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Bellis-Perennis
Wohnort: 
Wien

Bewertungen

Insgesamt 920 Bewertungen
Bewertung vom 06.12.2024
Die Kraft der Ebbe
Bergsma, Elke;Johannsen, Anna

Die Kraft der Ebbe


ausgezeichnet

Im spannenden dritten und letzten Teil wird es um das Team von Lina Lübbers und Kea Siefken nochmals richtig gefährlich. Es scheint, als wäre der niederländische De-Jong-Clan nicht zu überführen. Der äußerst gewagte Undercover-Einsatz von Hauke Behrends ist die letzte Hoffnung auf Erfolg. Wie gefährdet Hauke ist, zeigt der Tod des Kollegen Lothar Hempen (siehe Band 2/Sie Gewalt des Sturms) vor wenigen Wochen, von dem sich die Kolleginnen und Kollegen nach wie vor nicht erholt haben, wobei niemand weiß, dass er der Maulwurf war, der Linas Anwesenheit in Aurich notwendig gemacht hat. Damit wäre ihr Auftrag eigentlich beendet. Aber nur eigentlich, denn eine neue Spur macht es vielleicht möglich, den De-Jong-Clan doch noch zu überführen. Dafür geben Lina, Kea und auch Hauke alles ....

Meine Meinung:

Der Abschluss, der als Trilogie angelegten Mini-Serie hat mir gut gefallen.

Die interessante Schreibweise hat das Autorinnen-Duo beibehalten: Die Handlung wird abwechselnd aus Keas und Linas Perspektive, jeweils in der Ich-Form, geschildert. Eine geschickte, wenn auch zu Beginn irritierende Idee! Nicht immer ist ganz eindeutig, in wessen Haut wir Leser nun stecken. Da ist aufmerksames Lesen notwendig.

Die Charaktere sind ausgefeilt und wirken recht authentisch. Die beiden Kommissarinnen sind „g’standene Frauen“, d.h. sie arbeiten doppelt soviel wie ihre männlichen Kollegen und sind sich in manchen Dingen ähnlicher als ihnen lieb ist, bzw. sie ahnen. Als im Endspurt das Privatleben der beiden Ermittlerinnen in Gefahr gerät, mobilisieren sie, auch unterstützt vom Polizeidirektor, der den einen oder anderen Alleingang deckt, nochmals all ihre Kräfte.

Manchen Lesern ist diese Reihe vielleicht nicht spannend genug. Für mich ist die Polizeiarbeit recht wichtig und die besteht in der Realität eben aus Teambesprechungen, Durchsuchen von Datenbanken sowie Abgleich von Listen und weniger aus Verfolgungsjagden mit quietschenden Reifen.

Fazit:

Ein gelungener Abschluss dieser Krimi-Reihe, der ich gerne 5 Sterne gebe.

Bewertung vom 03.12.2024
Der echte Krampus / Offizier Gryszinski Bd.4
Seeburg, Uta

Der echte Krampus / Offizier Gryszinski Bd.4


ausgezeichnet

"Der echte Krampus" von Uta Seeburg ist der vierte Band um Major Gryszinski, den königlich-bayerischer Sonderermittler der Münchner Kriminalpolizei. Chronologisch gesehen ist dieser Band der dritte dieser Reihe, da er im Jahr 1897 spielt.

Major Gryszinski reist mit Ehefrau Sophie und dem vierjährigen Sohn Fritzi samt Kindermädchen und Kochlöffel schwingender Köchin Aloisia Brunner nach Bayern, genauer gesagt ins kleine Bergdorf Berghall, um bei der etwas exzentrischen Wiener Gräfin Franziska von Wurmbrand die Adventzeit in deren neu erworbenen Bauernhaus zu verbringen.

Gryszinski, der protestantische Preuße staunt über die zahlreichen Bräuche, die hier im katholischen Bayern im Advent stattfinden und Fritzi erlebt Abenteuer im Schnee.

Doch die Beschaulichkeit der vorweihnachtlichen Idylle wird durch einen Mord gestört. Und weil er eh schon vor Ort ist, wird Major Gryszinski gleich einmal mit den Ermittlungen betraut. Doch wie soll er den Täter unter den als Krampus verkleideten Dorfbewohnern ausfindig machen?

Meine Meinung:

Passend zur aktuellen Vorweihnachtszeit ist dieser Krimi erschienen, der auch gut in der Gegenwart spielen könnte. Eine eingeschworene Dorfgemeinschaft mit all ihren großen und kleinen Geheimnissen, in der zuerst einmal Neuankömmlinge scheel angesehen werden. Nicht zu vergessen sind die mehr oder weniger heimlichen, weil oft unerwünschten Liebesbeziehungen, sowie handfeste Motive um Erbschaften und Vermögen.

