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Insgesamt 212 Bewertungen
Bewertung vom 03.06.2023
Der Präsident / Maggie Costello Bd.1 (MP3-Download)
Bourne, Sam

Der Präsident / Maggie Costello Bd.1 (MP3-Download)


sehr gut

Eigentlich liegen hier noch mindestens vier tolle Hörbücher, die darauf warten, dass ich über sie schreibe, aber manchmal gibt es dieses eine besondere Buch, welches einen fast zwingt, alles andere liegen zu lassen. Das Thema dieses, ja was eigentlich? Thriller? Satire? Utopie? Wie auch immer, es erscheint mir so naheliegend und real, dass es mich nicht mehr loslässt.

Schon der Name des Autors rief eine Reihe von Assoziationen auf. Bourne – die Bourne-Identität, Verschwörungen, Machtmissbrauch. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich mehr an den Film, als an die Romanvorlage von Robert Ludlum denken musste.

Sam Bourne ist ein Pseudonym, und ich kann mir nicht vorstellen, dass der britische Journalist Jonathan Freedland es nicht mit Bedacht ausgewählt hat, auch wenn er unter diesem Namen bereits einige andere Thriller verfasst hat.

Doch was hat mich an diesem Hörbuch so gefesselt? Eigentlich die konstante Frage „Und wann passiert es wirklich?“ Wenn man es als Hörspielaufbereiten würde, könnte ich mir ähnliche Reaktionen vorstellen, wie bei der Aufführung von Orson Welles Hörspiel „Krieg der Welten“ 1938, das einige Radiohörer für eine Reportage hielten.

Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika regiert auf eine Beleidigung aus Nordkorea völlig cholerisch und will Atombomben starten. Eigentlich wahnsinnig, aber momentan sogar vorstellbar. Das und noch viele andere kleine und größere Puzzelteilchen haben einen so eindeutigen Realitätsbezug, dass man sich wirklich fragen muss, ob dies noch ein fiktiver Thriller ist. Auch trockener, schwarzer Humor ist hier gut untergemischt.

Es gibt einige Elemente, die sehr stark an den letzten Wahlkampf in den USA erinnern und dies ist gewiss nicht nur zufällig. Aber macht das nicht auch einen wirklich guten Thriller aus – die Frage, ob das nicht vielleicht sogar wirklich passieren könnte? Leider muss ich dabei auch zugeben, dass er doch stellenweise etwas vorhersehbar ist. Nebenbei hat er meine Aversion gegen zuviel Steuerung durch Apps bekräftigt. Manches wäre noch vor 20 Jahren im Bereich der Science-Fiction gelandet. Heute sind es interessante Technologien, die aber auch gegen den Menschen eingesetzt werden können. Interessant wiederum, dass das selbst Attentat auf eine höchst altmodische Methode zurückgreift.

Der psychische Kampf von Maggie ist das eigentliche zentrale Element des Thrillers. Was wäre ich bereit zu tun, um etwas Schlimmeres zu verhindern? Könnte ich zusehen, wenn ein Mensch umgebracht wird, weil ich denke, dass er die ganze Welt ins Verderben stürzt, wenn nichts dagegen unternommen wird? Was könnte man vielleicht auch anderes gegen diese Person unternehmen? Wie weit würde ich wohl gehen? Eine ganze Reihe von Fragen, die sich aber während des Hörens aufdrängen und zur Spannung beitragen. Auch wenn man zwischenzeitlich denk, man hätte alles durchschaut, birgt die letzte CD doch noch einige Überraschungen auf dem Feld der Ränke und Intrigen.

Insgesamt eine gute spannende Geschichte. Allein das Ende finde ich etwas unbefriedigend. Ich finde, es hängt etwas in der Luft. Es lässt für meinen Geschmack zu viel offen, was die Hauptperson betrifft. Oder ist Maggie doch eigentlich nur eine Schachfigur in einem großen Spiel?

Bewertung vom 22.04.2023
Wir sind die Guten
Heldt, Dora

Wir sind die Guten


gut

Dora Heldt, da war doch mal was. Ich glaube, meine Mutter hatte sie gerne gelesen, zumindest wollte ich aus diesem Grund nicht so richtig an diesen Krimi von Frau Heldt ran. Außerdem hat dieses Buch auch noch 500 Seiten und ab einer gewissen Dicke des Buches überlege ich mir 3x ob ich es nun lese, oder ob ich es lasse.

