Meine Kräfte konzentrierten sich darauf, all das zu bewahren, was mir verloren ging. Ich fühlte mich entsetzlich weit weg von den Leuten in meinem Alter, die Erfahrungen machten, Dinge zum ersten Mal taten, Zeit hatten, etwas aufzubauen. Mein Leben hingegen schien gnadenlos auf den Verlust zuzurasen.“ (S. 134)
Natürlich hatte ich großes Mitgefühl mit Livia, ein Leben in völliger Dunkelheit muss furchtbar sein. Die Autorin hat Livias Umgang mit ihrer Erkrankung authentisch beschrieben. Was meiner Meinung nach fehlt, ist ein Nachwort. Ist Livias Geschichte fiktiv oder an einen realen Fall angelehnt? Woher kennt sich die Autorin so gut mit Erblindung und Einrichtungen für Blinde aus? Dass Livia in Rom lebt, wird kaum ersichtlich, ihre Geschichte hätte auch in Deutschland spielen können. Ich weiß, dass viele diesen Coming of Age-Roman sehr gern gelesen haben, von mir bekommt er drei Sterne.

Bewertung vom 15.10.2024
Der Steg
Johann, Petra

Der Steg


ausgezeichnet

Der Steg von Petra Johann ist der vierte Kriminalroman der Autorin, den ich gelesen habe. Auch dieser Krimi von ihr konnte mich begeistern und gut unterhalten.
Priska und Florian haben vor kurzem geheiratet, sie sind beide um die 30 und sehr ineinander verliebt. Sie haben ein baufälliges Haus auf dem Land im Kieler Umland gekauft. Florian ist selbständiger Schreiner und hat viel Arbeit in das Haus gesteckt, damit es in neuem Glanz erstrahlen kann. Das Haus liegt an einem See, ein Wald erstreckt sich direkt hinter dem noch verwilderten Garten, eine Idylle wie aus dem Bilderbuch.
Das Paar erwartet Priskas Halbbruder Moritz und seine neue Freundin Anna, die vier wollen das Wochenende zusammen verbringen. Moritz hat angekündigt, gegen halb fünf da zu sein. Priska arbeitet an dem Tag nur am Vormittag, geht danach erst einkaufen und anschließend joggen. Als sie vom Laufen zurück ist, sieht sie einen Mann auf dem Steg.
Den Abend verbringen die vier in geselliger Runde beim Abendessen. Am nächsten Tag macht Anna einen Spaziergang zum See und findet im Wasser am Steg die Leiche von Volker, Priskas und Moritz‘ Vater.
Das Buch ist abwechselnd aus Priskas und Annas Perspektive geschrieben. Anna hat schon bald den Verdacht, dass Priska was mit Volkers Tod zu tun hat. Diesen Gedanken behält sie erstmal für sich, da Moritz seine Halbschwester vergöttert.
Von Anfang an ist klar, dass Priska an Volkers Tod schuld ist, es ist die Frage nach dem Motiv, die die Spannung konstant aufrechterhält. Die Polizei legt den Fall als Unfall ohne Fremdverschulden zu den Akten ab, nur Anna und Volkers Freundin Stefanie wollen sich nicht mit diesem Ermittlungsergebnis zufriedenstellen. Besonders Anna steigert sich sehr in ihre private Ermittlung hinein, sie findet Priskas Verhalten von Anfang an suspekt, ihr Verdacht wird durch weitere Ereignisse und Beobachtungen untermauert. Sehr interessant fand ich, dass sie ihre Gedanken als Skizzen aufs Papier bringt, da sie als Tätowiererin sehr gut zeichnet. Moritz und Florian fand ich äußerst naiv und weltfremd in ihrer bedingungslosen Liebe zu Priska.
Das Ende hat mir gut gefallen, obwohl eine Frage offenblieb. Es gibt ein paar Längen, ein paar Seiten weniger hätten dem Buch nicht geschadet, manche Aspekte werden wiederholt genannt. Nichtsdestotrotz fand ich auch diesen Krimi von Petra Johann sehr spannend und unterhaltsam.