Das alles präsentiert uns Uta Seeburg in ihrer unnachahmlichen Art zu schreiben. Das Ambiente rund um das Bergdorf und seine Bewohner ist penibel recherchiert. Daneben dürfen wir uns auf ein Wiedersehen mit alten Bekannten wie Gryszinskis Mitarbeiter die Wachtmeister Voglmaier und Eberle sowie mit Freiherrn von Grabow freuen.
Schmunzeln musste ich über Aloisia Brunner, die zunächst so gar nicht aus München ins unbekannte Berghall reisen und ihre Gewohnheiten aufgeben wollte. Erst die moderne Küche in Wurmbrands Refugium versöhnt sie mit dem „Kuhdorf“ und lässt sie wieder groß aufkochen. An manchen Stellen ist sie mir ein wenig unbotmäßig, nimmt sich einiges ihren Arbeitgebern heraus, was Gryszinski in der Dienststelle vermutlich nicht tolerieren würde. Ihr lautloses Anschleichen, das einem Meuchelmörder würdig ist, erschreckt Gryszinski auch hier.

Ausgezeichnet sind die vielen Bräuche der Vorweihnachtszeit inklusive Aberglauben sowie die Lebensumstände der Menschen beschrieben. Man kann sich ein gutes Bild der Örtlichkeit machen, auch wenn Berghall ein fiktives Dorf ist.

Auf Grund der Jahreszeit gerät der sonst so herrlich trockene Humor Gryszinskis ein wenig ins Hintertreffen. Dafür darf das Ehepaar Gryszinski einer trauten Gemeinsamkeit frönen, ohne die gesellschaftlichen Gepflogenheit der Großstadt beachten zu müssen.

Fazit:

Ein stimmungsvoller winterlicher Krimi, der spannend und unterhaltsam sowie ideal für gemütliche Lesestunden im Advent ist und dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Bewertung vom 01.12.2024
Maria Theresia Ledóchowska

Maria Theresia Ledóchowska


sehr gut

Die Missionarin, die nie in Afrika war

Verlagstext:

„Maria Theresia Ledóchowska (1863-1922), eine junge Frau polnisch-adeliger Herkunft, kam 1885 als Hofdame von Großherzogin Alice von Toskana in die Stadt Salzburg. Hier fand sie ihre Lebensthemen: den Kampf gegen die Sklaverei und die Mission in Afrika. Beide waren zentrale Motive für die Gründung des nach wie vor aktiven Missionsordens vom heiligen Petrus Claver in Maria Sorg. Ihre Ideen verbreitete Ledóchowska mit eigenen Druckwerken, der Herausgabe von Zeitschriften und den modernen Medien des beginnenden 20. Jahrhunderts. In der Stadt Salzburg gründete sie ein Afrika-Museum, das „Claverianum“, und prägte damit das Afrika-Bild ihrer Zeit im Spannungsfeld von Mission und Kolonialismus.“

Da ich gerne Biografien über ungewöhnliche Frauen lese, hat mich dieses Buch interessiert. Über die Ordensgründerin Maria Theresia Ledóchowska ist außerhalb der einschlägigen Community wenig bis nichts bekannt. Nun soll mit diesem Buch, das eine wissenschaftliche und kritische Auseinandersetzung mit dieser Frau sein soll, Abhilfe geschaffen werden. Dazu tragen die Erkenntnisse von 12 Autorinnen und Autoren bei, die nun in dieser Biografie zusammengefasst sind.

Auch wenn ich einräume, das Leben der Maria Theresia Ledóchowska im Kontext der Zeit zu betrachten ist, bin ich von Kapitel zu Kapitel zorniger geworden. Von den europäischen Herrschern sowie der katholischen Kirche, ist man ja die Allmachtsfantasien vom „Gottesgnadentum“ etc. mit dem sie sich auf Kosten anderer bereichert haben, gewöhnt.

Leider bekennt sich Ledóchowska ebenfalls zu dieser eifernden Zwangsmission. Nicht immer ist alles gut, was gut gemeint ist. So kauft sie bzw. ihr Orden von Sklavenhändlern verschleppte Kinder frei. Allerdings nicht um sie ihren Familien zurückzugeben, sondern um „gute (katholische) Christen aus ihnen zu machen. Ein einträgliches Geschäft für die Sklavenhändler, die nun nur mehr die Hand aufzuhalten brauchen.