Der geneigte Leser merkt aber spätestens jetzt, ich habe mich fürs Lesen entschieden. Mein Gedanke am Anfang war, nur mal schnell ein Kapitel und da es so schön kurz war, vielleicht noch schnell ein zweites. Und ehe ich mich versah, war ich mitten in der Story, habe Karl kennengelernt, den ehemaligen Chef der Polizei in Sylt, seinen besten Freund Onno, dessen neue Freundin Helga, Walter, Heinz und deren Frauen Charlotte und Inge und natürlich Maren, die Tochter von Onno und einzige aktive Polizistin im Dunstfeld von Karl und seiner Ermittlergruppe. Eine recht umfangreiche Liste von handelnden Personen.

Wobei Walter und Heinz nicht so wirklich dazugehören und die mit anderen Aufgaben betreut werden, in diesem Fall mit Schwarzarbeit auf der Insel Sylt. Die anderen fünf begeben sich auf die Suche nach Sabine Schäfer, der Haushaltshilfe von Charlotte und Inge, die spurlos verschwunden ist. Walter und Heinz dürfen davon nichts wissen, da Sabine natürlich schwarz bezahlt wird und die beiden nichts von der Existenz von Sabine wissen und auch nicht wissen dürfen, wobei Sabine Schäfer so oder so nirgendwo existiert. Sie wird überall schwarz bezahlt, wohnt in einem Kellerloch und hat einen falschen Namen angenommen. Was die Suche natürlich nur noch schwerer macht!

Die Polizei von Sylt forscht währenddessen nach der Identität eines vom Roten Kliff bei Kampen gestürzten Mann, der keine Papiere oder sonst etwas dabei hatte! Erst nach einer Woche bekommt die Polizei endlich heraus, wer es ist.

Dass die beiden Fälle irgendwie zusammengehören, merkt der geneigte Krimileser relativ schnell. Aber es ist nicht so, dass es dadurch langweilig wird. Man will irgendwie wissen, wie das ganze zusammengehört. Und das ist es, was Dora Heldt unwahrscheinlich gut gemacht hat. Sie hat den Überblick behalten, was ja bei so vielen verschiedenen Personen relativ schwer ist, und alles sehr logisch und fesselnd miteinander verwoben.

Und da liegt dann auch das Geheimnis, warum der Krimi dann doch 500 Seiten dick ist. Karls Truppe will ja nicht, dass Maren oder andere Personen mitbekommen, was die fünf Rentner treiben. Und sowohl Maren, als auch die Polizei sind froh, dass Karl und seine Freunde sich diesmal nicht in die Ermittlungen einmischen.

Dies führt zu einigen lustigen Situationen, da Maren manchmal am Verstand von Karl zweifelt, da er sich in die Ermittlungen des Toten nicht einmischen möchte. Wobei dies eigentlich genau seine Art ist.

Es ist ein Krimi, den man gerne mal in einem Strandkorb am Strand von Sylt lesen kann. Ist Sylt gerade nicht live verfügbar, kann man alternativ auch die Augen kuz schließen und das Buch auf sich wirken lassen. Es zieht einen einfach ein und fesselt, auch wenn man recht schnell merkt, dass die Fälle zusammengehören, aber man möchte einfach das Warum erfahren und es wird bei zunehmender Dauer immer mehr zu einem Pageturner, da man in die Geschichte reingesaugt wird. Was mir absolut gefallen hat, war die Tatsache, dass sich jeder in die Geschichte eingebracht hat und jede der verschiedenen Personen wichtig für die Auflösung war.

Ich hoffe, dass es noch einen dritten Fall geben wird, da ich denke, dass die Geschichte des Teams noch lange nicht zu Ende erzählt ist, auch wenn ich der Meinung bin, dass sich Karl auch ein wenig zurücknehmen könnte, denn sie alle sind die Guten und das wird auch hoffentlich so bleiben.

Bewertung vom 17.03.2023
Tochter des Diktators
Geipel, Ines

Tochter des Diktators


sehr gut

Gegenwartsliteratur, dann auch noch über die DDR und auch noch Walter Ulbricht und dessen Frau Lotte Ulbricht. Dass diese Menschen eine Tochter hatten, war mir irgendwie abhandengekommen, aber wie ich im Laufe des Buches festgestellt habe, war die adoptierte Tochter Bea nicht gerade beliebt bei ihren eigenen Eltern. Ich kenne das irgendwie anders. Auch bei adoptierten Kindern in meinem Freundeskreis, war immer die Liebe der Eltern zu spüren.