Bewertung vom 12.10.2024
Die andern sind das weite Meer
von Kessel, Julie

Die andern sind das weite Meer


ausgezeichnet

Die andern sind das weite Meer von Julie von Kessel hat mir sehr gut gefallen. Es werden wichtige und interessante Themen behandelt wie Demenz und Kriegsberichterstattung in der Ukraine, der Umgang mit dem frühen Verlust der Mutter, aber auch das Thema Beziehungen, sowohl partnerschaftliche als auch familiäre.
Das Buch ist aus der Sicht von Hans und seinen drei erwachsenen Kindern geschrieben: Tom, Luka und Elena.
Hans ist Botschafter a.D., der ehemalige Diplomat ist seit einigen Jahren pensioniert und lebt in Bonn. Seine Frau Maria, die er in Mexiko kennengelernt hatte, ist an Brustkrebs gestorben, als die Kinder noch klein waren.
Tom ist 42, er leitet eine psychiatrische Klinik in Berlin, Luka ist Reporterin, und Nesthäkchen Elena hat Brustkrebs und verdrängt die Diagnose, die Strahlentherapie bricht sie ab. Obwohl sie einen liebevollen Partner und eine dreijährige Tochter hat, stürzt sie sich in eine Affäre und trauert ihrer Jugendliebe nach. „Sein jüngstes Kind hat sich nicht gedreht, sich nicht zum Ausgang bewegt, beides sind Tatsachen, aus denen er später viel über ihr Leben ablesen wird. Sie muss per Kaiserschnitt auf die Welt kommen. Ihr muss von Anfang an geholfen werden.“ (S.143).
Stressbedingt begeht Luka in der Ukraine einen verhängnisvollen Fehler, der sie nicht nur ihren Job kostet, sondern auch Menschenleben gefährdet. Tom verliert einen Patienten, der ihm sehr am Herzen lag, und Elena verliert auf einer Party die Beherrschung – da erreicht sie die Nachricht, dass ihr Vater verschwunden ist. Die drei fahren in ihr Elternhaus nach Bonn und machen sich auf die Suche nach Hans. Allmählich wird ihnen klar, dass ihr Vater demenzkrank ist.
Mir haben das Buch und das Ende sehr gut gefallen. Ich fand alle vier Charaktere sehr interessant und konnte mich gut in sie hineinversetzen, besonders feinfühlig hat die Autorin Hans‘ Gedanken beschrieben. „Luka kannten alle aus dem Fernsehen. Aber sonst gab es nicht viel, womit er hätte prahlen können, keine Hochzeiten, keine Enkelkinder-Schar, keine Immobilien, nichts, was hier zählte.“ (S. 107) Hans denkt nicht nur über seine Kinder, sondern auch über seine Eltern nach, die mit seiner mexikanischen Ehefrau und seinen fremdländisch aussehenden Kindern alles andere als glücklich waren: „Was ist das denn für ein dunkles Bürschchen? Gehört er überhaupt zu uns? Er nennt ihn ab sofort den kleinen Indio.“ (S. 142)
Ein kleines Highlight war für mich das Lokalkolorit. Da ich Bonn gut kenne, habe ich viele der Schauplätze wiedererkannt, auch die Stelle, an der Hans im Rhein schwimmen geht. Von mir eine große Leseempfehlung für diesen feinfühligen Roman, der mich sehr berührt hat.

Bewertung vom 12.10.2024
Wer mit den Wölfen heult / Die Canterbury-Fälle Bd.2
Duncan, Tessa