Besonders verstörend sind die Ansichten der Ordensgründerin wie auf Seite 146 ausgeführt:

„Ledóchowska plädiert zunächst für den friedlichen Weg, also die Ausbreitung des Christentums durch die katholischen Missionen. Die Missionare sind Kolonisten, welche die der Arbeit entwöhnten Neger beten und arbeiten lehren und so nach und nach durch freiwillige Arbeiter die Sklaverei ersetzlich machen. Zweitens fordert sie den Ausbau von Eisenbahnen und Telegraphen, damit der Transport nicht durch Sklav:innen sondern auf der Schiene erfolgen könne. Und drittens müsse das Schwert eingesetzt werden, denn in Afrika sei der Kampf zwischen Christentum und Islam entbrannt, zwischen Kreuz und Halbmond. Dieser dürfe nur begonnen werden, wenn eine Niederlage ausgeschlossen werden könne und das bedeute, dass zuerst an den Küsten die Herrschaft der Europäer etabliert werden müsse.“

Und so eine Person wird seitens der Kirche 1975 selig gesprochen?! Dabei kennt sie die Zu- und Umstände vor Ort gar nicht. Maria Theresia Ledóchowska hat mehr oder weniger gemütlich in Salzburg gelebt und hat Afrika Zeit ihres Lebens nicht besucht. sie kennt alles nur vom Hörensagen und von Fotos, die sie für ihre Vortragsreihen benützt. Diese rund 2.000 oft handkolorierten sind im Ordenshaus Maria Sorg in Salzburg gefunden worden.

Der Orden besteht nach wie vor, weshalb das Stadtarchiv Salzburg nun dieses durchaus kritische Buch zu Maria Theresia Ledóchowska herausgebracht hat. Dass die Ordensgründerin der Freiwilligen Feuerwehr Lengfelden (Bergheim) die damals modernste Feuerwehrspritze gespendet hat, kann meiner Ansicht nach nicht über das Leid hinwegtäuschen, das den Familien in Afrika durch die Christianisierung angetan worden ist.

Ja, es ist notwendig den Menschen in Afrika zu helfen, aber mit Rücksichtnahme auf örtliche Gepflogenheiten und ohne sie zu Bittstellern zu degradieren und als Gegenleistung für die Unterstützung, den christlichen Glauben annehmen zu müssen. Auf der Website des Ordens wird um Spenden für Bücher gebeten. Keines der taxativ aufgezählten Werke hilft den Lesern bei der Bewältigung des kargen Alltags, sondern „soll den Glauben stärken“.

Da zwölf Personen Beiträge verfasst haben, wird in jedem Bezug auf ihre adelige Herkunft genommen. Das ist ein bisschen ermüdend zu lesen. Da hätte das Lektorat eventuell steuernd eingreifen können.

Fazit:

Die kritische Auseinandersetzung mit dieser Ordensgründerin ist längst überflüssig, zumal der Orden, wie in dem Buch zu lesen ist, weiter besteht und seine Arbeit im Sinne seiner Gründerin fortführt. 4 Sterne

Bewertung vom 01.12.2024
Und Wien leuchtete
Arland, Henny

Und Wien leuchtete


sehr gut

Als die junge Berliner Journalistin Elisabeth Wimmer im Jahr 1928 nach Wien kommt und im renommierten Hotel Sacher absteigt, macht unter drei der „Königinnen Wiens“ Unruhe breit. Was will die von Anna Sacher, Emilie Flöge und Helene Stein-Kleiner? Einen Bericht über die bekannte, wohlhabende Frauen schreiben? Oder steckt da mehr dahinter?

Anna Sacher, die mächtige Eigentümerin des Hotels beginnt ihre Fäden zu spinnen und lässt Paul Berger, einen jungen Lehrling, der jungen Frau nachspionieren.

Dabei entdeckt die Sacher, dass es eine Verbindung zwischen Elisabeth Wimmer und dem Skandal rund um die Komtess Mizzi, der in den Jahren 1908 und 1909 Gesprächsthema Nr. 1 war, geben muss.

Meine Meinung:

Henny Arland nimmt den Prozess um den angeblichen Grafen Marcell Veith, der seine noch minderjährige Tochter Komtess Marie „Mizzi“ über vier Jahre lang höchstpersönlich, älteren und vermögenden Männern in diversen Separées zuführt, als Aufhänger für ihren historischen Roman, der 20 Jahre später spielt. Mizzi kann im Prozess nicht aussagen, da sie sich kurz zuvor aus Schande im Donaukanal ertränkt hat. Die Kunden werden von der Justiz mit Samthandschuhen angefasst. Der Vater wird zu einem Jahr Kerker verurteilt. Der Skandal folgt auf dem Fuß, denn nach seiner Entlassung, veröffentlicht Veith mehr als 200 Namen, darunter Aristokraten, hohe Richter, Mäzene, Staatsanwälte und nicht zuletzt auch der Name des Polizeipräsidenten. Soweit die Vorgeschichte, die im Buch „Komtess Mizzi“ von Walter Schübler, sehr gut beschrieben ist, und hier den Hintergrund der Recherchen der Berliner Journalistin bildet.