Als dann Ivano in Leningrad gerade diese Bea kennenlernt und die beiden sich auch noch verlieben, sorry, da musste ich das erste Mal Tante Google befragen und mir klappte dann erstmal das Kinn nach unten.

Ich fand es schon sehr erheiternd, dass Bea und Ivano wieder getrennt wurden, weil Mutter und Vater der Tochter es nicht wollten, dass ihr künftiger Mann aus einem nicht-sowjetischen Bruderlande stammt, da dies ja nicht zum Weltbild der Sozialisten passt.

Dies alles wird von Anni erzählt, der besten Freundin von Ivano. Schon seit Kindheitstagen hängen die beiden zusammen. Sie verfolgt die Liebe von Bea und Ivano aus weiter Entfernung, da sie noch nicht einmal Bea kennenlernen konnte. Menschen in meinem Alter erinnern sich sicherlich noch an die Probleme, die man hatte, sobald man von einem deutschen Staat in den anderen reisen wollte. Was besonders für den Ostteil unserer Republik zutraf. Und wenn man das erste Staatskind war, wollten Papa und Mama sicherlich nicht, dass sich die Tochter in Italien rumtreibt. So konnte Anni dann Bea nicht kennenlernen, da Anni sich entweder in Paris oder in Italien aufhielt.

Anni war bei den Studentenprotesten in Paris 1968 mit dabei und beschreibt den Mai von damals sehr eindringlich, obwohl sie bestimmte Ereignisse nicht miterlebt hatte, da sie lieber bei Ivano in ihrer Heimatstadt gewesen ist. Aber bis auf dieses eine Wochenende nimmt man diesen besonderen Mai noch mit.

Ich könnte noch stundenlang darüber schreiben, was in dem Buch alles passiert, wie die Beziehung zwischen Anni und Ivano ist, über das Verschwinden einer Madonna in einer Kirche, Freundschaften im Heimatdorf. Es passiert so vieles in dem kleinen Büchlein, dass ich glaube, ich könnte es nochmals lesen und würde sicherlich noch etwas Neues entdecken. Aber was viel wichtiger ist, das Ganze ist mit so viel Gefühl geschrieben worden, dass man das Gefühl hat, die Autorin des Romans ist genau diese Anni. Aber sie kann es nicht sein, da sie selbst in der DDR geboren wurde und außerdem erst 1960.

Das ganze Buch hat so eine Wärme und so ein Detailreichtum, dass ich in diese Geschichte richtig eingesogen wurde. Es kam auf den ersten 5 -10 Seiten ein wenig seicht daher, wo ich noch dachte „Och naja, das wird ein angenehmes Lesen“. Das wurde es auch, aber auf eine ganz andere Art, als ich es erwartet hatte. Ich konnte das Buch nur sehr schwer aus der Hand legen und habe so sehr mitgefiebert, wobei schon gleich klar wird, dass alle beteiligten Figuren, bis auf Anni, leider schon verstorben sind. Ich musste sogar aufpassen, da mir irgendwie die Tränen langsam in die Augen gestiegen sind und dies ist mir das letzte Mal Mitte der 90er Jahre bei einem Buch passiert. Es ist für mich ein fesselndes Buch der deutschen Geschichte und vielleicht sollte man das Buch auch für den Unterricht in Geschichte, Sozialkunde oder Deutsch empfehlen. Es kann eine gute Diskussionsgrundlage liefern und zeigt, was eine Diktatur aus Kindern machen kann, selbst wenn oder gerade dann, wenn es das erste Staatskind ist.

Bewertung vom 09.03.2023
Die Letzten
Prahs, Madeleine

Die Letzten


ausgezeichnet

Madeleine Prahs. „Da war doch was?“, war mein erster Gedanke, wo ich bei dtv von „Die Letzten“ gelesen habe. Es war das Buch „Nachbarn“ und es hatte mich im Nachgang auch über die letzten Jahre hinweg immer mal wieder beschäftigt. Somit war der Wunsch, „Die Letzten“ zu lesen doch sehr, sehr stark.