Wer mit den Wölfen heult / Die Canterbury-Fälle Bd.2


ausgezeichnet

„Wer mit den Wölfen heult“ ist der zweite Fall für die Psychologin und ehemalige Polizistin Lily Brown. Lily lebt in mit ihrem Kater Mick in Canterbury, hält sich aber häufig bei ihrem Freund Dan in London auf. Dan ist Detective bei der MET.
Lily und Dan beschäftigen sich mit drei Fällen: Jerry Hoover, eine junge Mutter, die bei Lily in Therapie ist, die Suche nach einem Serienvergewaltiger und last but not least der Polizist Martin Gordon aus Dover, den Lily auf seine Dienstfähigkeit untersuchen soll, nachdem er während eines Einsatzes auf einen Kollegen geschossen hatte.
Die Kapitel sind meist aus Lilys oder Martins Sicht geschrieben. Es geht um Misogynie und Sexismus/Machismus bei der Polizei und in erster Linie um den Korpsgeist – einer für alle, alle für einen, leider auch in Bezug auf Mobbing und Frauenverachtung. Martin wurde kollektiv von seinen Kollegen geschnitten, nachdem er sich auf die Seite einer Kollegin gestellt hatte, die sexuell belästigt wurde.
In der Therapie erfährt Lily nur Bruchstücke aus Martins Privat- und Berufsleben. Da er ihr Wesentliches verschweigt, kann sie ihm nicht helfen. Nach Martins Tod will sie herausfinden, was vor acht Jahren in London geschehen ist, das dazu geführt hatte, dass sich Martins Leben von Grund auf verändert hatte.
Auch Kinder bzw. Babys spielen eine Rolle in dem Buch. Lily ist 32 und sehnt sich nach einem Kind, doch vorerst ist Dans Ex-Frau von ihm schwanger. Lilys Patientin Jerry Hoover hat bereits ein Kind durch den plötzlichen Kindstod verloren. Sie hat sich an Lily gewandt, da sie erneut schwanger ist und Angst hat, dass auch ihr zweites Kind sterben könnte. Lily recherchiert die Risikofaktoren für den plötzlichen Kindstod und leitet alles in die Wege, um den Schlaf des Säuglings minutiös zu überwachen. Doch auch Jerry ist nicht ehrlich Lily gegenüber.
Auch der zweite Band der Canterbury-Reihe hat mir sehr gut gefallen. Besonders erwähnenswert finde ich, dass die Autorin von dem realen Fall der Marinesoldatin Jenny Böken inspiriert wurde, die 2008 auf der Gorch Fock über Bord ging. Die Umstände ihres Todes sind bis heute nicht geklärt. Es haben sich keine Zeugen gemeldet, was dem Korpsgeist geschuldet sein könnte: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.
Ich mag den Schreibstil der Autorin sehr und finde, dass ihre Canterbury-Reihe genauso spannend ist wie ihre KaDeWe-Dilogie. Über weitere Fälle für Lily Brown und Dan Baker würde ich mich sehr freuen.

Bewertung vom 08.10.2024
Trauriger Tiger
Sinno, Neige

Trauriger Tiger


gut

Ich bin irrtümlicherweise davon ausgegangen, dass das Buch ein Roman ist, das ist es jedoch nicht, es ist ein 300 Seiten langer Erfahrungsbericht der Autorin, die als Kind von ihrem Stiefvater missbraucht wurde. Es gehört eher in die Kategorie Sachbücher oder Selbsthilfebücher.
Ich war überrascht und entsetzt darüber, dass in unserer Gesellschaft den Tätern vergeben wird, und die Opfer dafür verstoßen werden, dass sie ihre internen Familienangelegenheiten öffentlich machen. „Seine schmutzige Wäsche nicht in der Öffentlichkeit waschen heißt oftmals, Schweigen bewahren über unschöne Geschichten – von Missbrauch, Dominanz, Inzest.“ (S. 276)
Beim Prozess sagten viele Zeugen zu seinen Gunsten aus, er sei „ein guter Sohn, ein treuer Freund, ein fleißiger Arbeiter, mutig“ (S. 127). „Uns hat er ja nichts getan.“ (S. 250). Der Stiefvater hat sich nach seinem Gefängnisaufenthalt ein neues Leben mit einer neuen Frau aufgebaut und zwei weitere Kinder gezeugt.
Der Schreibstil ist sehr sachlich, immer wieder betont die Autorin, dass sie eigentlich nicht weiß, warum und für wen sie das Buch geschrieben hat, und auch wenn sie es leugnet, denke ich doch, dass das Schreiben des Buches für sie einen Therapieeffekt hatte. Eine Therapie hat sie nie gemacht, vielleicht wäre diese aber hilfreich gewesen. Vielleicht finden sich Betroffene in dem Buch wieder, für mich war das Buch keine interessante Lektüre.