Daher kann ich die Andeutungen und Hinweise in Henny Arlands historischen Roman sehr gut folgen. Doch bis sich den Damen Sacher, Flöge und Stein-Kleiner die Zusammenhänge enthüllen, haben sie noch einige bange Wochen zu überstehen. Allerdings muss auch Elisabeth Wimmer Lehrgeld zahlen.

Hauptfigur ist diesem historischen Roman ist die Frau Sacher, die mit ihrer unkonventionellen Art zu leben und in ihrem Hotel zu herrschen, bereits zu Lebzeiten eine Legende war. Es scheint, als hätte Frau Sacher der Autorin die Zügel aus der Hand genommen, denn die fiktive junge Journalistin, von der es zunächst den Anschein hat, als würde sie die sogenannte bessere Gesellschaft aufmischen, gerät ein wenig ins Hintertreffen.

Wir begegnen zahlreichen historischen Persönlichkeiten, die im Personenverzeichnis aufgelistet sind. Elisabeth Wimmer, Helene Stein-Kleiner sowie Paul Berger sind fiktive Charaktere, die die Geschichte lebendig machen.

Dieser historische Roman lässt sich leicht lesen und gibt ein authentisches Bild der Großstadt Wien um 1928 wieder. Hier bitterste Armut und dort nach wie vor Reichtum, auch wenn der auf Grund von Inflation und falschem Investment (Kriegsanleihen!) geschrumpft ist. Die Lebensmittelknappheit macht auch vor dem Hotel Sacher nicht Halt.

Sehr gut ist die Bigotterie von Wien um 1910 beschrieben, die auch einen verlorenen Weltkrieg, eine Spanische Grippe und den Zerfall der Donaumonarchie überlebt hat. So müssen auf Grund der Armut und Wohnungsnot zahlreiche Menschen, wie der Lehrling Paul Berger, im Kanalsystem übernachten. Dieser Figur hätte ich gerne mehr Raum geschenkt gewusst.

Fazit:

Ein gelungener historischer Roman aus dem Wien der Zwischenkriegszeit. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 30.11.2024
Wiener Zuckerbäckerei
Wörndl, Bernadette

Wiener Zuckerbäckerei


ausgezeichnet

Dieses, in gediegener Aufmachung als Hardcover mit Lesebändchen und Goldprägung erschienene Backbuch ist eine Hommage an die Wiener Zuckerbäckerei des 19. Jahrhunderts.

Autorin Bernadette Wörndl hat die Rezepte der Zuckerbäckerin Theres Scholz (geboren 1884) in die Moderne übersetzt. Dazu musste sie die Kurrentschrift lernen und die damals üblichen Maßeinheiten wie Loth in das aktuelle System der SI-Einheiten transferieren. Das Wagnis ist ebenso gelungen, wie die wunderbaren Fotos von Melina Kutelas.

Welche Rezepte verrät uns die Autorin?

Kuchen & Tartes
Torten
Schnitten & Rouladen
Teegebäck
Mehlspeisen
Weihnachtsgebäck
Puddings, Cremes & Eingemachtes

Die einzelnen Rezepte sind übersichtlich gestaltet und die Arbeitsanleitung praktikabel verfasst. Als Wienerin finde ist es besonders ansprechend, dass die Zutaten in österreichischem Deutsch angegeben sind. Keine Angst, ein Glossar erklärt die Begriffe.

Während ich diese Rezension schreibe, weht ein himmlischer Duft aus meiner Küche. Mann & Sohn versuchen sich soeben an Schaumrollen (S.100). Für die sonntägliche Jause ist die Mohntorte (S. 67) geplant.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser Hommage an die Wiener Zuckerbäckerei, die nicht nur den Gaumen sondern auch das Auge erfreut, und einen Ehrenplatz im Kochbuchregal bekommen wird, 5 Sterne.