Der Klappentext hatte ja einiges versprochen und damit die Latte recht hoch gesetzt. Über die Tapete, die auf dem Cover abgebildet ist, schweige ich besser. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass mir dieses Muster bekannt vorkommt.

Das Anlesen war auch sofort so, dass ich das Verlangen hatte, dieses Buch zu lesen, und so tauchte ich sehr schnell in die Geschichte ein. Dies liegt zum einen an dem Schreibstil von Frau Prahs, der mich diesmal irgendwie noch um einiges mehr fesselt. Wie schon bei den Nachbarn, sind die drei Hauptpersonen richtig scharf gezeichnet. Da ist Hausmeister Karl Kramer, der mir am Anfang wie ein absoluter Spießer vorkam und einem immer mehr ans Herz wächst, je mehr man ihn kennenlernt.

Frau Buttkies, die etwas tüdelige Deutschlehrerin, die Krebs hat und gelegentlich das Gefühl, dass alles in ihrem Kopf verschwindet, was besonders bei dem Aufeinandertreffen mit der Studentin Jersey im Baumarkt, wo diese jobbt, besonders zum Tragen kommt. Jersey ist das Küken der drei noch verbliebenen Bewohner und wird auch die kleine Punkerin genannt.

Alle drei wollen nicht ausziehen. Dies ist das Merkmal, das sie am Anfang eint - ob sie nun wollen oder nicht! Es ändert sich eigentlich erst dann, als der Kater von Jersey durch die verbrannte Perücke von Frau Buttkies umkommt. Karl Kramer hatte diese verbrannt und die Reste in einer Schüssel vor Frau Buttkies Wohnung gestellt. Dass der Kater dann dies frisst und, oh Wunder, nicht verträgt und daran stirbt, ist irgendwie logisch. Dass man dadurch in einer Hausgemeinschaft zusammenfindet, ist dann doch etwas verwunderlich.

Falls man jetzt denkt, dass der Kater der Tote ist, der in dem Buch tragisch umkommt, der liegt weit daneben. Wer umkommt? Keine Angst, dies werde ich sicherlich nicht erzählen! Vor allem das „Wie?“ ist einfach lesenswert.

Komme ich mal langsam zu meinem Fazit. Entweder ist meine Lesegewohnheit mittlerweile eine andere, oder Frau Prahs schreibt noch besser als vorher. Dieses Buch hat mich auf alle Fälle schon beim Lesen so was von mitgenommen, da die Personen, egal welche, eine Tiefe bekommen haben, die sie einem einfach nur ans Herz wachsen lassen. Man spürt die Freundschaft zwischen den Dreien von Seite zu Seite wachsen, wobei sie am Anfang erbitterte Feinde waren. Aber sie haben sich aneinander gewöhnt und sind einer für den anderen da. Sie wachsen alle drei an ihren Aufgaben und Problemen.

Madeleine Prahs hat einen feinen schwarzen Humor, welcher immer wieder durchkommt. Alleine durch die Art und Weise, wie die Geschichte erzählt wird und wer die Hauptpersonen in dem Buch sind, muss man sich ab und an ein Tränchen der Freude ausdrücken. Aber dieses Buch regt auch zum Nachdenken über die verschiedenen Personen und auch ein wenig über unsere heutige Gesellschaft an, denn es zeigt auch, dass man immer wieder von anderen Personen lernen kann, wenn man sich nur auf diese einlässt.

Ich freue mich auf den nächsten Roman von Frau Prahs, und ich würde mich freuen, wenn sie beim Durchstreifen der nächsten Buchhandlung dieses Buch mal in die Hand nehmen, sich in die Geschichte einsaugen lassen und dieses Buch einfach mitnehmen. Wie gesagt es regt zum Lachen und Nachdenken an und ist schon deswegen ein richtig gutes Stück Literatur, welches gelesen werden sollte.

Bewertung vom 14.01.2023
Die Kinder
Dorn, Wulf

Die Kinder


sehr gut

Wo fange ich an, wo höre ich auf? Ich musste erstmal eine Nacht darüber schlafen und selbst jetzt bin ich mehr als nur etwas geschockt. Gut, es ist ein Thriller, und Thriller sollen nun mal unter die Haut gehen. Aber so?

Also erstmal auf Anfang. Man fährt bei einem Unwetter mit Patrick Landers die Bergstraße hinauf, weil er seine Tochter und seine Exfrau suchen will, da er diese nicht mehr erreichen kann.