Bewertung vom 30.11.2024
Mein Name ist Barbra
Streisand, Barbra

Mein Name ist Barbra


ausgezeichnet

„Wer zu viel Wahrheit spricht, wird ganz gewiss gehängt.“

„Manchmal hatte ich das Gefühl, meine Nase bekam mehr Presse als ich selbst.“

Lange mussten Fans von Barbra Streisand auf eine Autobiografie warten. Nun ist sie erschienen ! Zunächst nur auf englisch, nun aber auch auf Deutsch. Das Kuriose daran - die Rechte dafür hat Jürgen Lagger, der Eigentümer des Ein-Mann-Verlages Luftschacht in Wien und nach eigener Definition, ein Streisand-Freak, bekommen. Nun liegt es schwer in der Hand, das Werk - 1.200 Seiten, in gediegener Aufmachung und sorgfältig gebunden.

Das Buch liest sich wunderbar. Es ist, als säße Barbra Streisand gegenüber und erzählte aus ihrem Leben. Sie gilt als schräg (Ansichtssache), perfektionistisch (klar, wenn man eine Mutter hat, die einem nichts zutraut) und als Kontrolletti (ja, muss auch sein, wenn sich Männer nicht an Absprachen halten und Szenen aus Filmen herausschneiden). Sie selbst stuft sich als schüchtern ein und kompensiert diese Schwäche (?) mit Ehrgeiz und Fleiß.

Sie spricht über ihre Filme, erklärt facettenreich die diversen technischen Details bei den Kameraeinstellungen, sowie ihr Faible für üppige Kostüme. Das mag, nachdem sie rund 20 Filme gedreht hat, für den einen oder anderen Leser mitunter ermüdend wirken. Mir hat dieser Detailreichtum rund um Filmset bzw. Theater sehr gut gefallen. Ebenso aufschlussreich und beeindruckend ist die Liste der Berühmtheiten aus Film und Theater, die Streisand im Laufe ihres Lebens kennenlernt. Mit einigen davon arbeitet sie auch dann.

Breiten Raum nimmt ihr Herzensprojekt „Yentl“ ein. Ein Film, den niemand so recht machen wollte. Daher übernimmt sie die das Schreiben des Drehbuchs, die Produktion, die Regie und die Hauptrolle gleich einmal selbst. So ist sie, die Streisand. Hindernisse sind dazu da, um überwunden zu werden.

Sie erzählt von ihren Anfängen, Fortschritten und Rückschlägen, sowohl im Beruflichen als auch im Privaten. Interessant ist, dass sie seit ihrer Kindheit einen Tinnitus hat. Noten lesen kann sie übrigens, nach eigener Aussage, auch nicht. Wenn sie eine neue Melodie im Kopf hat, summt sie die dem Pianisten oder Bandleader vor, damit er sie niederschreibt und arrangiert.

An einigen Stellen prangert sie das frauenfeindliche Klima in der Filmwelt an. Als hübsches Gesicht sind Frauen gefragt, da sie Geld in die Kassen spülen, als Produzentinnen oder Regisseurinnen werden sie von der Lobby der alten weißen Männer negiert. Sie spricht auch den eklatanten Unterschied bei den Gagen an.

„Wer zu viel Wahrheit spricht, wird ganz gewiss gehängt.“

Ergänzt wird dieses opulente Werk durch zahlreiche Fotos, Zitate sowie Liedtexte und Auszügen aus Dialogen von Streisands Filmen und Theaterstücken.

Fazit:

Mir hat diese Autobiografie und die Geschichte, wie es zur deutschen Veröffentlichung gekommen ist, ausgezeichnet gefallen. Gerne bewerte ich dieses Buch mit 5 Sternen.

Bewertung vom 01.11.2024
Wiener Künstlermord (eBook, ePUB)
Ritter, Michael

Wiener Künstlermord (eBook, ePUB)


gut

In seinem dritten Kriminalroman lässt Michael Ritter im Dunstkreis der Wiener Secession ermitteln. Man schreibt das Jahr 1917 und der Erste Weltkrieg wird trotz der (halbherzigen) Bemühungen von Kaiser Karl, der nach dem Tod von Franz Joseph nun regiert, Frieden zu schließen, noch ein Jahr weitergehen und Tausende Opfer fordern.

Michael Sterner, einer der Künstler wird erstochen aufgefunden und eines seiner Kunstwerke, die Plastik einer bronzenen Gänse ist verschwunden. Blöderweise haben Sterner kurz zuvor mit dem Präsidenten der Secession lautstark gestritten, daher zählt er für den jungen Kommissar Hechter zu den Hauptverdächtigen.

Nun soll Kriminaloberinspektor Dr. Otto Fried, auf Drängen seines ehemaligen Schulfreundes und nunmehrigen Präsidenten der Wiener Künstlervereinigung Secession, Ferdinand Schmutzer, nur ungern nach. Zum einem ist er auf Urlaub und zum anderen hat sein junger Kollege Hechter den Fall als leitender Ermittler übertragen bekommen. Allerdings ist Dr. Fried schon ein wenig neugierig und stellt gemeinsam mit seinem ebenfalls beurlaubten Assistenten Novak, die eine oder andere Nachforschung auf eigene Faust an.

Gleichzeitig plagen ihn private Sorgen, denn Max, sein Schwiegersohn, ist eben aus dem Lazarett entlassen worden und zieht bei Dr. Fried und seiner Tochter Amalia ein. Im Schlepptau hat er Josef Wurmer, der ihm angeblich das Leben gerettet hat und sich dabei die Hände schwer verletzt hat. Dabei sind seine Hände sein größtes Kapital ist der ebenso Künstler wie der Tote.

Als Wurmer dann noch in einer Branntweinlaune erklärt, dass er und Sterner ein homosexuelles Verhältnis hatten, lenkt dies Dr. Frieds Überlegungen in eine ganz andere Richtung. Doch Hechter will von seinem Hauptverdächtigen nicht abrücken ...

Meine Meinung:

Dieser dritte Fall für Dr. Otto Fried hat mir nicht ganz so gut gefallen wie die beiden Vorgänger („Wiener Hochzeitsmord“ und „Wiener Machenschaften“).

Mir ist nicht ganz klar, warum Fried und Novak ihren Urlaub nicht abbrechen können. Die aktuell gültige Regelung, dass nicht konsumierte Urlaubstage mit Jahresende verfallen, wird es wohl nicht sein.

Bei ihren privaten Recherchen stolpern Fried und Novak ein bisschen durch die Geschichte. Tja, so ganz ohne die Helferleins im Büro, die für Akteneinsicht etc. geht es eben doch nicht. Hechter, zuvor noch ein sympathischer Kerl, zeigt nun Ehrgeiz und Ambitionen für höhere Weihen. Ob die Zusammenarbeit in Zukunft gut gehen wird?

Der zweite Handlungsstrang rund um Schwiegersohn Max, der ja schon im ersten Fall eine Rolle gespielt hat, sowie um Josef Wurmer hat mich da fast mehr interessiert. Die mehrfache Erwähnung der sauberen Verbände an seinen Händen hat mich auf seine Spur gelockt. Wurmer ist das, was man in Wien einen Strizzi nennt. Immer wieder in Geldnöten, ist er für Kartenspiel und Branntwein gerne zu haben. Rücksichtslos manipuliert er Max und nützt dessen Naivität und Vertrauen aus. Und ja, der Krieg bringt bei den meisten das Schlechteste zum Vorschein.

Ich bin schon neugierig, ob und wie es mit Dr. Otto Fried, seiner Tochter Amalia und Schwiegersohn Max weitergeht. Die nächsten Herausforderungen mit der Niederlage im Krieg, dem Zerfall der Donaumonarchie und der Spanischen Grippe stehen schon vor den Toren.

Fazit:

Nicht ganz so eloquent wie die beiden anderen Fälle, daher nur 3 Sterne.

Bewertung vom 01.11.2024
Elsässer Bescherung (eBook, ePUB)
Laurent, Jean Jacques

Elsässer Bescherung (eBook, ePUB)


weniger gut

Gleich vorweg, dieser 8. Fall für Jules Gabin, den Major bei der Gendarmerie im weihnachtlich geschmückten Colmar, ist der schwächste dieser Reihe. Stellenweise habe ich das Gefühl, dass noch schnell ein Weihnachtskrimi auf den Markt geworfen werden sollte.

Worum geht’s?

Jedes Jahr treffen sich die ehemaligen Schulkolleginnen und Kollegen aus Gabins Klasse über das 4. Adventwochenende. Nach Städten wie Paris oder Nizza, findet das gesellige Beisammen diesmal in Clotildes Auberge de la Cigogne statt. In der winstub tischt Clotilde auf, was die Elsässer Küche so an Spezialitäten bietet, darunter auch das beliebte Elsässer Früchtebrot sowie des Pain d’espice (Lebkuchen). Wenig später bricht Gabriel, der mäßig erfolgreiche Romanautor, beim Verzehren eines Lebkuchens tot zusammen.

Recht bald ist klar, dass Gabriel mit Blausäure vergiftet worden ist und er wird nicht der einzige Tote bleiben ..