Dass er dort, wo seine Schwiegermutter umgekommen ist, auf seine Schwägerin trifft, die Hauptperson Laura Schrader, geschenkt - dies kommt nun wirklich oft vor, also zumindest in Romanen. Dass Laura verletzt ist, da sie gegen die Felswand gekracht ist, gut, auch normal - auch wenn es dann schockierend ist, dass er seine eigene Tochter tot mit Kopfschuss im Kofferraum findet, dass er dann, statt mit seiner Schwägerin auf einen Rettungswagen zu warten, nach seiner Frau suchen will und verschwindet - alles schon mal dagewesen.

Nein, so etwas schockt mich nicht mehr und verschafft mir schon lange keinen Angstschweiß mehr auf der Stirn. Wenn ich aber dann erlebe, wie sich die Kinder wie ein Schwarm Fische zusammenschließen und gegen die Erwachsenen einen Krieg führen, das schockt nicht nur. Es geht tiefer. Es bereitet Grauen. Genannt wird dies dann eine Emergenz und ja, man kann dann auch etwas Angst vor einem Kind bekommen, wenn man dies gelesen hat.

Die Geschichte ließ mich bis jetzt noch nicht wirklich los, weil es immer wieder Punkte gab, die mich erschreckt haben. Vor allem wenn diese Dinge auch noch real sind. Wulf Dorn baut in seine Geschichte reale Vorkommnisse ein. Er schildert Situationen wo Kinder unterdrückt, missbraucht oder zu Soldaten herangezogen wurden und beschreibt wie in Amerika 8jährige ein Gewehr geschenkt bekommen.

Es ist nicht abwegig, dass sich dann die Kinder vielleicht eines Tages wehren werden. Man kann es sich ja irgendwie vorstellen, zumal Wulf Dorn ihnen im Roman eine Schwarmintelligenz gibt. 

Es war wirklich so, dass ich immer mehr in die Geschichte gesaugt wurde und man so irgendwann den Wahn von Laura Schrader verstehen konnte. Und zwar so richtig. Also nicht mal so eben kurz, sondern er ließ mich wirklich nicht mehr los. Zum absoluten Pageturner wurde das Buch dann so ab Seite 150, also mehr oder weniger schon zur Halbzeit.

Wenn ich nicht wüsste, dass Wulf Dorn selbst in der Psychiatrie gearbeitet hat, ich würde ihm wirklich anraten, mal eine solche aufzusuchen, denn das Ende schockte mich so sehr, dass ich mir wünschte, der Autor hätte 10 Seiten weniger geschrieben.

Aber eines vorweg der Schluss kommt sehr sachte daher und wenn man das Ende, wie es meine Oma macht, als erstes liest, dann denkt man „Hach, was für ein schönes friedliches Ende“. Das Ende wirkt nur dann so richtig nach, wenn man das ganze Buch gelesen hat - und wenn man über das geschriebene ein wenig nachdenkt.

Ich wünsche viel Spaß mit dem Thriller und ich frage mich, wie es mit den Personen, die Wulf Dorn erfunden hat, nun weiter geht. Ich werde ihn bei Gelegenheit mal fragen, das verspreche ich.

Bewertung vom 05.01.2023
Toni
Wegmann, Ute

Toni


sehr gut

Es war mal wieder an der Zeit, ein Kinderbuch zu lesen, diesmal „Toni“ von Ute Wegmann. Toni ist 10 Jahre alt, ihre Mutter ist gerade schwer krank, und so verbringt sie die Ferien bei ihrer Oma, die sie liebevoll Grossi nennt.

Toni liebt ihre Eltern, ist aber irgendwie auch froh zuhause rauszukommen, weil sie ihrer Meinung nach sehr viel helfen muss, da ihre Mutter wie gesagt gerade schwer krank ist. Dass sie bei „Grossi“ genauso viel tun muss, fällt ihr, glaube ich, gar nicht richtig auf.

Toni ist eine absolute Tierschützerin, weswegen sie sich entschieden hat, Vegetarierin zu sein. Damit stößt sie aber bei ihrer „Grossi“ auf taube Ohren. Diese ist einfach zu alt um sich zu ändern. Und dann bleibt da auch noch die Frage, warum sollte sie sich ändern?