Meine Meinung:

Bei diesem Krimi handelt es sich um eine klassische „locked room Situation“. Jeder ist verdächtig, niemand verlässt den Raum, niemand kommt hinzu. An sich ein beliebtes Szenario, das gerne bei britischen Krimis verwendet wird. Der mit den Ermittlungen betraute Kriminalist, vernimmt die Personen einzeln, hört sich die Aussagen an, schießt kurz einmal ins Blaue, skizziert dann in der großen Runde seine Erkenntnisse und, schwupps, verrät sich der Täter meist selbst.

Dass Gabins Ehefrau die Untersuchungen leitet und er selbst als Protokollant bei allen Vernehmungen dabei ist, obwohl er befangen ist, weil er alle Tatverdächtigen sehr gut kennt, erscheint ziemlich unglaubwürdig.

Nun ja, der Schachzug mit dem Bluff gelingt, et voilà, der Täter ist überführt.

Allerdings ist beim Klappentext der Name des Toten mit Clement angegeben, dabei ist Gabriel ermordet worden.

Jedenfalls völlig deplatziert und unnötig ist der Appendix „Gruß aus der Vergangenheit“, in dem Jules Drohbriefe von einem zunächst Unbekannten erhält. Es scheint, als hätte der Briefschreiber Gabins Ex-Freundin entführt. Die Maschinerie der Polizei läuft an, die Situation wird bedrohlicher und endet mit einem Knalleffekt. Der inzwischen identifizierten Verfasser der Drohbriefe kann entwischen.

Wenn das ein Cliffhanger für einen nächsten Krimi sein soll, wird die Fortsetzung ohne mich stattfinden.

Nebenbei bemerkt ist dem Autor die Timeline durcheinandergeraten. Das Klassentreffen findet am 4. Adventwochende statt. Der erste der dubiosen Briefe trifft zwei Tage nach der Auflösung des Falles ein und hier kann man folgendes lesen:

„Zwei Tage sind seit den tragischen Ereignissen in Coltildes Auberge vergangen. Fünf Tage blieben noch bis zum Vierten Advent, und das Weihnachtsfest stand vor der Tür.“

Fazit:

Leider der schwächste Krimi dieser Reihe, dem ich nur 2 Sterne geben kann.

Bewertung vom 01.11.2024
Unversehrt. Frauen und Schmerz
Biringer, Eva

Unversehrt. Frauen und Schmerz


gut

»Ein Mann bekommt Schmerzmittel. Eine Frau etwas für die Nerven.«

Eva Biringer nimmt sich eines Themas an, das lange nicht im Fokus war: Schmerzen aus Sicht der Frauen.

Es geht hier nicht nur um die unterschiedlichen Arten von Schmerzen, sondern um den Umgang damit. Jahrzehntelang werden Schmerzen bei Frauen ignoriert ("Da musst du durch") und/oder mit Tabletten zugedröhnt. Ursachenforschung wurde selten betrieben. Frauen haben zu funktionieren. Punkt, aus, basta!

Der rote Faden, der sich durch die 9 Kapitel des Buches zieht, ist die Lebens- und Leidensgeschichte ihrer Großmutter, die ihr gesamtes Leben an chronischen Schmerzen gelitten hat.

Schmerz in Worte fassen
Wie der Schmerz in unsere Welt kam
Uns wird Schmerz bereitet
Unser Körper bereitet uns Schmerz
Unserem Schmerz wird nicht geglaubt
Unser Schmerz wird betäubt
Wir bereiten unserem Körper Schmerz
Unser Schmerz wird begehrt
Reclaim the Pain

Das Buch zeigt auf, wie weiblicher Schmerz unterschätzt, übergangen und abgewertet wird.

Meine Meinung:

Dieses Buch ist anders, als ich erwartet habe. Das beginnt schon beim Cover, das man genau betrachten muss. Auf den ersten Blick suggeriert es genau das Gegenteil, was der Klappentext verspricht: Die Verletzlichkeit vonFrauen.

Ich dachte an ein Buch, das sich mit Gendermedizin beschäftigt. Die wird hier nur gestreift, dafür driftet die Autorin häufig in feministische Agitation ab, was an sich nichts Böses ist, mich aber hier gestört hat.

Stellenweise polarisiert das Buch, vor allem dann, wenn die Autorin wertet. So werden Frauen, die Boxen als „wütend = gut“ dargestellt, jene die im Fitnessstudio bei „Bauch-Bein-Po“ ihren Körper trainieren als „traurig = schlecht“, klassifiziert. Da lese ich eine gewisse Stutenbissigkeit heraus, die ich schon überwunden geglaubt habe. Frauen, die ihre Geschlechtsgenossinnen abwerten statt stärken, haben ausgedient. Es genügt, wenn wir Frauen uns gegen das Patriarchat wehren müssen, da braucht es markige Ansagen von anderen Frauen nicht zusätzlich.