Toni hat gehört, dass bei den Indianern keine Tiere geschlachtet werden dürfen, die einen Namen haben. Das scheint die Idee zu sein, wie sie die Tiere beim  Nachbarn, dem Muffkopf, retten könnte.  Also macht sich Toni auf zum Taufen der Tiere, wobei sie da natürlich nichts ihrer Oma sagt.

Auch nicht, dass sie sich täglich morgens beim Muffkopf verbotenerweise auf dem Bauernhof rumtreibt, um nach den Tieren zu schauen. Das erste Missverständnis zwischen Muffkopf und Toni kommt zustande, als das Lamm Fräulein Limonade vom Bauern zurück zu seiner Herde gebracht wird.

Zwischendurch lernt Toni noch den gleichaltrigen Halbitaliener Antonio kennen, mit dem sie gelegentlich etwas unternimmt. Sie trifft ihn auch zufällig auf der Kirmes im Nachbarort, die sie mit ihrer Oma zusammen besucht.

Es ist ein Buch, für Kinder, die schon etwas häufiger lesen, da es doch mit 184 Seiten recht dick ist. Aber die Geschichte ist in viele kleine Kapitel unterteilt, so dass man als Kind trotz der Dicke einen gewissen Erfolg erkennen kann. Oder man wenn man das Buch vorliest, auch mal sagen kann, noch 2 Kapitel, ohne dass man dann den ganzen Abend gefesselt ist.

Was mir gefällt ist, dass es traurige Momente gibt, aber auch immer wieder Momente zum Lachen. Es wechselt sich immer wieder ab. Und ja, es gibt auch spannende Momente, so dass für jeden etwas dabei ist. Aber ich glaube, dass diese Geschichte noch einmal ein wenig mehr wirkt, wenn man sie vielleicht mit seiner eigenen „Grossi“ zusammen liest. Man kann sich da sicherlich auch mal ein wenig abwechseln und so ein gemeinsames Leseerlebnis erschaffen.

Bewertung vom 26.09.2022
Butcher's Crossing
Williams, John

Butcher's Crossing


ausgezeichnet

Einmal im Monat lese ich ein Buch, welches ich sonst nie lesen würde, so wie diesmal „Butcher’s Crossing“ von John Williams. Manchmal möchte man auch mal etwas aus dem Literaturbereich lesen - ein Bereich, welcher irgendwie zu kurz kommt.
Es war eine Reise in ein Land, das ich so vorher nicht greifen konnte, welches ich mir irgendwie nie vorstellen konnte. Western waren mir immer irgendwie zu plump. Die Büffeljagd ein unnötiges etwas, dem ich nie etwas abgewinnen konnte, da es für mich auch die Lebensgrundlage für die Indianer war und mir das Abschlachten wegen dem Fell unverständlich war und auch noch immer ist.
Und irgendwie sind mir die kleinen Städtchen im Westen der USA auch immer zu weit weg. Irgendwie habe ich immer das Gefühl, dies kann nicht Ende des 19 Jahrhunderts sein. Der Western muss in einer viel früheren Zeit spielen.
Es gibt also wesentlich bessere Startvoraussetzungen für ein Buch, da dies alles ist - nur nicht meins. Dies waren meine Gedanken, als ich das Buch in die Hand genommen habe.
Will Andrews begibt sich also mehr oder weniger ans Ende der Welt - mitten in den Westen von Kansas in der Nähe der Grenze zu Colorado. Ich habe mich also mit Will Andrews nach Butcher’s Crossing bewegt, bin mit ihm die staubige Straße entlanggelaufen als er das erste Mal den Ort betrat. Und irgendwie hat der Ort es geschafft, mich dann auch mit aufzunehmen. Es ist nicht so, dass unwahrscheinlich viel passiert, aber man bekommt ein Gefühl für diesen Ort, auch wenn man ihn recht schnell wieder verlässt.
Die Reise geht weiter ins Gebirge in die Nähe von Denver. Zumindest wird immer wieder gesagt, dass die nächste größere Stadt, von da wo Will, Schneider, Miller und Charley Hoge die Büffel jagen, Denver ist. Auf Grund der generell großen Distanzen und der damals dünnen Besiedelung ist „in der Nähe von“ schon sehr relativ zu sehen.
Man fühlt sich so in die Personen ein, dass man selber meint, durch die Hitze der Reise nahe am Verdursten zu sein und spürt ihre verzweifelte Suche nach dem Tal. Man erlebt den Blutdurst nach Büffelblut teilweise so plastisch, dass man das Gefühl hat, dass das Blut an dem eigenen Körper klebt. Später erfährt man, wie es ist, wenn man nicht den richtigen Zeitpunkt für den Absprung schafft und mitten im Winter in den Rockies festsitzt.
Es war eines der Bücher, wobei mir immer wieder heiß und kalt wird. Es sterben nicht nur die Büffel, sondern auch Menschen. Es wird nicht viel gesprochen, aber doch viel ausgesagt. Es ist auch ein Roman, der viele Fragen beantwortet ohne sie zu stellen. Ich habe mich sehr oft beim Nachdenken erwischt. Für mich ist es eine Perle der Literatur mit einer Vielschichtigkeit in den Personen, wie ich es selten erlebt habe. Für mich ist es ein Buch, welches ich vielleicht noch einmal in die Hand nehmen werde, da es sicherlich noch einen zweiten Blick wert ist. Man kann vielleicht noch etwas aus dem Buch ziehen, was ich jetzt möglicher Weise noch nicht gesehen hat.
Es ist einfach schade, dass dieser Autor erst nach seinem Tod so richtig entdeckt wurde. Ich werde auf alle Fälle noch „Stoner“ und „Augustus“ lesen, die auch von John Williams sind. Mich hat der Roman auf noch viel viel mehr neugierig gemacht.

Bewertung vom 02.09.2022
Auf ewig dein / Time School Bd.1
Völler, Eva

Auf ewig dein / Time School Bd.1


sehr gut

So manchmal, liebe ich ja meinen "Job". Time School von Eva Völler, hätte ich sicherlich nicht gelesen, wenn es nicht in meinem Briefkasten gelandet wäre. Spätestens seit „Zurück in die Zukunft“ ist das Thema Zeitreise sehr präsent bei mir Obwohl mich diese Thematik schon länger interessiert, weiß ich nicht, ob ich auch nach dem Roman gegriffen hätte. Ich bin froh, dass der Roman mich gefunden hat.
Gut, die Zeitenzauber Trilogie kenne ich nun nicht, da gibt es immer wieder in dem Buch so einige Hinweise. Was die handelnden Personen betrifft, würde ich mir doch das eine oder andere mehr an Information wünschen, aber, und dies ist mir wichtig, man kommt trotzdem recht schnell in die Geschichte rein.
Man begibt sich per Zeitreise in die Zeit von Heinrich VIII. Man reist immer wieder nach Hampton Court Palace oder im letzten Teil auch mal in das noch größere aber nicht mehr existierende Palace of Whitehall und man bekommt einen möglichen Einblick in die Zeit der Tudors.
Aber so ganz genau kann man dies nicht sagen. Ich hatte nur das Gefühl, dass sich die Autorin schon für die Zeit interessiert, sich aber auch einiges an künstlerischen Freiheiten genommen hat. Aber warum auch nicht! Es ist ein Fantasyroman und da darf man dies auch gerne tun.
Wobei ich doch einiges an Theorien bemerkt habe, welche die Autorin immer wieder aufgreift, so zum Beispiel die Zeitströme, welche man immer wieder beachten sollte, dass man seinem eigenen Ich nicht begegnen sollte, da dies Folgen haben kann.
Frau Völler hat dies alles sehr gut erklärt und einige Sicherheiten in das Zeitreisen eingebaut, so dass man dem eigentlichen Ich nicht begegnen kann. Dass dies zu Problemen führen kann, kennt der etwas erfahrenere Leser und Interessent von Zeitreisen. Auch den Eingriff anderer in die Träume kennt man und es ist immer wieder schön zu lesen und zu sehen, wie verschiedene Autoren mit den Themen umgehen.
Erfrischend finde ich die Liebesgeschichte zwischen Anna und Sebastiano. Man merkt, dass sie sich lieben und es kommt auch zu erotischen Begegnungen, aber es ist immer so, dass man der Fantasie freien Lauf lassen kann und weder zu viel noch zu wenig beschrieben ist.
Wirklich gelungen sind auch die anderen Personen, die seit der Zeitenzauber-Trilogie wohl neu dazugekommen sind und die in die Time School zur Schule gehen. Da wären Ole, der Wikinger, der ewige Haudegen, der immer wieder alles mit Fäusten und Waffen klären möchte. Trotzdem hat er ein sehr feines Gespür und ein großes Herz.
Fatima, eine orientalische Schönheit, die einen eigenen Charme hat und die man am Anfang nicht unterschätzen sollte.
Und zum Schluss kommt noch Walter hinzu, einer der gerne liest und weniger mit Waffen die Dinge klären will, sondern eher mit der Feder.
Es ist ein Roman, der einiges zu bieten hat. Es ist gute Unterhaltung, mit einigen altbekannten Aspekten der Zeitreisen. Aber es kommt ja immer auf die Mischung an, und ich finde die Autorin hat es geschafft eine gute Mischung aus Herz, Spannung und auch ein wenig Geschichte zu finden. Für mich ist es ein gelungener Start in die Reihe, zumal die Charaktere der Personen sehr gut harmonieren und keiner überladen daherkommt und man immer das Gefühl hat es geht nur zusammen und nicht als Einzelner. Ich freue mich schon auf Frühjahr 2018 wo der zweite Band herauskommt - und sagt jemand, der noch nicht mal zur eigentlichen (jugendlichen) Zielgruppe gehört! Ich bin allerdings ein begeisterter Zeitreisender und freue mich über gut gemachte und nicht zu plumpe Bücher in diesem Genre