Ich stimme der Autorin zu 100% zu, wenn sie vehement fordert, dem weiblichem Schmerz mehr Raum zu geben, Frauen zuzuhören und sie ernst zunehmen. Allerdings kann nicht allen ihren Thesen und Aussagen beipflichten.

Die Empfehlung, in Begleitung eines Mannes (es muss nicht einmal der eigene Partner sein) zur gynäkologischen Untersuchung zu gehen, um vom männlichen Frauenarzt ernst genommen zu werden, erinnert doch schon ein wenig an das Frauen verachtende Weltbild mancher Regime. Echt, das soll helfen? Wollen wir das wirklich? Also ich nicht.

Fazit:

Da ich hatte auf Grund des Klappentextes einen stärkeren medizinischen Bezug erwartet habe und deshalb enttäuscht bin, bewerte ich das Buch mit 3 Sternen.

Bewertung vom 01.11.2024
Der Liebhaber vom See
Pésémapéo Bordeleau, Virginia

Der Liebhaber vom See


ausgezeichnet

Nach „Das Winterkind“ (L’Enfant Hiver) ist dieser Roman „Der Liebhaber vom See“ (L’Amant du Lac) der zweite Roman der autochthonen Schriftstellerin und Malerin Virginie Pésémapéo Bordeleau. Die Autorin wurde 1951 in Rapides-des-Cèdres als Tochter einer Cree-Mutter und eines Québecer Métis-Vaters geboren.

Sie erzählt hier die leidenschaftliche Liebesgeschichte zwischen dem Trapper Gabriel, einem Métis mit weißem Vater und autochthoner Mutter, und Wapokoni, einer jungen Algonquin, deren Großmutter Sakikan Ikwe mit sechzehn von einem katholischen Priester vergewaltigt wurde, weshalb Wapokoni rothaarig ist.

Sakikan Ikwe und Wapokoni leben in einer autochthonen Dorfgemeinschaft am Lac Abitibi in der Provinz Quebec. Der Trapper Gabriel taucht auf der Flucht vor der Polizei plötzlich im Dorf auf. Obwohl Wapokoni schwanger und verheiratet ist, und Gabriel mit der weißen Rose-Ange quasi verlobt ist, beginnen die beiden eine amour fou, die nur wenige Tage dauert.

"Dieser Mann trug den Zauber in seinen Händen. Sie erinnerte sich an diese vertraute Geste, wenn sein Messer den Stift spitz hobelte, mit dem er diese Linien aufs Papier zeichnete. Und dann liebte sie ihn intensiv und die Zeichen drangen tief in sie ein." (S. 63)

Gabriel kehrt in sein eigenes Dorf auf der anderen Seite des See zurück und muss erfahren, dass Rose-Ange den neuen Arzt heiraten wird. Ein Trapper ist eben doch kein ebenbürtiger Ehemann.

Inzwischen ist der Zweite Weltkrieg ausgebrochen und Kanadier werden in die Armee einberufen. Drei Jahre kämpft Gabriel in Europa gegen die Nazis.

Kurz nach seiner Rückkehr nach Kanada, erfährt er, dass Wapokoni nun verwitwet ist. Kurz entschlossen macht er sich mit Schlitten und einem Gespann Schlittenhunde auf den Weg zum Lac Abitibi.

Meine Meinung:

Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen, was auch der grandiosen Übersetzung von Michael Killisch-Horn zu verdanken ist. Killich-Horn hat bereits zahlreiche Bücher autochthoner Autoren wie Michel Jean übersetzt.

Durch den ganzen Roman schwingt die sinnliche Stimmung der Autochthonen, die in ihrer teilweisen nomadischen Lebensweise brutal verfolgt und gewaltsam zur Sesshaftigkeit verdammt worden sind. Einige trotzten den Misshandlungen der katholischen Kirche und den staatlichen Umerziehunginternaten. Vor allem Frauen wie Sakikan Ikwe und Wapokoni konnten sich ihre körperliche Lust und Sinnlichkeit bewahren.

Der Schreibstil der Autorin gefällt mir sehr gut, obwohl ich im allgemeinen eher geradlinige Texte bevorzuge.

Das Buch ist im Klagenfurter Verlag Wieser als Hardcover in gediegener Ausstattung mit Lesebändchen erschienen. Gabriels Gedichte und Zeichnungen der Schriftstellerin und Malerin Virginie Pésémapéo Bordeleau machen dieses Buch zu einer kleinen Kostbarkeit.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser literarischen Liebeserklärung an den Lac Abitibi und seinen Bewohnern 5 Sterne und eine Leseempfehlung.