Bewertung vom 03.05.2022
Macadam oder Das Mädchen von Nr. 12
Didierlaurent, Jean-Paul

Macadam oder Das Mädchen von Nr. 12


ausgezeichnet

Also, man kann ja nun vieles über mich sagen, aber Erzählungen und Kurzgeschichten sind neben Gedichte nun wirklich nicht gerade mein Spezialgebiet, aber das, was Didierlaurent hier schreibt, muss ich erstmal verdauen.
Ich fange mal besser von vorne an. Also nichts gegen e-Books, aber das Buch MUSS als Buch gekauft werden, und dass mit dem muss meine ich genauso und nicht anders. Gut, der erhabene Buchumschlag, geschenkt, dies kommt ja mittlerweile öfter vor. Aber die Schriftarten, verschiedene Farben der einzelnen Geschichten oder eine andere Schriftart, all dies sorgt schon alleine für ein besonderes Gefühl. Es verstärkt einfach das Lesegefühl. Es wird mit dem Druck gespielt und dies nicht nur mal so hin geklatscht.
Und dann diese Geschichten. Es ist einfach ein Genuss. Jede der 11 Geschichten hat so einen Tiefgang und sie behandeln immer wieder Tabuthemen mit einem Herz und teilweise mit einer Komik, die einen zum Schluss einfach nur Lachen lässt.
Ich nehme einfach einmal die Titelgeschichte, in der das Mädchen von Nr.12 an den Rollstuhl gefesselt ist und es einfach so völlig normale Sachen vermisst. Sie genießt es in einer Mautstation zu sitzen und zu arbeiten, wo man ihre Behinderung nicht sieht. Als sie dann ein Date hat, und derjenige sie auslacht, tut es ihr im ersten, und nur im ersten, Moment weh, und dann kann sie selbst darüber lachen.
Es geht sehr oft um den Verlust, des Vaters, Kindes, leben im Altenheim und viele andere Dinge. Es schmerzt oft, wenn man die Geschichte fertig gelesen hat. Teilweise schmerzt es auch schon mitten drin, denn die Erzählungen sind mit so viel Herz und Tiefgang geschrieben, dass man das Gefühl hat, der Autor muss dass selbst erlebt haben. Aber dann sehe ich mir die Biografie der Autoren an und merke, Mensch dieser Mann ist gerade mal 10 Jahre älter als ich - und dann kann er so schreiben! Er deutet immer wieder an, sorgt innerhalb von ein paar Sätzen für eine tolle Atmosphäre und ist das ist auch ganz klar, nichts für Zwischendurch, da man selbst Stunden später noch über Dinge nachdenkt.
Für mich ein bewegender Erzählungsband, an dem ich wohl die nächsten Erzählungen messen werde, wobei ich wohl auch Sina de Malafosse ein Kompliment aussprechen muss. Ich denke, sie hat es geschafft, die Geschichten gut zu übersetzen, wobei ich dem Französischen nicht mächtig bin, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das Original viel besser ist.